"Schutz vor gefährlichen Hunden - ja! Aber: Keine pauschale Diskriminierung von Mensch und Tier".

Diese Forderung erhebt nicht etwa ein betroffener "Kampfhund"-Besitzer -das verlangen namhafte Persönlichkeiten wie die Frau des Bielefelder Unternehmers August Oetker, Alexandra Oetker, Mitbegründerin des Liberalen Netzwerkes, Bielefelds Polizeipräsident Horst Kruse, Staatsanwalt Karl-Ernst Pekoch sowie Erster Polizeihauptkommissar Alfred Marciejewski, Leiter des Arbeitskreises der diensthundehaltenden Verwaltungen des Bundes und der Länder und Leiter der Landespolizeischule NRW. Als Mitglieder der "Interessengemeinschaft Mensch & Hund" kommen sie kaum in den Verdacht, Tierschutz über die körperliche Unversehrtheit von Kindern oder alten Menschen stellen zu wollen.

Zur Vorbereitung auf eine Expertenanhörung durch die SPD-Landtagsfraktion am morgigen Freitag (8.9.00)  in Düsseldorf hatte die "IG Mensch & Hund" zahlreiche Interessenvertreter zu einem runden Tisch nach Ostwestfalen Lippe eingeladen, um in einem Sondierungsgespräch Positionen abzustecken.

Ergebnis der fast zehnstündigen Debatte ist beiligendes 17-Punkte-Papier, in dem einige der in den Landtag geladenen Experten schon vorab Stellung zu Fragen nehmen, die dem Umweltministerium in den letzten Wochen wiederholt gestellt wurden - nach Meinung von "Mensch & Hund" bislang aber nicht befriedigend beantwortet wurden. Die Antworten machen deutlich:

Es hat den vielbeschworenen akuten Handlungsbedarf in Sachen "Kampfhundgefahr" nie gegeben - wohl aber ein erhebliches behördliches Vollzugsdefizit, das auch von der neuen Landeshundeverordnung nicht abgedeckt wird. Lesen Sie das 17-Punkte-Papier und machen Sie sich selbst ein Bild.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Drews

IG Mensch & Hund

 

1. Auf welchen Erkenntnissen beruht die Rassenliste der Anlage 1?

Dazu Achim Konnegen (Rechtsanwalt):
»Von kynologischer Seite haben sich alle Fachleute ausdrücklich gegen eine pauschale Stigmatisierung bestimmter Hunderassen verwahrt. Von juristischer Seite kann die von Frau Ministerin Höhn ins Feld geführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Januar 2000 (AZ: BverwG 11 C 8.99) die Rasselisten in einer Verordnung nicht rechtfertigen. Die zuvor genannte Entscheidung bezieht sich ausschließlich auf einen steuerlichen Satzungstatbestand auf kommunaler Ebene. Hierbei räumt das BverwG dem Satzungsgeber einen "Experimentierfreiraum" ein. Danach soll es sogar unerheblich sein, ob die Rasselisten kynologisch und wissenschaftlich fundiert abgefasst sind. Es ist daher unmöglich, diese Entscheidung des BverwG zur Rechtfertigung von Rasselisten im Rahmen einer Landeshundeverordnung (im Gegensatz zu einer niederrangigen örtlichen Satzung) heranzuziehen. Im Polizei- und Ordnungsbehördenrecht herrscht unstreitig ein sehr viel engerer Ermessensspielraum für den Verordnungsgeber.«

2. Auf welchen Erkenntnissen beruht die Rassenliste der Anlage 2?

Dazu Thomas Achim Schoke (Autor des Buches "Herdenschutzhunde"):
»Dr. Bottermann vom Umweltministerium gab in den o.a. Gesprächen zu, dass die Hunde der Anlage 2 dem Inhaltsverzeichnis meines Buches "Herdenschutzhunde" ungeprüft entnommen wurden (Ausnahmen: Rottweiler, Dobermann). Kein Mitarbeiter des Ministeriums hat das Buch selbst im Zusammenhang studiert. Bezeichnenderweise werden auf der Anlage 2 Rassen genannt, von denen einige seit Jahrhunderten als ausgestorben gelten müssen und in meinem Buch nur im Rahmen geschichtlicher Betrachtungen erwähnt wurden ("Liptak"‚ Goralenhund). Einige Rassen aus anderen Ländern werden in Deutschland weder gehalten noch gezüchtet, so dass der Eindruck entsteht, das Motiv zum Verbot dieser Rassen ist eine primitive Deutschtümelei (z.B. Mioritic, Carpatin, Karakatschan). Alle 23 genannten Herdenschutzhundrassen zusammen haben in den letzen fünf Jahren in NRW einen einzigen Beißunfall verursacht. Auch dieser Umstand war den Mitarbeitern des Ministeriums bekannt, da zu diesem Punkt eine NRW-spezifische Statistik und eine parlamentarische Anfrage im Landtag von NRW existierten. Die Nennung der Herdenschutzhundrassen auf der Anlage 2 ist durch kein Argument zu rechtfertigen.«

3. Auf welchen Erkenntnissen beruht die 40/20er Regelung?

Dazu Alfred Maciejewski (Leiter des Arbeitskreises der diensthundehaltenden Verwaltungen des Bundes uns der Länder/Leiter der Landespolizeischule für Diensthundführer NRW):
»Alle Hunde besitzen ein natürliches Aggressionsverhalten, welches für sie existentiell wichtig ist. U.a. waren es gerade auch diese Fähigkeiten, die den Hund zu einem nützlichen Partner des Menschen und zu einem wichtigen Kulturgut werden ließen. Die Gefährlichkeit von Hunden ist individuell geprägt. Sie ist aber grundsätzlich nicht rassespezifisch. Hunde sind insgesamt nicht ungefährlich, einzelne auch überdurchschnittlich gefährlich - aber es gibt keine gefährlichen Hunderassen. Die Gefährlichkeit des einzelnen Hundes ist abhängig vom genetisch bedingten Aggressionsverhalten, seiner körperlichen Kraft, vor allem aber von seinem Sozialpartner Mensch, der Haltung, Erziehung und Ausbildung beeinflusst. Es ist daher falsch, die präventiven Instrumente der Hundeverordnung an der Größe, dem Gewicht oder an Rassen zu orientieren. Es ist dagegen richtig und notwendig, die behördlichen Maßnahmen auf das individuelle Verhalten von Hunden und auf Eignung, Befähigung und Verhalten (Sachkunde und Zuverlässigkeit) der als Halter, Züchter oder Ausbilder verantwortlichen Menschen abzustellen.«

4. Wie oft wurden Kinder in den letzten 5 Jahren Opfer von Beißunfällen? a) generell, b) im häuslichen Bereich, c) unter Beteiligung der indizierten Rassen?

Dazu Harald Wiegand (Medienreferent des Clubs für französische Hirtenhunde):
»Eine entsprechende Statistik konnte ich - trotz intensiver Bemühungen - nirgendwo finden. Weder existiert eine verlässliche Untersuchung mit qualifizierter Beschreibung von Beißattacken, noch eine Untersuchung hinsichtlich des Anteils der nun indizierten Hunderassen am Gesamtaufkommen der Beißunfälle. Auch eine Erhebung über Unfälle mit verletzten Kindern gibt es offenbar nicht. Um dennoch Zahlen zu nennen, sei hier ein Zeitungsbericht zitiert:
Eine Gefahr, vom Hund schwer verletzt zu werden, kann man in Berlin, einer der hundereichsten deutschen Städte, nicht einmal mühsam herbeirechnen. Keine Statistik zählt die von Hunden gebissenen Menschen verbindlich. Bellen, Anknurren, Beißen unter Hunden, Anspringen, Beißen von Menschen - alles wird in den Zählungen zusammengerührt, wie viel Hunde es in der Stadt gibt, kann man nur ahnen. Klaus Schaarschmidt, Direktor der Kinderchirurgie Buch, gibt an, in Berlin seien in fünf Jahren 24 Kinder von Hunden schwer verletzt worden, wobei sich 85 Prozent der Verletzungen im Haushalt zugetragen hätten. Man rechne selber nach: 15 Prozent von 24 schweren Verletzungen in fünf Jahren, das sind pro Jahr 0,72 Verletzungen, die nicht im Haushalt stattfinden. Legt man andere Schätzungen zu Grunde, die die Zahl der Verletzungen in der eigenen Wohnung bei 95 Prozent sehen, ist eine Gefahr, auf der Straße von einem Hund schwer verletzt zu werden, kaum noch zu erkennen. (Quelle: Martin Z. Schröder, Berliner Zeitung v. 03. Juni 2000).

5. Welche Experten haben an der LHV fachberatend mitgearbeitet?

Dazu Alfred Maciejewski (Leiter des Arbeitskreises der diensthundehaltenden Verwaltungen des Bundes uns der Länder/Leiter der Landespolizeischule für Diensthunde):
»Ob und - wenn ja - welche Experten fachberatend an der Erarbeitung der neuen Landeshundeverordnung mitgearbeitet haben, wurde der Öffentlichkeit nach meinem Kenntnisstand bislang nicht mitgeteilt. Einzig ein Gutachten der Kieler Tierärztin und Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen wurde einmal in einer Fernsehsendung zitiert. Ich selbst wurde in meiner Eigenschaft als Leiter des Landespolizeischule für Diensthunde und Leiter des Arbeitskreises der diensthundehaltenden Verwaltungen des Bundes und der Länder erst nach Inkrafttreten der neuen Landeshundeverordnung um eine beratende Mitarbeit gebeten.«

6. Hat es vom Landesumweltministerium eine Untersuchung zum Thema "Kampfhunde"-Problematik/Beißunfälle gegeben und - wenn ja - zu welchem Ergebnis ist man dabei gekommen?

Dazu Harald Wiegand (Medienreferent des Clubs für französische Hirtenhunde):
»Eine aktuelle Statistik wurde - so es die geben sollte - bislang nicht veröffentlicht. Die letzte recherchierbare Erhebung ist eine Antwort des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 19.04.1999 auf eine kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Marie-Luise Fasse, Clemens Pick, Hermann Josef Schmitz und Anne-Hanne Siepenkothen (CDU) Nr. 1238 vom 22. Februar 1999. Darin wird festgestellt, dass in der Zeit von 1995 bis 1998 insgesamt etwa 57 Hunde aufgrund der Feststellungen der zuständigen Ordnungsbehörden wegen eines Angriffsverhaltens gegenüber Menschen für gefährlich im Sinne der Gefahrhundeverordnung NRW eingestuft wurden. Auffällig ist, dass die Zahl von 22 im Jahr 1996 und 18 in 1997 auf 10 in 1998 kontinuierlich rückläufig ist. In der Statistik wird nicht vermerkt, ob es sich bei den Vorfällen tatsächlich um Attacken mit Verletzungen oder lediglich um ein aggressives Verhalten von Hunden gegenüber Menschen handelt (Anknurren, Anspringen, etc.) Detailliert aufgeführt sind dagegen die an diesen Auffälligkeiten beteiligen Rassen. Von den 57 Hunden gehörten 11 Exemplare Rassen der Anlage 1, 5 der Anlage 2 an. 9 der 13 in Anlage 1 indizierten Rassen und 28 der 29 in Anlage 2 aufgeführten tauchten in den Statistiken überhaupt nicht auf (Quelle: Landtag NRW, Drucksache 12/3865 vom 19.04.1999).«

7. Gibt es in NRW Gruppen verhaltensauffälliger Hundehalter, die sich bevorzugt der Hunde der Anlage 1 oder 2 bedient?

Dazu Manfred Arning (Kriminalhauptkommissar Polizeipräsidium Bielefeld):
»Es gibt bislang keine amtlichen Erhebungen zu dem Besitz von Hunden der genannten Anlagen. Es ist jedoch zu beobachten, dass Hunde der Anlagen 1 und 2, aufgrund der Bekanntheit durch die Medien und der ihnen allgemein unterstellten körperlichen Fähigkeiten und Schärfe zu einem Modehund von Kriminellen und von Personen wurde, die diese Tiere als Waffe (Bedrohungsmittel) und zur Aufwertung ihrer eigenen Persönlichkeit nutzten. Anzumerken ist, dass auch die Zahl der Hunde der Anlagen 1 und 2 im Besitz von seriösen Hundehaltern nur unzulänglich geschätzt werden kann.«

8. Gibt es Vollzugsdefizite der zuständigen Behörden (Ordnungsbehörden, Polizei, Justiz)?

Dazu Manfred Arning (Kriminalhauptkommissar Polizeipräsidium Bielefeld):
»Die allgemein akzeptierten und zur Lösung der Probleme geeigneten Vorschriften der Gefahrhunde-VO NW aus dem Jahre 1994 wurden von den originär zuständigen Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden nicht in dem vom VO-Geber gewollten Umfang umgesetzt. Die Gefahreneinschätzung seitens der einzelnen Ordnungsbehörden anhand des zur Verfügung stehenden statistischen Materials über Beißvorfälle (z.B. Erhebung des Städtetages) war eine deutlich geringere als die heutige vor dem medienverursachten Druck der Öffentlichkeit vertretene Meinung. Es mangelte an landeseinheitlichen Konzeptionen und Sachkompetenz zur Durchsetzung der VO sowie insbesondere an Personal und Geldmitteln. Weiterhin mangelte es in der Vergangenheit an abschreckenden Bußgeldern und Urteilen als Folge von Verstößen gegen die Gefahrhunde-VO bzw. Tatbeständen nach dem Tierschutzgesetz.«

9. Welche Vorteile ergeben sich durch diese neue Verordnung?

Dazu Manfred Arning (Kriminalhauptkommissar Polizeipräsidium Bielefeld):
»Gegenüber der Gefahrhunde-VO NW aus dem Jahre 1994 ergeben sich im Vergleich keine Verbesserungen. Deutlich werden jedoch die Auswirkungen der umfassenden überwiegend einseitigen Medienberichterstattungen begleitet durch unüberlegte und übereilte Statements von verschiedensten Politikern in Form einer deutlichen Beschädigung des subjektiven Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung. Provoziert wurden Angst vor jedem Hund, insbesondere aber den Hunden der genannten Anlagen und ihren Haltern bei großen Teilen der sich bislang neutral verhaltenden Nichthundehalter und unbefangenen Kindern. Geweckt wurde ein kaum kontrollierbarer Ausbruch von Feindschaften zwischen Hundegegnern und Hundebesitzern. Es existieren sogar Aufrufe seitens verschiedener Ordnungsbehörden zur Denunziation in der Nachbarschaft als Hilfsmittel zur Erfassung von Hundehaltern und Erhebung von Fehlverhalten. Die Behörden geraten durch die geweckten Feindschaften mehr und mehr in die Situation, durch Dienstaufsichtsbeschwerden und Rechtsstreitverfahren vor dem Hintergrund drohender Staatshaftung zum Handeln gezwungen zu werden.«

10. Ist die von Hundehaltern ausgehende Bedrohung höher einzuschätzen als die von Schwerstkriminellen?

Dazu Manfred Arning (Kriminalhauptkommissar Polizeipräsidium Bielefeld):
»Die neue Landeshunde-VO vermittelt den Eindruck, dass die Einschränkung der Rechte eines Hundehalters weitergehend ist als die der Polizei zugestandenen strafprozessualen Maßnahmen zur Bekämpfung von z.B. organisierter Kriminalität. Die zum Teil veröffentlichten beabsichtigten Änderungen von Gesetzen durch die Bundesregierung, z.B. die Verpflichtung zum Gestatten des Zutritts in Wohnungen und Besitztum von Hundehaltern (Auskunftspflichtigen) durch die Ordnungsbehörden ohne richterliche Anordnung mit der Konsequenz der Einschränkung des Grundrechtes der Unverletzlichkeit der Wohnung, machen die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen gegen Hundehalter deutlich.«

11. Ist diesem Problem so große Bedeutung beizumessen, daß Sie im Gegensatz zu gängigen rechtsstaatlichen Prinzipien eine Umkehr der Beweislast rechtfertigt?

Dazu Achim Konnegen (Rechtsanwalt):
»Die Landeshundeverordnung unternimmt den einmaligen, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen in keinster Weise zu rechtfertigenden oder auch nur zu billigenden Versuch, elementare Verfassungsrechte - wie die Unschuldsvermutung - auszuhebeln. Diese Unschuldsvermutung wird jedem Bürger, etwa einem Beschuldigten in einem Strafverfahren, selbstverständlich bis zum Beweis seiner individuellen Tatschuld zugestanden. Darin dokumentiert sich die Qualität eines demokratischen Rechtsstaates. Selbst Taten der Schwerstkriminalität - muss insofern tatsächlich an die widerlichen Taten Rechtsextremer erinnert werden - führen zu Recht nicht zu einer Aushöhlung verfassungs- und strafprozessualer Grundrechte des Täters, wie sie die Unschuldsvermutung oder der Grundsatz "in dubio pro reo" darstellen. Anders die Hundeverordnung NRW. Die Landeshundeverordnung geht sogar noch weiter. Selbst bei vollständiger "Widerlegung der Schuldvermutung durch den Täter Hundehalter" bleiben die Sanktionen der Landeshundeverordnung zum Teil aufrechterhalten, so z.B. das Zuchtverbot für bestimmte Rassen. Mit anderen Worten bleibt selbst bei einem umfassenden Entlastungsbeweis des Hundehalters eine Sanktion gegen ihn aufrechterhalten.«

12.Welche Auswirkung hat die LHV auf die Situation der Tierheime und den Tierschutz?

Dazu Claudia Schürmann (Vorsitzende des Vereins Bullterrier in Not e.V.):
»Durch den Druck der LHV auf die Halter der &quo;Anlage 1 Hunde" ( Verängstigung, Repressalien, etc.), trennen sich viele Halter von ihren Hunden. Die Tierheime können die Flut ausgesetzter und abgegebener Hunde nicht bewältigen, zumal die Vermittlung dieser Hunde untersagt ist. Aufgrund dessen sahen sich die Tierheime genötigt (z.B. Mönchengladbach), Tötungen von durchaus vermittelbaren Hunden vorzunehmen. Durch die Überbelegung in den Tierheimen verschlechtern sich die Haltungsbedingungen für die einzelnen Hunde drastisch (Bewegungsarmut durch Einstellen von Spaziergängen, Verringerung der Betreuungszeiten durch Überbelastung). Deprivation und Verhaltensauffälligkeiten sind die Folge.«

13. Ergeben sich hieraus Konflikte mit dem Tierschutzgesetz?

Dazu Dr. Eisenhart von Loeper (Rechtsanwalt und 1. Vorsitzender des Vereins Menschen für Tierrechte e.V.):
»Alle die Hunde belastenden Maßnahmen, die nicht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit "erforderlich", geeignet und angemessen sind, verstoßen gegen das TierSchG. An zwei Beispielen ist dies auf drastische Weise zu zeigen: Zum einen hat das Halten angeblich rassespezifisch besonders gefährlicher Hunde, die in Wahrheit nicht "aggressiv" sind, schon in zahlreichen Fällen deren Tötung zur Folge gehabt und damit Straftaten entgegen § 17 Nr. 1 TierSchG nach sich gezogen. Um dies künftig zu verhindern, müsste jedem Halter solcher rassisch verfolgter Hunde aufgrund des Tierschutzgesetzes ein "berechtigtes Interesse" im Sinne der VO zuerkannt werden. Die Verordnung würde damit im Sinne der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes entschärft. Zum anderen ist auch ein Maulkorbzwang, der mangels Gefährlichkeit eines Hundes grundlos angeordnet wird, ausgesprochen kontraproduktiv und gesetzwidrig. Denn dem Hund werden ungerechtfertigt Leiden zugefügt, weil er sein arttypisches Verhalten nicht mehr ausleben kann. Zum anderen erzeugt dies geradezu Aggressionen des Tieres und ist auch deshalb tierschutzgesetzwidrig, wie Sachverständige bestätigen."

14. Gibt es konkrete Hilfe durch das Ministerium für Tierheime ?

Dazu Claudia Schürmann (Vorsitzende des Vereins Bullterrier in Not e.V.):
»Da konkrete Hilfen durch das Ministerium trotz mehrfacher Anmahnungen unterbleiben, müssen wir davon ausgehen, dass die oben genannten Tierquälereien und Tötungen vermittelbarer Hunde billigend in Kauf genommen werden.«

15. Wie kann das Land sicherstellen, das genügend Freilaufflächen für Hunde innerhalb aller Stadtgebiete ausgewiesen werden, die für jedermann erreichbar sind?

Dazu Manfred Arning (Kriminalhauptkommissar Polizeipräsidium Bielefeld):
»Die Kommunen verfügen nicht im ausreichenden Maße über geeignete im Besitz der Kommune befindliche Flächen. Private Flächen können rechtlich nicht ausgewiesen werden.«

16. Wie soll angesichts der in den Tierheimen angestauten Hunde der Anlage 1 die längst eingeforderte und überfällige Regelung der Vermittlungspraxis gestaltet werden?

Dazu Claudia Schürmann (Vorsitzende des Vereins Bullterrier in Not e.V.):
»Unverzügliche Freigabe der "Anlage 1 Hunde" zur Vermittlung
Erfassung von Eigenschaften der Hunde
Hundesteuerbefreiung
Überprüfung der Fachkompetenz des zukünftigen Halters
Volljährigkeit sowie polizeiliches Führungszeugnis«

17. Wie ist dieser Erlaß der neuen Hundeverodnung politisch zu bewerten?

Dazu Alexandra Oetker (Mitbegründerin des bundesweiten Liberalen Netzwerkes):
»Äußerst negativ. In einer Zeit, in der wir uns mit so widersinnigen Entscheidungen wie der Gesundheits-"Reform" sowie der Rechtschreibreform auseinandersetzen müssen, ist der Erlaß der neuen Hundeverordnung m. E. ein weiteres Beispiel politischer Willkür, das keineswegs nur Hundehalter und Tierschützer aufrütteln sollte, sondern jeden mündigen Bürger. In blindem Aktionismus wurde hier die als vorbildlich geltende Gefahrhundeverordnung von 1994 kurzerhand ersetzt durch ein von Populismus geprägtes bürokratisches Monster, das allenfalls eine Scheinsicherheit vermittelt und nicht nur staatsrechtliche Bedenken aufwirft, sondern auch in deutlichen Konflikt mit dem Bundestierschutzgesetz gerät. Die Halbherzigkeit gegenüber den wahren Schuldigen aus dem kriminellen Milieu wird kompensiert durch unsinnige Vorschriften gegenüber einer Vielzahl verantwortungsvoller Hundehalter, wobei hier in erschreckendem Maße dem Denunziantentum sowie einer neuen Form der Gewalt Vorschub geleistet wird: schwere Übergriffe von Hundegegnern auf Hundefreunde sind heute an der Tagesordnung. Es kann nicht hingenommen werden und widerspricht jedem Demokratieverständnis, dass wir uns in zunehmendem Maße Bestimmungen beugen müssen, die ohne erkennbaren Sachverstand an der jeweiligen Problematik vorbei zum Gesetz erhoben werden.«

Die "Interessengemeinschaft Mensch & Hund" bietet folgende Vorschläge zur Problemlösung an:

Modifizierung der neuen Landeshundverordnung
Rücknahme der Rasselisten sowie Rücknahme der Umkehr der Beweislast bzw. Wiederinkrafttreten der Gefahrhundeverordnung NRW von 1994 mit folgenden Ergänzungen:

  • Sachkundenachweis (Hundeführerschein) durch den Hundekäufer
  • individueller Gefahrentest (Wesensprüfung) bei auffällig gewordenen Hunden
  • Maulkorbzwang für auffällig gewordene Hunde bis zur Vorlage einer bestandenen Wesensprüfung
  • gesetzliche Möglichkeit zur Beschränkung der Hundehaltung bei nach-gewiesenem Mangel an Zuverlässigkeit und Eignung des Halters
  • strenge Überwachung der Zucht mit Augenmerk auf Aggressions- und Qualzucht (Schaffung eines längst überfälligen Heimtierzucht-gesetzes)
  • konsequente Verfolgung von Tierschutzverstößen und abschreckende Sanktionierung von Fehlverhalten gegen die Gefahrhundeverordnung NW von 1994 bzw. kommunale Vorschriften (Leinenzwang)
  • Leinenzwang für alle Hunde in Wohngebieten
  • Kennzeichnungspflicht (Mikrochip) für alle Hunde
  • konsequente Anwendung existierender gesetzlicher Vorschriften gegen kriminelle Hundehalter
  • Befreiung von der Hundesteuer für Besitzer von Hunden aus Tierheimen

 

Perspektivisch:
Ersatz der Landesregelungen durch Bundesregelungen, um Ungleich-behandlungen und Rechtsunsicherheit zu vermeiden.

Siehe dazu auch : Die 10 Punkte von Maulkorbzwang.de



           Systran.com

 

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