8 Verfassungsbruch beenden:
Hundeverordnung sofort außer
Kraft setzen
Antrag
der Fraktion der F.D.P.
Drucksache
13/323
Ich eröffne die Beratung. Für
die antragstellende Fraktion hat als Erster Herr Dr. Grüll das
Wort.
Dr. Stefan Grüll (F.D.P.): Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben wiederholt in
diesem Parlament über die Hundeverordnung diskutiert.
Heute geht es nicht darum, nochmals deutlich zu machen, dass es
ein untaugliches Instrument mit handwerklichen Fehlern ist. Es geht
nicht darum, nochmals deutlich zu machen, dass die Menschen im Land
immer noch empört sind und dass der Widerstand eben nicht nachlässt.
Es geht nicht darum, nochmals deutlich zu machen, wie hier Menschen
diffamiert und in eine Ecke gestellt werden, in die sie nicht gehören. Das
ist alles bekannt. Wir haben uns darüber wiederholt ausgetauscht.
Wir erreichen mit der Diskussion heute vielmehr eine neue Qualität
der Diskussion. Es geht darum - da greife ich das auf, was
Innenminister Behrens gerade zu dem letzten Tagesordnungspunkt
gesagt hat -, deutlich zu machen, dass wir auch in puncto
Hundeverordnung rechtsstaatlich handeln wollen, aber mit Augenmaß
und mit Besonnenheit, wie es der Innenminister formuliert hat.
Im völligen Gegensatz zu diesem Anspruch steht das, was die
Datenschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer
Stellungnahme im Oktober zu der Hundeverordnung ausgeführt hat.
Dieses als Ohrfeige zu bezeichnen, Frau Ministerin Höhn, wäre noch
sehr zurückhaltend. Es ist unter Verfassungsgesichtspunkten ein
vernichtendes Urteil, das Ihnen die Datenschutzbeauftragte da
ausgestellt hat.
Führungszeugnisse einzufordern - so steht es da - sei
aufgrund der Intensität des Grundrechtseingriffes mit Blick auf die
Verhältnismäßigkeit mit unserer Verfassungslage schlicht
unvereinbar. Es gibt da auch keine Differenzierung zwischen dem so
genannten großen und kleinen Führungszeugnis. Sie sagt schlicht,
an dieser Stelle Führungszeugnisse zu fordern, sei ein
Grundrechtseingriff von einer Intensität, der verfassungswidrig
sei, weil er erstens durch die Verordnung als Ermächtigungsgrundlage
nicht gedeckt sei und weil er zweitens unverhältnismäßig sei.
Das ist keine Behauptung der F.D.P., sondern die Aussage der
Datenschutzbeauftragten dieses Landes. Als F.D.P. sagen wir klar:
Wenn es denn so ist und wir in unserer Kritik an der Hundeverordnung
bestätigt werden, dann muss dieses Parlament
dringend handeln, um das zu tun, was wir in der Überschrift dieses
Antrages sagen, nämlich diesen Verfassungsbruch schleunigst
beenden. Das geht nur, indem man diese Verordnung sofort außer
Kraft setzt und zeitgleich - um kein Missverständnis zu
erwecken: wir wollen keinen rechtsfreien Raum - zu der vom
seinerzeitigen Umweltminister Klaus Matthiesen entwickelten
Gefahrhundeverordnung zurückkehrt und diese in Kraft setzt.
Die Zeit muss dann genutzt werden, um vernünftige Regelungen zu
finden. Über diese haben wir ja bereits diskutiert, und sie liegen
auf dem Tisch. Sie sind auch von der Expertenrunde auf den Tisch
gelegt worden, die Sie, Frau Ministerin, gemeinsam mit der
SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen in den Landtag eingeladen
hatten.
Die Forderung nach Führungszeugnissen und die Forderung von
Ordnungsämtern in diesem Land - das ist Lebenswirklichkeit -
von Menschen, die sich nichts anderes haben zuschulden kommen
lassen, als einen Hund zu halten - man mag sich das einmal
vorstellen -, nach Grundrisszeichnungen ihrer Wohnungen oder Häuser
sowie Lageskizzen und Fotos sind unglaublich. Wo sind wir
eigentlich?
Eben wurde mit sehr viel Emotionalität - die ich an dieser
Stelle sogar verstanden habe - von dem Kollegen der
SPD-Fraktion, Herrn Jentsch, vorgetragen, dass wir nicht den gläsernen
Bürger wollen. Wenn wir den nicht wollen, dann kann für
Hundehalter allerdings auch nichts anderes gelten. Dann können wir
auch nicht den gläsernen Hundehalter wollen. Das Schnüffeln, meine
ich, sollten wir den Vierbeinern vorbehalten. Die können es von
Natur aus besser, und da ist es auch angebracht. Der Staat sollte
sich schlicht darauf konzentrieren, wirksame Regelungen zu schaffen,
um die Menschen wirklich vor gefährlichen Hunden zu schützen, aber
er sollte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, zulasten unserer
Verfassung und unter Missachtung dieser Verfassung.
Insofern - ich wiederhole das - kann es nur darum
gehen, diese Verordnung sofort auszusetzen und der staatlichen Schnüffelei
ein Ende zu bereiten.
Liebe Frau Höhn, Big Brother ist ein Waisenknabe gegenüber Big
Sister Höhn!
Es gibt hier nur eine Konsequenz. Ich wiederhole das. Die
Menschen werden sich nicht beruhigen. Ich sage das, weil ich
zwischendurch immer wieder höre, dass Sie sagen, es werde alles
nicht so heiß gegessen, wie es gekocht werde, die Menschen gewöhnten
sich daran und würden sich beruhigen. Nein, sie werden sich nicht
beruhigen. Am 18. November findet wiederum in Düsseldorf eine
Großdemonstration statt, weil die Menschen auch nach vier Monaten
nicht bereit sind, sich damit abzufinden, was in diesem Land
geschieht.
Herrn Ministerpräsident Clement sind schon die nächsten 10.000
Unterschriften gegen diese Verordnung avisiert. Damit liegen jetzt
ca. eine viertel Million Unterschriften der Landesregierung vor.
Ich glaube, es ist Zeit zu handeln. Tun wir es gemeinsam. Beenden
wir den Verfassungsbruch. Kehren wir zurück zur
Gefahrhundeverordnung des Jahres 1994. Ich mache noch einmal für
die F.D.P.-Fraktion das Angebot an die Landesregierung, auf dieser
Grundlage dann gemeinsam in die Beratung einer vernünftigen,
handwerklich einwandfreien und wirksam schützenden Verordnung
einzutreten, ohne dabei die Verfassung zu missachten. Darum bitte
ich um Zustimmung zu diesem Antrag. - Herzlichen Dank.
(Beifall
bei der F.D.P.)
Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Herr
Dr. Grüll. - Als Nächster spricht Herr Krings für die
SPD-Fraktion.
Hans Krings (SPD): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wir befassen uns jetzt zum wiederholten Male mit der
Landeshundeverordnung. Deswegen will ich mich wirklich auf
Anmerkungen beschränken, die zu diesem Thema hier noch nicht gesagt
worden sind. Aufhänger der heutigen Debatte sind die Bedenken der
Landesbeauftragten für den Datenschutz. Die nehmen wir selbstverständlich
ernst, denen muss man sich stellen. Aber wir teilen diese Bedenken
nicht.
Die Landesbeauftragte moniert zunächst einmal, dass eine
gesetzliche Grundlage erforderlich ist, wenn die Vorlage eines Führungszeugnisses
verlangt wird. Das ist nicht überall in unserem Staate so. Das fußt
zwar auf der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts,
ist aber nicht grundlegend so. Die
Landeshundeverordnung hat eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
im Ordnungsbehördengesetz. Die gesetzliche Ermächtigung deckt das
ab. Denn hier geht es um Gefahr für Leib und Leben. Es ist nicht
erforderlich, dass das in jedem Einzelfall gilt. Dem Grundsatz nach
gilt das. Damit ist die Vorlage eines Führungszeugnisses abgedeckt.
Das kommt auch häufiger in unserem Rechtssystem vor. Sie müssen
auch für ganz andere wesentlich banalere Dinge ein Führungszeugnis
vorlegen. Die Verwaltung kann sogar durch einfachen Verwaltungsakt,
wenn sie Zweifel in die persönliche Zuverlässigkeit hat, jemanden
veranlassen, ein Führungszeugnis vorzulegen. Das ist damit
abgedeckt.
Das ist im Einzelfall auch sinnvoll. Wenn nämlich das Führungszeugnis
ergibt, dass jemand im Bereich Gewalt oder Trunkenheit anfällig
ist, dann ist auch eine gewisse Vermutung berechtigt, dass man bei
der Haltung von Hunden anfällig ist und geneigt ist, den Hund als
Waffe zu benutzen. Dafür gibt es genügend Parallelen. Die
Lebenserfahrung zeigt das auch. Diese Vorlage macht im Einzelfall
auch Sinn.
(Zuruf
des Dr. Stefan Grüll [F.D.P.])
- Sie persönlich habe ich auch nicht gemeint. Ich sehe Sie an,
weil Sie eben gesprochen haben. Ich weiß nicht, ob Sie einen Hund
halten, Herr Kollege Dr. Grüll. Sie haben sich aber dieses Thema
vorgenommen. Ich glaube, Sie sind der einzige, der sich so intensiv
mit diesem Thema befasst.
(Dr. Stefan
Grüll [F.D.P.]: Es wäre schön, wenn die Ministerin sich so
intensiv damit befasst hätte!)
Ich komme zum nächsten Argument, dass es mildere Mittel gäbe:
Auch dieses Argument zieht nicht. Mildere Mittel wären im Grunde
einschneidender als die Vorlage eines Führungszeugnisses. Die
Verwaltung müsste dann hingehen und eine Gleichbehandlung durch
Vermutungen ersetzen. Das wäre gravierender. Die Verwaltung müsste
im Einzelfall den Betreffenden hinterherforschen. Das halte ich auch
für einschneidender als die normale Vorlage eines Führungszeugnisses.
Wir nehmen also die Bedenken der Landesbeauftragten für den
Datenschutz ernst, aber sie schlagen nicht durch. Das Ganze wird
ohnehin, da es jetzt in der Welt ist, vor Gericht entschieden
werden. Wir können eine Plausibilitätsbetrachtung in einem
Quervergleich mit anderen Rechtsmaterien vornehmen. Danach sind die
Bedenken nicht durchschlagend. Deswegen sehen wir keinen Grund, die
Umweltministerin aufzufordern, ihre Verordnung in diesem Punkt zu
korrigieren oder sogar ganz zurückzuziehen.
Wir werden also Ihren Antrag ablehnen. Das Thema wird uns weiter
befassen und vor Gericht entschieden werden. Aber diese
vorgebrachten rechtlichen Bedenken schlagen nicht durch. Für uns
ist dieser Punkt damit abgeschlossen. - Ich danke Ihnen, meine Damen
und Herren.
(Beifall
bei der SPD)
Vizepräsident Laurenz Meyer: Vielen Dank, Herr
Krings. - Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Uhlenberg.
Eckhard Uhlenberg (CDU): Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Grüne Selbstherrlichkeit ist
wichtiger als Sachverstand, roter Kleinmut zählt mehr als
Fachwissen. So ist die Situation in Nordrhein-Westfalen im November 2000,
wenn über die Landeshundeverordnung diskutiert wird.
Diese Landeshundeverordnung ist fachlich falsch. Sie ist zusammen
mit den Ausführungsbestimmungen ein bürokratisches Monstrum, das
die Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht vor tatsächlich gefährlichen
Hunden und deren verantwortungslosen und gar kriminellen Züchtern
und Haltern schützt.
Die Landeshundeverordnung diskriminiert Hunderttausende
untadelige Hundehalter und deren Familien. Sie spaltet unsere
Gesellschaft, wie ich damals schon gesagt habe, in Hundehalter und
Hundehasser.
Wenn das, was um die Landeshundeverordnung bisher passiert ist,
Sinnbild für den Neuanfang von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen
sein soll, Herr Ministerpräsident, dann lautet das Fazit ein
knappes halbes Jahr nach der Landtagswahl: Schade um
Nordrhein-Westfalen.
Was ist das für ein Politikstil, den die rot-grüne
Landesregierung hier pflegt? Da laden die Land-tagsfraktionen
von SPD und Grünen Experten zu einer Alibi-Anhörung ein, wohl
wissend, dass die vorhersehbaren Ergebnisse der Anhörung sowieso
nicht in die rot-grünen Politikschablonen passen. Da werden Zitate
gebeugt und Behauptungen aufgestellt, die nicht der Wahrheit
entsprechen. Das heißt, da wird schlicht und einfach die Unwahrheit
gesagt. Frau Ministerin, das ist auch in einigen Punkten deutlich
nachgewiesen worden.
(Unruhe)
Vizepräsident Laurenz Meyer: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich darf um Aufmerksamkeit für den Redner bitten.
Eckhard Uhlenberg (CDU): Die SPD sieht mit
Unbehagen, dass sie natürlich für das mit in Haftung genommen
wird, was der kleinere Koalitionspartner hier verbrochen hat; denn
die Regierung Clement/Höhn hat für ihre Landeshundeverordnung
keinen fachlich fundierten Fürsprecher.
Was hören wir in diesen Tagen von der SPD? - Wir hören ein müdes
Bellen in Person des SPD-Fraktionsvorsitzenden. Herrn Moron fällt
zu dieser Landeshundeverordnung die Formulierung ein, dass diese
Landeshundeverordnung eingedampft werden sollte. Das gelte
insbesondere für die Hunderasselisten 1 und 2. Er spricht von
Eindampfen, als ob es hier um Bügelarbeit im Haushalt ginge. Wie
weit sind Sie eigentlich weg von dem, was die Menschen in diesem
Lande tatsächlich bewegt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
SPD?
Bei dieser Landeshundeverordnung hat es einmal mehr kein
ordentliches Beteiligungsverfahren der Verbände gegeben, die diese
Landeshundeverordnung in Nordrhein-Westfalen in die Praxis umsetzen
müssen. Ich zitiere aus einer Stellungnahme des Städte- und
Gemeindebundes:
"Die kommunalen Spitzenverbände
waren wenige Tage zuvor in einer Art Ad-hoc-Beteiligungsverfahren
vom Ministerium angehört worden. Diese Beteiligung im Rahmen eines
am selben Tage einberufenen anderthalbstündigen Gesprächs
entspricht bei aller Eilbedürftigkeit nicht den Vorstellungen der
kommunalen Spitzenverbände einer konstruktiven Zusammenarbeit. Eine
grundlegende Auseinandersetzung mit dem Verordnungsentwurf war bei
dieser Gelegenheit nicht mehr möglich. Dies ist umso
bedauerlicher,"
- so die kommunalen Spitzenverbände -
"als der Geschäftsstelle
bekannt ist, dass an dem Entwurf seitens der Landesregierung schon
einige Wochen gearbeitet worden ist."
Meine Damen und Herren, die Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind
eben diejenigen, die dieses Monstrum von Verordnung umsetzen müssen.
So gehen Sie mit den kommunalen Spitzenverbänden um.
Wir als CDU-Fraktion haben in den vergangenen Wochen und Monaten
unsere Position hier im Landtag immer wieder deutlich gemacht. Wir
waren die Fraktion, die einen konkreten Antrag zur Überarbeitung
der Landeshundeverordnung gestellt hat. Wir haben Sie dazu
aufgefordert, aber Sie waren nicht bereit, diese
Landeshundeverordnung zu überarbeiten.
Wir stimmen heute dem F.D.P.-Antrag zu, diese
Landeshundeverordnung abzulehnen. Ich hoffe, dass der Antrag hier
und heute eine Mehrheit findet, damit das unwürdige Spiel dieser
Landeshundeverordnung in Nordrhein-Westfalen endgültig beendet
wird.
(Beifall
bei CDU und F.D.P.)
Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Herr
Uhlenberg. - Als Nächstes hat Herr Priggen für die grüne
Fraktion das Wort.
(Jürgen
W. Möllemann [F.D.P.]: Herr Priggen, sprechen Sie jetzt nicht gegen
Ihre eigene Überzeugung!)
Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Wir haben mehrfach über das Thema "Hundeverordnung"
geredet. Deshalb will ich es kurz machen: Der F.D.P.-Antrag fordert,
die geltende Hundeverordnung sofort außer Kraft zu setzen und
zeitgleich die bis zum 6. Juli geltende Gefahrhundeverordnung
wieder in Kraft zu setzen. Ich habe an der Anhörung,
die Sie eben erwähnt haben, teilgenommen. Ihrer Auffassung von der
Qualität und Ihrem Vorwurf, dass dort Zitate gebeugt worden seien,
stimme ich nicht zu. Eines habe ich sehr deutlich in Erinnerung:
Eine Reihe von Vertretern aus den Kommunen und von den Ordnungsämtern
ist gefragt worden, wie sie die Umsetzung der alten
Gefahrhundeverordnung einschätzen. Sehr deutlich wurde darauf
gesagt, die alte Hundeverordnung habe ihnen keine Möglichkeit
geboten einzuschreiten, bis dass ein Hund jemanden mehrfach verletzt
hat. Es hat also nicht gelangt, dass ein Hund einmal zugebissen hat
und dass das bekannt wurde, sondern es musste mehrfach geschehen.
Erst dann konnten die Behörden einschreiten.
Ich verstehe vor dem Hintergrund nicht, dass Sie für die CDU,
Herr Uhlenberg, sagen, Sie wollten die alte Gefahrhundeverordnung
wieder einsetzen. Das geht übrigens nicht. Sie könnten höchstens
eine neue Gefahrhundeverordnung einfordern. Die Anhörung hat
eindeutig ergeben: Die alte Gefahrhundeverordnung war nicht
praktikabel, in den Kommunen nicht umsetzbar.
Die neue Gefahrhundeverordnung ist aus meiner Sicht natürlich
ein Nadelöhr, durch das erst einmal sehr viele hindurch müssen.
Sie ist aber eine sinnvolle Regelung. Auch ich mache die
Beobachtung: Es hat zunächst der Ausführungsbestimmungen bedurft.
Diese werden akzeptiert, und man geht vernünftig mit ihnen um. Sehr
viele Leute stellen sich auf diese Situation ein.
Dass, wie im F.D.P.-Antrag behauptet wird, eine zunehmende
Aggressivität gegenüber Hundehaltern beobachtet werden soll, führt
mich zu der nüchternen Frage: Seit wann führen wir diese Debatte
und warum? - Wir haben diese Debatte, weil in Hamburg und in
Nordrhein-Westfalen Menschen totgebissen worden sind und darüber
eine sehr erregte öffentliche Debatte stattgefunden hat. Wir haben
unter den Bürgerinnen und Bürgern im Land nicht wegen einer
Verordnung Aufregung. An der Stelle muss man sehr deutlich trennen.
Die öffentliche Stimmungslage und die Erwartung an die Politik sind
zu Recht, dass gehandelt wird.
Sie haben natürlich Recht: Mit einer Verordnung können Sie
nicht ausschließen, dass irgendwo kriminelle Elemente in einer Art
und Weise mit Tieren so umgehen, dass sie Menschen verletzen. Sie können
nur, soweit es irgend möglich ist, alles tun, um das zu minimieren
und letztendlich zu verhindern. Das ist unter hohem Druck und aus
meiner Sicht auch vernünftig geschehen. Insofern gibt es überhaupt
keinen Grund für uns, diese Hundeverordnung zurückzunehmen.
(Beifall
bei den GRÜNEN)
Nur ganz kurz zur Datenschutzbeauftragten!
(Jürgen
W. Möllemann [F.D.P.]: Die kommt jetzt an die Leine?)
- Nein, Herr Möllemann, die kommt nicht an die Leine, ganz
bestimmt nicht. Die bekommt auch keinen Maulkorb.
Kritisiert wird, dass ein Führungszeugnis verlangt wird. Lassen
Sie es mich einmal so sagen: Ein Führungszeugnis wird verlangt,
wenn ich den Führerschein machen möchte, wenn ich in den öffentlichen
Dienst eintreten möchte. Es ist insofern für niemanden
diskriminierend, ein Führungszeugnis vorlegen zu müssen, sondern
das ist lediglich ein Nachweis, der durchaus verlangt werden kann.
Dieses Führungszeugnis wird im Übrigen nicht - wie Sie immer
wieder fälschlicherweise den Eindruck zu erwecken versuchen -, von
allen Menschen verlangt, die einen Hund halten, sondern nur von
denjenigen, die Hunde besitzen, die in der Anlage 1 oder 2 der
Gefahrliste aufgeführt sind, also besonders gefährliche Tiere. Der
betroffene Personenkreis ist von daher sehr klein.
Insofern geht es für mich in der Summe bei diesem Antrag um
einen der vielen, die Herr Möllemann und seine Kollegen hier
einbringen und die mehr die öffentliche Debatte und weniger die
Sachlage zum Ziel haben. Für mich ist deswegen klar: Die
Hundeverordnung soll nicht außer Kraft gesetzt werden, sondern in
der jetzigen Form bestehen bleiben. - Danke schön.
(Beifall
bei den GRÜNEN)
Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Herr
Priggen. - Als Nächstes hat Frau Ministerin Höhn für die
Landesregierung das Wort.
Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und
Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Meine Damen und
Herren! Herr Grüll, die Tatsache, dass wir heute über die
Landeshundeverordnung als letzten inhaltlichen
Punkt der Tagesordnung debattieren, macht schon den Stellenwert
deutlich, den die Landeshundeverordnung in der öffentlichen
Diskussion mittlerweile einnimmt. Von daher hat sich in der Tat in
den letzten Wochen etwas verändert. Das ist auch gut so. Wir haben
die Durchführungsbestimmungen an die Kommunen weitergeleitet. Die
Landeshundeverordnung wird umgesetzt. Die Bürgerinnen und Bürger
merken, dass das, was viele von Ihnen aus der Opposition versucht
haben, ihnen einzureden, dass nämlich, wenn sie einen Hund der
Anlage 1 oder 2 haben, diese automatisch Maulkorb tragen müssen
und dass diese Auflagen ohne Ausnahme gelten, nicht stimmt. Sie
merken, daß das in der Realität anders ist, als viele von Ihnen
versucht haben, ihnen einzureden.
(Jürgen
W. Möllemann [F.D.P.]: Wer muss denn jetzt den Maulkorb tragen?)
- Wissen Sie, Herr Möllemann: Sie sind den ganzen Tag nicht
da. Kaum kommen Sie hierher, motzen Sie rum! Das ist Herr Möllemann!
(Beifall
bei den GRÜNEN und bei einzelnen Abgeordneten der SPD - Jürgen
W. Möllemann [F.D.P.]: Ich habe nur nach Ihrer Syntax gefragt: Wer
muss jetzt den Maulkorb tragen?)
Die Landeshundeverordnung ist jetzt seit vier Monaten in Kraft.
Die Durchführungsbestimmungen sind bei den Kommunen. Die Leute
wissen, dass sie Ausnahmen beantragen können, wenn sie nachweisen,
dass ihre Hunde nicht gefährlich sind. Von daher sind die
Kenntnisse mittlerweile bei den Menschen vor Ort gelandet.
Das heißt: Die anfänglichen Proteste der betroffenen
Hundehalter gegen erstmalige Pflichten bei der Hundehaltung sind
jetzt wegen besserer Kenntnis über die tatsächlichen Anforderungen
deutlich weniger geworden. Das ist auch gut so.
Da, wo wir hinkommen, gibt es inzwischen eine sachlichere
Diskussion. Und auch das ist gut so, Herr Grüll; denn genau die
Auseinandersetzung, die dieses Jahr leider stattgefunden hat, und
zwar zwischen Hundehaltern und Nichthundehaltern, wollen wir ein Stück
zurückdrängen. Das kriegen wir aber nur durch eine sachliche
Diskussion hin.
Das heißt aber auch, dass Halter von Hunden in dieser Diskussion
gemerkt haben, dass sie z. B. mit Menschen sensibler umgehen müssen,
die Ängste vor Hunden haben. Auch das haben wir in dieser
Diskussion gelernt, und auch dieser Lernprozess ist gut so.
(Zuruf
von der F.D.P.: Darum geht es doch gar nicht!)
Dass Sie von der F.D.P. weiterhin hingehen und sagen, das einzig
Wahre sei die alte Gefahrhundeverordnung von 1994, verstehe ich
nicht; denn Sie haben offensichtlich nicht mitbekommen, was sich in
den letzten Jahren in diesem Land abgespielt hat, nämlich dass es
auch Menschen gibt, die Angst vor Hunden haben, dass Menschen tätlich
von Hunden angegriffen, ja, sogar getötet worden sind.
Wir wissen alle, dass es am Ende der Halter eines Hundes ist, der
diesen Hund erst aggressiv gemacht hat. Hunde sind nicht per se
aggressiv, aber sie können aggressiv gemacht werden, und sie werden
aggressiv gemacht. Das wissen wir. Deshalb haben wir die Menschen
vor aggressiven Hunden zu schützen. Wenn Sie das nicht machen
wollen, dann ist das Ihre Sache. Wir werden das tun.
Insofern sehe ich die ersten beiden Forderungen des Antrages
Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der F.D.P., nach Außerkraftsetzen
der neuen und Wiedereinsetzen der alten Verordnung wirklich als
reines politisches Schaulaufen. Da-rüber sind wir inzwischen
hinweg. Damit sollten wir uns nicht mehr beschäftigen.
Deshalb will ich insbesondere auf den anderen Teil Ihres Antrages
eingehen. Das ist ein neuer Aspekt. Den sollten wir auch
diskutieren. Dabei geht es um die verfassungsrechtlichen Bedenken
gegen die Landeshundeverordnung.
Kernpunkt der Kritik ist die nach § 3 Abs. 3 der
Landeshundeverordnung notwendige Beantragung eines Führungszeugnisses
zum Nachweis der Zuverlässigkeit. Dies sei verfassungsrechtlich
bedenklich. Darin lägen Eingriffe in Rechte des Bürgers, und das
sei nur auf einer gesetzlichen Grundlage möglich.
Diese Bedenken werden weder vom Innenministerium noch von meinem
Ministerium geteilt. Die gesetzliche Grundlage für das geforderte Führungszeugnis
ist § 26 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes, das Gesetz
für Regelungen zur Ge-fahrenabwehr und zum Schutz der Bevölkerung.
Es ist datenschutzrechtlich unstrittig, dass
Pflichten zur Mitteilung personenbezogener Daten auf der Grundlage
eines Gesetzes, aber damit natürlich auch durch eine
Rechtsverordnung, die immer ein Gesetz zur Grundlage hat, festgelegt
werden können. Dies ist übrigens auch Konsens aller Bundesländer.
Das heißt: Sie stellen sich auch ein Stück gegen das, was bisher
auf Bundesebene immer vertreten worden ist.
Die Anforderung eines Führungszeugnisses zur Prüfung der persönlichen
Zuverlässigkeit des Ordnungspflichtigen ist bundesweit ein
unverzichtbares und für die präventive Gefahrenabwehr
erforderliches Instrument.
Vizepräsident Laurenz Meyer: Frau Höhn, möchten
Sie eine Zwischenfrage von Herrn Möllemann zulassen?
Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und
Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ja, machen Sie
mal.
Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Vielen Dank,
Frau Ministerin, dass Sie eine Zwischenfrage zumindest nicht von
vornherein als "Herummotzen" qualifizieren. - Meine Frage
bezieht sich auf Folgendes: Sie sagten soeben, die Tatsache, dass
dieser Punkt am Ende der Tagesordnung rangiere, mache seine mindere
Bedeutung deutlich.
Würden Sie mir zustimmen, dass die Tatsache, dass das Parlament
selten so gut gefüllt ist wie bei diesem Punkt, offenbar zum
Ausdruck bringt, dass viele hier Anwesende unsere Besorgnis teilen,
(Allgemeine
Heiterkeit)
dass die von der Landesdatenschutzbeauftragten vorgetragenen
Bedenken verfassungsrechtlicher Natur sehr gewichtig sind, und würden
Sie mir ebenfalls zustimmen, dass die in diversen Interviews geäußerten
Bedenken des Kollegen Moron in besonderer Weise geeignet sind, diese
Bedenken noch zu stützen?
(Dr.
Axel Horstmann [SPD]: Sagen Sie einfach nein!)Bärbel Höhn,
Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz: Ich will Ihnen gerne Ihre Frage beantworten.
Vizepräsident Laurenz Meyer: Frau Ministerin,
die Zeit, die die Zwischenfrage gekostet hat, kriegen Sie
selbstverständlich zusätzlich zu Ihrer Redezeit.
(Allgemeine
Heiterkeit)
Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und
Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danke schön. -
Darüber, dass Herr Möllemann immer so lange Fragen stellt, muss
man sich nicht mehr wundern. Das ist nämlich der Trick, dem Redner
die Redezeit zu stehlen.
Gleichwohl möchte ich die Frage gerne beantworten. Die Tatsache,
Herr Möllemann, dass Sie meinen, dass die große Anwesenheit hier
etwas mit dem Thema zu tun habe, geht fehl. Es mag daran liegen,
dass Sie noch nicht sehr lange in diesem Parlament sind. Was Sie
hier gleich erleben, ist eine Kampfabstimmung. In einer
Kampfabstimmung ist es im Landtag üblich, dass alle da sind. Dies
ist immer ein Wechselspiel zwischen der Stärke der Opposition und
der Stärke der Koalition. Das alles ist normal.
Das können Sie auch alles mit Ihrer Geschäftsführerin
besprechen. Bei Kampfabstimmungen muss man da sein. Das sollten Sie
eigentlich aus Ihren Bundestagszeiten noch wissen. Das ist der
eigentliche Grund für die derzeitige Präsenz.
(Jürgen
W. Möllemann [F.D.P.]: Es wird immer schlimmer!)
Es geht nicht immer nur um Inhalte.
Vizepräsident Laurenz Meyer: Frau Ministerin,
Ihre Redezeit ist zwar schon zu Ende. Aber möchten Sie trotzdem
noch eine Frage von Herrn Uhlenberg beantworten?
(Beifall
des Jürgen W. Möllemann [F.D.P.])
Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und
Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danke schön,
Herr Möllemann, dass Sie mir zu dieser langen
Antwort verholfen haben: Ich möchte aber nicht, dass ich mit meiner
Überziehung der Redezeit Ihnen zu mehr Redezeit verhelfe. Deshalb
mache ich Schluss. Ich glaube, wir haben alles diskutiert.
(Beifall
bei der F.D.P.)
Sie sehen, das, was ich erreichen wollte, nämlich dass alle
anwesend sind und wir die Mehrheit haben, habe ich erreicht. -
Vielen Dank für Ihre Frage und vielen Dank fürs Zuhören.
(Beifall
bei der SPD)
Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Frau
Höhn. - Es hat sich noch Herr Dr. Grüll gemeldet. Herr Dr. Grüll
hat noch eine Minute Redezeit.
Dr. Stefan Grüll (F.D.P.:): Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wenn ich weiß, dass Frau Höhn -
salopp und in Anführungszeichen gesagt - "in die Bütt"
geht, dann halte ich mir eine Minute zurück, weil ich weiß, es
macht Sinn, darauf zu antworten.
Ich nutze die Gelegenheit erstens, um mich bei den Kolleginnen
und Kollegen der SPD-Fraktion zu entschuldigen, dass die Frau
Ministerin Sie gerade als reine Abstimmungsmaschinerie
disqualifiziert hat.
(Widerspruch
bei der SPD)
Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Kolleginnen und Kollegen
von CDU und F.D.P. ganz offensichtlich an dem Thema interessiert
sind
(Beifall
bei der F.D.P. - Zuruf von der SPD: Wenn Sie sonst keine Sorgen
haben!)
und dass die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen unabhängig
von dem Thema nur in das Parlament gebeten worden sind. Herzlichen
Dank für die Klarstellung. So viel zu Punkt 1.
Punkt 2: Ich nehme zur Kenntnis, Herr Krings, dass Sie ein
ausgewiesener Fachmann für Verwaltungsreformfragen sind. Aber bitte
lassen Sie, Herr Moron, zu verfassungsrechtlichen Fragen demnächst
Ihre Mitglieder des Rechtsausschusses sprechen, denn wir haben es
hier mit einem Verfassungsbruch zu tun, nicht aber mit irgendwelchen
lapidaren Fragen der politischen Bewertung einer Verordnung.
(Beifall
bei der F.D.P. - Zuruf von der SPD: Oberlehrer!)
Drittens. Es gibt einen klugen Spruch. Weil er so klug ist, muss
er von einer Frau stammen. Er lautet: Reisende, die über den Irrtum
zur Weisheit gelangen, das sind die eigentlich Weisen. Die, die beim
Irrtum verharren, das sind die Narren.
Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, Sie haben es in
der Hand, gleich deutlich zu machen: Wollen Sie in die Kategorie der
Weisen gehören und den Irrtum korrigieren, den Ihnen die Ministerin
eingebrockt hat? Oder ziehen Sie die andere Kategorie vor, die der
Narren, die beim Irrtum verharren - gemeinsam mit Frau Höhn? Diese
Entscheidung - neben dem Verfassungsbruch - steht heute zur
Diskussion.
Herr Clement, Sie haben einen Amtseid abgelegt. Die Gesetze zu
achten ist Teil des Amtseids. Handeln Sie entsprechend! - Herzlichen
Dank.
(Beifall
bei der F.D.P.)
Vizepräsident Laurenz Meyer: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Ich komme zur Abstimmung. Die antragstellende
Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Ich lasse über den Antrag
Drucksache 13/323 abstimmen. Wer für den Antrag ist,
den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält
sich? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen von SPD und Grünen
gegen die Stimmen von CDU und F.D.P. abgelehnt.