8   Verfassungsbruch beenden:

     Hundeverordnung sofort außer Kraft setzen

     Antrag

     der Fraktion der F.D.P.

     Drucksache 13/323

Ich eröffne die Beratung. Für die antragstellende Fraktion hat als Erster Herr Dr. Grüll das Wort.

Dr. Stefan Grüll (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben wiederholt in diesem Parlament über die Hundeverordnung diskutiert.

Heute geht es nicht darum, nochmals deutlich zu machen, dass es ein untaugliches Instrument mit handwerklichen Fehlern ist. Es geht nicht darum, nochmals deutlich zu machen, dass die Menschen im Land immer noch empört sind und dass der Widerstand eben nicht nachlässt. Es geht nicht darum, nochmals deutlich zu machen, wie hier Menschen diffamiert und in eine Ecke gestellt werden, in die sie nicht gehören. Das ist alles bekannt. Wir haben uns darüber wiederholt ausgetauscht.

Wir erreichen mit der Diskussion heute vielmehr eine neue Qualität der Diskussion. Es geht darum - da greife ich das auf, was Innenminister Behrens gerade zu dem letzten Tagesordnungspunkt gesagt hat -, deutlich zu machen, dass wir auch in puncto Hundeverordnung rechtsstaatlich handeln wollen, aber mit Augenmaß und mit Besonnenheit, wie es der Innenminister formuliert hat.

Im völligen Gegensatz zu diesem Anspruch steht das, was die Datenschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer Stellungnahme im Oktober zu der Hundeverordnung ausgeführt hat. Dieses als Ohrfeige zu bezeichnen, Frau Ministerin Höhn, wäre noch sehr zurückhaltend. Es ist unter Verfassungsgesichtspunkten ein vernichtendes Urteil, das Ihnen die Datenschutzbeauftragte da ausgestellt hat.

Führungszeugnisse einzufordern - so steht es da - sei aufgrund der Intensität des Grundrechtseingriffes mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit mit unserer Verfassungslage schlicht unvereinbar. Es gibt da auch keine Differenzierung zwischen dem so genannten großen und kleinen Führungszeugnis. Sie sagt schlicht, an dieser Stelle Führungszeugnisse zu fordern, sei ein Grundrechtseingriff von einer Intensität, der verfassungswidrig sei, weil er erstens durch die Verordnung als Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt sei und weil er zweitens unverhältnismäßig sei.

Das ist keine Behauptung der F.D.P., sondern die Aussage der Datenschutzbeauftragten dieses Landes. Als F.D.P. sagen wir klar: Wenn es denn so ist und wir in unserer Kritik an der Hundeverordnung bestätigt werden, dann muss dieses Parlament dringend handeln, um das zu tun, was wir in der Überschrift dieses Antrages sagen, nämlich diesen Verfassungsbruch schleunigst beenden. Das geht nur, indem man diese Verordnung sofort außer Kraft setzt und zeitgleich - um kein Missverständnis zu erwecken: wir wollen keinen rechtsfreien Raum - zu der vom seinerzeitigen Umweltminister Klaus Matthiesen entwickelten Gefahrhundeverordnung zurückkehrt und diese in Kraft setzt.

Die Zeit muss dann genutzt werden, um vernünftige Regelungen zu finden. Über diese haben wir ja bereits diskutiert, und sie liegen auf dem Tisch. Sie sind auch von der Expertenrunde auf den Tisch gelegt worden, die Sie, Frau Ministerin, gemeinsam mit der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen in den Landtag eingeladen hatten.

Die Forderung nach Führungszeugnissen und die Forderung von Ordnungsämtern in diesem Land - das ist Lebenswirklichkeit - von Menschen, die sich nichts anderes haben zuschulden kommen lassen, als einen Hund zu halten - man mag sich das einmal vorstellen -, nach Grundrisszeichnungen ihrer Wohnungen oder Häuser sowie Lageskizzen und Fotos sind unglaublich. Wo sind wir eigentlich?

Eben wurde mit sehr viel Emotionalität - die ich an dieser Stelle sogar verstanden habe - von dem Kollegen der SPD-Fraktion, Herrn Jentsch, vorgetragen, dass wir nicht den gläsernen Bürger wollen. Wenn wir den nicht wollen, dann kann für Hundehalter allerdings auch nichts anderes gelten. Dann können wir auch nicht den gläsernen Hundehalter wollen. Das Schnüffeln, meine ich, sollten wir den Vierbeinern vorbehalten. Die können es von Natur aus besser, und da ist es auch angebracht. Der Staat sollte sich schlicht darauf konzentrieren, wirksame Regelungen zu schaffen, um die Menschen wirklich vor gefährlichen Hunden zu schützen, aber er sollte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, zulasten unserer Verfassung und unter Missachtung dieser Verfassung.

Insofern - ich wiederhole das - kann es nur darum gehen, diese Verordnung sofort auszusetzen und der staatlichen Schnüffelei ein Ende zu bereiten.

Liebe Frau Höhn, Big Brother ist ein Waisenknabe gegenüber Big Sister Höhn!

Es gibt hier nur eine Konsequenz. Ich wiederhole das. Die Menschen werden sich nicht beruhigen. Ich sage das, weil ich zwischendurch immer wieder höre, dass Sie sagen, es werde alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht werde, die Menschen gewöhnten sich daran und würden sich beruhigen. Nein, sie werden sich nicht beruhigen. Am 18. November findet wiederum in Düsseldorf eine Großdemonstration statt, weil die Menschen auch nach vier Monaten nicht bereit sind, sich damit abzufinden, was in diesem Land geschieht.

Herrn Ministerpräsident Clement sind schon die nächsten 10.000 Unterschriften gegen diese Verordnung avisiert. Damit liegen jetzt ca. eine viertel Million Unterschriften der Landesregierung vor.

Ich glaube, es ist Zeit zu handeln. Tun wir es gemeinsam. Beenden wir den Verfassungsbruch. Kehren wir zurück zur Gefahrhundeverordnung des Jahres 1994. Ich mache noch einmal für die F.D.P.-Fraktion das Angebot an die Landesregierung, auf dieser Grundlage dann gemeinsam in die Beratung einer vernünftigen, handwerklich einwandfreien und wirksam schützenden Verordnung einzutreten, ohne dabei die Verfassung zu missachten. Darum bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. - Herzlichen Dank.

          (Beifall bei der F.D.P.)

Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Herr Dr. Grüll. - Als Nächster spricht Herr Krings für die SPD-Fraktion.

Hans Krings (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns jetzt zum wiederholten Male mit der Landeshundeverordnung. Deswegen will ich mich wirklich auf Anmerkungen beschränken, die zu diesem Thema hier noch nicht gesagt worden sind. Aufhänger der heutigen Debatte sind die Bedenken der Landesbeauftragten für den Datenschutz. Die nehmen wir selbstverständlich ernst, denen muss man sich stellen. Aber wir teilen diese Bedenken nicht.

Die Landesbeauftragte moniert zunächst einmal, dass eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist, wenn die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangt wird. Das ist nicht überall in unserem Staate so. Das fußt zwar auf der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts, ist aber nicht grundlegend so. Die Landeshundeverordnung hat eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Ordnungsbehördengesetz. Die gesetzliche Ermächtigung deckt das ab. Denn hier geht es um Gefahr für Leib und Leben. Es ist nicht erforderlich, dass das in jedem Einzelfall gilt. Dem Grundsatz nach gilt das. Damit ist die Vorlage eines Führungszeugnisses abgedeckt. Das kommt auch häufiger in unserem Rechtssystem vor. Sie müssen auch für ganz andere wesentlich banalere Dinge ein Führungszeugnis vorlegen. Die Verwaltung kann sogar durch einfachen Verwaltungsakt, wenn sie Zweifel in die persönliche Zuverlässigkeit hat, jemanden veranlassen, ein Führungszeugnis vorzulegen. Das ist damit abgedeckt.

Das ist im Einzelfall auch sinnvoll. Wenn nämlich das Führungszeugnis ergibt, dass jemand im Bereich Gewalt oder Trunkenheit anfällig ist, dann ist auch eine gewisse Vermutung berechtigt, dass man bei der Haltung von Hunden anfällig ist und geneigt ist, den Hund als Waffe zu benutzen. Dafür gibt es genügend Parallelen. Die Lebenserfahrung zeigt das auch. Diese Vorlage macht im Einzelfall auch Sinn.

          (Zuruf des Dr. Stefan Grüll [F.D.P.])

- Sie persönlich habe ich auch nicht gemeint. Ich sehe Sie an, weil Sie eben gesprochen haben. Ich weiß nicht, ob Sie einen Hund halten, Herr Kollege Dr. Grüll. Sie haben sich aber dieses Thema vorgenommen. Ich glaube, Sie sind der einzige, der sich so intensiv mit diesem Thema befasst.

          (Dr. Stefan Grüll [F.D.P.]: Es wäre schön, wenn die Ministerin sich so intensiv damit befasst hätte!)

Ich komme zum nächsten Argument, dass es mildere Mittel gäbe: Auch dieses Argument zieht nicht. Mildere Mittel wären im Grunde einschneidender als die Vorlage eines Führungszeugnisses. Die Verwaltung müsste dann hingehen und eine Gleichbehandlung durch Vermutungen ersetzen. Das wäre gravierender. Die Verwaltung müsste im Einzelfall den Betreffenden hinterherforschen. Das halte ich auch für einschneidender als die normale Vorlage eines Führungszeugnisses.

Wir nehmen also die Bedenken der Landesbeauftragten für den Datenschutz ernst, aber sie schlagen nicht durch. Das Ganze wird ohnehin, da es jetzt in der Welt ist, vor Gericht entschieden werden. Wir können eine Plausibilitätsbetrachtung in einem Quervergleich mit anderen Rechtsmaterien vornehmen. Danach sind die Bedenken nicht durchschlagend. Deswegen sehen wir keinen Grund, die Umweltministerin aufzufordern, ihre Verordnung in diesem Punkt zu korrigieren oder sogar ganz zurückzuziehen.

Wir werden also Ihren Antrag ablehnen. Das Thema wird uns weiter befassen und vor Gericht entschieden werden. Aber diese vorgebrachten rechtlichen Bedenken schlagen nicht durch. Für uns ist dieser Punkt damit abgeschlossen. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

          (Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Laurenz Meyer: Vielen Dank, Herr Krings. - Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Uhlenberg.

Eckhard Uhlenberg (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grüne Selbstherrlichkeit ist wichtiger als Sachverstand, roter Kleinmut zählt mehr als Fachwissen. So ist die Situation in Nordrhein-Westfalen im November 2000, wenn über die Landeshundeverordnung diskutiert wird.

Diese Landeshundeverordnung ist fachlich falsch. Sie ist zusammen mit den Ausführungsbestimmungen ein bürokratisches Monstrum, das die Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht vor tatsächlich gefährlichen Hunden und deren verantwortungslosen und gar kriminellen Züchtern und Haltern schützt.

Die Landeshundeverordnung diskriminiert Hunderttausende untadelige Hundehalter und deren Familien. Sie spaltet unsere Gesellschaft, wie ich damals schon gesagt habe, in Hundehalter und Hundehasser.

Wenn das, was um die Landeshundeverordnung bisher passiert ist, Sinnbild für den Neuanfang von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen sein soll, Herr Ministerpräsident, dann lautet das Fazit ein knappes halbes Jahr nach der Landtagswahl: Schade um Nordrhein-Westfalen.

Was ist das für ein Politikstil, den die rot-grüne Landesregierung hier pflegt? Da laden die Land-tagsfraktionen von SPD und Grünen Experten zu einer Alibi-Anhörung ein, wohl wissend, dass die vorhersehbaren Ergebnisse der Anhörung sowieso nicht in die rot-grünen Politikschablonen passen. Da werden Zitate gebeugt und Behauptungen aufgestellt, die nicht der Wahrheit entsprechen. Das heißt, da wird schlicht und einfach die Unwahrheit gesagt. Frau Ministerin, das ist auch in einigen Punkten deutlich nachgewiesen worden.

          (Unruhe)

Vizepräsident Laurenz Meyer: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf um Aufmerksamkeit für den Redner bitten.

Eckhard Uhlenberg (CDU): Die SPD sieht mit Unbehagen, dass sie natürlich für das mit in Haftung genommen wird, was der kleinere Koalitionspartner hier verbrochen hat; denn die Regierung Clement/Höhn hat für ihre Landeshundeverordnung keinen fachlich fundierten Fürsprecher.

Was hören wir in diesen Tagen von der SPD? - Wir hören ein müdes Bellen in Person des SPD-Fraktionsvorsitzenden. Herrn Moron fällt zu dieser Landeshundeverordnung die Formulierung ein, dass diese Landeshundeverordnung eingedampft werden sollte. Das gelte insbesondere für die Hunderasselisten 1 und 2. Er spricht von Eindampfen, als ob es hier um Bügelarbeit im Haushalt ginge. Wie weit sind Sie eigentlich weg von dem, was die Menschen in diesem Lande tatsächlich bewegt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD?

Bei dieser Landeshundeverordnung hat es einmal mehr kein ordentliches Beteiligungsverfahren der Verbände gegeben, die diese Landeshundeverordnung in Nordrhein-Westfalen in die Praxis umsetzen müssen. Ich zitiere aus einer Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes:

     "Die kommunalen Spitzenverbände waren wenige Tage zuvor in einer Art Ad-hoc-Beteiligungsverfahren vom Ministerium angehört worden. Diese Beteiligung im Rahmen eines am selben Tage einberufenen anderthalbstündigen Gesprächs entspricht bei aller Eilbedürftigkeit nicht den Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände einer konstruktiven Zusammenarbeit.     Eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Verordnungsentwurf war bei dieser Gelegenheit nicht mehr möglich. Dies ist umso bedauerlicher,"

- so die kommunalen Spitzenverbände -

     "als der Geschäftsstelle bekannt ist, dass an dem Entwurf seitens der Landesregierung schon einige Wochen gearbeitet worden ist."

Meine Damen und Herren, die Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind eben diejenigen, die dieses Monstrum von Verordnung umsetzen müssen. So gehen Sie mit den kommunalen Spitzenverbänden um.

Wir als CDU-Fraktion haben in den vergangenen Wochen und Monaten unsere Position hier im Landtag immer wieder deutlich gemacht. Wir waren die Fraktion, die einen konkreten Antrag zur Überarbeitung der Landeshundeverordnung gestellt hat. Wir haben Sie dazu aufgefordert, aber Sie waren nicht bereit, diese Landeshundeverordnung zu überarbeiten.

Wir stimmen heute dem F.D.P.-Antrag zu, diese Landeshundeverordnung abzulehnen. Ich hoffe, dass der Antrag hier und heute eine Mehrheit findet, damit das unwürdige Spiel dieser Landeshundeverordnung in Nordrhein-Westfalen endgültig beendet wird.

          (Beifall bei CDU und F.D.P.)

Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Herr Uhlenberg. - Als Nächstes hat Herr Priggen für die grüne Fraktion das Wort.

          (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Herr Priggen, sprechen Sie jetzt nicht gegen Ihre eigene Überzeugung!)

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben mehrfach über das Thema "Hundeverordnung" geredet. Deshalb will ich es kurz machen: Der F.D.P.-Antrag fordert, die geltende Hundeverordnung sofort außer Kraft zu setzen und zeitgleich die bis zum 6. Juli geltende Gefahrhundeverordnung wieder in Kraft zu setzen. Ich habe an der Anhörung, die Sie eben erwähnt haben, teilgenommen. Ihrer Auffassung von der Qualität und Ihrem Vorwurf, dass dort Zitate gebeugt worden seien, stimme ich nicht zu. Eines habe ich sehr deutlich in Erinnerung: Eine Reihe von Vertretern aus den Kommunen und von den Ordnungsämtern ist gefragt worden, wie sie die Umsetzung der alten Gefahrhundeverordnung einschätzen. Sehr deutlich wurde darauf gesagt, die alte Hundeverordnung habe ihnen keine Möglichkeit geboten einzuschreiten, bis dass ein Hund jemanden mehrfach verletzt hat. Es hat also nicht gelangt, dass ein Hund einmal zugebissen hat und dass das bekannt wurde, sondern es musste mehrfach geschehen. Erst dann konnten die Behörden einschreiten.

Ich verstehe vor dem Hintergrund nicht, dass Sie für die CDU, Herr Uhlenberg, sagen, Sie wollten die alte Gefahrhundeverordnung wieder einsetzen. Das geht übrigens nicht. Sie könnten höchstens eine neue Gefahrhundeverordnung einfordern. Die Anhörung hat eindeutig ergeben: Die alte Gefahrhundeverordnung war nicht praktikabel, in den Kommunen nicht umsetzbar.

Die neue Gefahrhundeverordnung ist aus meiner Sicht natürlich ein Nadelöhr, durch das erst einmal sehr viele hindurch müssen. Sie ist aber eine sinnvolle Regelung. Auch ich mache die Beobachtung: Es hat zunächst der Ausführungsbestimmungen bedurft. Diese werden akzeptiert, und man geht vernünftig mit ihnen um. Sehr viele Leute stellen sich auf diese Situation ein.

Dass, wie im F.D.P.-Antrag behauptet wird, eine zunehmende Aggressivität gegenüber Hundehaltern beobachtet werden soll, führt mich zu der nüchternen Frage: Seit wann führen wir diese Debatte und warum? - Wir haben diese Debatte, weil in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen Menschen totgebissen worden sind und darüber eine sehr erregte öffentliche Debatte stattgefunden hat. Wir haben unter den Bürgerinnen und Bürgern im Land nicht wegen einer Verordnung Aufregung. An der Stelle muss man sehr deutlich trennen. Die öffentliche Stimmungslage und die Erwartung an die Politik sind zu Recht, dass gehandelt wird.

Sie haben natürlich Recht: Mit einer Verordnung können Sie nicht ausschließen, dass irgendwo kriminelle Elemente in einer Art und Weise mit Tieren so umgehen, dass sie Menschen verletzen. Sie können nur, soweit es irgend möglich ist, alles tun, um das zu minimieren und letztendlich zu verhindern. Das ist unter hohem Druck und aus meiner Sicht auch vernünftig geschehen. Insofern gibt es überhaupt keinen Grund für uns, diese Hundeverordnung zurückzunehmen.

          (Beifall bei den GRÜNEN)

Nur ganz kurz zur Datenschutzbeauftragten!

          (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Die kommt jetzt an die Leine?)

- Nein, Herr Möllemann, die kommt nicht an die Leine, ganz bestimmt nicht. Die bekommt auch keinen Maulkorb.

Kritisiert wird, dass ein Führungszeugnis verlangt wird. Lassen Sie es mich einmal so sagen: Ein Führungszeugnis wird verlangt, wenn ich den Führerschein machen möchte, wenn ich in den öffentlichen Dienst eintreten möchte. Es ist insofern für niemanden diskriminierend, ein Führungszeugnis vorlegen zu müssen, sondern das ist lediglich ein Nachweis, der durchaus verlangt werden kann. Dieses Führungszeugnis wird im Übrigen nicht - wie Sie immer wieder fälschlicherweise den Eindruck zu erwecken versuchen -, von allen Menschen verlangt, die einen Hund halten, sondern nur von denjenigen, die Hunde besitzen, die in der Anlage 1 oder 2 der Gefahrliste aufgeführt sind, also besonders gefährliche Tiere. Der betroffene Personenkreis ist von daher sehr klein.

Insofern geht es für mich in der Summe bei diesem Antrag um einen der vielen, die Herr Möllemann und seine Kollegen hier einbringen und die mehr die öffentliche Debatte und weniger die Sachlage zum Ziel haben. Für mich ist deswegen klar: Die Hundeverordnung soll nicht außer Kraft gesetzt werden, sondern in der jetzigen Form bestehen bleiben. - Danke schön.

          (Beifall bei den GRÜNEN)

Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Herr Priggen. - Als Nächstes hat Frau Ministerin Höhn für die Landesregierung das Wort.

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Meine Damen und Herren! Herr Grüll, die Tatsache, dass wir heute über die Landeshundeverordnung als letzten inhaltlichen Punkt der Tagesordnung debattieren, macht schon den Stellenwert deutlich, den die Landeshundeverordnung in der öffentlichen Diskussion mittlerweile einnimmt. Von daher hat sich in der Tat in den letzten Wochen etwas verändert. Das ist auch gut so. Wir haben die Durchführungsbestimmungen an die Kommunen weitergeleitet. Die Landeshundeverordnung wird umgesetzt. Die Bürgerinnen und Bürger merken, dass das, was viele von Ihnen aus der Opposition versucht haben, ihnen einzureden, dass nämlich, wenn sie einen Hund der Anlage 1 oder 2 haben, diese automatisch Maulkorb tragen müssen und dass diese Auflagen ohne Ausnahme gelten, nicht stimmt. Sie merken, daß das in der Realität anders ist, als viele von Ihnen versucht haben, ihnen einzureden.

          (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Wer muss denn jetzt den Maulkorb tragen?)

- Wissen Sie, Herr Möllemann: Sie sind den ganzen Tag nicht da. Kaum kommen Sie hierher, motzen Sie rum! Das ist Herr Möllemann!

          (Beifall bei den GRÜNEN und bei einzelnen Abgeordneten der SPD - Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Ich habe nur nach Ihrer Syntax gefragt: Wer muss jetzt den Maulkorb tragen?)

Die Landeshundeverordnung ist jetzt seit vier Monaten in Kraft. Die Durchführungsbestimmungen sind bei den Kommunen. Die Leute wissen, dass sie Ausnahmen beantragen können, wenn sie nachweisen, dass ihre Hunde nicht gefährlich sind. Von daher sind die Kenntnisse mittlerweile bei den Menschen vor Ort gelandet.

Das heißt: Die anfänglichen Proteste der betroffenen Hundehalter gegen erstmalige Pflichten bei der Hundehaltung sind jetzt wegen besserer Kenntnis über die tatsächlichen Anforderungen deutlich weniger geworden. Das ist auch gut so.

Da, wo wir hinkommen, gibt es inzwischen eine sachlichere Diskussion. Und auch das ist gut so, Herr Grüll; denn genau die Auseinandersetzung, die dieses Jahr leider stattgefunden hat, und zwar zwischen Hundehaltern und Nichthundehaltern, wollen wir ein Stück zurückdrängen. Das kriegen wir aber nur durch eine sachliche Diskussion hin.

Das heißt aber auch, dass Halter von Hunden in dieser Diskussion gemerkt haben, dass sie z. B. mit Menschen sensibler umgehen müssen, die Ängste vor Hunden haben. Auch das haben wir in dieser Diskussion gelernt, und auch dieser Lernprozess ist gut so.

          (Zuruf von der F.D.P.: Darum geht es doch gar nicht!)

Dass Sie von der F.D.P. weiterhin hingehen und sagen, das einzig Wahre sei die alte Gefahrhundeverordnung von 1994, verstehe ich nicht; denn Sie haben offensichtlich nicht mitbekommen, was sich in den letzten Jahren in diesem Land abgespielt hat, nämlich dass es auch Menschen gibt, die Angst vor Hunden haben, dass Menschen tätlich von Hunden angegriffen, ja, sogar getötet worden sind.

Wir wissen alle, dass es am Ende der Halter eines Hundes ist, der diesen Hund erst aggressiv gemacht hat. Hunde sind nicht per se aggressiv, aber sie können aggressiv gemacht werden, und sie werden aggressiv gemacht. Das wissen wir. Deshalb haben wir die Menschen vor aggressiven Hunden zu schützen. Wenn Sie das nicht machen wollen, dann ist das Ihre Sache. Wir werden das tun.

Insofern sehe ich die ersten beiden Forderungen des Antrages Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der F.D.P., nach Außerkraftsetzen der neuen und Wiedereinsetzen der alten Verordnung wirklich als reines politisches Schaulaufen. Da-rüber sind wir inzwischen hinweg. Damit sollten wir uns nicht mehr beschäftigen.

Deshalb will ich insbesondere auf den anderen Teil Ihres Antrages eingehen. Das ist ein neuer Aspekt. Den sollten wir auch diskutieren. Dabei geht es um die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Landeshundeverordnung.

Kernpunkt der Kritik ist die nach § 3 Abs. 3 der Landeshundeverordnung notwendige Beantragung eines Führungszeugnisses zum Nachweis der Zuverlässigkeit. Dies sei verfassungsrechtlich bedenklich. Darin lägen Eingriffe in Rechte des Bürgers, und das sei nur auf einer gesetzlichen Grundlage möglich.

Diese Bedenken werden weder vom Innenministerium noch von meinem Ministerium geteilt. Die gesetzliche Grundlage für das geforderte Führungszeugnis ist § 26 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes, das Gesetz für Regelungen zur Ge-fahrenabwehr und zum Schutz der Bevölkerung. Es ist datenschutzrechtlich unstrittig, dass Pflichten zur Mitteilung personenbezogener Daten auf der Grundlage eines Gesetzes, aber damit natürlich auch durch eine Rechtsverordnung, die immer ein Gesetz zur Grundlage hat, festgelegt werden können. Dies ist übrigens auch Konsens aller Bundesländer. Das heißt: Sie stellen sich auch ein Stück gegen das, was bisher auf Bundesebene immer vertreten worden ist.

Die Anforderung eines Führungszeugnisses zur Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit des Ordnungspflichtigen ist bundesweit ein unverzichtbares und für die präventive Gefahrenabwehr erforderliches Instrument.

Vizepräsident Laurenz Meyer: Frau Höhn, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Möllemann zulassen?

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ja, machen Sie mal.

Jürgen W. Möllemann (F.D.P.): Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie eine Zwischenfrage zumindest nicht von vornherein als "Herummotzen" qualifizieren. - Meine Frage bezieht sich auf Folgendes: Sie sagten soeben, die Tatsache, dass dieser Punkt am Ende der Tagesordnung rangiere, mache seine mindere Bedeutung deutlich.

Würden Sie mir zustimmen, dass die Tatsache, dass das Parlament selten so gut gefüllt ist wie bei diesem Punkt, offenbar zum Ausdruck bringt, dass viele hier Anwesende unsere Besorgnis teilen,

          (Allgemeine Heiterkeit)

dass die von der Landesdatenschutzbeauftragten vorgetragenen Bedenken verfassungsrechtlicher Natur sehr gewichtig sind, und würden Sie mir ebenfalls zustimmen, dass die in diversen Interviews geäußerten Bedenken des Kollegen Moron in besonderer Weise geeignet sind, diese Bedenken noch zu stützen?

          (Dr. Axel Horstmann [SPD]: Sagen Sie einfach nein!)Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ich will Ihnen gerne Ihre Frage beantworten.

Vizepräsident Laurenz Meyer: Frau Ministerin, die Zeit, die die Zwischenfrage gekostet hat, kriegen Sie selbstverständlich zusätzlich zu Ihrer Redezeit.

          (Allgemeine Heiterkeit)

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danke schön. - Darüber, dass Herr Möllemann immer so lange Fragen stellt, muss man sich nicht mehr wundern. Das ist nämlich der Trick, dem Redner die Redezeit zu stehlen.

Gleichwohl möchte ich die Frage gerne beantworten. Die Tatsache, Herr Möllemann, dass Sie meinen, dass die große Anwesenheit hier etwas mit dem Thema zu tun habe, geht fehl. Es mag daran liegen, dass Sie noch nicht sehr lange in diesem Parlament sind. Was Sie hier gleich erleben, ist eine Kampfabstimmung. In einer Kampfabstimmung ist es im Landtag üblich, dass alle da sind. Dies ist immer ein Wechselspiel zwischen der Stärke der Opposition und der Stärke der Koalition. Das alles ist normal.

Das können Sie auch alles mit Ihrer Geschäftsführerin besprechen. Bei Kampfabstimmungen muss man da sein. Das sollten Sie eigentlich aus Ihren Bundestagszeiten noch wissen. Das ist der eigentliche Grund für die derzeitige Präsenz.

          (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Es wird immer schlimmer!)

Es geht nicht immer nur um Inhalte.

Vizepräsident Laurenz Meyer: Frau Ministerin, Ihre Redezeit ist zwar schon zu Ende. Aber möchten Sie trotzdem noch eine Frage von Herrn Uhlenberg beantworten?

          (Beifall des Jürgen W. Möllemann [F.D.P.])

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Danke schön, Herr Möllemann, dass Sie mir zu dieser langen Antwort verholfen haben: Ich möchte aber nicht, dass ich mit meiner Überziehung der Redezeit Ihnen zu mehr Redezeit verhelfe. Deshalb mache ich Schluss. Ich glaube, wir haben alles diskutiert.

          (Beifall bei der F.D.P.)

Sie sehen, das, was ich erreichen wollte, nämlich dass alle anwesend sind und wir die Mehrheit haben, habe ich erreicht. - Vielen Dank für Ihre Frage und vielen Dank fürs Zuhören.

          (Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Laurenz Meyer: Danke schön, Frau Höhn. - Es hat sich noch Herr Dr. Grüll gemeldet. Herr Dr. Grüll hat noch eine Minute Redezeit.

Dr. Stefan Grüll (F.D.P.:): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich weiß, dass Frau Höhn - salopp und in Anführungszeichen gesagt - "in die Bütt" geht, dann halte ich mir eine Minute zurück, weil ich weiß, es macht Sinn, darauf zu antworten.

Ich nutze die Gelegenheit erstens, um mich bei den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion zu entschuldigen, dass die Frau Ministerin Sie gerade als reine Abstimmungsmaschinerie disqualifiziert hat.

          (Widerspruch bei der SPD)

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Kolleginnen und Kollegen von CDU und F.D.P. ganz offensichtlich an dem Thema interessiert sind

          (Beifall bei der F.D.P. - Zuruf von der SPD: Wenn Sie sonst keine Sorgen haben!) 

und dass die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen unabhängig von dem Thema nur in das Parlament gebeten worden sind. Herzlichen Dank für die Klarstellung. So viel zu Punkt 1.

Punkt 2: Ich nehme zur Kenntnis, Herr Krings, dass Sie ein ausgewiesener Fachmann für Verwaltungsreformfragen sind. Aber bitte lassen Sie, Herr Moron, zu verfassungsrechtlichen Fragen demnächst Ihre Mitglieder des Rechtsausschusses sprechen, denn wir haben es hier mit einem Verfassungsbruch zu tun, nicht aber mit irgendwelchen lapidaren Fragen der politischen Bewertung einer Verordnung.

          (Beifall bei der F.D.P. - Zuruf von der SPD: Oberlehrer!)

Drittens. Es gibt einen klugen Spruch. Weil er so klug ist, muss er von einer Frau stammen. Er lautet: Reisende, die über den Irrtum zur Weisheit gelangen, das sind die eigentlich Weisen. Die, die beim Irrtum verharren, das sind die Narren.

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, Sie haben es in der Hand, gleich deutlich zu machen: Wollen Sie in die Kategorie der Weisen gehören und den Irrtum korrigieren, den Ihnen die Ministerin eingebrockt hat? Oder ziehen Sie die andere Kategorie vor, die der Narren, die beim Irrtum verharren - gemeinsam mit Frau Höhn? Diese Entscheidung - neben dem Verfassungsbruch - steht heute zur Diskussion.

Herr Clement, Sie haben einen Amtseid abgelegt. Die Gesetze zu achten ist Teil des Amtseids. Handeln Sie entsprechend! - Herzlichen Dank.

          (Beifall bei der F.D.P.)

Vizepräsident Laurenz Meyer: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich komme zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Ich lasse über den Antrag Drucksache 13/323 abstimmen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen von SPD und Grünen gegen die Stimmen von CDU und F.D.P. abgelehnt.

 

 



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