Wortprotokoll

 

 

Ausschuss für

Gesundheit, Soziales und Migration

 

19. Sitzung

22. März 2001

Beginn:

14.04 Uhr

 

Ende:

17.53 Uhr

 

Vorsitz:

Frau Abg. Dr. Schulze (PDS)

    Vor Eintritt in die Tagesordnung

  Siehe Beschlussprotokoll.

  Punkt 1 der Tagesordnung

 

Aktuelle Viertelstunde

 

Siehe Inhaltsprotokoll.

Frau Vors. Dr. Schulze: Haupttagesordnungspunkt ist heute die große Anhörung zu folgenden Gesetzesentwürfen.

Punkt 2 der Tagesordnung

     a) Vorlage - zur Beschlussfassung - über

          Gesetz über das Halten und Führen von

          Hunden in Berlin

           ­ Drs 14/618 ­             

 

          b) Antrag der Fraktion der Grünen über                                    

          Gesetz zur Reduzierung von Gefahren durch                       

          Hunde in der Stadt                                                                  

          ­ Drs 14/265 ­

 

Wir haben als Ausschuss darum gebeten, dass die Mitglieder des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung bzw. Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung an unserer heutigen Ausschusssitzung teilnehmen. Ich möchte    den Ausschussmitgliedern aus den anderen Ausschüssen Rederecht erteilen. ­ Wenn es keine gegenteilige Meinung gibt, dann haben Sie Rederecht. ­ Wünschen Sie ein Wortprotokoll der heutigen Anhörung? ­ Dem ist so. ­ Frau Herrmann, bitte!

 

Frau Abg. Herrmann, Annelies (CDU):  Bevor wir mit der Anhörung beginnen, sollten wir uns ein Zeitlimit setzen. Wir haben zehn Anzuhörende, und wir haben jede Menge interessierte Abgeordnete, die sich nachher in die Diskussion einbringen wollen. Die CDU-Fraktion schlägt 17.30 Uhr vor, da wir um 18 Uhr diesen Raum verlassen müssen.

 

V: Ich denke, eine konzentrierte Diskussion, nachdem wir die Expertinnen und Experten gehört haben, ist im Interesse aller, so dass wir dieses Zeitlimit durchaus im Auge haben können, aber wir   garantieren, dass alle, die wir als Experten und Expertinnen eingeladen haben, zu Wort kommen.

 

Sehr verehrte Expertinnen und Experten, ich heiße Sie recht herzlich willkommen. Sie waren so freundlich, vor dem heutigen Termin in Ihrer jeweiligen Funktion und Aufgabe uns  schriftliche Stellungnahme vorzulegen. Diese Stellungnahmen liegen den Ausschussmitgliedern aller beteiligten Ausschüsse vor. Ich bitte Sie, in etwa fünf Minuten Ihre jeweilige Position vorzutragen, so dass  genügend Gelegenheit bleibt,  die Nachfragen zu stellen, die Ihnen auf der Seele brennen und die Sie beantwortet wissen möchten.

 

Wenn alle mit dem Verfahrensweg so einverstanden sind, bitte ich darum, dass wir die Begründung durch die einreichenden Fraktionen zu dem Gesetzesentwurf, die Stellungnahme der Fraktion der Grünen und das Statement der Senatsverwaltung nach die Anhörung der Expertinnen und Experten zu schieben. ­ Frau Hämmerling, bitte!

 

Frau Abg. Hämmerling (Grüne): Die Expertinnen und Experten wissen mit Sicherheit, wozu sie Stellung nehmen sollen, denn ihnen liegen die Gesetzentwürfe vor, aber nicht unseren Gästen. Deswegen würde ich gerne zu unserem Gesetzantrag Stellung nehmen.

 

V :  Das war ein Verfahrensvorschlag meinerseits, um zu garantieren, dass wir genügend Zeit haben, die Expertinnen und Experten zu befragen, weil wir so schnell nicht noch einmal eine solche Gelegenheit bekommen werden. Das ist damit nicht von der Tagesordnung genommen, sondern lediglich zu einem späteren Zeitpunkt der Tagesordnung aufgerufen. ­ Legen Sie Wert darauf, dass wir darüber abstimmen? ­ Wer meinem Vorschlag folgt, dass die Stellungnahmen zu dem eingereichten Tagesordnungspunkt im Anschluss an die Anhörung stattfindet, den bitte ich um das Handzeichen. ­ Gegenstimmen? ­ Stimmenthaltungen? ­ Dann verfahren wir so.

 



Herr Kußerow (Verband für das deutsche Hundewesen e. V.): Schönen Dank, Frau Vorsitzende! ­ Ich nehme im Namen des Verbandes für das deutsche Hundewesen Stellung, und bedanke mich  für die Ehre, uns als Experten zu bezeichnen. ­ Wir sagen seit Jahren immer wieder, was wir wollen und was nicht, und es wird doch nicht umgesetzt. Wenn alle Experten z. B.  sagen: Die Rassenliste sollte nicht sein, dann sollte das nachher auch irgendwo einfließen und nicht immer einfach so abgetan werden.

 

Ich nehme jetzt zu dem vorliegenden Gesetz Stellung. Das ist die Drucksache 14/618. Mit der können wir uns eigentlich ­ mit kleinen Ausnahmen ­ anfreunden. Bei § 3 Abs. 1 meinen wir, dass dieses generelle Leinengebot abzulehnen ist. ­ Sie wissen, dass wir noch vor ca. 1 1/2 Jahren  gesagt haben, nach Beratungen könnten sich unsere Vereine dem vielleicht anschließen, wenn im Gegenzug genug Auslaufflächen geschaffen werden. Dies ist nicht abzusehen und wurde auch seitens der Politiker abgelehnt. Aus diesem Grunde können wir es den Hundehaltern in Berlin nicht zumuten, ihren Hund im Sinne des Tierschutzgesetzes ­ ich glaube, es ist der § 2 ­ ihren Hund nicht artgerecht zu halten. Ich meine, aus diesem Grunde ist dieses generelle Leinengebot abzulehnen. Die wenigsten Hundehalter in der Stadt sind so unvernünftig, ihren Hund in Gegenden von der Leine zu lassen, in denen das eigentlich unverantwortlich ist. Wenn die Verordnung, die bisher bestand, auch so verfolgt und überprüft worden wäre, wie es seit einem Jahr mit der neuen verschärften Verordnung getan wird, wäre es mit Sicherheit nicht zu so vielen Vorfällen gekommen.

 

Den § 4 Abs. 2, die Rasseliste, lehnen wir nach wie vor ab. Es wird kein Hund geboren, der von Hause aus aggressiv ist. Er wird dazu gemacht. In den Zuchtstandards ist vorgeschrieben, dass der Hund ein freundliches Wesen haben muss, und er wird auch in den meisten Fällen dann so erzogen. Es können nicht alle Vertreter einer bestimmten Hunderasse bestraft werden, weil einige wenige ­ wie Sie es hier in der Beschlussfassung stehen haben ­ aus diesen nicht zuverlässigen Personenkreisen auffallen. Hier werden seit Generationen Hunde gehalten und gezüchtet, die dann irgendwann aussterben werden. Es haben auch namhafte Wissenschaftler in dieser Broschüre ­ ich glaube, die liegt Ihnen auch vor ­ in wissenschaftlichen Gutachten über Kampfhunde oder gefährliche Hunde festgestellt, dass nicht pauschal über die Rasse auf eine Gefährlichkeit geschlossen werden kann. ­ Der erste Hund, dieser Pitbull ist kein Rassehund. Das ist für uns eine Kreuzung. ­ Zwei bis vier: Ich weiß nicht wie viele in Ihrer Bissstatistik stehen, in den richtigen Händen wird auf keinen Fall von denen eine Gefährlichkeit ausgehen. ­ Ebenfalls bei 5 bis 12: Ich kenne kaum solche Hunde in der Stadt, wie viele Vorfälle es da gegeben hat, warum Sie diese Hunde auf der Liste haben. Wir meinen, eine Liste muss nicht sein. Es sollte konsequent umgesetzt werden, dass wirklich auffällig gewordene Hunde und deren Halter verfolgt werden sollten. Die müssen natürlich Sachkundenachweise usw. erbringen. Wir stellen in diesen Tagen den sogenannten VDH-Hundeführerschein vor, der Ihnen wahrscheinlich auch vorliegt, und ich meine, dieser ist eine gute Sache, die man in der Hand hat. Vielleicht kann man den Leuten ans Herz zu legen, dass sie sich freiwillig zu diesem Hundeführerschein entschließen, wenn man ihn mit einer Vergünstigung der Hundesteuer verbindet.

 

Zu der Rassenliste sei noch gesagt, dass diese auch seit einigen Jahren in Frankfurt/Main existiert, und zur Erinnerung: Die Vorfälle mit den sogenannten Kampfhunden haben abgenommen, aber die Bissvorfälle sind trotzdem angestiegen. Daran sehen Sie, dass solche Menschen ­ wie Sie es schreiben: nichtzuverlässige Personenkreise ­ sich ganz schnell  andere Rassen oder andere Mischlinge, die Sie auch nicht in der Liste erfassen, nehmen. Die Vorfälle kommen dann bei denen vor, und irgendwann haben Sie eine Liste mit 40 bis 50 Rassen. Ich glaube das ist in Spanien so. Und irgendwann haben wir überhaupt keine Hunde mehr in der Stadt, sondern  wahrscheinlich nur noch umweltfreundliche Autos.

 

Weiterhin sollte es den Rassehundzuchtvereinen überlassen bleiben, ob mit Mikrochip oder mit einer Tätowierung gekennzeichnet wird. Einige scheuen sich auch wegen der recht großen Kosten vor dem Chip. Ich glaube, eine Tätowierung ist genauso fälschungssicher wie der Mikrochip. Wenn kriminelle Energie dahinter steht, wird beides gefälscht. Dass wissen wir auch.

 

Dann fragen wir zum § 7: Nach welchen Kriterien bislang ­ oder auch in Zukunft ­ die Sachverständigen berufen werden sollen bzw. wurden.

 

Dann noch der § 8, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, ich weiß nicht, wie Sie das feststellen wollen ­ die dürfen zwar Autos fahren aber keinen Hund halten. Ich weiß nicht, ob das so überprüfbar ist.

 

Auch wir wünschen uns den sozialverträglichen und "umweltfreundlichen" Hund in der Stadt und sind zu allen Dingen bereit, wenn sie mit unseren Sportfreunden auch vereinbar sind. Selbstverständlich unterstützen wir auch die Hundekotbeseitigungspflicht und machen auch immer wieder darauf aufmerksam. Seit Jahren haben wir auch die Hundehalter-Haftpflichtversicherung für ­ aber bitte schön ­ alle Hundehalter in der Stadt gefordert. Nochmals mein Hinweis: Bitte konsequent die alte Verordnung überprüfen und dann werden mit Sicherheit Vorfälle zurückgehen. ­ Ich bin für weitere Fragen offen. ­ Danke!

 

V: Herzlichen Dank! ­ Herr Dr. Fischer! ­ Herzlich willkommen. ­ Sie vertreten die Vereinigung der Tierärzte im öffentlichen Dienst e. V. ­ Bitte schön!

 

Dr. Fischer (Vereinigung der Tierärzte im öffentlichen Dienst e. V.): Vielen Dank! ­ Ich möchte in meinem Vortrag nicht noch einmal auf unsere schriftliche Stellungnahme, die wir zu dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgelegt haben, eingehen, sondern Probleme bei der Haltung von Hunden und anderen Tieren in der Stadt kurz allgemein beschreiben und daraus dann die nach unserer Auffassung wichtigsten Anforderungen an eine gesetzliche Regelung ableiten.

 

Probleme mit Tieren, bei denen die staatliche Veterinäraufsicht gefordert ist, beschränken sich nicht allein auf die Gefahrenabwehr. Zuerst müssen wir erwähnen, dass die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter natürlich die klassischen Aufgaben der Tierseuchenbekämpfung und des Tierschutzes zu erledigen haben. Das jüngste Kind, das nun in den letzten zehn Jahren immer mehr aufgekommen ist, ist die Gefahrenabwehr. Neben der Verordnung aus dem Jahr 1996 über das Halten von gefährlichen Tieren wildlebender Arten folgte dann im Juli 2000 die Berliner Hundeverordnung. Beide Verordnungen regeln den Umgang mit solchen Tieren, deren Haltung noch vor fünf, zehn oder zwanzig Jahren nur einem kleinen Kreis von Experten oder Liebhabern vorbehalten war, deren Verbreitung sich jetzt aber aus einem Trend, einer Mode, einem Status- oder Stärkesymbol zugenommen hat.

 

Probleme und damit eine Gefährdung der Mitbürger ergeben sich aus unserer Auffassung nun dadurch, dass Tiere von Personen ohne ausreichende Erfahrung, Fachwissen, aber auch ohne die erforderliche Sorgfalt und Rücksicht gehalten werden. In Bezug auf eine Regelung über das Halten von Hunden ist festzustellen, dass die Schwachen in der Gesellschaft, insbesondere Kinder und alte Personen, nicht allein von Hunden, die in Ihrer Rasseliste aufgeführt sind, gefährdet werden können, sondern schon bei normalen halbhohen Rassen, wenn sie diese bedrängen, anknurren, anspringen oder gar beißen, eine erhebliche Belästigung, Angst, seelische Schäden, oder sogar erhebliche körperliche Schäden, direkt oder indirekt, erlangen können. So kann es dazu kommen, dass Kinder z. B. vor Hunden weglaufen, in Unfälle verwickelt werden, ohne dass konkret ein Hund einwirkt, oder alte Leute durch Anspringen ­ was wir auch oft haben ­ stürzen und dadurch zu Schaden kommen. Nach unserer Auffassung sind daher fehlende Umsicht schon bei der Anschaffung eines Tieres, fehlende Überprüfung der Haltungsmöglichkeiten in der Wohnung und im örtlichen Bereich sowie insbesondere die fehlende Rücksichtnahme, Fehler, die nun gesetzliche Regelungen erfordern.

 

Hieraus folgt nach unserer Auffassung, dass eine ordnungsrechtliche Regelung, die das Halten von Hunden regulieren soll, folgende Anforderungen erfüllen sollte: Das eine ist, dass die Tiere generell gekennzeichnet ­ wir empfehlen die Chipkennzeichnung ­ sein sollten. Zweitens ­ und ich glaube, darüber sind sich auch die meisten Experten einig ­ dass eine allgemeine Hundehaftpflicht eingeführt werden soll. Drittens, dass ­ insbesondere aus den Erfahrungen des Vollzuges heraus ­ eine zentrale Erfassung auffällig gewordener Hunde erforderlich ist, da es bis jetzt immer noch möglich ist, einfach durch Wegzug aus einem in den anderen Bezirk sich entsprechender Auflagen zu entledigen, weil wir davon überhaupt keine Kenntnis erlangen. Dass dann auffällig oder wirklich gefährlich gewordene Hunde regelmäßig beurteilt werden, dass aber andererseits in den vorgelegten Regelungen eine angepasste Leinen- und Maulkorbpflicht bei unauffälligen Tieren auch möglich sein sollte.

 

Nach unserer Auffassung sollten auch die Hunde, wenn es zu einer Rasseliste kommt, nach ihrem Erscheinungsbild durch die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter diesen Rassen zugeordnet werden, denn wenn man sich auf den Nachweis der Abstammung beschränken möchte, dann ist es schon in der Vergangenheit immer wieder zu Schwierigkeiten der Festlegung, ob denn ein Tier nun zu der Rasse gehört oder nicht, gekommen.

 

Als nächstes ist zu erwähnen, dass es den Veterinärämtern in der Vergangenheit unmöglich war festzustellen, ob eine Person alkoholkrank oder rauschmittelsüchtig war. Das haben wir der Hauptverwaltung auch immer wieder vermittelt, sowohl im Rahmen der Extrabesprechung zu der Hundeverordnung als auch im Rahmen der sogenannten Dienstversammlung.

 

Zur Situation der Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter: Hier hat sich gezeigt, dass durch die Berliner Hundeverordnung  der Verwaltungsaufwand in der Vergangenheit schon erheblich gestiegen ist. Und gerade jetzt, wo die Registrierungsfristen nach der Hundeverordnung abgelaufen sind, zeigt sich besonders deutlich, dass mit dem vorhandenen tierärztlichen Personal eine Überprüfung gerade der sogenannten Problemfälle nicht möglich ist. ­ Die Aufgabenfülle ­ ich brauche mich da im Moment gar nicht auf unbekannte Tatsachen beschränken, ich erwähne nur BSE, MKS, der Krisenstab ist jetzt wieder einberufen, wir haben heute gerade ein Fax bekommen ­ bindet die Veterinärämter im Prinzip seit Mitte November derart, dass Schwerpunktkontrollen nicht mehr durchgeführt werden können. Darüber ist die Hauptverwaltung von uns informiert worden.

 

Seit Jahrzehnten reihen sich Tierschutz, Tierseuchen oder Lebensmittelskandale aneinander, und dies zeigt aus unserer Sicht die Notwendigkeit einer angemessenen und funktionierenden Veterinär- und Lebensmittelaufsicht. Das setzt natürlich auch voraus, dass diese Ämter personell und auch sachlich so ausgestattet sind, dass Sie diese Aufgaben vollziehen können. In den vergangenen Jahren ist aber die Ausstattung der Ämter ­ auch durch Haushaltsvorgaben ­ immer weiter reduziert worden, so dass man heute feststellen muss, dass es einen Fehlbetrag an Kontrollpersonal von bis zu etwa 20 % zu der von der Senatsverwaltung für Gesundheit seinerzeit noch im Jahr 1993 vorgegebenen Mindestpersonalausstattung gibt. Insofern stellt sich die Frage, inwiefern, wenn es jetzt zu einem Hundegesetz kommt, dieses dann von uns, den Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern, zu vollziehen ist. ­ Ich danke Ihnen.

 

V: Herzlichen Dank, Herr Dr. Fischer! ­ Herr Bob, Tierärztekammer!

 

Herr Bob (Tierärztekammer Berlin): Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich zuerst im Namen der Tierärztekammer für die Einladung zu der heutigen Anhörung. Ich möchte mich Ihnen kurz vorstellen: Mein Name ist Maurice Bob. Ich bin 51 Jahre alt, habe von 1975 bis 1980 an der Freien Universität Berlin Veterinärmedizin studiert, war anschließend mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Poliklinik für kleine Haustiere der Freien Universität beschäftigt. Aus dieser Zeit stammen diverse Publikationen zu Erkrankungen beim Hund. Ich betreibe seit nunmehr 18 Jahren in Berlin-Charlottenburg eine Kleintierpraxis und befasse mich seit Anfang der 90er Jahre mit der Verhaltenskunde und der Verhaltenstherapie bei Hund und Katze.  Ich bin Mitbegründer und Mitherausgeber der auflagenstärksten Fachzeitschrift für Kleintiermedizin im deutschsprachigen Raum, der Zeitschrift "Kleintier konkret".

 

Es ist unstrittig, dass es gefährliche Hunde gibt. Genauso unstrittig ist es aber auch, dass sich die besondere Gefährlichkeit eines Hundes eben nicht aus einer Rassezugehörigkeit ableiten lässt. Die besondere Gefährlichkeit eines Hundes ist in erheblichem Maße abhängig vom Halter bzw. den Aufzucht- und den Haltungsbedingungen des Tieres. Es widerspricht dem aktuellen Stand der Wissenschaft, den gefährlichen Hund nach Rasse, Größe oder Gewicht definieren zu wollen. Entsprechende Erklärungen der Bundestierärztekammer, der Tierärztekammer Berlin und des Bundesverbandes praktischer Tierärzte sind dem Senat bekannt. ­ Es befremdet in höchsten Maße, erleben zu müssen, mit welcher Beharrlichkeit die Fachkompetenz der Tierärzte für dieses Gesetzgebungsverfahren bisher ignoriert wurde. Ich wiederhole noch einmal: Sowohl die Gesetzesvorlage, wie auch der vorliegende Antrag basieren auf sachlich falschen Voraussetzungen.

 

Zweitens: Wenn das Zugrundelegen einer Rasseliste als definitiv falsch zu bezeichnen ist, dann ist auch ein damit verknüpfter Maulkorb und Leinenzwang für die aufgelisteten Rassen nicht mehr zu rechtfertigen. Die Berliner Tierärzte fordern: Maulkorb und Leinenzwang ausdrücklich nur für gefährliche Hunde. Ein genereller Maulkorb- und Leinenzwang ­ das ist allgemein bekannt ­ führt zu schlecht sozialisierten, zu körperlich unausgelasteten und zu verhaltensgestörten Hunden. Hunde müssen lernen, miteinander umzugehen. Dies können sie nicht lernen, wenn sie stets oder überwiegend angeleint sind. Ein solcher sozialer Erfahrungsentzug wird ­ und darin sind sich wieder alle Experten einig ­ als Folge viel mehr neue Problemhunde schaffen.

 

Drittens: Die Berliner Tierärzte halten es ebenfalls für zwingend geboten, auffällig gewordene Hunde einer sachverständigen Beurteilung zu unterziehen. Aber nur Tierärzte verfügen auf Grund ihrer Ausbildung und nach entsprechender Weiterbildung über den ausreichenden Kenntnisstand, harmlose von gefährlichen Hunden auch unterscheiden zu können. Somit können auch nur Tierärzte mit einer solchen Beurteilung betraut werden. Das für eine solche Begutachtung unbedingt erforderliche Grundwissen über Neurophysiologie, Lernphysiologie, Stressreaktion, wie auch das Wissen über Erkrankungen ganz allgemeiner Art lässt sich nicht in Crashkursen und auch nicht durch Erfahrung erlernen. Die derzeit übliche Praxis, Sachverständige, z. B. auch aus dem Hundesport tätige Leistungsrichter, oder gar aus dem Kreis der Hundeausbilder zu benennen, ist in jedem Fall im Interesse der zu testenden Hunde aber auch im Interesse der zu schützenden Bevölkerung sofort zu beenden.

 

Im Rahmen einer großen Fortbildungsveranstaltung der Berliner Tierärzte am vergangenen Samstag haben mich die Kollegen aufgefordert, noch einmal zu versuchen, Ihnen deutlich zu machen, dass eine sachgerechte Lösung viel stärker auf den Hundehalter abstellen muss, anstatt mittels Rasseliste, Leinenzwang und ähnlichem sozusagen am falschen Ende der Leine reglementieren zu wollen. Die Berliner Tierärzte schlagen deshalb u. a. vor, alle Hunde durch einen Mikrotransponder zu kennzeichnen. Diese Maßnahme sorgt für die eindeutige Identifizierung der einzelnen Hunde, sie dient im Schadensfall der Zuordnung eines Hundes zu seinem Halter, und sie schützt außerdem den Hund, weil es sehr schwer werden wird, sich eines eindeutig seinem Halter zuzuordnenden Hundes einfach zu entledigen. Es wird mit dieser Maßnahme weniger herrenlose Hunde geben. Gleichzeitig wird es auch zu einer Entlastung der zurzeit hoffnungslos überfüllten Tierheime kommen.

 

Auch bei verantwortungsvollster Hundehaltung und bei sachgerechtester gesetzlicher Regelung lassen sich Personen- oder Sachschäden niemals vollständig ausschließen. Deshalb halten die Berliner Tierärzte neben der Kennzeichnungspflicht der Hunde auch die gesetzliche Verpflichtung aller Halter zum Abschluss einer Hundehalterhaftpflichtversicherung für notwendig und geboten.

 

Die Tierärzte fordern den Erlass eines Heimtierzuchtgesetzes, denn auf diesem Wege ließe sich ein Fortpflanzungsverbot für gefährliche Hunde erreichen. Auch die gewerbliche, die auffällig gewordene private Hundezucht ließe sich so überprüfen und entsprechend beeinflussen. Angedacht wurde auch, ob zukünftige Hundehalter nicht vor Anschaffung eines Hundes einen sogenannten Sachkundenachweis erbringen sollten.

 

Gestatten Sie mir, bevor ich zum Schluss komme, noch folgende Bemerkungen: Durch die Anwendung einer Rasseliste werden mit der bestehenden und auch mit der geplanten Regelung neben den gelisteten Hunden auch deren Halter sichtbar aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Auch wenn vom Verordnungsgeber vielleicht so nicht gewollt, so muss doch festgestellt werden, dass zunehmend gerade auch städtische Unternehmen, wie Wohnungsbaugesellschaften und Unternehmen des städtischen Nahverkehrs, sich der Rasseliste bedienen und unbescholtene Bürger und deren Hunde diskriminieren.

 

Hunde leisten in unserer Gesellschaft einen wichtigen sozialen Beitrag: Blindenführhunde, Behindertenbegleithunde, Lawinenhunde, Therapiehunde, Diensthunde bei Polizei und Zoll seien stellvertretend genannt. Sie sind unabhängig von ihrer Rasse stets unbestechliche Helfer des Menschen. Ob im spektakulären Rettungseinsatz, als Spielgefährte von Kindern, oder ganz unspektakulär als Freund und Partnerersatz: Der Hund ist, war und bleibt dem Menschen unentbehrlich. Die Berliner Tierärzteschaft ist davon überzeugt, dass nach Beachtung der sachlich berechtigten Einwände und unter Berücksichtigung der entwickelten Vorschläge ein Gesetz geschaffen werden kann, das Berlin zum Vorreiter für ein sachgerechtes, qualifiziertes und der Verhältnismäßigkeit entsprechendes Gesetz  machen wird. ­ Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und für die Aufmerksamkeit!

 

V: Herzlichen Dank, Herr Bob! ­ Herr Professor Distl!

 

Dr. Distl (Tierärztliche Hochschule Hannover ­ Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung): Die spezielle Frage an mich ging dahin, ob man Hunderassen molekulargenetisch identifizieren kann. Wir hatten nach Bekanntwerden dieser Gesetze eine Fülle von Anrufen am Institut und sind immer wieder gebeten worden, auch von Kollegen aus Berlin, es möglich zu machen, Hunde molekulargenetisch zu identifizieren. Wir haben die Literatur durchgeschaut, und sind dann zu folgendem Schluss gekommen ­ es gibt hierzu eine einhellige Meinung in der Wissen-schaft ­: Es ist nicht möglich, Hunde molekulargenetisch zu differenzieren, z. B. kann die Molekulargenetik einen mexikanischen Nackthund oder einen Chihuahua nicht von einem Deutschen Schäferhund, einem Greyhound oder einem Dingo auseinanderhalten. Das ist nicht möglich. Es ist wohl möglich, den Hund und den Wolf zu differenzieren, aber die Rassenbildung ist anscheinend nicht so weit fortgeschritten, dass die Molekulargenetik, wie das bei anderen Haustierrassen oder auch beim Menschen, möglich ist, mit diesen bekannten Methoden Unterschiede aufzuzeigen. ­ Es war hier eine angesehene Publikation in dem amerikanischen Wissenschaftsmagazin Sience über mitochondriale DNA. Die mitochondriale DNA wird nur von den weiblichen Tieren an die Nachkommen weitergegeben. Diese mitochondriale DNA eignet sich vor allem, um Rassen zu differenzieren, z. B. konnte man damit den Nachweis der Indianer aus der Mongolei nachweisen. Das ist beim Hund aber nicht möglich gewesen, so dass man also keine Möglichkeit hat, bei einem Hund mit unbekannter Abstammung und ohne jeden Hinweis, wer die Eltern sind und von denen auch Blutproben gewonnen werden können, einer Rasse genau zuzuordnen.

 

Zu der Rasseliste ist noch Folgendes zu sagen: Eine Rasseliste hat immer ein Problem, weil diese Rasseliste permanent auf den neuesten Stand gebracht werden muss, weil sie laufend neue Rassen bekommen können, die gefährlich sein können. Nach unserer Meinung sollte man es nicht auf Rassen beziehen sondern generell.

 

Der zweite Punkt ist natürlich der: Wenn man stärker in die Präventive gehen will, muss man natürlich immer bei der Fortbildung, bei der Sachkunde des Besitzers ansetzen, und man sollte nicht nur Nachweise verlangen, ob er diesen Hund führen kann, sondern dass er auch etwas über die artgerechte Haltung, die artgerechte Ernährung und auch etwas über Rassen versteht, weil sicherlich oft auch das Problem besteht, dass die Besitzer gar nicht wissen, welchen Hund sie eigentlich kaufen. ­ Das ist unsere Stellungnahme dazu. Schönen Dank!

 

V: Herzlichen Dank, Herr Professor Distl! ­ Ich bitte Herrn Rechtsanwalt Stück aus Kassel um seine Stellungnahme. ­ Bitte schön!

 

Rechtsanwalt Stück: Vielen Dank, Frau Vorsitzende! ­ Sehr geehrte Damen und Herren! ­ Ich bin der Einzige, hinter dessen Name keine Organisation steht. Deshalb möchte ich mich zunächst auch kurz vorstellen: Volker Stück, 34 Jahre alt, hauptberuflich tätig als Leiter Personalbetreuung und Entwicklung für 3 200 Mitarbeiter, nebenberuflich tätig für 23 Mandanten mit Hunden der verschiedensten Rassen ­ sogenannter Kampfhunde ­ in Hessen. Ich führe dort das Normenkontrollpilotverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, habe die Eilentscheidung vom 8.9. erstritten, und wir werden die Hauptsache im zweiten Quartal bekommen. Ich bin von klein auf groß geworden mit Hunden, zunächst Cocker-Spaniel, Deutscher Schäferhund, Dobermann und seit viereinhalb Jahren American Staffordshire Terrier.

 

Warum bin ich nach Berlin gekommen? Ich denke, Politiker sollten nicht schlechte Gesetze, sondern gute Politik machen und selbstverständlich sollten sie gute Gesetze machen. Damit das der Fall ist, möchte ich Ihnen ein paar Argumente vortragen: Was macht ein gutes Gesetz aus? Ein gutes Gesetz muss gerichtsfest, sachgerecht, und ausgewogen sein. Daraus ergeben sich automatisch die Anforderungen an das Hundegesetz, das hier zu beraten ist.

 

Erstens: Das Gesetz muss vereinbar sein mit höherrangigem Recht. Jetzt fange ich in der Normenpyramide ganz oben an. Es muss vereinbar sein mit EG-Recht. Wir haben hier zunächst § 28 und § 30 EG-Verordnung. Nach Auffassung der Europäischen Kommission ­ ich verweise auf das Schreiben von Verbraucherschutzkommissar David Byrne ­ verstoßen die Regelungen, die hier getroffen sind, insbesondere gegen das generelle Zuchtverbot,  weil sie den innerstaatlichen Handel einschränken. Wenn diese Regelung bis zum Europäischen Gerichtshof geht, bin ich mir relativ sicher, dass sie dort kassiert werden würde.

 

Ich gehe in der Normenhierarchie eine Ebene tiefer: Die Regelung muss mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Wir haben hier zunächst Art. 3 Grundgesetz, das Willkürverbot. Art. 3 gebietet Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenheit nach verschieden zu differenzieren.

 

Der Gesetzgeber ­ und bei ihm liegt die Darlegungs- und Beweislast ­ braucht einen sachlichen Grund für die Rassendifferenzierung. Wir haben es eben von den beiden Sachverständigen gehört, die aus der Wissenschaft kommen und sich mit Tiermedizin beschäftigen: Es gibt heute keinen ernst zu nehmenden Tierarzt oder Professor an einer Hochschule, der sagt, dass die Anknüpfung an Rassen für die Beurteilung der Gefährdung taugt. Damit liegt kein sachlicher Grund dafür vor, Hunde nach Rassen zu differenzieren, sondern es anzuknüpfen an das Verhalten des Hundes, und zwar in jedem Einzelfall. Damit würde der Rassekatalog von § 4 Abs. 2 des Gesetzentwurfes willkürlich sein, würde der Nichtigkeit anheim fallen und damit alle Regelungen, die darauf aufbauen. Als Nächstes wäre das Ganze zu messen an Artikel 12 Grundgesetz. Hier geht es um das Zuchtverbot. Wenn die Zucht generell verboten wird, haben wir eine objektive Berufszulassungsregel, die nach der Rechtsprechung den höchsten Anforderungen überhaupt entspricht. Das heißt, es müssen überragende Rechtsgüter der Allgemeinheit sein und das Ganze muss unbedingt erforderlich sein. Ob ein Zuchtverbot generell für alle Rassen, die hier gelistet sind, dem standhält, daran habe ich ganz starke Zweifel, denn es wird hier nicht die Möglichkeit gegeben, die vermutete Gefährlichkeit zu widerlegen. Das heißt, hier würden auch selbst gutmütigste Hunde, die das durch fachtierärztliche Atteste nachweisen können, von der Zucht ausgeschlossen. Das würde meines Erachtens mit Artikel 12 nicht in Einklang zu bringen sein. Wir haben weiter Artikel 14, die Eigentumsfreiheit. Auch hier haben wir einen Ansatzpunkt, nämlich das Zuchtverbot und die eingeschränkte Haltungserlaubnis. Hier gibt es eine Übergangsregelung, aber wenn die Übergangsregelung nicht greift, wäre die Hundehaltung verboten. Das wäre meines Erachtens auch mit Artikel 14 nicht in Einklang zu bringen. Schließlich haben wir als subsidiäres Grundrecht Artikel 2, die allgemeine Handlungsfreiheit. Ich denke, da gilt dasselbe, also auch, der Gesetzentwurf würde dem nicht gerecht werden.

 

Wir haben als weiteres Recht Bundesrecht, und zwar in Form von Tierschutzgesetz und Gewerberecht. Gewerberecht insoweit, weil Hundezucht auch ein Gewerbe sein kann. Also auch hier wäre das generelle Zuchtverbot sicher mit dem Gewerberecht nicht in Einklang zu bringen, und der ständige Leinen- und Maulkorbzwang verstößt meines Erachtens auch gegen das Tierschutzgesetz, jedenfalls in der Fassung, die es heute noch hat.

 

Weiter wäre für ein Gesetz die Kompatibilität mit gleichrangigem Recht zu beachten. Dazu kann ich jetzt nicht viel sagen, weil ich aus Hessen komme und nicht aus Berlin. Ich kann also schlecht beurteilen, ob der vorliegende Gesetzentwurf zum Beispiel dem Gesetz zur Sicherheit oder Ordnung ­ oder was immer Sie in Berlin auf dieser Ebene haben ­ entspricht.

 

Nächster Punkt: Ein gutes Gesetz muss verhältnismäßig sein. Verhältnismäßigkeit setzt nach ständiger Rechtsprechung drei Punkte voraus: 1. die Eignung. Das ist nach der Begründung hier die Gefahrenabwehr. Da gibt es sicher überhaupt keinen Dissens zwischen allen Fachleuten, die hier sitzen, dass von Hunden keine Gefahren ausgehen dürfen. 2., die Erforderlichkeit. Dabei stößt das Gesetz auf erhebliche Bedenken. Erforderlichkeit im Sinne der Rechtsprechung heißt ultima ratio-Prinzip, das heißt, es darf kein milderes Mittel geben. Hier hat das Gesetz auch erhebliche Probleme, denn es ist im Gegensatz zu der hessischen Regelung, die wir zur Zeit haben, nicht möglich, die Ungefährlichkeit des Hundes durch entsprechende Atteste oder Tests zu belegen. Das heißt, die Hunde gelten unwiderleglich als gefährlich, und es gibt keine Möglichkeit, sie zu befreien. Das ist meines Erachtens zur Gefahrenabwehr in gar keinem Fall erforderlich und schießt weit über das Ziel hinaus. 3. die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Auch bei der Mittel-Zweck-Reaktion  wird der vorliegende Gesetzentwurf erhebliche Probleme haben.

 

4. das Bestimmtheitsgebot, dem jedes Gesetz entsprechen muss. Auch da greife ich auf das zurück, was eben die tierärztlichen Experten hier geäußert haben: Bestimmtheitsgebot heißt, eine Regelung muss so definiert sein, dass der Normunterworfene klar die Befehle oder Verbote und Gebote erkennen kann und danach handeln kann. Wenn nun ein Fachmann sagt, dass es nicht möglich ist, die Abstammung eines Hundes zu klären, dann frage ich mich: Wie soll jemand, der einen Mischlingshund hat, der vielleicht vor ein oder zwei Generationen einmal sogenanntes Kampfhundblut hatte ­ wenn man denn dieser Blutideologie folgen wollte ­ feststellen, was er für einen Hund hat und wie soll er dieser Verordnung berechtigterweise nachkommen? Das ist faktisch nicht möglich, so dass hier das Gesetz etwas Unmögliches verlangt. Damit ergibt sich quasi automatisch ein weiteres Problem, nämlich nicht nur das Problem für den Normunterworfenen, sondern auch das Problem für denjenigen, der die Norm zu exekutieren hat. Er kann nämlich dieser Norm als Ordnungsbehörde zum Beispiel nicht nachkommen, wenn er nicht einwandfrei weiß, welcher Rasse der Hund angehört.

 

Deshalb sprechen gegen den vorliegenden Gesetzentwurf ganz erhebliche Bedenken. Er ist meines Erachtens nicht gerichtsfest, er ist nicht sachgerecht, und er entspricht auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Außerdem sind manche Punkte darin, bei denen ich finde, dass er noch zu weich ist. Ich finde nämlich, dass die Kennzeichnung für alle Hunde eingeführt werden müsste. Ebenfalls bin ich der Auffassung, dass die Haftpflicht für alle Hunde eingeführt werden müsste, denn das Insolvenzrisiko oder Gefährdungsrisiko tritt nicht nur bei sogenannten Kampfhundehaltern auf, sondern bei allen Hundehaltern. Ansatzpunkt aus meiner Sicht ist deshalb ­ auch da befinde ich mich in Übereinstimmung mit den Experten von der Tierärzteseite ­: Die gesetzlichen Regelungen müssen schon greifen, bevor sich jemand einen Hund anschafft. Der Halter muss dazu verpflichtet werden, nachzuweisen, dass er sich mit dieser Rasse beschäftigt hat, dass er die Voraussetzungen hat, diese Rasse bei sich unterzubringen, sachgerecht zu halten und zu erziehen, also Grundkenntnisse in der Hundehaltung haben sollte. Haftpflicht und Kennzeichnung wäre aus meiner Sicht das Wesentliche, was man fordern müsste. Was ich auch ganz gut finde: Im Gesetzentwurf der Grünen ist zum Beispiel die Verpflichtung, Hunderkot zu beseitigen, enthalten. Auch das, denke ich, ist ein Zustand, den man nicht tolerieren sollte, aber bei allen Hunden. Das wäre meines Erachtens wünschenswert. Im Übrigen verweise ich auf mein schriftliches Gutachten. Es liegt Ihnen vor, das sind zehn Seiten, das kann ich Ihnen in der Kürze der Zeit hier nicht ausführlich vortragen. Für Fragen stehe ich Ihnen dann gern zur Verfügung. ­ Danke!

 

V: Recht herzlichen Dank, Herr Stück, für Ihre Ausführungen! ­ Alle, die sich bisher zu Wort gemeldet und vorgetragen haben, haben sich hervorragend auch an unsere Zeitvorstellungen gehalten. ­ Die Nächste wäre Frau Sack. Auch Sie recht herzlich willkommen in diesem Ausschuss. Sie vertreten Hund und Gesellschaft e. V. ­ Sie haben das Wort, bitte schön!

 

 

Frau Sack (Hund und Gesellschaft e. V.): Sehr verehrte Frau Vorsitzende!  Meine lieben Damen und Herren! Ich möchte heute nicht näher auf die einzelnen Paragraphen dieses vorgelegten Gesetzentwurfes eingehen, ich denke, das hat Herr Rechtsanwalt Stück gerade getan. Er ist da von der fachlichen Kompetenz sicher besser als ich. Ich rede vielmehr heute für die vielen Menschen, die sich im letzten Dreivierteljahr hilfe- und ratsuchend an uns und auch andere Organisationen gewandt haben. Ich rede von Menschen, die Hunde halten. Von integren Bürgern dieser Stadt, die auf die Auswirkungen allein  der Hundeverordnung zutiefst schockiert, verunsichert, verzweifelt, empört, ja wütend reagiert haben.

 

Besonders hart trifft es diejenigen, die Hunde der jetzt gelisteten Rassen halten. Viele haben zum Beispiel ihre Wohnungen verloren, manche auch ihren Hund. Es sind Menschen, die seit Monaten einer unvorstellbaren Diskriminierung und öffentlichen Ächtung ausgesetzt sind. Sie werden beschimpft, verleumdet, genötigt, bedroht, getreten, geschlagen. Ihnen werden ihre im Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsrechte abgesprochen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine kleine Aufstellung, die wir erarbeitet haben, eine Dokumentation über solche Übergriffe, ein kleiner Auszug liegt Ihnen dazu vor. All diese Menschen wurden zum Spielball von Ordnungsbehörden, Polizei und Medien. Sie dürfen mit ihren Hunden weder die Deutsche Bahn noch die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Sie finden keine Wohnung mehr, leben in ständiger Unsicherheit und Angst um ihren Hund. Sie werden mit Kriminellen und Chaoten gleichgesetzt. Ohne Berücksichtigung ihrer individuellen Einkommenslage mussten alle diese Menschen viele Hundert Mark investieren, um die geforderten Auflagen zu erfüllen. Es sind Geschäftsleute, Handwerker, Lehrer, Angestellte, Familien mit Kindern, Rentner, Studenten und andere. Ihren Hunden hat der Berliner Senat eine sondere Gefährlichkeit unterstellt, ohne dies jedoch mit einem einzigen kynologisch-wissenschaftlichen Beweis belegen zu können. Meine Vorredner haben dazu schon einiges gesagt.

 

Alle diese Menschen haben eine Sachkundeprüfung abgelegt, sich durch ein polizeiliches Führungszeugnis als unbescholtene Bürger ausgewiesen. Ihre Hunde sind wesensüberprüfte und friedfertige Tiere. Dennoch müssen all diese Menschen ihren Hund lebenslang mit Maulkorb und Leine führen. Dennoch finden sie kaum mehr eine Wohnung. Dennoch dürfen sie mit ihren Hunden Busse und Bahnen nicht mehr benutzen, und sie müssen künftig, wenn es nach dem Gesetz geht, an ihren Häusern ein Schild mit der Aufschrift "Vorsicht, gefährlicher Hund" anbringen. Nicht nur ihre Hunde sind stigmatisiert, sondern auch sie selbst. Und all dies nur deshalb, weil der Berliner Senat einer durch reißerische Medienberichte aufgebrachten Menge Sicherheit suggerieren will. Eine Sicherheit, die es auf diesem Wege niemals geben kann. Längst haben unzuverlässige Individuen ihre jetzt gelisteten Hunde abgeschafft und halten Hunde anderer, nicht gelisteter Rassen und Mischungen. Die Auswahl ist riesig, ja unerschöpflich. Diese Leute werden ihr Unwesen nun mit neuen Hunden weitertreiben und diese Hunde als Waffe missbrauchen.

 

Vor diesem Hintergrund liest sich der vorgelegte Gesetzentwurf wie eine Farce. Da laufen nun all die wesensgeprüften Hunde mit grüner Plakette, Maulkorb und kurzer Leine, nur um dem von der Politik gewünschten optischen Eindruck von Sicherheit Genüge zu tun. Als lebender "Beweis" für politisches Handeln etwa? Allein der immense Verwaltungsaufwand, die kostspieligen und zumeist überflüssigen Einsätze speziell ausgerüsteter Interventionsteams, das Massenaufgebot von Polizei in den Grünanlagen ­ all dies verschlingt Millionen von Steuergeldern und wird auch weiterhin Millionen verschlingen. Wäre nur ein Bruchteil dieses personellen und finanziellen Aufwands bei der Umsetzung der Hundeverordnung von 1998 betrieben worden, hätte es schwere Bissvorfälle nicht geben müssen. Es ist leider an dieser Stelle nichts geschehen, und so orientiert man sich jetzt an einer Bissstatistik, die gar nichts hergibt, außer dass viele der dort gelisteten Rassen nicht mit einem einzigen Vorfall vertreten sind und dass es ganz andere Rassen sind, die diese Listen anführen. In den Tierheimen und Sammelstellen vegetieren Hunderte friedfertige Hunde seit Monaten in ihren Zwingern. Ihre Vermittlungschancen sind auf Grund der unzumutbaren Haltungsbedingungen entsprechend schlecht. Die Frage, wer für dieses Tierelend unter anderem die Hauptverantwortung trägt, beantwortet sich in diesem Kontext von selbst.

 

Jetzt legt der Berliner Senat einen Gesetzentwurf vor, der Tiere verbietet, statt die von Menschen verursachten Probleme mit gefährlichen Hunden zu lösen. Es ist ein Gesetzentwurf, der Unrecht und Diskriminierung auf lange Zeit festschreiben und sogar noch verschärfen soll. Jetzt geht man so weit, mit dem generellen Leinenzwang für viele Berliner Bürgerinnen und Bürger die Hundehaltung fast völlig unmöglich zu machen.

 

Die öffentliche Sicherheit bleibt bei all dem auf der Strecke. Sie wird einem politischen Scheinerfolg geopfert. Und dazu wählt man den simpelsten aller Wege: Die pauschale Kriminalisierung unbescholtener, hundehaltender Bürgerinnen und Bürger und die Auslöschung von Hunderassen. Deshalb appellieren wir an den Senat von Berlin: Stellen Sie sich jetzt hinter die hundehaltenden Bürgerinnen und Bürger Berlins, egal, welche Hunderasse sie halten. Gewähren Sie im allerersten Schritt den geprüften Hunden ein artgerechtes Leben ohne Maulkorb und Leine. Sorgen Sie für sachgerechte und angemessene Lösungen, wie zum Beispiel die Hundeverordnung aus dem Jahr 1998, und sorgen Sie damit für Gerechtigkeit. Setzen Sie sich für die Wahrung der Bürgerrechte und die Wiederherstellung des sozialen Friedens ein. Ziehen Sie, Frau Schöttler, all jene zur Verantwortung, die durch Massenvermehrung von Hunden, Aggressionsdressur und Hundemissbrauch die öffentliche Sicherheit gefährdet haben und sie auch weiter gefährden. Unterstützen Sie die mit der Vermittlung von Hunden befassten gemeinnützigen Tierschutzorganisationen und verzichten Sie auf die sinnlose Auflistung einzelner Hunderassen. Initiieren Sie statt dessen die Schaffung eines rasseneutralen Heimtierzucht- und -schutzgesetzes auf Bundesebene. ­ Vielen Dank!

 

V: Recht herzlichen Dank, Frau Sack, für Ihre Ausführungen! ­ Ich bitte jetzt Herrn Maciejewski aus Nordrhein-Westfalen, den wir eingeladen haben. Sie vertreten den Arbeitskreis der diensthundeführenden Behörden des Bundes und der Länder.­ Sie haben das Wort, bitte schön!

 

Herr Maciejewski (Arbeitskreis der diensthundeführenden Behörden des Bundes und der Länder): Danke schön für die Einladung! Auch mein Arbeitskreis dürfte vielen weniger bekannt sein. Ich bin Leiter der Landespolizeischule für Diensthundeführer in Schloss Holte-Stukenbrock, und seit 1968 bin ich als Hauptaufgabe konkret mit Diensthunden beschäftigt. Ich bin darüber hinaus seit zehn Jahren Leiter dieses Arbeitskreises, in dem sich die Polizeien des Bundes und der Länder finden, denn die Polizei ist ein großer Hundehalter. Wir haben 3 500 Diensthunde innerhalb der Polizei ­ sind also ein sehr starker Hundehalter ­, und darüber hinaus auch die Hunde des Zolls und die Hunde der Bundeswehr. Insgesamt repräsentieren wir 5 500 Hunde in staatlichen Diensten. Ich bin darüber hinaus kynologischer Sachverständiger und regelmäßig oder gelegentlich Berater in kynologischen Aspekten für die UNO, das Bundeskriminalamt, teilweise auch die Ministerien und regelmäßig auch für die Arbeitsgemeinschaft der Zucht- und Gebrauchshundverbände.

 

Ich selbst stehe als Polizeibeamter ein für Gefahrenabwehr, das ist meine hauptberufliche Aufgabe. Ich bin aber auch selbst hauptberuflich, wie ich sagte, konkret ständig mit der Ausbildung von Hundeführern und Hunden beschäftigt, auch mit der Prüfung von Hundeführern und Hunden, auch mit dem Einsatz von Diensthunden und mit der Zucht von Diensthunden, denn wir haben auch eine eigene Zucht.

 

Für uns als Arbeitskreis gilt ganz klar, trotz aller Affinität zu Hunden, die wir natürlich haben müssen, um diese Aufgabe wahrzunehmen, der Vorrang der Menschenrechte vor dem Tierschutz ­ ganz klar. Wenn ich gleich die beiden Gesetzesvorlagen anspreche mit unseren Auffassungen dazu, erspare ich mir, auf die Dinge einzugehen, die ich nicht kritisieren will. Also wenn ich beispielsweise zur Haftpflichtversicherung der Hunde oder der Mikrochip-Regelung nichts sage, dann heißt das, ich bin selbstverständlich mit diesen Regelungen einverstanden.

 

Zunächst zur Gesetzesvorlage Drucksache 14/618 ­ Gesetz über das Halten und Führen von Hunden. Zu dieser Gesetzesvorlage liegt eine Stellungnahme meines Arbeitskreises vor: Die Auflistung von Hunderassen ist fachlich nicht haltbar. Übereinstimmende Auffassung aller unabhängigen kompetenten Wissenschaftler und Fachpraktiker ist, dass es keine übersteigert gefährlichen Hunderassen gibt. Es gibt übersteigert gefährliche Individuen, deren Gefährlichkeit zurückzuführen ist auf falsches oder kriminelles Verhalten der verantwortlichen Bezugsperson ­ das ist der Regelfall ­, oder/und auf genetisch fixierte Dispositionen ­ das ist eher der Ausnahmefall. Diese Auffassung teilt auch unser Arbeitskreis. Diese Auffassung wird bestätigt auf Grund der Ergebnisse der Verhaltenstests oder Wesenstests in vielen Bundesländern an Hunden dieser Rassen, welche belegen, dass die Rassen nur zu einem sehr geringen Prozentsatz mit übersteigert gefährlichen Individuen belastet sind. Hier wird also die theoretische Vorgabe, Annahme oder Kenntnis belegt durch die aktuellen Prüfungen.

 

Weil die Zeit wegläuft, fasse ich kurz aus meiner Stellungnahme das zusammen, was mir an dieser Gesetzesvorlage am wesentlichsten erscheint. Die Gesetzesvorlage unterstellt fälschlich, dass bestimmte Hunderassen übersteigert gefährlich sind. Dies ist aus den vorgetragenen Gründen fachlich nicht vertretbar. Ziel des Gesetzes ist der Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden. Im Interesse der Gleichbehandlung von Hundehaltern, im Interesse des Tierschutzes und eines wirksamen Schutzes der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden ist es falsch, die möglichen präventiven Instrumente wie Sachkundeprüfungen und Zuverlässigkeitsprüfungen nur auf Halter bestimmter Hunderassen und/oder auffällig gewordener Hunde zu beschränken. Dies stellt eine ungerechte, selektive, nur partiell oder leider auch manchmal zu spät wirksame Gefahrenabwehr dar. Damit wird das angestrebte Ziel, Bürger möglichst vor gefährlichen Hunden zu schützen, verfehlt. Es ist dagegen wirkungsvoll und sinnvoll, die genannten präventiven Instrumente der Gefahrenabwehr auf die Halter aller Hunde anzuwenden. Ich würde sogar sagen, ab einer bestimmten Größe, denn es bringt nichts, 5 cm oder 10 cm große Hunde hier solchen Regeln zu unterwerfen, weil sie nicht nennenswertes Gefahrenpotential haben, aber ab einer bestimmten Größe schon. Dies wäre eine zumutbare, vor allem auch gerechte, eine umfassende und eine optimal wirksame Gefahrenabwehr. Einige gefährliche Verhaltensweisen von Hunden gemäß § 4 dieser Vorlage müssten präziser bestimmt werden, damit eine zweifelsfreie Umsetzung in der Verwaltung möglich ist. Hier müsste das gefährliche Verhalten klarer definiert werden, damit das überhaupt umsetzbar ist.

 

Nicht nachvollziehbar für uns ist, dass bei Tatbeständen wie Eigentumsdelikten ­ einfacher Diebstahl beispielsweise ­ oder Trunkenheitsdelikten ohne Gewaltanwendungen oder bei Nichtent-richtung der Hundesteuer die Zuverlässigkeit des Halters verneint wird. Diese Tatbestände stellen nicht schlüssig das Verantwortungbewusstsein der Halter bezüglich einer präventiven Hundehaltung oder Hundeführung in Frage. Die Gesetzesvorlage ist fachlich nicht belastbar und wirkt nach unserer Einschätzung in der Bevölkerung polarisierend und wird von den Betroffenen ­ in der Regel verantwortungsbewussten Hundehaltern ­ kaum akzeptiert.

 

Die Plakettenregelung ist unter Umständen problematisch, siehe dazu meine Ausführungen zum § 5. Ich empfehle deshalb eine rechtliche Prüfung, ob in der Kennzeichnung durch eine solche Plakette Verletzungen der Persönlichkeitsrechte oder Verletzungen des Rechtes auf informelle Selbstbestimmung gesehen werden können.

 

Bedenklich ist allerdings für uns ganz klar das Warnschildgebot im Bereich von Grundstückszugängen. Meines Erachtens ist dies insbesondere verfassungsrechtlich kritisch, wenn der betroffene Hund einer bestimmten Rasse etwa im Rahmen einer vom Halter veranlassten Prüfung als nachweislich ungefährlich angesehen werden muss. Die Frage ist auch, ob dieses Warnschildgebot mit Mitteln des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden kann. Diese Situation ist vorprogrammiert, da nach dieser Gesetzesvorlage die Gefährlichkeitsvermutung der bestimmten Hunderassen nicht widerlegt werden kann.

 

Die Maulkorbpflicht bezieht sich auf Hunde bestimmter Rassen, deren Gefährlichkeit nicht konkret im Einzelfall nachgewiesen ist. Das generelle Tragen des Maulkorbes stellt aber eine Einschränkung der artgemäßen Kommunikation oder Interaktion, also eine Einschränkung des Sozialverhaltens und gewisser körperlicher Bedürfnisse dar. Dies ist tierschutzrechtlich nach Interessenabwägung nur vertretbar zur Gefahrenabwehr bei konkret gefährlichen Hunden.

 

Schließlich wäre ein nicht vertretbarer Mangel der Gesetzesvorlage, wenn im Falle der Festlegung auf bestimmte Hunderassen deren vermutete Gefährlichkeit nicht durch eine geeignete Verhaltensprüfung widerlegt werden könnte. Im Falle einer durch Prüfung widerlegten übersteigerten Gefährlichkeit wäre es aus Gründen des Tierschutzes und der Gleichbehandlung nicht vertretbar, den betreffenden Hund oder Halter anderen Hundehaltern und Hunden nicht gleichzustellen.

 

Ich komme nun zur Zusammenfassung meiner Stellungnahme zum Gesetzesantrag der Grünen: Gesetz zur Reduzierung von Gefahren durch Hunde in der Stadt. Das beantragte Gesetz der Grünen ­ Drucksache 14/265 ­ richtet die möglichen Instrumente der Gefahrenabwehr, wie Sachkunde, Zuverlässigkeitsprüfung, an alle Halter von Hunden, die einer bestimmten Größe bzw. einem bestimmten Gewicht entsprechen. Dieses Konzept ist nach meiner Auffassung zumutbar und auch als gerecht anzusehen und erreicht eine umfassende, bestmögliche Gefahrenabwehr. Die Vorlage setzt auf breit angelegte Vermittlung und Prüfung der Halterkompetenz und wird daher Akzeptanz bei den betroffenen Bürgern erhalten, zumindest bei verantwortungsbewussten Bürgern, und auch das Ziel erreichen, die Bevölkerung vor gefährlichen Hunden wirksam zu schützen. Die Maulkorbpflicht wirkt sich nur auf die konkret auffälligen Hunde aus. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf auch unter tierschutzrechtlichen Aspekten vertretbar.

 

Vorteilhaft ist an diesem Antrag, dass kriminelle und in anderer Weise unzuverlässige Halter keinen Anlass und keine Möglichkeiten haben, auf andere Hunderassen auszuweichen, da sich das Gesetz mit seinen Instrumenten auf alle großen Hunde, unabhängig von ihrer Rasse, erstreckt. Die angesprochenen unerwünschten Auswirkungen auf Grund rasseorientierter Hundeverordnungen werden in Europa bereits beobachtet, siehe Frankreich oder auch schon in einigen Bundesländern.

 

Ein weiterer Vorteil des Gesetzentwurfes ist, dass die öffentliche Verwaltung deutlich entlastet wird. Im Moment ist es so, dass überall in den Bundesländern die Verwaltungen mit den Hundeverordnungen völlig überlastet sind und nach mehr Personal fragen. Aber der Vorschlag in diesem Gesetzesantrag gefällt mir ganz gut. Die Verwaltung ist nach meiner festen Überzeugung personell nicht in der Lage, alle notwendigen Regelungen wirkungsvoll umzusetzen und zu kontrollieren. Die Bediensteten sind auch fachlich überfordert und müssten aufwendig über viele Monate und Jahre fachlich fortgebildet werden. Die Frage ist, ob das überhaupt verhältnismäßig ist. Deshalb ist die Einrichtung eines im Antrag so genannten Hunde-Überwachungsvereins aus unserer Sicht sehr sinnvoll.

 

Die vorgesehene Kennzeichnung der Hunde mit Plaketten ist nicht unproblematisch, wie ich bereits vorhin aufgeführt habe. Vor allen Dingen die mit einer roten Plakette kommunizierte Information ist mit einer gewissen Eingriffsintensität verbunden. Die signalisiert im Prinzip die öffentliche Kennzeichnung eines belastenden Verwaltungsaktes. Da würde ich Ihnen empfehlen, rechtlich zu prüfen, ob das überhaupt justitiabel ist. Ich empfehle deshalb zu prüfen, ob die Kennzeichnung durch eine solche Plakette Verletzungen der Persönlichkeitsrechte oder Verletzungen des Rechtes auf informelle Selbstbestimmung enthalten kann.

 

Wenn Sie mir jetzt noch gestatten ­ weil es eine große Relevanz hat ­, das Bundesverwaltungsgerichtsurteil anzusprechen. Ich komme damit noch einmal zurück auf die Gesetzvorlage, die ich eingangs angesprochen habe. Die Beurteilung der Gefährlichkeit wird von allen Fachwissenschaftlern und Fachpraktikern abgelehnt. Wenn in der Rechtsprechung wenige Gerichte eine andere Auffassung vertreten, liegt entweder eine selektive Auswahl oder Verkürzung oder Fehlinterpretation von Fachtexten zu Grunde. Zitiert werden in der Rechtsprechung unter anderem Frau Dr. Eichelberg und Frau Dr. Feddersen-Petersen. Beide Wissenschaftlerinnen verdeutlichen jedoch in ihren Äußerungen und Publikationen zweifelsfrei, dass sich die Gefährlichkeit von Hunden nicht über Rassezugehörigkeit ableiten lässt. Diese Auffassung entspricht auch den Kenntnissen und Erfahrungen aller Praktiker. Wenn entgegen einvernehmlicher kompetenter fachlicher Auffassung trotzdem nur die Halter bestimmter Rassen mit Pflichten belastet werden, verstößt dies meines Erachtens gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 Grundgesetz. Dieser Auffassung haben sich bereits mehrere Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte angeschlossen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 bezieht sich auf einen steuerlichen Satzungstatbestand auf kommunaler Ebene. Hier räumt das Bundesverwaltungsgericht dem Satzungsgeber einen gewissen Experimentierfreiraum ein. Danach soll es sogar unerheblich sein, ob die Rasselisten kynologisch fundiert abgefasst sind. Bei der Prüfung von Sicherheits- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen müssen jedoch andere, engere Prüfungsmaßstäbe angelegt werden. So hat das Bundesverfassungsgericht klar herausgestellt, dass auch sachbezogene Differenzierungen einer sehr strengen Prüfung unterliegen, wenn sie mittelbar Personen benachteiligen. Das ist hier ganz klar der Fall. Eine Rechtsprechung, die sich bezüglich der Gefährlichkeit von Hunderassen auf Willkürprüfung reduziert, verkennt, dass die mit den Rasseeinteilungen verbundenen Regelungen schwerwiegende Eingriffe in die Rechtsposition der Hundehalter sind. Bedenklich ist auch die hundesteuerrechtliche Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofes, der die Ungleichbehandlung der so genannten Kampfhunderassen gegenüber den traditionellen deutschen Gebrauchshunderassen ­ wie Schäferhunde, Rottweiler, deutsche Dogge ­ mit der Begründung akzeptiert hat, diese traditionell in Deutschland gehaltenen Hunde träfen in der Bevölkerung auf eine größere Akzeptanz. Es ist meines Erachtens mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar, wenn im Rahmen einer gerichtlichen Gleichheitsprüfung fachlich nicht objektivierbare Vorurteile der Bevölkerung den Ausschlag geben. ­ Danke schön!

 

V: Recht herzlichen Dank, Herr Maciejewski, für Ihre Ausführungen! ­ Jetzt fahren wir fort mit Herrn Scharbach vom Allgemeinen Blindenverein. Bitte schön, Sie haben das Wort!

 

Herr Scharbach (Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Allgemeine Blinden- und Sehrbehindertenverein in Berlin vertritt natürlich einerseits die Interessen derjenigen Blinden, die einen Blindenführhund halten, andererseits logischerweise auch die derjenigen blinden und sehbehinderten Menschen, die vielleicht ein bisschen mehr als viele, die sehen können, gefährdet sind durch gefährliche Hunde, weil sie natürlich nicht so schnell erkennen können, von wem die Gefahr ausgeht. Von daher spielt in der Tat für uns dann auch die Farbe der Plakette nicht die entscheidende Rolle, weil wir die ohnehin zu spät wahrnehmen würden.

 

Gleichwohl: In dem Augenblick, wo jemand Opfer eines Hundeangriffes wird, hat er es in jedem Fall zu spät wahrgenommen. Deshalb ist für uns auch sehr wichtig, dass es zu einer Regelung kommt, die zum Ziel hat, die Bürgerinnen und Bürger vor gefährlichen Hunden zu schützen. Wir lehnen ­ schon, weil wir eine Menge über die Eignung von Hunden als Blindenführhunde wissen ­ an dieser Stelle auch die Rassediskussion ab, denn umgekehrt gibt es auch eine Reihe von für den Dienst als Blindenführhund geeignete Hunde.

 

Wenn Sie eine Regelung treffen, ist es wichtig, dass auf folgende Punkte geachtet wird: Der Blindenführhund muss überallhin dürfen, denn er hat die Aufgabe, seinen Halter zu führen. Das bedeutet, er muss auch in alle Geschäfte gehen dürfen, soweit nicht konkrete Vorfälle im Einzelfall die Verweisung rechtfertigen. Der Blindenführhund braucht ­ wie jeder andere Hund auch ­ seinen Auslauf. Man muss ihn ihm aber im Zweifel auch dort gewähren, wo man ihn anderen Hunden möglicherweise verwehren muss. Der Hund muss die Gelegenheit haben, auf Grünflächen zu laufen ­ auch dann, wenn das anderen Hunden nicht gestattet ist ­, denn der Halter des Blindenführhundes müsste ansonsten erhebliche Wege auf sich nehmen, um ein entsprechendes Hundeauslaufgebiet überhaupt erreichen zu können.

 

Der Maulkorbzwang beim Blindenführhund ist eine Forderung, die nicht zu halten ist. Im Augenblick ist der Maulkorb nicht vorgeschrieben, aber je hysterischer die Gesamtreaktionen werden, desto mehr muss man fürchten, dass er doch irgendwann kommt. In Bussen und Bahnen im Land Brandenburg z. B. ist man inzwischen sehr schnell damit. Dort haben wir ihn schon; deshalb möchte ich anführen: Der Maulkorbzwang führt beim Blindenhund dazu, dass er in seiner Arbeitsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigt ist. All das, was geregelt wird, möge bitte auch für unsere öffentlichen Nahverkehrsträger verbindlich sein, denn es kann nicht sein, dass der beste Taschengeldempfänger des Landes Berlin zum guten Schluss das genaue Gegenteil von dem macht, was das Parlament beschlossen hat. Meine Taschengeldempfänger müssen auch ein bisschen gehorchen. Das Tragen des Maulkorbes beeinträchtigt den Hund in seiner Konzentration, und es beeinträchtigt ihn sicherlich auch in der Transpiration und damit in seiner gesamten Arbeitsfähigkeit. Beim Blindenführhund können Sie nicht einfach die Ausführzeiten reduzieren, z. B. im Sommer, wenn es heiß ist und der Maulkorb ihn beim Schwitzen behindern würde. Mein Dienstweg ­ zu dem ich den Hund brauche, um ihn zurücklegen zu können ­ wird davon nicht kürzer.

 

Regelungen, die die Landesgrenzen Berlins überschreiten, werden dringend gebraucht, denn es ist unzumutbar, wenn Sie bei der grundgesetzlich gebotenen Freizügigkeit im Zweifel gar nicht wissen, wo Sie gerade sind, und somit auch nicht wissen können, ob Sie gegen ein Gesetz verstoßen oder nicht. Im Zweifel sind Sie nur gerade im falschen Bundesland. Das darf es nach unserer Vorstellung nicht geben.

 

Eine große Schwierigkeit sehen wir in der immer wieder erhobenen Forderung, Name und Anschrift des Halters am Halsband des Hundes zu befestigen. Ich denke, damit erreicht man das Gegenteil dessen, was gewollt ist. Stellen Sie sich vor ­ das gilt nicht nur für Blindenführhundhalter; da gilt die oben schon angesprochene Tatsache, dass Blinde leichter gefährdet sind als Sehende ­, dass jemand mit seinem Hund auf der Parkbank sitzt, und der Trickdieb lobt die ältere Dame ob ihres tollen Hundes, krault diesen, fördert in dieser Zeit zutage, wo die Dame wohnt, und ist aus deren Wohnung schon verschwunden und hat das meiste mitgenommen, bevor sie selbst wieder drin ist. Solange ein Radfahrer sich nicht kennzeichnen muss und über den Bürgersteig radeln darf, so lange es Sinn zumachen scheint, dass man Autos, die man in der Zeitung ablichtet, zuvor manipuliert, indem man die Kennzeichen entfernt ­ die ja nur alphanumerische Kombinationen sind ­, sollten Sie das nicht ernstlich wollen, weil das wahrscheinlich schief geht.

 

Das Problem Mikrochip beschäftigt uns insoweit, als dass wir grundsätzlich der Auffassung sind, dass das gut ist ­ wie übrigens auch die Hundehaftpflicht. Sie werden so schnell keinen Blindenführhundhalter finden, der nicht eine Haftpflichtversicherung für sein Tier abgeschlossen hat, obwohl sie auch dort nicht vorgeschrieben ist. Es kommt immer wieder zu Schäden durch Hunde; insoweit würden wir die grundsätzliche Einführung auch begrüßen. Bei dem Chip sehen wir allerdings die Gefahr, dass es leicht zu Übertreibungen kommen könnte. Ein Chip, der einmal eingepflanzt wird, müsste eigentlich ausreichend sein. Es kann nicht sein, dass der Chip erneuert werden muss, nur weil der Halter umzieht oder der Hund verkauft wird. Es wäre dann ein entsprechendes Register aufzubauen, in dem nichts weiter als die Kennung des Hundes hinterlegt ist. In diesem wäre dann sinnvollerweise zu belegen, wem und wohin der Hund aktuell gehört. Ich könnte mir vorstellen, dass man das gut an die Steuerbehörde koppeln kann, denn dort ist ohnehin bekannt zu geben, wo der Hund wohnt und wem er gehört.

 

Ich komme zum Schluss und stelle fest, dass es noch einiger Begriffsbestimmungen bedarf. Der insbesondere im Gesetzentwurf der Grünen verwendete Begriff des Therapiehundes mag sicher richtig sein, und wir haben auch alle eine gewisse Vorstellung davon, was damit gemeint sein könnte, aber ob wir alle dieselbe Vorstellung haben, darf ein bisschen bezweifelt werden. Es muss sicherlich noch ein wenig zur Klarstellung beigetragen werden, bevor es in Gesetzesform gegossen wird. ­ Herzlichen Dank!

 

V: Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen! ­ Wir kommen nun zu Frau Bouhani, die nachnominiert wurde, weil der vorgesehene Herr Poggendorf leider nicht kommen konnte. Sie vertritt die Elterninitiative Charlottenburg. ­ Bitte!

Frau Bouhani (Elterninitiative Charlottenburg): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Zuhörer! Ich bedanke mich für die Einladung und bei allen Fraktionen ausdrücklich für beide Gesetzentwürfe, ich werde auf beide gleich genauer eingehen. Wenn ich Ihnen dafür danke, dann tue ich das, weil ich nicht im Namen von nicht einmal 2 % Kampfhundehaltern Berlins spreche und auch nicht im Interesse von 10 % Hundehaltern dieser Stadt, sondern im Interesse aller anderen. Für diese machen Sie auch dieses Gesetz ­ für sie in erster Linie.

 

Wir können von einem Erfolg reden, denn als die jetzt gültige Hundeverordnung 1998 in Kraft trat ­ die wir als Eltern übrigens damals schon sehr scharf kritisierten ­ gingen wir vom gefährlichen Hund aus, den wir post factum definierten. Der gefährliche Hund war der, der zugebissen hatte. Wir haben sofort dagegen votiert, das sei zu spät, denn die Opfer von Hundebissen sind zu großen Teilen Kinder ­ Sie wissen es ­ mit den verheerenden Folgen im Gesicht, Hals, im Brustbereich, mit lebensgefährlichen Verletzungen. Wir haben damals sofort protestiert. Wenn wir in den heute vorliegenden Gesetzentwürfen des Senats und der Grünen von der Notwendigkeit sozial verträglicher Stadthunde, sozial kompetenter Halter und verantwortlicher Hundehalter sprechen, wenn auch Herr Fischer heute für die Tierärzte von fehlender Umsicht und fehlender Rücksichtnahme sprach, wenn also durch die Umstände der letzten zwei Jahre bei uns allen das Gefühl dafür gereift ist, dass man Hundehaltern nicht per se Kompetenz zuschreiben kann und dass ihre Rücksichtnahme ­ das zeigt der Alltag ­ oft sehr beschränkt ist, dann sind wir alle einen Schritt vorangekommen. Zu diesem Erfolg haben zum einen die Opfer beigetragen, die zynischerweise den Beweis für die Gefährlichkeit einzelner Hunde zu erbringen hatten, und zu diesem Erfolg haben u. a. auch wir beigetragen. Insofern herzlichen Dank!

 

Zu den vorliegenden Entwürfen Folgendes: Wir befürworten uneingeschränkt das Verbot der Haltung und Zucht von Kampfhunderassen durch die Senatsvorlage. Allerdings möchten wir darauf hinweisen, dass mit In-Kraft-Treten des Gesetzes Lücken bezüglich der Übergangsregelungen entstünden, die wir als gravierend ansehen. In der gesamten heiklen Frage des Bestandes der jetzigen Kampfhunderassen für die nächsten fünf bis fünfzehn Jahre ergeben sich Lücken. Ich habe das im Einzelnen aufgelistet; das könnten Sie schriftlich zur Kenntnis nehmen.

 

Zweitens: Grundsätzlich befürworten wir auch den allgemeinen Leinenzwang mit Ausnahme der kleinen Hunde. Dackel, Rehpinscher & Co. könnte der Gesetzentwurf des Senats aus dem allgemeinen Leinenzwang entlassen. Dafür sollte aber drittens der Gesetzentwurf des Senats nicht darauf verzichten, über den allgemeinen Leinenzwang hinaus die Haltung aller großen, potentiell gefährlichen Hunde im Sinne einer präventiven Gefahrenabwehr zu normieren. Hierfür bietet die Systematik des Gesetzentwurfs der Grünen und nicht zuletzt die Brandenburger Verordnung gute Ansätze.

 

Viertens: Die Durchsetzung erfordert die politische und auch finanzielle Bereitschaft des Senats zu besonderen Anstrengungen, angefangen mit der Erfassung des derzeitigen Bestandes durch die Hundesteuer ­ auch mit Hilfe privater Dienstleistungen, wie das in anderen Kommunen geschieht ­ bis hin zur steten und dauerhaften Präsenz der polizeilichen Interventionsteams in jedem Stadtbezirk.

 

Zu den Vorstellungen der Grünen im Einzelnen: Ich finde sie sehr charmant und auch höchst sinnvoll, denn die Senatsvorlage übersieht, dass die Sorge, von frei laufenden Rottweilern, Dobermännern, Schäferhunden belästigt, bedrängt, angesprungen, angeknurrt, angebellt und in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu werden, berechtigterweise groß ist. Die Erfahrung zeigt auch, dass diese Hundehalter nicht immer unbedingt kompetent, verantwortungsvoll und rücksichtsvoll sind. Wir plädieren ausdrücklich dafür, diese Hunde ­ so, wie die Grünen es vorschlagen ­ und die Hundehalter in die Bringschuld zu bringen und sie diesen vorgeschlagenen Verfahren zu unterziehen, die da heißen: Wesenstest, Zuverlässigkeit des Halters, Sachkunde, artgerechte Unterbringung, sichtbare Kennzeichnung, Haftpflichtversicherung ohnehin und alle zwei Jahre die Überprüfung. Darüber hinaus fordern wir den allgemeinen Leinen- und Maulkorbzwang auch für die Hunderassen, die nach Beißstatistik und Körperkraft besonders auffällig sind ­, so wie es Herr Fischer auch andeutete ­, und auch für die noch nicht auffälligen Hunde mit diesen Maßnahmen zu operieren, denn ich teile die Zuversicht des grünen Gesetzentwurfes nicht, die darin wurzelt, die Hundehalter seien rechtstreu, das Gutachterwesen fehlerfrei und der Führerschein ein geeignetes Mittel. Ich darf darauf verweisen, dass das Innenministerium Brandenburgs, der Innenminister Schönbohm, am 15. März mitgeteilt hat, dass die Zahl der Bissverletzungen trotz der scharfen Brandenburger Verordnung zugenommen habe und ein Drittel aller Bissverletzungen auf Hunderassen zurückginge, die ein Expertengutachten als ungefährlich eingestuft habe. Im Unterschied zu den Grünen gehe ich also davon aus: Ein Hund ist unberechenbar. Der Halter kann nicht für alles vorsorgen. Er ist auch nicht unbedingt so rechtstreu, und er braucht beständige Sanktionen und auch Kontrolle. ­ Wir reden von Initiationen in geändertes Verhalten, und das wird nicht freiwillig geschehen. Insofern wird alles, was Sie vorschlagen und auf den Gesetzesweg bringen, sich daran messen lassen müssen, wie Sie es umsetzen. Ich bitte Sie auch als Abgeordnetenhaus und als Senat, die Bezirke nicht allein zu lassen. Mit der Mitteilung, dass die Umsetzung dieses Gesetzes keine weiteren personellen und finanziellen Mittel bedeute, machen wir uns alle etwas vor.

 

Es braucht in dieser Stadt ein deutliches politisches Signal, dass die Haltung großer Hunde ­ insbesondere die hohe Zahl in hochverdichteten innerstädtischen Wohnlagen ­ eingedämmt werden muss. Ich glaube, das ist ein Gebot der Vernunft. Das Grünraum- und Freiraumpotential ist nicht vorhanden, das hier ein verträgliches Miteinander zwischen großen Hunden und Menschen in dieser Stadt leisten könnte. Ich hoffe, dass wir uns darüber einig sind.

 

Noch ein letzter Hinweis: Bei bissigen ­ also sich als gefährlich erwiesen habenden ­ Hunden würden wir eine raschere Eskalation der Sanktionen befürworten. Wir fragen uns: Warum wird das der Bevölkerung zugemutet? ­ Hunde, die sich als bissig erwiesen haben, haben kein Recht auf ewige Rehabilitation. Hier würden wir für eine rasche Eskalation, d. h. die Überführung etlicher Kann- in Muss-Bestimmungen bei den Sanktionen, plädieren. ­ Ich stehe für Rückfragen zur Verfügung.

 

V: Herzlichen Dank! ­ Jetzt hat Frau Walther vom Kinderschutzbund das Wort. ­ Bitte!

 

Frau Walther (Deutscher Kinderschutzbund):  Der Deutsche Kinderschutzbund hat über 50 000 Mitglieder. Anfang der 80er Jahre haben wir  auf unserer Bundesmitgliederversammlung schon beschlossen, dass Hunde ab einer gewissen Größe an die Leine müssen. Wir haben das immer wieder gefordert. Es ist sehr traurig, dass es letztes Jahr das tote Kind gebraucht hat, damit dann ­ aber dann auch wirklich schnell ­ die Länder reagiert haben.

 

Zum anderen möchte ich mit einem privaten Satz anfangen: Ich bin Hundeliebhaberin; ich hätte gern einen Hund. Aber ich wohne in der Berliner Innenstadt in einer Drei-Zimmer-Wohnung, und deshalb habe ich keinen Hund. Diese Vernunft wünsche ich mir auch noch von anderen Menschen. Abgesehen davon finde ich es sehr wichtig, dass gerade in Berlin in einer so dicht besiedelten Gegend, im Innenstadtraum, die Kinderinteressen vor den Hundeinteressen stehen müssen. Auch zu den Ausführungen von Frau Sack, die die Diskriminierung der armen Hundehalter beschrieben hat, kann ich nur sagen: Kinder haben schon zu wenig Platz. Wir müssen dann, wenn es um die Interessensabwägung geht, den Kinderinteressen einen höheren Stellenwert einräumen. 1999 die UN-Kinderrrechtskonvention in aller Munde ­ auch der Senat war maßgeblich daran beteiligt, sich wunderbar als Hauptstadt für Kinder darzustellen. Darin steht, dass bei allen gesetzgeberischen Vorhaben das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist. Dementsprechend möchte ich gar nicht noch einmal alles auflisten oder genaue Paragraphen nennen. Wir sagen pragmatisch: Wir haben nichts dagegen, wenn die Hunde, die so bissfest sind wie die Rassen, die dort aufgeführt sind, anders normiert werden. Aber zusätzlich sollten all die anderen großen Hunde einbezogen werden, die ein Kind auch im Spieltrieb ­ ohne dass der Hund  dem Kind etwas Böses antun möchte ­ so umwerfen können, dass dieses Kind stürzt und wer weiß welche Verletzungen davonträgt. Das können Sie auch in meiner schriftlichen Stellungnahme nachlesen. Kinder müssen ein höheres Recht darauf haben, sich frei bewegen zu dürfen. Es kann nicht darum gehen, dass wir jetzt die Kinder an die Leine nehmen. Es muss darum gehen, dass es ordentlich gesicherte Hundeauslaufgebiete gibt, dass aber ansonsten im freien Stadtraum ­ auch auf einer normalen Straße, auf einem normalen Bürgersteig ­ die Kinder den Vorrang haben. Insofern bitte ich Sie, viele Anregungen, die heute schon gekommen sind, zu berücksichtigen. Ich freue mich sehr darüber, dass es diese Gesetzesinitiative gibt und bin jetzt auch für Fragen bereit.

 

V: Danke schön! ­ Wir haben jetzt allen Expertinnen und Experten die Gelegenheit gegeben, ihren Standpunkt vorzutragen. Jetzt sind die Fraktionen an der Reihe, eine Fragerunde zu gestalten. Ich möchte so wie in der Aktuellen Viertelstunde verfahren, also zuerst CDU, dann SPD, dann PDS und zum Schluss die Grünen. ­ Frau Hämmerling, es wird damit keiner benachteiligt. Mein nächster Vorschlag ist, dass jede Fraktion einen Zeitvorgabe bekommt, um ihre Fragen vorzutragen und wir dann die Möglichkeit für eine weitere Runde haben. ­ Sie hatten aber einen Antrag zur Geschäftsordnung. ­ Bitte!

 

Frau Abg. Hämmerling (Grüne): Frau Vorsitzende! Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht. Es ist üblich und guter Brauch in diesem Parlament, dass zunächst die Antrag stellende Fraktion die Gelegenheit hat, ihren Gesetzentwurf zu begründen. Ich durfte es am Anfang nicht, ich hatte es beantragt. Sie haben mir zugesagt, dass ich das darf, nachdem die Experten ihre Stellungnahmen vorgetragen haben. Ich möchte Sie bitten, mir jetzt das Wort zu erteilen.

 

V: Wenn wir jetzt in dem vorgegebenen Zeitrahmen so verfahren wollen, dann müsste auch Frau Senatorin Schöttler die Gelegenheit haben, ihren Gesetzentwurf hier in gleicher Weise vorzutragen. Dann schlage ich vor, dass Sie beide versuchen, das jeweils in fünf bis sechs Minuten zu tun. ­ Frau Hämmerling, Sie haben das Wort. ­ Bitte!

 

Frau Abg. Hämmerling (Grüne): Schönen Dank, Frau Vorsitzende! ­ Ich möchte mit einem Zitat aus dem Buch "Wenn Adenauer Hunde geschlachtet hätte" von Detlef Biesicke (phonet.) beginnen, und zwar mit einer "dpa"-Meldung aus dem Jahr 1980:

 

Die Zahl der Schreckensmeldungen von Unfällen mit großen Hunden nimmt zu, und das reißende Ungeheuer Nr. 1 ist der Deutsche Schäferhund, der neben der Dogge in seiner Blutrünstigkeit Stammvater Isegrim übertrifft.

 

Ein zweites Zitat aus der "Morgenpost" lautet:

 

Unfälle mit Kampfhunden entsetzen immer wieder die Öffentlichkeit. Im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn wurde im Oktober 1990 eine Rentnerin von ihren drei Boxerhunden zerfleischt.

 

So viel aus der Presse. Ich habe Ihnen allen die Kopie eines Fotos und in der Anlage noch einmal das Schreiben von Frau Feddersen-Petersen an den Bundesverwaltungsgerichtshof auf den Tisch gelegt. Das Foto zeigt Ihnen auf der rechten Seite einen Hund der Hunderassen, die auf dem Index stehen, der unwiderleglich gefährlich ist und jetzt nicht mehr mit Bahn und Bus transportiert wird ­ einen Hund, der lediglich 15 kg auf die Waage bringt und der Hunderasse angehört, die nach den jüngsten Beißstatistiken in 10 % der Hundebisse in Berlin verwickelt ist. Auf der linken Seite sehen Sie ein friedliches Bernhardinerexemplar. Dieser Hund bringt 65 kg auf die Waage und steht für alle Hunde, die großrahmiger sind, die entsprechend ihrer größeren Masse auch kräftiger sind und kräftiger zubeißen können. Diese Hunde sind weitgehend von Sanktionen ausgeschlossen, sie werden auch weiterhin öffentlich befördert, aber sie müssen sich nicht einmal dem Nachweis der Ungefährlichkeit oder einer Sachkunde unterziehen.

 

Wir haben festgestellt, dass es immer wieder Unfälle mit gefährlichen Hunden gab. Wir haben deshalb vor einem Jahr bereits eine Expertenanhörung durchgeführt. Das Ergebnis war folgendes:

 

1. Der Vollzug ist schlecht. Niemand kontrolliert den Leinenzwang, niemand geht gegen Hundekot vor, niemand kontrolliert wirklich die gefährlichen Hunde, und die Auflagen gegen gefährliche Hunde werden auch nicht kontrolliert.

 

2. Jeder große Hund kann schwere und tödliche Verletzungen verursachen. Auf Seite 17 der Ihnen vorliegenden Broschüre sehen Sie ein Bild eines verunglückten Jungen. Er ist nicht durch einen Kampfhund zerbissen worden. Nach den Aussagen des Kinderchirurgen aus der Anhörung, die dort protokolliert ist, trifft es zu, dass jeder große Hund größere Verletzungen verursachen kann als die kleineren Artgenossen.

 

3. Es gibt gefährliche Hunde. Die Gefährlichkeit von Hunden ist nicht rasseabhängig. Wir haben es heute von den Experten gehört ­ dafür möchte ich mich herzlich bedanken ­, auch von denen, die sich schon seit Jahrzehnten mit der Materie befassen. Keiner der Verhaltensforscher ­ weder Prof. Stuhr, die international Anerkennung gefunden hat, noch die heimischen Fachexperten ­ ist zu der Erkenntnis gekommen, dass diese Bisskraft bestimmter Hunderassen vorhanden ist. Diese gibt es bestenfalls in der koreanischen Küche, aber nicht bei den Hunderassen. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass bestimmte Hunderassen gefährlicher seien als andere.

 

4. Es gibt aber unwissende und rücksichtslose Hundehalter. Frau Walther hat es eben gesagt: 85 % aller Hundebisse ereignen sich im häuslichen Bereich. Die eigenen Kinder, Familienmitglieder, Nachbarn, Verwandte oder Bekannte sind von diesen Hundebissen betroffen. Zu 75 % sind es Kinder. Diese Unfälle passieren nicht, weil die Hunde gegen die eigenen Familienangehörigen scharf gemacht werden oder weil sich die Leute einen sog. Kampfhund halten, sondern sie passieren, weil Hundehalter nicht wissen, dass man Kinder nicht mit Hunden allein lassen darf und dass Hunde eine bestimmte Art der Erziehung brauchen. Hunde vertragen alles, nur keine Gleichberechtigung. Sie müssen gehorsam sein. Viele Hundehalter wissen das nicht, ihnen fehlt die Sachkenntnis. Volkan musste letztes Jahr in Hamburg sterben, weil die Hunde einen rücksichtslosen Besitzer hatten und weil die Behörden versagt haben. Volkan ist auch das Opfer der Unfähigkeit der Behörde, die eigenen Beschlüsse und Sanktionen durchzusetzen. Es gab mehrfach Anzeigen gegen die Hundehalter, denen nicht nachgegangen wurde. Der Hund ist nicht eingezogen und eingeschläfert worden. Insofern ist dort auch klar ein Vollzugsdefizit der Ordnungsbehörden zu sehen.

 

5. Hunde sind auch wichtige Sozialpartner und Dienstleister in unserer Gesellschaft. Wir haben es hier schon gehört. Herr Scharbach ist darauf eingegangen, welche Aufgaben Blindenhunde leisten. Erinnern wir uns an Drogenhunde, Polizeihunde, Suchhunde, Therapiehunde! Sie alle haben ihre Aufgabe in der Gesellschaft, und wir wollen und können auf ihre Leistungen nicht verzichten.

 

Diese Erkenntnisse haben wir in unseren Gesetzentwurf eingearbeitet. Weil der Vollzug nicht funktioniert, wollen wir den Vollzug aus den Händen der Ordnungsbehörden nehmen und ihn in eine Institution analog dem TÜV, der die Autos testet, geben. Diese Institution soll einheitliche Regelungen, einheitliche Kennziffern für eine Überprüfung aller Hundehalter von großen und schweren Hunden erarbeiten. Wir wollen, dass alle Hunde mit Chip und Plakette gekennzeichnet werden. Ob man ­ ich danke für die Anregung ­ eine farbliche Differenzierung vornehmen kann, weiß ich nicht so genau. Darüber müssen wir noch diskutieren, vor allem mit den Leuten, die mit dem Recht befasst sind. Wir wollen, dass alle Hundehalter auf Sachkunde und Zuverlässigkeit überprüft werden; gewalttätige Menschen dürfen keine großen Hunde führen ­ egal, welcher Art. Das ist Menschenschutz und an dieser Stelle auch eine wichtige Prävention. Die Hunde müssen auch auf Verträglichkeit getestet werden. Dann möchte wir aber, dass die überprüften Hunde und Hundehalter ohne Diskriminierung am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dazu brauchen wir am Ende ­ um das Ganze rund zu machen ­ auf der Bundesebene ein Heimtierzuchtgesetz. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dort bald etwas passiert. Wir brauchen auch den Tierschutz, der in das Grundgesetz aufgenommen wird, damit an dieser Stelle eine solide Rechtsgrundlage gegen Aggressionszuchttatbestände geschaffen wird usw. ­ So viel erst einmal von uns.

 

Frau Vorsitzende, soll ich meine Fragen an die Experten jetzt gleich stellen?

 

V: Ich möchte jetzt zunächst Frau Senatorin Schöttler das Wort geben und anschließend die Fraktionsrunde machen. ­ Frau Senatorin, bitte schön!

   

Frau Sen Schöttler (ArbSozFrau): Auch wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, den wir heute genauso anhören wie den der Fraktion der Grünen. Den letzten beiden Punkten Ihrer Ausführungen kann ich mich nur anschließen. Auch ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Bundesregierung auf einem guten Weg sind. Die Diskussion und auch die Anhörung hier waren in vielen Punkten sehr emotional. Dies zeichnet die Debatte aus. Gestatten Sie mir, am Anfang kurz emotional zu werden. Ich verspreche, dann anschließend sehr sachlich unser Gesetz zu begründen.  Immer dann, wenn ich mich zwischen der Sorge für die Sicherheit eines Kindes, eines alten Menschen oder eines anderen Menschen und dem Tierschutz entscheiden muss, dann entscheide ich mich für die Sicherheit der Kinder, der älteren Bürger, der Menschen, die hier besonders betroffen sind ­ dies nachdrücklich und ausdrücklich.

 

Seit der Einbringung unseres Gesetzentwurfs über das Halten und Führen von Hunden in Berlin ist ein halbes Jahr vergangen. Die überarbeitete Verordnung über das Halten von Hunden in Berlin gilt seit fast neun Monaten. Die Gründe für die Verschärfung sind hinlänglich bekannt und heute auch noch einmal benannt worden. Die steigende Zahl der durch Hunde verursachten Bissvorfälle mit z. T. schwersten Verletzungen ­ der letzte Auslöser war der tragische Tod des kleinen Jungen in Hamburg ­ hat mich dazu veranlasst, dringend gebotene Maßnahmen zu ergreifen und die Prävention gegenüber den von Hunden ausgehenden Gefahren deutlich zu verbessern. Dies war nach meiner Meinung mit der seit November 1998 geltenden Berliner Hundeverordnung nicht ausreichend gesichert. Deshalb haben wir die Verschärfung der Hundeverordnung am 4. Juli in Kraft gesetzt, die insbesondere das Halten und Führen von 12 als besonders gefährlich anzusehenden Rassen bzw. Gruppen von Hunden streng reglementiert. ­ Frau Hämmerling, wir haben darüber schon diskutiert, und es gibt auch Experten. Ich zitiere einen Kinderarzt, der deutlich gesagt hat, dass die Bissverletzungen durch Hunde dieser Rassen, die wir hier aufgeführt haben, sehr viel schlimmer sind als die anderer Hunde.

 

Wir haben also eine generelle Maulkorb- und Leinenpflicht für die 12 benannten Rassen, eine Anzeigepflicht der fünf Rassen und Gruppen, den Nachweis der Sachkunde und der Zuverlässigkeit des Halters und den Nachweis, dass der Hund nicht übersteigert aggressiv ist. Die Verordnung setzt damit sowohl bei Rassen mit besonderer Gefährlichkeit an, berücksichtigt aber auch die besondere Verantwortung der Halterinnen und Halter dieser Hunde. Weiterhin können alle anderen Hunde als gefährliche Hunde eingestuft und genauso behandelt werden wie die Hunde dieser Rassen. Daran hat sich nichts verändert. Welche deutlichen Verbesserungen durch das In-Kraft-Treten der Hundeverordnung erfolgt sind, habe ich in der Spontanen Fragestunde schon geschildert.

 

Die Verordnung soll langfristig durch das vorliegende Gesetz abgesichert werden, weil mit einer Verordnung nur begrenzt rechtliche Schritte wie z. B. die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung möglich sind. Diese einzuführen ist nur über ein Gesetz möglich. Ich will noch einmal kurz die wesentlichen Neuerungen im Entwurf des Gesetzes erläutern: Kern des neuen Gesetzes ist ein Haltungs- und Zuchtverbot für die fünf genannten Rassen und deren Mischlinge. Die Haltung eines Hundes dieser Rasse oder deren Kreuzung bedarf mit In-Kraft-Treten des Gesetzes einer ausdrücklichen behördlichen Erlaubnis, die an strengste Bedingungen geknüpft ist. So muss zur Erteilung einer solchen Erlaubnis ein berechtigtes Interesse an der Haltung eines solchen Hundes nachgewiesen werden. Die Besitzerinnen und Besitzer müssen weiterhin Sachkunde und Zuverlässigkeit zum Halten von Hunden nachweisen. Hunde, die sich bereits im Besitz befinden und die nach der Hundeverordnung bereits von den Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern eine Plakette erhalten haben, fallen unter eine Übergangsfrist, so dass nach einem Zeitraum von maximal zehn Jahren Berlin von Hunden dieser Rassen frei sein wird.

 

Den Vorgaben des Abgeordnetenhauses und des Rats der Bürgermeister folgend, sieht das Gesetz vor, eine generelle Leinenpflicht für Hunde im gesamten Stadtgebiet einzuführen. Dies ist auf ausdrücklichen Wunsch aller 23 Bürgermeister in dieses Gesetz gekommen. Bürgermeister zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine besondere Nähe zur Bevölkerung haben, und insofern konnten wir uns dem Wunsch der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht entziehen. Ich glaube allerdings, dass die Hunderassen, von denen hier immer gesagt wird, sie könnten von der Leine genommen werden, weil sie weniger gefährlich seien, wie z. B. Dackel und Rehpinscher, in der Regel an der Leine laufen, weil man sich davor fürchtet, dass z. B. Dackel, die bekanntlich schlecht hören, weglaufen, in Gefahr geraten und sich selbst gefährden ­ nicht, weil man Angst hat, dass sie andere gefährden. Die meisten Hunderhalterinnen und Hundehalter halten genau diese Hunderassen an der Leine, damit sich ihre Hunde nicht selbst gefährden.

 

Um eine zweifelsfreie Identifizierung von Hunden, für die eine Erlaubnis erteilt wird, zu garantieren, haben wir weiterhin eine fälschungssichere Kennzeichnung vorgeschrieben. Wir haben durchaus offen gelassen, welche es ist. Ich persönlich habe große Sympathien dafür, dass alle Hunde mit einem Mikrochip gekennzeichnet sind. Ich halte es aber für wesentlich erfolgreicher, wenn man dieses bundeseinheitlich regelt und man auch eine zentrale Kartei hat, durch die man dann, wenn man einen Hund aufgreift, nachweisen kann, wem dieser Hund gehört und wer der Halter bzw. die Halterin ist. Wenn dies sichergestellt ist, dann bin ich dafür, so etwas generell und für alle Hunde einzuführen.

 

Eine andere ebenfalls vom Abgeordnetenhaus und vom RdB geforderte Maßnahme ist die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Im Gesetzentwurf ist festgeschrieben, dass die Pflicht für Tiere der o.g. und als besonders gefährlich eingestuften Rassen gilt. Der Gesetzentwurf sieht bei Verstößen eine deutliche Erhöhung der Bußgelder vor. Ich bin davon überzeugt, dass die mit der Verschärfung der Berliner Hundeverordnung eingeleitete Linie, die durch das Gesetz gesichert und fortgesetzt werden soll, richtig ist. Unsere Position wird nicht nur durch verschiedene Gerichtsentscheidungen gestützt ­ erwähnen möchte ich hier lediglich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Höchstbesteuerung von sog. Kampfhunden ­, sondern auch durch das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde. Dieses Gesetz verbietet u. a. die Einfuhr und das Verbringen von sog. Kampfhunden nach Deutschland und stellt ihr verbotswidriges Halten und Züchten unter Strafe. Die in der Mehrzahl der Bundesländer erlassenen ähnlich ausgerichteten Rechtsvorschriften stützen die Position Berlins ebenfalls.

 

Herr Scharbach, ich will Ihnen sagen, dass Ihre Forderungen im Wesentlichen durch unser Gesetz schon erfüllt sind, denn die Blindenführhunde sind in all den Punkten, die Sie angesprochen haben, bereits ausgenommen. Sie dürfen überallhin, sie müssen keinen Maulkorb tragen. Was ich allerdings kritisiere ­ auch öffentlich kritisiere ­, ist, dass Halterinnen und Halter von Hunden, die sich an die Hundeverordnung halten und auch an das Gesetz halten werden, nicht mit dem öffentlichen Personennahverkehr befördert werden. Ich halte dies für eine Diskriminierung und habe dies auch dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und der BVG so mitgeteilt.

 

Wenn es tödliche Beißvorfälle gibt und nachweislich schwere Verletzungen durch Hunde hervorgerufen werden, kann ich allerdings nicht unterstützen, dass wir von einer Hysterie reden. Ich glaube, dass es berechtigte Gründe dafür gibt, wenn Forderungen erhoben werden, dass von Hunden keine Gefahr ausgehen darf und dass es Regeln geben muss für ein Zusammenleben von Menschen und Hunden in einer so großen Stadt wie Berlin. ­ Ich will noch einmal auf Sie zurückkommen: Wenn man in Berlin überhaupt Hunde artgerecht halten will, dann muss man mit bestimmten Beschwernissen rechnen und sie auch in Kauf nehmen. Ich glaube, dass es dringender Regelungen für das Zusammenleben bedarf, und dabei hat für mich der Schutz der Menschen obere Priorität.

 

V: Herzlichen Dank, Frau Senatorin! ­ Wir haben die Begründungen gehört. Jetzt kommen wir zur Fraktionsrunde. Ich schlage vor, dass pro Fraktion zunächst fünf Minuten zur Verfügung gestellt werden, die Sie in freier Aufteilung verwenden können, um Ihre Fragen an die eingeladenen Expertinnen und Experten zu stellen. ­ Bitte schön!

 

Abg. Schmidt (CDU): Lassen Sie mich an dieser Stelle im Namen der CDU-Fraktion allen Expertinnen und Experten danken, die sich hier und heute zur Verfügung gestellt haben, zu dieser nicht nur schwierigen, sondern auch emotional geladenen Thematik Stellung zu nehmen.

 

Zunächst ein Blick in die Historie, weil ich mich schon viele Jahre damit beschäftigen darf, und es z. T. sehr intensiv getan habe: Wir haben im November 1998 in dieser Stadt eine Hundeverordnung verabschiedet. Einige sagen: Es hat etwas lange gedauert. ­ Andere sagen: Gott sei Dank, dass es so lange gedauert hat, weil sie auf der Basis und den Meinungen vieler Experten zustande gekommen ist! Dies haben wir zumindest im November 1998 begrüßt, und das Abgeordnetenhaus von Berlin hat die dort verabschiedete Verordnung auch einstimmig zur Kenntnis genommen. Durch die tragischen Geschehnisse in Hamburg, die Frau Kollegin Hämmerling schon angesprochen hat, ist es sicherlich ­ darin ist sich die CDU-Fraktion einig ­ dazu gekommen, gewisse Modalitätenverschärfungen vornehmen zu müssen. Allerdings sind wir der Meinung und haben das bereits kundgetan, dass die im Juli 2000 verschärfte Hundeverordnung "mit einer heißen Nadel gestrickt" wurde.

 

Deshalb haben wir dies zum Anlass genommen, erneut eine Anhörung von Expertinnen und Experten zu fordern. Wir wussten bereits kurz nachdem wir im November 1998 die damalige Hundeverordnung verabschiedet hatten, dass wir es in einen Gesetzescharakter kleiden müssen, da uns dies vorgegeben wurde. Wir hatten nunmehr ausreichend Zeit ­ auch nach dem Juli 2000 ausreichend Zeit ­ für einen Gesetzentwurf, der eine hohe Akzeptanz in der Berliner Bevölkerung auf der einen wie auf der anderen Seite hervorruft. Das kristallisiert sich am ehesten  aus allen Äußerungen, die ich bisher gehört habe, heraus. Mit diesem Gesetzentwurf wird ein Miteinander erreicht, das beiden Seiten ­ dem Hundehalter und dem Nichthundehalter ­ ihre Rechte belässt, ohne der anderen die Rechte wegzunehmen oder zu schmälern. Ich hoffe, dass wir durch die heutige Runde in die Lage versetzt werden, diese Polarisierung ­ die es sicherlich schon vorher gegeben hat und die in der letzten Zeit verstärkt vorgekommen ist ­ wieder abbauen zu können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen Weg finden werden, und sage im Namen meiner Fraktion noch einmal, dass wir alles tun werden, um dieses Zusammengehörigkeitsgefühl der Berlinerinnen und Berliner wieder hervorzurufen.

 

Ich kündige schon jetzt an ­ und wir haben das bereits in der Öffentlichkeit getan ­, dass wir den Gesetzentwurf des Senats in einigen Punkten verändern wollen. Zu den eigentlichen Fragen, die wir an die Expertinnen und Experten haben, gebe ich das Wort an meinen Kollegen Hoffmann weiter. Mit ihm teile ich mir meine Redezeit. ­ Danke!

 

Abg. Hoffmann (CDU): Ich möchte noch einen Punkt aufgreifen, und zwar den vorhin formulierten Begriff der guten Gesetze. Das hat Herr Schmidt schon angesprochen. Hier geht es vor allem um das Verständnis. Dafür ist es notwendig, dass wir hier mit den Experten diskutieren, um das eine oder andere in das Gesetz aufzunehmen. Für mich ergeben sich einige Fragen.

 

Zum einen ist die Hundegröße angesprochen worden. Wo soll die Grenze gezogen werden? Ist es überhaupt justitiabel, im Gesetz eine Größe festzulegen, oder gibt es dann nicht immer Streitfälle? Wo zieht man die Grenze? Wo ist die Gefährlichkeit? Ist es nicht sinnvoller, eine gleichmäßige Regelung zu schaffen?

 

An Herrn Dr. Fischer habe ich die Frage: Der Gesetzentwurf der Grünen sieht den HÜV ­ den Hundeüberwachungsverein oder wie man es nennen will ­ vor. Ist die Schaffung einer neuen Bürokratie überhaupt zweckmäßig, oder wäre es nicht sinnvoller, die Verbände und tierärztlichen Organisationen in die Pflicht zu nehmen und dort die notwendigen Bewertungen zu effektivieren?

 

Aus meiner Sicht ist die neue Situation durch die Bundesgesetzgebung bisher zu kurz gekommen. Wie bewerten Sie die dort unter dem Stichwort "Rasseliste" formulierte Regelung für Gesamtdeutschland?

 

Dann als Nächstes die Frage: Wie beurteilen Sie die Situation im Bereich der Zucht? Ist das nicht schon Voraussetzung oder notwendige Präventivmaßnahme, dort aktiv einzugreifen, um im Vorfeld darauf eingehen zu können, wie sich ein Hund entwickelt?

 

Dann stellt sich für mich die Frage ­ das wurde vorhin schon angesprochen ­: Kind und Hund. Das wurde von Ihnen, Frau Walther, so dargestellt, als ob es sich immer ausschließt. Ist es nicht auch eine Frage des sozialen Miteinanders, dass Hund, Kind und Familie zu Weggefährten werden können?

 

Als Letztes wurde die 3-Zimmer-Wohnung angesprochen. Hier stellt sich die Frage: Wie will man festlegen, ab wie viel Quadratmetern der Hund artgerecht gehalten wird? Wo soll ich das definieren? ­ Wir müssen eine Regelung schaffen, die auf Akzeptanz stößt. Das ist aus meiner Sicht das Notwendigste überhaupt, damit nachher umgesetzt werden kann, was alle wollen: zum einen der Schutz, zum anderen die notwendige Freiheit, damit das für die Hundehalter umsetzbar ist, weil sie die Situation akzeptieren. ­ Danke!

 

V: Frau Helbig, bitte!

 

Frau Abg. Helbig (SPD): Ich darf mich auch zunächst bei den Experten bedanken, aber den Dank auch in eine andere Richtung geben, nämlich an Frau Senatorin Schöttler bzw. an den gesamten Senat, dass es gelungen ist, hier einen abgestimmten Entwurf als Vorgabe für unsere weiteren Beratungen mehrheitsfähig zu machen, der auch die Akzeptanz aller 23 Bezirksbürgermeister gefunden hat ­ das darf man nicht unterschätzen. Darauf sollten wir immer ein Auge haben.

 

Unser gemeinsames Ziel ist, das verträgliche Zusammenleben von Menschen und Hunden unter den besonderen Bedingungen einer Großstadt zu regeln. Ich denke, in diesem Ziel sind wir einig, nur der Weg ist in Marginalien offensichtlich noch etwas strittig. Aber dafür sind wir hier. Wir unterstützen die grundsätzlichen Positionen, die der Gesetzentwurf enthält, nämlich den generellen Leinenzwang und die Festlegung in Form einer Rassenliste, wobei es den Erlaubnisvorbehalt grundsätzlich für andere gefährliche Hunde auch gibt, wie Frau Senatorin vorhin schon ausgeführt hat.

 

Ich will auf die Einzelheiten des vorliegenden Entwurfs nicht eingehen, sondern einige Fragen an die Sachverständigen stellen: Ein Hauptdiskussionspunkt ist immer wieder die Definition der Gefährlichkeit von Hunden. Es ist hier insbesondere von Herrn Bob gesagt worden, dass Hunde nur durch Sozialisation und durch die Umstände gefährlich werden. Sie haben gleichzeitig gesagt, dass ein Heimtierzuchtgesetz dringend erforderlich sei, um das Fortpflanzungsverbot für gefährliche Hunde durchzusetzen. Das scheint mir ein Widerspruch. Denn wenn ausschließlich Sozialisation Hunde gefährlich macht, dann kann ich das durch ein Fortpflanzungsverbot nicht regeln.

 

Daran schließt unmittelbar die Frage an: Wie aufwendig und wie verbindlich wäre es, über Wesenstests die Gefährlichkeit festzustellen, und mit welchem kostenmäßigen Aufwand wäre es zu leisten? ­ Es ist in der Vergangenheit ­ zumindest in den Medien ­ auch öfter davon die Rede gewesen, dass die Art der Bissverletzungen der verschiedenen Rassen sehr unterschiedlich sei. Das wird auch daran deutlich, dass es bei Kampfhundebissen zu tödlichen Vorfällen kommt. Das kam bisher in keiner der Stellungnahmen heraus. Wie beurteilen die Fachleute die anatomischen Gegebenheiten der verschiedenen Rassen in Bezug auf die Bissverletzungen? ­ Mir ist einmal erzählt worden, dass bestimmte Rassen sich festbeißen und deshalb die Verletzungen anders und schwerer sind als bei anderen Hunden. Können Sie dazu noch einige Ausführungen machen?

 

In Ihrer Stellungnahme, Herr Stück, stand an einer Stelle, dass Sie sich gegen den Maulkorbzwang aussprechen, weil dadurch der Temperaturausgleich der Hunde nicht gewährleistet sei, aber Sie sagten dann, bei gefährlichen Hunden sei das doch das einzig mögliche Mittel. Auch hier ist für mich ein Widerspruch gegeben. Wie ernsthaft ist dieses Problem des Temperaturausgleichs aus tierärztlicher oder wissenschaftlicher Sicht? ­ Dabei lasse ich es bewenden und gebe an Frau Fischer weiter.

 

V: Frau Fischer!

 

Frau Abg. Fischer (SPD): Seit 1996 diskutiere ich mit einer Reihe von Ihnen über das Zustandekommen einer Verordnung, und mein Dank gilt selbstverständlich ebenso diesem Senat, der es jetzt fertiggebracht hat, in einer Verordnung und einem jetzt abgestimmten Gesetz das Miteinander von Hundebesitzern und Nichthundebesitzern zu regeln. Noch eine Frage an die Herren Experten, die sich mit der Rasseliste befassen, denn es gibt wissenschaftlich auch andere Aussagen: Sind Sie der Meinung, dass die Bayern seit 1992 ­ und auch andere Bundesländer, die Rasselisten in ihren Verordnungen oder Gesetzen haben, oder auch die Bundesebene ­ die Menschen diskriminieren und dass sich dort die Hundehalter diskriminiert fühlen?

 

Meine Frage an Herrn Maciejewski vom Arbeitskreis der diensthundeführenden Behörden des Bundes und der Länder: Haben Sie vielleicht einmal mit dem Berliner Polizeipräsidenten gesprochen, der 1996 schon in der polizeilichen Kriminalstatistik ausgeführt hat, dass gerade die Besitzer von Kampfhunden mit ihren Tieren nicht nur bei den Polizeibeamten sehr schwere Verletzungen hervorgerufen haben ­ es waren in den 90er Jahren pro Jahr über 60 Fälle, so weit ich in Erinnerung habe ­, sondern auch immer wieder polizeiliche Ermittlungen stark beeinträchtigt haben? ­ [Zuruf: Das hat ja vielleicht an den Besitzern gelegen!] ­ Wir sind uns sicher alle hier im Saal einig, dass es an dem oberen Ende der Leine liegt, aber das obere Ende erzieht das untere Ende der Leine und trägt auch dafür Verantwortung. Deswegen müssen wir uns letztendlich doch an diesen Hunderassen orientieren.

 

Wenn Sie sagen, Herr Maciejewski, dass Hunde, die einen Maulkorb tragen, auch stark in ihrem Verhalten eingeschränkt  seien, wie beurteilen Sie dann das Verhalten von Diensthunden, die sehr häufig oder überwiegend mit Leine und Maulkorb stundenlang ihren Dienst versehen?

 

Meine Frage an diejenigen Experten, die eine weitere Behörde vorschlagen, um das besser zu kontrollieren: Haben Sie sich einmal überlegt, dass die Haushaltslage des Landes Berlin dies nicht zulässt?

 

Sowohl an Frau Rouhani als auch an Frau Walther ­ die sehr häufig in ihren Verbänden und Interessensvertretungen mit Menschen zu tun haben, die Kinder haben ­ richtet sich meine Frage: Wie beurteilen sowohl der Deutsche Kinderschutzbund als auch die Elterninitiative die bereits bestehende Verordnung? Empfinden Sie sie als ausreichend? ­ Sie haben sicher auch Mitglieder oder Sympathisanten, die selbst Hunde besitzen. Wie schätzen diese die Verordnung und die Gesetzesinitiativen hier in Berlin ein?

 

V: Danke, Frau Fischer! ­ Hier ist zu Recht angemerkt worden, dass man sich an die Zeit halten sollte. ­ [Zurufe] ­ Herr Abgeordneter! Sie können sicher sein: Ich verfahren hier gerecht. Wir haben die Minuten aufgeschrieben. Sie kommen noch zu Wort. ­ Herr Klemm, bitte!

 

Abg. Klemm (PDS): Ich möchte noch einmal unsere Position umreißen. Frau Schöttler hat in Ihrer Rede auf das Hundegesetz auf Bundesebene hingewiesen. Ich finde, das ist ein gutes Beispiel, wie man Gesetze nicht machen sollte. Es wurde groß angekündigt, was es alles lösen soll, und wenn man sich das beschlossene Gesetz durchliest, ist man erstaunt. Es besteht nur aus drei Artikeln ­ Artikel 1: Einfuhr und Verbringungsverbot von vier Rassen. In Artikel 2 steht interessanterweise, dass in den einzelnen Bundesländern die dort erlassenen Regelungen gelten. In Artikel 3 ist für Hundehalter beschränkt die Unverletzlichkeit der Wohnung aufgehoben worden. Ich hoffe auf die Normenkontrollklage der FDP-Fraktion im Bundestag, weil ich das rechtlich als völlig unangemessen empfinde. Wenn man sich das Gesetz in Gänze ansieht, wundert man sich nicht, dass jetzt nicht mehr über dieses Bundesgesetz geredet wird, das doch so viele Probleme lösen sollte. Am Ende steht nichts darin.

 

Es ist weitaus vernünftiger, wie wir hier in Berlin damit verfahren. Der Gesetzentwurf ist eingebracht worden. Frau Schöttler hat in diesem Entwurf schon eine Reihe von Punkten mit berücksichtigt, die zu anderen Verordnungen kritisch angemerkt worden sind, z. B. die Übergangsregelungen für die bestehende Hundepopulation. Ich finde es auch gut, dass wir hier mit einer Expertenanhörung anfangen. Wir sind das erste Landesparlament, das zu diesem Thema eine Reihe von Experten einlädt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle bei den Experten bedanken und hoffe, dass diese gute Stimmung sich auch fortsetzt, wenn wir uns Gedanken machen, wie wir mit dem VBB umgehen. ­ Frau Schöttler, wir sind offensichtlich einer Meinung, dass die dort getroffenen Regelungen, die die Mitnahme von 12 Hunderassen verbieten, schnellstmöglich wieder zurückgenommen werden müssen. Meine Fraktion hat einen dementsprechenden Antrag ins Abgeordnetenhaus eingebracht.

 

Ich möchte noch zu einigen Punkte sprechen, die ich in diesem Gesetz kritisch sehe: Name und Anschrift des Halters auf dem Halsband ­ darauf ist hingewiesen worden ­ sollte man noch einmal prüfen. Zur generellen Leinenpflicht: Wir wissen alle, Frau Schöttler, wenn wir die generelle Leinenpflicht haben, dann haben wir automatisch wieder ein Vollzugsdefizit. Sie haben in § 3 eine Reihe von Orten benannt, wo eine Leinenpflicht bestehen und die Leine höchstens 2 m lang sein sollte. Das könnten wir auch kontrollieren. Ich meine, es wäre ausreichend zu sagen: An diesen fünf Orten 2 m lange Leine, für die übrigen Bereiche keine generelle Leinenpflicht! ­ Wir haben von dem Herrn vom Blindenverband gehört, dass wir den Blindenhund noch explizit davon ausnehmen müssen.

 

Ich halte die Rasseliste nach wie vor für bedenklich. Frau Schöttler, wenn Sie das Beispiel Hamburg nennen und sagen: "Danach zeigte sich, dass eine Rasseliste notwendig ist.", dann sage ich: Hamburg zeigt genau das Gegenteil, nämlich ein Vollzugsdefizit. Es war zu erwarten, der Hund hätte schon zehnmal früher eingezogen werden müssen. Ich sehe das auch in meinem Umfeld: Eine Reihe von Leuten weicht jetzt auf andere Rassen aus. Ich bin selber erstaunt ­ ich gehe auch mit meinem Hund öfter einmal spazieren ­, dass Leute, die noch vor einem Jahr einen sog. Kampfhund hatten, heute schon wieder mit sehr komischen Schäferhundmischungen herumlaufen. Da wächst uns das nächste Problem heran.

   

Ich halte auch den generellen Maulkorbzwang nicht für berechtigt. Wenn die Sachkunde des Halters und die Ungefährlichkeit des Hundes nachgewiesen sind, dann ist meiner Meinung nach auf diesen generellen Maulkorbzwang zu verzichten.

 

Ich möchte noch einmal auf die Hinweise des Datenschutzbeauftragten verweisen. Vielleicht handelt es sich nur um einen gesetzestechnischen Fehler, dass in § 8 Abs. 1 gesagt wird: "Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne dieses Gesetzes besitzen Personen nicht ­ ­" Dort hinein gehört ­ genau wie in Brandenburg ­ die Formulierung: "... besitzen Personen in der Regel nicht" ­ wie in  Abs. 2. Ich gehe einmal davon aus, dass das nur ein Fehler ist und dass das unproblematisch ergänzt werden kann.

 

Ich weise auf die Speicherfristen hin, die uns der Datenschutzbeauftragte vorgeschlagen hat und die in ein Gesetz hinein gehören. Aber wenn ich dieses Gesetz in Gänze sehe ­ die Leinenpflicht sollte man relativieren; dann bin ich auch auf die Rasseliste gespannt und wie sachgerecht die CDU damit umgehen wird ­, stelle ich mir schon die Frage: Muss es denn ein Gesetz sein, und dann noch in dieser Form? Ich hielte es nach wie vor für sinnvoller, die bestehende Verordnung sachkundig und nach Anhörung der Experten entsprechend zu ändern und das, was unbedingt gesetzlich geregelt werden muss, in einem Artikelgesetz unterzubringen. Mein Problem ist es, dass das wieder nur bei Rassen ansetzt. Wir müssten zu einem Ansatz kommen, der dafür sorgt, dass Hunde nur noch in sachkundige Hände zuverlässiger Halter gelangen, aber das löst dieser Rasseansatz nicht; er setzt an einem falschen Ende der Leine an. In diesem Sinne könnte ich mir schon vorstellen, dass vor der Anschaffung von Hunden die Sachkunde der Halter überprüft wird. Das ließe sich auch damit regeln, indem gesagt wird: Wer einen Hund abgibt, muss die Sachkunde desjenigen prüfen, der den Hund empfängt. Ich halte die Chippflicht für vernünftig; wir brauchen unbedingt das Heimtierzuchtgesetz. Außerdem halte ich die vorgeschlagenen Regelungen für eine Haftpflichtversicherung für sinnvoll.

 

Frau Walther vom Kinderschutzbund und Frau Rouhani! Ich bin der Meinung, dass Politik in der Tat die Aufgabe hat, zwischen Menschen mit und ohne Hund zu vermitteln. Frau Schöttler! Ich finde es nicht gut, wenn Sie eine generelle Wertung vornehmen, denn wir müssen das Zusammenleben von beiden vermitteln. Frau Walther! Wir haben in dieser Stadt eine Reihe städtebaulicher Probleme. Meiner Meinung nach haben wir das Problem, dass diese Stadt nicht kinderfreundlich ist. Sie verfügt über wenig Grün- und Freiflächen, und somit ist sie auch nicht hundefreundlich. Ich behaupte, dass eine kinderfreundliche Stadt viel hundefreundlicher ist ­ und umgekehrt. ­ Vielleicht haben wir in vielen Dingen eine Reihe von gemeinsamen Interessen.   

 

Ich habe noch eine Frage an die Experten: Es würde mich interessieren, wenn Sie noch weitere Ausführungen zur Bissgefährlichkeit der Kampfhunde machen könnten. Ich bin der Meinung, dass die Beißkraft nicht die Lösung dieses Problems ist. Denn ob ein Hund einmal kräftig zubeißt und nicht mehr los lässt oder zehnmal zubeißt, ist dann weniger erheblich. Aber vielleicht haben Sie darüber andere Informationen. ­ Ich möchte noch für 30 Sekunden oder zwei Fragen das Wort an Frau Simon geben.

 

V: Bitte, Frau Simon!

 

Frau Abg. Simon (PDS): Alle, die mich kennen, wissen, dass das in 30 Sekunden nicht zu machen ist, aber trotzdem fasse ich mich kurz. ­ Ich möchte zunächst einmal auf das eingehen, was Frau Helbig gesagt habe und mich noch einmal an Herrn Bob wenden: Ich finde es ausgesprochen misslich, wenn Sie in Ihren Veröffentlichungen ­ als praktizierender Tierarzt kennen Sie die Veröffentlichungen ­ immer die Begriffe "gefährliche Hunde" gebrauchen, weil das absolut im Gegensatz zu Ihren Ausführungen steht. Ich bitte darum, sich dafür eine neue Begrifflichkeit auszudenken. Ich habe Sie so verstanden, dass es keine gefährlichen Hunde, sondern nur solche Hunde gibt, die durch Zucht und Haltung gefährlich gemacht werden.

 

Ich habe eine konkrete Frage an Sie, und zwar in Verbindung mit einem Antrag, den meine Fraktion gestellt hat: Wir möchten gern den Sachkundenachweis einführen. Sie haben gesagt ­ich habe mir das extra aufgeschrieben ­, er sei von der Tierärztekammer angedacht. Ich würde von Ihnen gern konkret wissen: Fordert die Tierärztekammer dieses, oder würden Sie eine solche Forderung nach einem Sachkundenachweis unterstützen?

 

Dann habe ich noch zwei Fragen an Herrn Dr Fischer: Herr Dr. Fischer! Sie haben sowohl schriftlich als auch mündlich deutlich gemacht, dass es bei der Überwachung einmal beschlossener Gesetze bzw. der Durchführung von Verordnungen erhebliche Vollzugsdefizite gibt. Darf ich Ihren Worten entnehmen, dass auch dieses Gesetz, das uns in der Vorlage als Entwurf vorliegt, letztlich erneut daran kranken wird, dass auf Grund der bei Ihnen vorhandenen personellen Ausstattung Vollzugsdefizite vorprogrammiert sind? ­ Ich bitte Sie, diese beiden Fragen getrennt zu beantworten. ­ Unter Beachtung der Vorschläge der Grünen möchte ich gern wissen, ob Sie unter diesem Aspekt befürworten würden, auch den Vollzug herauszunehmen und als eigenen Aufgabenbereich definieren zu lassen?

 

Dann noch eine Schlussbemerkung an alle diejenigen, die sich vehement für Hunde und deren Haltung eingesetzt haben ­ dem kann ich in weiten Zügen folgen: Ich würde gern von denjenigen, die sich angesprochen fühlen, wissen: Akzeptieren Sie, dass in dieser Gesellschaft auf Grund von Fehlentwicklungen und Defiziten bei vielen Menschen ­ auch bei Kindern ­ eine große Angst vor Hunden besteht ­ egal, ob sie im Einzelfall berechtigt ist oder nicht? Könnten Sie sich vorstellen, wie dem sich daraus entwickelnden Schutzbedürfnis stärker Rechnung getragen und wie dieses gegenüber den Schutzbedürftigen deutlicher signalisiert werden könnte?

 

V: Bitte, Frau Hämmerling!

 

Frau Abg. Hämmerling (Grüne): Schönen Dank! ­ Menschenschutz ist natürlich das höherwertige Gut ­ egal, worüber wir diskutieren ­, aber es gegeneinander auszuspielen, wird dem Anspruch nicht gerecht. Es geht nicht darum, welches das höhere Gut ist, sondern um einen Interessenausgleich. Tierschutz ist in dem Fall auch Menschenschutz! Denn wenn ich ein Aggressionszuchtverbot habe und dafür sorge, dass gefährliche Hunde aus dem Verkehr gezogen werden, dann ist es Menschenschutz, und genau das will unser Gesetzesentwurf.

Frau Schöttler! Sie wurden gefragt, welche Wirksamkeit Ihr Gesetz gegenüber Vorfällen wie dem vom letzten Freitag hat, wo ein Dobermann ein Kind in der eigenen Familie so stark gebissen hat, dass es Zeit seines Lebens wegen der schweren Gesichtsverletzungen wahrscheinlich Entstellungen haben wird. Sie haben Ihren Gesetzentwurf unter anderem mit der Medienberichterstattung über Kampfhunde begründet. Glauben Sie, dass das eine solide Basis ist? ­ Ich zitiere aus einer großen und berühmten Zeitung, in der ein Redakteur so deutlich wie möglich sagte: "Wir drucken, was die Leute lesen wollen." 11 Millionen Leute würden täglich die X-Zeitung lesen, und nicht die X-Zeitung drücke das Niveau, sondern das Niveau drücke die X-Zeitung. ­ Unter diesem Aspekt und unter der Art der Berichterstattung stellt sich die Frage: Ist es notwendig, die Einbringung dieses Gesetzentwurfs damit zu begründen, dass dem eine bestimmte Art der Medienberichterstattung zu Grunde liegt?

 

Die zweite Frage lautet: Wer soll dieses neue Gesetz vollziehen? Wir haben es schon mal angesprochen: Es gibt schon jetzt Vollzugsdefizite. Der RdB hat dem Gesetzentwurf zugestimmt. Ich kann mir vorstellen, dass dort keine Anhörung stattfand. Das sind Leute, die ­ wie wir alle ­ der Medienberichterstattung unterworfen sind. Aber eines haben sie in ihrer Stellungnahme deutlich gemacht: Sie wollen das Personal für den Vollzug. ­ Wo ist es? Woher kommt es? Wer finanziert es?

 

Die nächste Frage: Welche ethologischen Gutachten, also welche verhaltenskundlichen Gutachten bestätigen Ihre Rassentheorie über den Kampfhund? Es gibt eine EU-Kritik an dieser Rassentheorie. Darin werden von der Bundesregierung die entsprechenden Fachgutachten eingefordert, weil sie EU-weit nicht bekannt sind. Welche Gutachten liegen Ihnen vor? ­ Ich möchte nicht den Verweis auf irgendwelche Rechtsprechung, auf Richter oder Kinderchirurgen hören. Kinderchirurgen können Arten der Verletzung begutachten, aber sie können keine verhaltenskundlichen Aussagen über Hunde treffen. Der Kinderarzt, der gesagt hat, dass alle 12 gelisteten Hunderassen stärker beißen als andere Hunde, der muss gelogen haben ­ das geht aus Ihrer eigenen Beißstatistik hervor. Zum Beispiel der hier abgebildete Staffordshire-Bullterrier ist bundesweit noch nicht in einen Beißvorfall verwickelt gewesen, so dass es darüber auch bei diesem Kinderarzt keine Erkenntnisse geben kann.

 

Schade, Frau Schöttler ­ das habe ich in Ihrer Rede vermisst ­, dass Sie nicht wenigstens deutlich gemacht haben, dass Sie noch einmal darüber nachdenken wollen. Denn wir hatten heute Experten bei uns zu Gast, die uns Interessantes und Wissenswertes erklärt haben. Wir werden unseren Gesetzentwurf auch noch einmal überarbeiten, weil wir verschiedene Dinge gefunden haben, die wir korrigieren werden.

 

Meine nächsten Fragen gehen an die Sachverständigen: Herr Kußerow! Sie haben zu unserem Gesetzentwurf lapidar gesagt, die Vorlage werde abgelehnt, weil sie pauschal diskriminiere und Hundehalter kriminalisiere. Worin sehen Sie diese Kriminalisierung? Fühlen Sie sich als Autofahrer ­ Sie sind bestimmt ein Autofahrer ­ diskriminiert, weil Sie zum TÜV fahren oder einen Führerschein vorlegen müssen? ­ Meine Fragen zur Stellungnahme von Herrn Scharbach haben sich erübrigt; er war sehr deutlich. ­ Herr Maciejewski! Es ist klar geworden, dass Sie kein Kampfhunde-Lobbyist sind. Sie haben eine langjährige Praxis im Umgang mit Diensthunden der Polizei, die meines Erachtens nicht zu den so genannten  Kampfhunden gehören.

 

Dann habe ich noch eine Frage an Herrn Dr. Fischer und Herrn Bob: Wie können Sie oder Ihre Kollegen zweifelsfrei bestimmen, dass es sich um eine dieser indizierten Hunderassen oder einen Mischling aus diesen Hunderassen handelt? Können Sie das gerichtsfest feststellen?

 

Noch deutlicher als Sie, Herr Prof. Distl, konnte man nicht sein. Herzlichen Dank, dass Sie gekommen sind! Es hat sich gelohnt. Ansonsten ist klar geworden, dass es die Notwendigkeit des Interessenausgleichs der Leute gibt, die Hunde halten wollen, und der Leute, die ihre Kinder und sich selbst in Sicherheit wissen wollen. ­ In diesem Kontext haben sie sich geäußert. Ich hoffe, dass wir es schaffen werden, dem zu entsprechen.     

 

Dann sind noch Fragen gestellt worden, zu deren Aufklärung ich teilweise beitragen kann. ­ Zur großen Kampfhundlüge in Bayern: Seit In-Kraft-Treten der bayerischen Hunderassenliste werden dort keine Beißstatistiken mehr geführt, und Sie können in Bayern keine Beißstatistik mehr bekommen. Aber ich weiß aus Recherchen der Polizei, dass es in Bayern mindestens drei Todesfälle gegeben hat ­ zuletzt wurde vor vier Jahren ein 16 Monate altes Mädchen von einem Schäferhund zerfleischt.

 

Zweitens ­ zum Hunde-TÜV und zu der Frage, warum es diese Institution geben soll: Ich möchte nicht, dass so etwas wie in Brandenburg passiert, wo es Gefälligkeitsgutachten gibt, sondern ich möchte, dass eine unabhängige Stelle einheitliche Prüfkriterien erarbeitet, die für alle gleich sind.

 

Und das Letzte: Es gibt Fachgutachten zur Beißkraft von Hunden, und es wird gesagt, dass es maßgeblich davon abhänge, wie stark ein Hund das Beißen trainiert ­ also die Frage, ob er gern kaut oder nicht. Und es hängt maßgeblich von der Größe des Individuums ab, aber nicht von seiner Rasse. Kampfhunde haben auch nicht 86 Zähne, das sind Krokodile. Ich bitte Sie, nicht jeder Überschrift in den Gazetten auf den Leim zu gehen.

 

V: Danke schön, Frau Hämmerling! ­ Wir haben die kritische Wertung oder auch Würdigung der Gesetzesvorlage von den unterschiedlichen Fraktionen zur Kenntnis genommen. Es sind Fragen gestellt worden, sowohl an Sie persönlich als auch allgemein. Ich möchte Ihnen jetzt gern die Möglichkeit geben, auf diese Fragen zu antworten, und schlage vor, dass zunächst die Damen beginnen. ­ Bitte, Frau Walther!

 

Frau Walther (Kinderschutzbund): Natürlich kann ich bejahen, wenn die CDU-Fraktion sagt, dass es auch das friedliche Miteinander mit Kind und Hund in der Familie gibt. Das setze ich als uns allen bekannte Realität voraus, und diese sehen und begrüßen wir auch. Es verteufelt niemand die Hunde, und es gibt auch viele Kinder, die glücklich mit einem Hund aufwachsen. Uns geht es um die andere Seite der Medaille, nämlich darum, wenn die Bewegungsfreiheit von Kindern eingeschränkt ist ­ gerade im öffentlichen Raum. Kinder sind genauso unberechenbar: Je jünger sie sind, um so eher zuppeln sie an einem Tier herum, was diesem nicht gefällt. Selbst ein gut erzogener Hund muss bei Kindern schon extrem belastbar sein, und insofern habe ich das auch so formuliert. Von der PDS kam der Satz, eine kinderfreundliche Stadt sei auch eine hundefreundliche Stadt. Ich möchte das nicht gegeneinander ausspielen, aber es stellt sich immer die Frage: So, wie es bestimmte Autos gibt, die bestimmte Lebensräume einschränken, so gibt es zum Beispiel in einem Park zu viele Hunde, die frei herumlaufen und überall herumschnuppern und somit wiederum die Bewegungsfreiheit, die persönliche Freiheit von Menschen einschränken. Deswegen halte ich ein Regelwerk für wichtig, selbst wenn wir ­ was ich auch gut fände ­ mehr Parkflächen  und überhaupt mehr Gelegenheit hätten, uns im Freien zu bewegen. Da sind wir bestimmt d'accord.

 

Zur Frage der SPD-Fraktion, wie wir das bisher einschätzen: Im letzten Jahr sind wir zum Teil mit Anrufen besorgter Eltern bzw. vieler Leute überflutet worden, die erst einmal ihren Frust losgelassen haben. Aber das wissen Sie alle selbst, denn die Senatsverwaltung verfügte ebenfalls über Hotlines. Mittlerweile ­ auch wenn man mal bei unseren Mitgliedern nachhakt ­ fällt die Einschätzung in unserem offenen Treffpunkt oder in den Elterngruppen unterschiedlich aus. Selbst in unserem Kolleginnenkreis ist die Einschätzung sehr unterschiedlich: Manche haben die Erfahrung gemacht, dass ­ wo auch immer sie sich aufhalten ­ Kampfhunde ohne Maulkorb und ohne alles herumlaufen, und andere haben einen Unterschied bemerkt. Seitdem es letztes Jahr diese Hundeverordnung gab, hat man allerdings tendenziell schon eine Aufmerksamkeit und Sensibilisierung dafür bemerkt, aber das lässt eher schon wieder ein bisschen nach. Das ist aber auch kein Wunder, denn niemand kann es kontrollieren, weil alle mit BSE und MKS und schon wieder etwas Neuem beschäftigt sind. Insofern sind aus unserer Sicht Kontrollmöglichkeiten erforderlich. Es kann nicht nur das Gesetz gemacht werden, sondern die Bezirke müssen dabei unterstützt werden, damit sie es dann auch umsetzen können. Deshalb kostet das dann auch Geld, und dessen müssen Sie sich bewusst sein.

 

V: Danke, Frau Walther! ­ Bitte, Frau Sack!

 

Frau Sack (Hund und Gesellschaft e. V.): Ich möchte gern auf die Frage von der PDS-Fraktion eingehen: Was kann man tun, um die Ängste von Kindern in Bezug auf Hunde abzuschwächen bzw. sie gar nicht erst in einer extremen Form aufkommen zu lassen? Natürlich übertragen sich die Ängste der Eltern, die viel Zeitung lesen, auf die Kinder. Das ist für diese Kinder fatal, weil sie dadurch nicht lernen, adäquat zu reagieren, wenn ein Hund auf sie zukommt. Sie geraten dann eher in Panik, was sicherlich nicht zuträglich ist. Wir erarbeiten gerade eine Broschüre über den Umgang von Kindern mit Hunden, in der beispielsweise folgende Situation besprochen wird: Ein Hund kommt auf ein Kind zugerannt: Was kann das Kind tun? Welche Reaktion ist die beste, damit das Kind nicht allein durch falsche Reaktionen gefährdert wird, wenn der Hund vielleicht nur spielen will und das Kind wegschaut bzw. ihm tief in die Augen schaut? Das alles sind Dinge, die für Kinder wichtig sind, um ihnen die Ängste zu nehmen. Denn ­ wie schon Frau Hämmerling ansprach ­ die meisten Vorfälle ereignen sich im direkten, privaten und häuslichen Umfeld, und dort ist sehr viel Aufklärung vonnöten.

 

V: Frau Rouhani!

 

Frau Rouhani (Elterninitiative Charlottenburg): Frau Sack! Ich danke Ihnen für die Aufforderung, weniger Zeitung zu lesen. Ich halte mich also an das, was ich seit eineinhalb Jahren mit meinen 300 Mitstreiterinnen und Mitstreitern in Charlottenburg erfahren habe, und das erleben auch meine Kinder, denn sie sind oft Zeugen davon. Ich spreche im Park einen Hundehalter an, weise ihn darauf hin, dass Leinenzwang herrscht, bitte ihn, seinen Hund an die Leine zu nehmen, und dann sieht mein Kind, wie der Hundehalter reagiert. Ich bitte Hundehalter in meiner Wohnstraße, die Hinterlassenschaft ihres Hundes zu entfernen, und meine Kinder werden Zeugen der Szenen, die sich dann abspielen. Damit will ich sagen: Für das Kind ist nicht in erster Linie der Halter das Problem, sondern der Hund, der daher kommt. Nach dem Vorfall in Hamburg sind die Kinder auch traumatisiert. Kinder fragen: "Mama, was ist das für ein Hund? Ist das ein Kampfhund, der dort kommt, ein Schäferhund oder ein Rottweiler?" ­ Sie wollen das wissen. ­ Je größer der Hund ist, um so mehr versucht das Kind mit diesem Hund klarzukommen, aber Angst auslösend ist der Hund. Die Halter bekräftigen mit kaum einer Reaktion das Vertrauen des Kindes, indem sie etwa den Bitten oder der Aufforderung zur Rücksichtnahme und zu verantwortungsvollem Verhalten nachkommen. Damit ist das gesetzlich minimal Gebotene wie das Entfernen des Hundekots und das Anleinen des Hundes im Park gemeint ­ wir reden hierbei von Minimalstandards. Das Vertrauen der Kinder darein, dass man guter Dinge sein kann, wird durch die Reaktionen der Hundehalter in 90 % aller Fälle nicht bekräftigt.

 

Zu Ihrer Frage, wie wir die Eilverordnung  vom  Juli 2000 beurteilen: Wir haben uns das auf den Spielplätzen gefragt und dabei festgestellt, dass wir noch keinen Hund mit einer grünen Plakette gesehen haben. Wir schätzen, dass ca. 60 % der Kampfhundehalter ihre Tiere mit Maulkörben versehen und an Leinen führen. ­ Ich frage immer wieder Taxifahrer, die auch in andere Bezirke kommen und mehr Umlauf haben als wir in unserem Bereich; die Aussagen decken sich. ­ Die Eilverordnung mit der Verpflichtung zur Leine und zum Maulkorb für diese 12 Rassen war das absolute Minimum an Vertrauensbildung. Wenn Sie davon zurückgehen, Frau Hämmerling, und uns zumuten wollen, dass uns auf den Berliner Straßen Kampfhunde mit neongrünen Plaketten entgegen kommen, dann gibt es richtig Stunk. ­ [Zurufe von den Zuhörern] ­ Das werden wir nicht ertragen! Denn Maulkorb und Leine sind in Berlin das Minimum! ­ [Weitere Zurufe von den Zuhörern]

 

V: Ich verweise noch einmal nachdrücklich auf die Geschäftsordnung und schrecke nicht mehr davor zurück, diejenigen Damen und Herren, die sich nicht daran halten, zu bitten, diesen Raum zu verlassen. ­ Bitte, Herr Stück, Sie haben das Wort!

 

Herr Stück (Rechtsanwalt): Die CDU fragte nach der Justitiabilität einer Größenregelung. Dazu kann ich nur sagen: Der Gesetzgeber hat bei Erlass aller Regelungen grundsätzlich einen Gestaltungsspielraum, den er ausfüllen kann. Das, was Sie zu berücksichtigen haben, ist, dass es willkürfrei gemacht wird. Wenn es rassenunabhängig gemacht wird, ist es insoweit willkürfrei, weil Sie niemanden benachteiligen, sondern es quasi an objektiven Kriterien festmachen, die für alle gelten. Wie die Größen dann festgestellt werden, und ob man es wie Nordrhein-Westfalen macht ­ 40 cm Risthöhe und 20 kg Gewicht ­ oder so, wie es die Grünen vorgeschlagen haben, nämlich 40 cm und 17 kg, wird kein Problem sein. Im Hinblick auf die Gefahrenabwehr ist hinzuzufügen, dass Größe und Gewicht eines Hundes nur gegen das Anspringen oder Umwerfen einen Schutz bieten können, denn mit Bissen hat das nichts zu tun. Aber wenn Sie eine rasseneutrale Liste machen, wird diese wohl vor einem Gericht Bestand haben, so dass ich diesbezüglich keine Probleme sehe.

 

Zweites Thema ­ Bundesgsetz: Meines Erachtens zeigt sich hierbei die Tendenz, dass immer nur nach oben gezeigt wird. Was hat das Bundesverwaltungsgericht gemacht? Was haben die Innenministerkonferenzen beschlossen? Was sagt die Mehrheit der Bürgermeister? ­ Wenn Sie sich darauf verlassen, dann sind Sie auf dem Holzweg. Die Gerichte sind unabhängig und kippen Ihnen das ­ auch gegen politische Mehrheitsverhältnisse. Das ist das Risiko, mit dem Sie leben müssen, wenn Sie eine solche Regelung treffen.

 

Ebenfalls noch zu dem Bundesgesetz: Bezüglich der Rasseliste möchte ich auf das zurückkommen, was Frau Hämmerling gesagt hat ­ zum Staff-Bull: In allen mir bekannten Statistiken gibt es keinen einzigen registrierten Vorfall, an dem ein Staff-Bull beteiligt gewesen ist. Gleiwohl steht dieser Hund vorne im Bundesgesetz bei diesen vier Rassen. Also, wenn das zu Gericht geht und die Politik vorlegen muss, mit welcher Berechtigung der Staff-Bull aufgenommen worden ist, dann kann ich Ihnen einen juristischen Bauchklatscher prophezeien.

 

Nächste Geschichte ­ zur Zucht: Es steht bereits im Tierschutzgesetz, dass es das Aggressionszuchtverbot gibt; insofern bräuchte man keine Doppelregelung. Es gibt das Bundesgesetz, und das ist meines Erachtens hierbei ausreichend. Worüber man sich noch unterhalten könnte, ist, dass man für Hunde, die nachweislich gefährlich sind ­ dabei könnte man auf das zurückgreifen, was zum Beispiel im Gesetzentwurf in § 4 Abs. 1 steht ­, auch eine Kastration oder Sterilisation anordnen darf ­ um das effektiv zu machen. Das wäre eine effektive Gefahrenabwehr und bezüglich des Verhältnismäßigkeitsprinzips durchaus zu rechtfertigen, wenn sich der Hund bisher schon als gefährlich erwiesen hat.

 

Wesenstest ­ dieses Thema ist von der SPD angesprochen worden: Er kostet in Hessen 250 DM und wird von VDH-Gutachtern bzw. von bestimmten Fachtierärzten für Verhaltenskunde abgenommen, wobei im hessischen Innenministerium die Tendenz besteht, die Tierärzte möglichst herauszuhalten. Diese haben es jedoch durch ihre Verbände geschafft, doch hineinzukommen. Denn wer wäre geeigneter, einen solchen Test durchzuführen, als jemand, der dieses Fach studiert hat und Fachtierarzt für Verhaltenskunde ist? Wenn man die gegenüber irgendwelchen VDH-Prüfern oder ehemaligen Diensthundeführern zurückstellen würde, dann wäre für mich die Welt auf den Kopf gestellt.

 

Also, der Wesenstest kostet 250 DM und dauert ungefähr eine halbe Stunde. Der Hund wird allen möglichen Situationen ausgesetzt ­ Verkehr mit Hunden, Radfahrern, Inlineskatern ­ und gezielt provoziert. Wir haben das mit unserem Hund erlebt: Der Prüfer geht auf Sie los ­ zum Beispiel mit einem DIN A 4-Ordner ­ und greift den Hund bzw. seinen Halter an. Dann ist es vollkommen okay, wenn sich der Hund aufregt und versucht, seinen Halter bzw. sich selbst zu verteidigen. Ein Kriterium ist dann allerdings, wie schnell der Hund sich wieder in den Griff bekommt, das heißt, normal reagiert.

 

Maulkorbzwang ­ die SPD sprach mich auf einen Widerspruch an: Das ist kein Widespruch! Die Ausführungen, die ich gemacht habe, bezogen sich auf den generellen Maulkorbzwang. Wenn ein Hund bissig oder gefährlich ist, dann ist es nach der ständigen Rechtsprechung aller möglichen Verwaltungsgerichte  vollkommen in Ordnung, den Hund kraft einer behördlichen Auflage mit einem Maulkorbzwang zu belegen und dieses auch entsprechend zu kontrollieren bzw. ­ wenn das nicht eingehalten wird ­ den Hund einzuziehen oder sicherzustellen. Allerdings muss ich hinzufügen, dass diese Möglichkeit auf Grund der geltenden Polizei- und Ordnungsgesetze schon jetzt besteht. Also, das wäre schon jetzt möglich, wenn man das wollte und einen effektiven Vollzug sichert.

 

Ich habe mich gegen den generellen Maulkorbzwang gewandt, und zwar auch für Hunde, die zum Beispiel einen solchen Wesenstest positiv bestanden haben und vorher nie auffällig gewesen sind. Wir hatten versucht, unserem Hund einen Maulkorb anzulegen, aber das war eine Katastrophe. In Hessen hat man allerdings in die Verordnung ein so genanntes Beißschutzhemmnis hineingeschrieben, mit dem auch so genannte Halties erlaubt sind. Dabei handelt es sich um Riemenkonstruktionen, die um das Maul gehen, hinter dem Kopf zusammengeschnürt werden und sich automatisch zusammenziehen, wenn Sie entweder daran ziehen oder der Hund einen Druck in die Leine bringt. Dann ziehen sich diese Riemen zusammen, der Hund bekommt die Schnauze nicht mehr auf, und somit kann er auch nicht mehr beißen. Damit können sich die meisten Hunde anfreunden, und deshalb hatte ich vorgeschlagen: Wenn Sie unbedingt bei einer solchen Regelung bleiben wollen, dann sollten Sie darin ebenfalls dieses Beißschutzhemmnis aufnehmen, so dass solche Halties auch zugelassen sind.

 

Von der PDS-Fraktion ist die gesetzliche Regelung angesprochen worden. Da muss ich der Senatorin Recht geben: Eine gesetzliche Regelung ist insoweit erforderlich, weil Sie über eine Gefahrenabwehrverordnung rechtlich keine Haftpflicht einführen und keine Chip- oder Tätowierungsbestimmung anordnen können. Über eine Gefahrenabwehrverordnung können Sie nur Regelungen erlassen, die der präventiven Gefahrenabwehr dienen. Bei einer Haftpflichtversicherung geht es aber um die Saturierung von Geschädigten, und bei Chip- oder Tätowierungsgeschichten geht es darum, die Leute ausfindig zu machen, wenn ein Schaden eingetreten oder der Hund entlaufen ist. Das hat nichts mit Gefahrenabwehr selber zu tun, und deshalb müssten Sie zumindest diese Regelung zwingend in das Gesetz aufnehmen, weil Sie das sonst nicht auf die Reihe bekommen. 

 

Ebenfalls noch zur PDS ­ Schutz vor großen Hunden: Was kann man tun? ­ Ich kann Ihnen sagen, was man dagegen tun kann: Unter meinen Mandanten ­ das sind allesamt Kampfhundehalter so genannter verschiedener Rassen ­ befindet sich eine Lehrerin für lernbehinderte Kinder, die sich im Ruhestand befindet, sowie eine Kindergärtnerin. In Zusammenarbeit mit einer Hundeschule machen wir es so: Wir gehen mit einem Rottweiler, einem Staff-Bull und einem Dobermann-Pittbull-Mischling in Schulen und Kindergärten, erklären den Kindern, welche Art von Hund das ist, und zeigen ihnen, wie der Umgang zwischen den Menschen und Tieren funktioniert. Das ist das Effektivste, was man machen kann, weil Sie so diese Ressentiments abbauen und den Kindern zugleich zeigen können ­ wenn sie ein gestörtes Verhältnis zu Tieren haben ­, wie man einem solchen Hund gegenüber tritt und sich ihm gegenüber zu verhalten hat.

 

Schutzbedürfnis ­ Leine und Maulkorb: Innerhalb geschlossener Ortschaften habe ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden. Aber diese Möglichkeit hat es auch schon früher gegeben, denn jede Gemeinde hatte auf Grund der kommunalen Satzungshoheit durchaus das Recht, eine Leinenpflicht einzuführen. In der Gemeinde, aus der ich komme, gibt es schon seit etlichen Jahren eine Leinenpflicht, die bisher tadellos funktioniert hat. Dafür hätte Herr Bouffier nicht seine Verordnung machen müssen. Wie gesagt: Ein Maulkorb ist bei dieser Gefährlichkeit kein Problem, da machen die Verwaltungsgerichte mit. Es besteht überhaupt kein Risiko, dass eine solche Regelung kassiert werden könnte, wohl aber, wenn Sie das generell allen Hunden ­ egal welcher Rassen ­ überstülpen wollten ­ unabhängig von der Gefährlichkeit oder den Anzeichen dafür.

 

Zum Schluss zu Frau Hämmerling: Sie hatten das "Rassegutachten" angesprochen. Dazu kann ich nur sagen: Das hessische Innenministerium brachte es im Laufe des Verfahrens nicht fertig, ein einziges Gutachten oder eine einzige Statistik beizufügen, um seine Verordnung zu stützen. Vor diesem Hintergrund bin ich guter Dinge, dass der hessische Verwaltungsgerichtshof die Verordnung im II. Quartal ­ wie angekündigt ­ kassieren wird. Denn es zeichnet sich ab, dass der hessische Verwaltungsgerichtshof den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis und des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim folgt, und somit dürfte die hessische Verordnung zum Scheitern verurteilt sein. ­ Danke!

 

V: Dank an Sie, Herr Stück! ­ Bitte, Herr Bob!


 



Herr Bob (Tierärztekammer): Ich bin beeindruckt von der Form der Sachlichkeit, mit der Sie hier vorgehen. Ich habe den Eindruck, wir leben in zwei verschiedenen Städten. ­ Es scheint für einen Teil von Ihnen so zu sein, dass die größte Gefahr, der ein Kind auf der Straße ausgesetzt ist, darin besteht, dass es einem Hund begegnet. Ich glaube, davon sollte man sich trennen, und das sollte man lassen. ­ Tierärzte sind hier als Experten gefragt, nicht um zu dieser Sache Stellung zu nehmen. Sie sind auch nicht dazu gefragt, ob irgend etwas gesetzlich so irgendein Gericht passiert, sondern sie sind gefragt, um die Dinge zu erklären, die sachlich hier offensichtlich durcheinander gehen.

 

Frau Simon, ich will damit anfangen. Sie sagen, ich hätte hier den Begriff des gefährlichen Hundes eingeführt. Das ist keine neue Begriffseinführung der Tierärzte. Der steht im Gesetz. Die alte Verordnung von 1998 hatte den Begriff "gefährlicher Hund" geregelt, und alle Experten sagen: Natürlich gibt es gefährliche Hunde. Es ist doch grotesk zu behaupten, dass wir Tierärzte meinen würden, alle Hunde seien harmlos und es könne überhaupt keine Gefahr von ihnen ausgehen.

 

Es gibt gefährliche Hunde. Die Frage ist doch nur: Warum sind sie gefährlich? Sind sie gefährlich, weil sie einer bestimmten Rasse angehören? Da ist einfach Stand der Wissenschaft, und das muss man bitte auch, wenn man Experten fragt, akzeptieren und nicht immer laufend neu hinterfragen oder infrage stellen: Sie sind es nicht, weil sie einer bestimmten Rasse angehören, sondern sie sind es, weil Gefährlichkeit abhängig ist von der Aufzucht, von den Haltungsbedingungen und vom Halter selbst. Das sind die drei Kriterien, die eine Rolle dafür spielen, die Gefährlichkeit eines Hundes zu entwickeln.

 

Ich ahne jetzt schon, was Sie sagen, wenn wir davon sprechen, dass in einem Heimtierzuchtgesetz das Fortpflanzungsverbot für gefährliche Hunde erreicht werden soll: "Na prima, da muss es doch etwas geben, wenn die Fortpflanzung verhindert werden soll." Die Art, wie wir Gefährlichkeit definieren, sagt, es hängt von den Aufzucht- und Haltungsbedingungen des Tieres ab. Wenn Sie einen gefährlichen Hund haben und Sie lassen ihn sich auch noch vermehren, dann wird ­ insbesondere wenn es sich dabei um ein weibliches Tier handelt, nämlich das Tier, das nachher seine Welpen aufzieht ­ von diesem Verhalten auf die Welpen derart viel weitergegeben, dass wir hier durchaus eine mögliche höhere Gefährdung sehen. Insofern sagen wir ­ der Herr Rechtsanwalt hat es angesprochen ­, eine der Möglichkeiten wäre, dass man Hunde kastriert, die auffällig geworden sind und nach entsprechender Überprüfung als gefährlich eingestuft wurden. Eine andere Möglichkeit ist, dass man sie zumindest von der Zucht ausschließt, und hier könnte ein Heimtierzuchtgesetz dafür sorgen, dass Hunde, die in die Zucht gehen, vorher einem Wesenstest unterworden werden. Dass man, bevor Hunde sich fortpflanzen können, klärt, ob diese Hunde geeignet sind, sich fortzupflanzen, ist doch ein sinnvoller und praktikabler Ansatz. ­ Ich bitte Sie!

 

Es ist falsch ­ ich wiederhole es noch einmal ­, Hunde auf Grund ihrer Rassezugehörigkeit einfach als gefährlich zu bezeichnen. ­ Gucken Sie sich doch die Rasselisten an, die wir in Deutschland haben. Jedes Bundesland empfindet etwas anderes als gefährlich. Es ist hier mehrfach gesagt worden: Der Staff Bull ist überhaupt nicht auffällig. Aber man hat ihn erst einmal auf die Liste gesetzt, weil das eine ganz arme Rasse ist. Er hat nämlich zwei Namen in seinem Namen vereint. Er hat die Begriffe Staffordshire und Bullterrier in seinem Namen. Damit muss er offensichtlich doppelt gefährlich sein. Wenn Sie sich das Bild angucken, was die Fraktion der Grünen vorher hat herumgehen lassen: Das ist doch kein Hund, von dem Gefährlichkeit ausgeht. Da machen wir uns doch alle lächerlich. Das war das eine was ich beantworten sollte.

 

Das Zweite ­ insofern hatte ich es schön, denn es waren konkrete Fragen und keine allgemeinen Dinge: Wenn es um die Frage der Wohnungshaltung geht, ist das etwas, was wir Tierärzte sehr häufig erleben und völlig anders einschätzen als Sie, die Sie das Problem ganz anders sehen. ­ Für viele schein das wesentliche Kriterium dafür zu sein, dass man sich einen Hund halten kann, die Tatsache, dass man ein Grundstück mit einem Garten besitzt. Ich darf Ihnen sagen, die Leute, die einen Garten besitzen, sind in der Regel die schlechteren Hundehalter. Ich will nicht verallgemeinern, aber sie denken immer, sie hätten ihrem Hund optimale Bedingungen geschaffen, weil der Hund die Möglichkeit hat, sich in diesem Garten zu tummeln. ­ Sie können auch einen großen Hund in einer Innenstadtlage halten, wenn Sie ihm den ausreichenden Auslauf bieten.

 

Das Phänomen ist, dass eigentlich eher die Großhundebesitzer dieser Forderung, die das Tier an sie stellt, nachkommen als die Halter kleiner Hunde mit ihrem Bewegungsdrang. Insofern ist es ganz schlecht, wenn auch die noch an der Leine gehalten werden und sie sich in der Innenstadt gar nicht bewegen können. ­ Ich glaube nicht, dass das Kriterium für die Auswahl, ob ich mir einen Hund kaufe, das ist, ob ich in einer Innenstadtlage wohne oder ob ich in Randlage der Stadt wohne, wo ich leichter ins Grüne komme. Es liegt in meiner Verantwortlichkeit, dem Hund den ihm gebührenden Auslauf zu verschaffen. Das kann ich auch, wenn ich in einer Innenstadtlage meine Wohnung habe. ­ Dass ausreichende Hundeauslaufgebiete sicherlich die Situation verbessern würden, steht auf einem anderen Blatt.

 

Gefragt wurde nach der Sachkunde: Natürlich stehen die Tierärzte einem solchen Sachkundenachweis positiv gegenüber. Das, was uns stört, ist aber: Sie haben hier zurzeit in der Stadt einen Sachkundenachweis, aber die Leute haben Mühe, diesen Test auszufüllen, weil sachlich falsch gefragt wird. Ich möchte das gerne an zwei Beispielen demonstrieren, dann sehen Sie einfach, was hier alles schief läuft. Sie müssen also Fragen im Multiple-Choice-Verfahren bei diesem Sachkundenachweis richtig beantworten. Von der Senatsverwaltung ist der Test letztendlich genehmigt. Eine Frage sieht vier Möglichkeiten vor: "Die Aggressionen des Hundes sind a) anerzogen, b) ererbte Eigenschaften, c) können durch gezielte Ausbildung völlig unterdrückt werden,  d) können durch gezielte Ausbildung unter Kontrolle gehalten werden." ­ Als richtige Antwort müssten Sie jetzt eigentlich erwarten, dass da steht: "sind ererbte Eigenschaften". Das ist falsch und wird auch in dem Test als falsch bewertet. Richtig ist: "sie sind anerzogen", und richtig ist: "können durch gezielte Ausbildung unter Kontrolle gehalten werden", d. h., Sie führen einen Sachkundetest mit Leuten durch, der im krassen Gegensatz zum Gesetz steht. Sie wollen von den Leuten eigentlich tatsächlich das Richtige hören, aber im Gesetz regeln Sie völlig falsche Sachen. ­ Und das deprimiert.

 

Insofern: Wir sind einer Sachkunderegelung gegenüber immer aufgeschlossen. Nur fragen Sie doch irgendwann einmal bitte Leute, die sich auskennen, und denken Sie nicht, Sie könnten das alles selbst regeln. Das können Sie nicht. Ich kann auch über viele andere Dinge überhaupt keine Regelung treffen, weil ich davon nichts verstehe. ­ Es ist so einfach, alle denken sie verstehen etwas von Kindererziehung, also verstehen sie auch etwas von Hunden. So ist das nicht! ­ Okay, jetzt habe ich mich genug erregt. ­ [Beifall von den Zuhörern] ­

 

V: Danke schön, Herr Bob. ­ Herr Professor Distl!

 

Professor Dr. Distl (Hannover, Institut für Tierzucht ­ FB Genetik): Wir können Ihnen natürlich nicht in Zweifelsfragen helfen, wie die Rasse zu identifizieren ist. Es ist wahrscheinlich ein sprachlicher Fehler, indem in der Vorlage steht: "auf Grund rassespezifischer Merkmale". Ich weiß nicht, wie man das verstehen soll. Das heißt also, Sie haben die Rasse, und ein Hund dieser Rasse muss auch diese rassespezifischen Merkmale zeigen. Da ist eigentlich der Bullterrier das beste Beispiel dafür, wie man das Aussehen einer Rasse in kürzester Zeit umzüchten kann. Von der Seite her ist das wissenschaftlich nicht haltbar.

 

Das Zweite, was ich Ihnen schon vorher sagte: Wenn man auf der ganz sicheren Seite sein wollte, müsste man, was weiß ich, wieviel hundert Rassen hier auflisten, vor allem solche Rassen, deren Namen Sie noch gar nicht gehört haben bzw. die irgendwo sind und nicht genau katalogisiert sind, weil einfach in dieser Zeit ein Confounding, eine Vermengung war zwischen bestimmten Rassen hier und bestimmten Einwirkungen von der Umwelt. Daher ist es natürlich populär gewesen, diese Rassen hier in einer Liste aufzuführen. ­ Ich komme aus Bayern, und wir wissen auch, wie diese Rasselisten entstanden sind. Man weiß dann eben auch, dass die Leute dann zu Anfang nur in andere Bundesländer gegangen sind. Das war eigentlich nur der Effekt davon.

 

Der nächste Punkt noch zur Heritabilität oder Erblichkeit von Aggressionen: Das ist wissenschaftlich ein sehr schwieriges Thema. Nach unserer Recherche gibt es keine fundierte wissenschaftliche Literatur dazu, so dass wir im Moment weder das eine noch das andere sagen können. Das ist der Punkt. ­ [Zurufe] ­ Nein, das können Sie nicht. Es gibt keine wissenschaftlich fundierte Literatur dazu. Ich sage, man kann es nicht sagen. ­ Es gibt keine fundierte Literatur, es gibt bestimmte Hinweise. Die einen haben vielleicht etwas gefunden, die anderen haben wieder nichts gefunden. Von Hause aus sind solche verhaltenskundlichen Untersuchungen, die die Genetik betreffen, äußerst schwierig, und es kann im Moment fast niemand machen, weil Sie eine sehr große Anzahl von Hunden brauchen, die Sie unter standardisierten Bedingungen aufziehen und bestimmten definierten Reizen aussetzen und dann prüfen müssten, ob hier eine Erblichkeit besteht. Im Moment, kann man es leider nicht eindeutig beantworten. ­ Das ist der Punkt.

 

V: Danke schön, Herr Professor Distl! ­ Herr Dr. Fischer!

 

Dr. Fischer (Vereinigung der Tierärzte im öffentlichen Dienst e.V.): Ich möchte noch eine kurze Ausführung zum letzten Sachverhalt machen: die zweifelsfreie Feststellung der Hunderassen. Die ist natürlich nicht feststellbar. Genau wie wir auch immer kritisiert haben, dass es auch in der Verordnung steht, aber von uns in keiner Weise zu überprüfen ist, ob der Hundehalter alkoholkrank oder drogenabhängig ist. Es steht auch jetzt wieder in dem Gesetzesentwurf: Es ist von uns nicht zu überprüfen, und die Gesundheitsämter weigern sich natürlich zu Recht mit Verweis auf ihre ärztliche Schweigepflicht, uns da in irgendeiner Weise zuzuarbeiten.

 

Dann möchte ich zur Frage nach dem gebündelten Fachverstand an einer Stelle antworten, d. h. ob wir es positiv bewerten würden, wenn die Fragen der Hundeverordnung oder des zukünftigen Gesetzes aus den Vollzugsaufgaben der Veterinär- und Lebensmittelämter herausgenommen werden. Wir würden es für positiv halten, wenn es nicht so wie bisher viele Sachverständige gibt, die diesen Sachkundenachweis- und Wesenstest abnehmen, sondern dass es dafür eine Institution gibt ­ nennen wir sie meinetwegen HÜV ­, dass diese Aufgabe nach einem einheitlich standardisierten Prüfverfahren und Beurteilungsverfahren durchgeführt wird, dass wir einheitliche Gutachten bekommen und dass dies von Personen durchgeführt wird, die ein Spezialwissen, eine Spezialausbildung und auch die Möglichkeit zu einer speziellen Fortbildung haben. Das ist nämlich auch etwas, was in den Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern nicht möglich ist. ­ Ich habe bei uns im Bezirk gerade gehört: Jeder Mitarbeiter hat 35 Pfennig Fortbildung dieses Jahr. ­ Wir würden es also für positiv halten, dass sich die Kollegen in den Ämtern damit beschäftigen und dass sie sich intensiv in diese Materie einarbeiten und auch fortbilden können. Ähnlich kritisch sehen wir auch ­ aus den Erfahrungen, die wir gemacht haben ­ die jetzt benannten Sachverständigen. Man erhält ganz unterschiedliche Gutachten. Man kann nicht direkt nachvollziehen, wie hier die Prüfungskriterien waren, wie die Prüfungen durchgeführt wurden. Insofern halten wir tatsächlich eine Stelle, wo dann auch Fachverstand ist ­ nach unserer Auffassung müsste das tierärztlicher Fachverstand sein ­, für erforderlich.

 

Dann kam noch die Frage nach den Größengrenzen. Hier meinen wir, dass gerade in der Frage der Größen eine Meinung gebildet werden müßte, indem sich die entsprechenden Fachkreise, aber ggf. dann auch andere beteiligte Kreise zusammenfinden. Man kann dies nicht am grünen Tisch festlegen. Hier muss der Fachverstand der Tierärztekammer, der Hochschulen, insbesondere der Leute, die in den Hochschulen im tierärztlichen Bereich tätig sind, und der VetLeb-Ämter sich zusammenfinden, dass man hier eine Gefahrenabschätzung durchführt und dann, wenn man so etwas möchte, eine bestimmte Größe oder eine bestimmte Gewichtsgrenze festlegt. Es bringt nichts, wenn jeder hier irgendwelche Vorschläge in den Raum wirft und sich daran die Diskussion erhitzt.

 

Die nächste Frage zur Geeignetheit der Maulkörbe: Wir kommen nicht nur im Rahmen der Gefahrenabwehr oder des Tierschutzes, sondern auch im Rahmen der Lebensmittelüberwachung ständig im Bezirk herum. Sehr viele Hunde tragen diese Nylonmaulkörbe, die wir aus tierschutzrechtlicher Sicht ­ ich hoffe, die Kammer stimmt mir da zu ­ für den Dauergebrauch nicht für geeignet halten. Es sind aber die billigsten, die am Markt sind. Da wäre es auch im Rahmen eines Gesetzes wichtig, dass man doch die Art der verwendeten Maulkörbe näher definiert, damit dem Hund eine artgemäße Bewegung auf die Dauer möglich ist und ihm nicht einfach ein möglichst eng sitzender Nylonriemen um den Fang gelegt wird.

 

Dann zu den Fragen nach Vollzug und HÜV: Sicherlich müssen die Verfolgung von Bissen, von Vorfällen, von Ordnungswidrigkeiten und die Ermittlungen in den VetLeb-Ämtern bleiben, aber die Beurteilung der Hunde sollte an einer zentralen Stelle vorgenommen werden.

 

Dann noch zu den Vollzugsdefiziten: Die Vollzugsdefizite werden von uns nicht immer wieder behauptet, ohne belegt werden zu können. Ich möchte darauf verweisen, dass eigentlich der Rat der Bürgermeister bei jedem Gesetzgebungsverfahren, aber auch im Rahmen der Abschichtung immer wieder darauf hingewiesen hat, dass wir permanent neue Aufgaben bekommen ­ das seit Jahren ­ und diese Aufgaben nicht mehr vollziehen können. Die Planprobeentnahme ist abgeschichtet worden. Die Überwachung der frei verkäuflichen Arzneimittel wurde im LAGetSi durchgeführt und ist mit null Stellen abgeschichtet worden, weil sie einfach seit Jahren nicht durchgeführt wurde. Genehmigungen von tierseuchenrechtlichen Verfahren, Ausnahmegenehmigungen nach dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz ­ alles das machen jetzt die Bezirke, aber eine große Personalvermehrung konnte da nicht festgestellt werden.

 

Im letzten Jahr haben wir die Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Lebensmittelverordnung bekommen, die am 9. Januar bekannt gemacht wurde. Auch hier hat der Rat der Bürgermeister erwähnt, dass da natürlich eine Personalanpassung stattfinden muss. Die Hauptverwaltung hat gesagt, diese dort genannten Zahlen sind dieselben wie die, die in dem Vorläufer, in der Richtlinie aus dem Jahr 1975, genannt wurden. Das ist schon richtig, aber man hat in den letzten Jahren ­ das darf man nicht vergessen, wenn man versucht, darüber fair zu diskutieren ­ erheblich Personal in den Überwachungsämtern eingespart. Der Bundesrat mit der Drucksache 150 aus dem Jahr 1992 und die Gesundheitsministerkonferenz 1996 haben Personalstandards, Überwachungsfrequenzen, Mindestausstattungen festgelegt. Entweder möchte man die gerne einhalten, oder man sagt ­ dann sollte man es aus unserer Sicht offen und auch fair gegenüber den Kollegen tun, die in den Ämtern ihren Dienst machen ­, dass das zwar Vorgaben sind, die aber nicht eingehalten werden können. Es gibt aus unserer Sicht selbstverständlich ein Vollzugsdefizit. Das wird auch von den beteiligten Kreisen nicht bestritten, und es ist eigentlich auch kein Geheimnis.

 

Ein anderer Punkt, der von uns letztes Jahr angesprochen wurde ­ wir hatten dazu auch mit der Senatsverwaltung einen Schriftwechsel ­ betrifft aus unserer Sicht ein Organisationsdefizit. Die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter sind im Bezirk in ganz unterschiedlichen Bereichen angesiedelt, so dass auch immer wieder ein anderer Stadtrat zuständig ist, also mal der Gesundheitsstadtrat, dann ist es der Wirtschaftsstadtrat usw.

 

Frau Sen Schöttler (ArbSozFrau): Gestatten Sie eine Zwischenfrage? ­ Soll der Senat das jetzt für die Bezirksämter regeln?

 

Dr. Fischer (Vereinigung der Tierärzte im öffentlichen Dienst e. V.): Das ist eine Frage, die ich hier nicht beantworten kann, aber die Antwort kenne ich schon von der zuständigen Referentin Ihres Hauses. ­ Ich möchte das trotzdem zu Ende bringen. Am Beispiel von BSE hat man gesehen, es muss einheitliche Strukturen geben, denn wenn sich nur die Hälfte der zuständigen Stadträte bei Ihnen, Frau Schöttler, als zuständige Senatorin trifft und die anderen Stadträte, weil sie in anderen Bereichen tätig sind,  in manche Beratungen und Entscheidungen nicht eingebunden sind, dann ist es leider in den Bezirken Fakt, dass wir immer wieder untereinander Informationen austauschen müssen, die wir von oben nicht bekommen. Das führt zu Defiziten in der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung, und wir finden: Das ist ein Problem.

 

V: Danke schön, Herr Fischer! ­ Herr Kußerow, bitte!

 

Herr Kußerow (Verband für das Deutsche Hundewesen e. V. ­ VDH): Ich will noch einmal kurz zu dem Vollzugsdefizit, das Frau Hämmerling in Bezug auf den sechsjährigen Volkan in Hamburg ansprach, Stellung nehmen. Es war nicht so, dass da nur Anzeigen kamen, die nicht weitergeleitet wurden. Der Hundehalter hatte Auflagen, aber diese wurden nicht überwacht. Und wenn es in der Stadt hier möglich ist, dass Amtsveterinäre Auflagen geben, aber der zuständige Polizeiabschnitt das nach dem Datenschutz nicht wissen darf, dann brauchen wir doch so etwas gar nicht zu machen, wenn es doch nicht überprüft wird. Dem sollte man auch einmal nachgehen und das ein bisschen besser überprüfen.

 

Warum lehnen wir Ihr Gesetz ab? ­ Ich meine, dass hier pauschal alle Hunde ­ ­ Wer heute einen Königspudel in der Stadt hält, der höher als 40 cm ist, oder einen Basset, diesen Hush Puppy, mit 25 kg, wird dadurch gebranntmarkt, dass er offiziell zum Hundeüberwachungsverein muss. Das ist so nicht machbar. ­ Dann gibt es eine knallrote Plakette, die schon von weitem sagt, diesem Mann mit seinem Hund musst Du aus dem Weg gehen. Auch das sollte man so nicht hineinnehmen. Auch mit diesem "Vorsicht bissiger Hund" an der Hauswand, das kann nicht der Weg sein. Das war früher meines Erachtens verboten.

 

Noch ein Hinweis zu der Frage: "Kinder  ­ Umgang mit Hunden": Vielleicht sollte man ­ ich habe es schon öfter gesagt ­ Herrn Böger vorschlagen, dass man vielleicht ab der vierten Klasse einmal im Monat eine Stunde zu diesem Thema in den Schulunterricht mit aufnimmt, damit auch Kinder wieder an ein Stück Natur herangeführt werden. ­ Sie lachen darüber, aber das ist nicht unvernünftig. Es gibt auch Broschüren über den richtigen Umgang zwischen Kind und Hund. Das ist Natur, und das sollte man den Kinder einmal wieder zeigen. Da müssen wir nicht nach Österreich fahren, um im Urlaub einmal ein paar Tiere zu sehen.

 

Auch unter Hundehaltern gibt es aggressive Menschen. Wir ­ oder die Politiker ­ sollten einmal mehr die Aggressivität, die in der Stadt herrscht, zur Kenntnis nehmen, die es nicht nur bei Rad- und Autofahrern, sondern auch unter Hundehaltern gibt. Da sollten wir heran, nicht an die Hunde, sondern an das andere Ende der Leine. Da müssen wir ansetzen und einfach überlegen, warum es diese Probleme in der Stadt gibt, damit nicht nur pauschal der Hund beschuldigt wird, sondern ­ wie schon öfter gesagt ­ der Hundehalter.

 

Abschließend mein Hinweis, dass wir ungefähr vor zwölf Jahren 30 000 Hunde mehr in der Stadt hatten ­ das können Sie über die Finanzbehörde erfragen ­ und einige hunderttausend Menschen mehr in der Stadt. Diese Probleme, die es heute gibt, gab es damals nicht. Also überlegen wir selbst, woran es in der Stadt liegt! ­ Danke schön!

 

V: Danke schön auch an Sie! ­ Herr Maciejewski, bitte!

 

Herr Maciejewski (Arbeitskreis der diensthundeführenden Behörden des Bundes und der Länder): Ich möchte damit beginnen, dass ich völlig unabhängig bin. Ich fühle mich jedenfalls völlig unabhängig. Ich habe auf Grund von bestimmten Fragestellungen das Gefühl, dass man gewissen Äußerungen gegenüber Vorbehalte pflegt. Um diesen Vorurteilen entgegenzuwirken, möchte ich sagen: Wenn ich den Gesetzesantrag der Grünen hier als "gut" bezeichnet habe, so bin ich nicht Angehöriger dieser Partei. Ich kann mich auch outen und sagen, dass ich die Partei noch nie gewählt habe und auch kein Kampfhund-Lobbyist bin. Ich fühle mich persönlich und beruflich der Gefahrenabwehr, der Sicherheit und Ordnung in unserem Staat verpflichtet. Das ist meine Motivation mein Leben lang gewesen. ­ Ich bin außerdem über Jahrzehnte professioneller Hundehalter, Hundezüchter und Hundeführer. Das macht in der Summe ganz bestimmte Kenntnisse aus. So bin ich zu diesen Ergebnissen gekommen.

 

Zur Zucht aggressiver Hunde: Ich bin nicht in der Lage als Polizeibeamter ­ auch nicht an einer Landespolizeischule für Diensthundeführer ­ etwa zu untersuchen, ob es so etwas wie Aggressionsgene gibt. Das möchte ich auch sehr gerne den Wissenschaftlern überlassen, ob Aggressivität im eigentlichen Sinne genetisch bedingt ist oder vererbt wird. Ich kann Ihnen aber nur eines sagen: Verhaltensmuster werden vererbt, so wie auch das Instinktrepertoire von Hunden vererbt wird. Aggressionsbereitschaften sind beim Hund existenziell notwendig. Hunde sind nach ihrer Natur Laufraubtiere, wilde Hunde. Auch wenn wir sie domestiziert haben, haben sie sich im Prinzip diese Eigenschaften bewahrt ­ das steht fest ­, so dass sie in bestimmten Situationen Aggressionsbereitschaften entwickeln können, und zwar in völlig unterschiedlichen Situationen. Um Beute zu machen, muss die Beute getötet werden, das setzt Aggression voraus. Man kann das auch anders bezeichnen, aber das steht fest. Um sich als Alphatier in einem Rudel durchzusetzen oder auch gegenüber einem Menschen ­ die Tendenzen gibt es auch bei starken Hunden ­, muss man Kraft, Zwang, von mir aus auch Aggressionen einsetzen. ­ Um einen Nahrungskonkurrenten aus dem Feld zu schlagen, muss man Aggressionen einsetzen. ­ All das ist Hunden immanent und darf auch, wenn man das Tierschutzgesetz nicht verletzen will, nicht weggezüchtet werden. Ich glaube nicht, dass der Mensch aus einer Art eine andere Art machen darf. Ich glaube nicht, dass das ethische, moralische oder gesetzliche Bestimmungen zulassen.

 

Wenn wir ­ wie unterstellt wird ­ Hundeaggressionszuchten betreiben könnten, dann nehmen Sie mir bitte ab, hätten wir es bei der Polizei sicherlich lange gekonnt und gemacht. Das ist uns nicht gelungen, obwohl wir sicherlich ganz andere Möglichkeiten haben als diese Kriminellen, die in einem bestimmten Milieu vielleicht tatsächlich Hunde verpaart haben in der Absicht, Aggressionslinien aufzubauen. Wir brauchen in den staatlichen Diensten Hunde mit einem bestimmten Potential an Aggressionsbereitschaft, weil wir sie gegen Menschen einsetzen, um damit öffentliche Aufgaben wahrzunehmen.

 

Wir haben also auf der Basis der Elterntiere, von denen wir wussten, dass sie diese Fähigkeiten haben, durch selektive Zucht versucht, diese Eigenschaften zu verbessern, um bessere Potentiale für den dienstlichen Einsatz zu bekommen. Das ist uns nicht gelungen. ­ Ich sage Ihnen eins: Wer eine Population übersteigert aggressiv züchten will, muss meines Erachtens das über zig Generationen machen, und zwar mit der Mehrheit aller zur Verfügung stehenden Züchter. Das kann nicht irgendein Hinterhofzüchter in Hamburg oder Berlin machen ­ mit Sicherheit nicht ­, auch nicht zehn, auch nicht zwanzig. Das schafft der nicht in wenigen Generationen. Dazu bedarf es ganz anderer Absichten. Wir jedenfalls, nachdem wir in Nordrhein-Westfalen eine gezielte koordinierte Zucht über 13 Jahre laufen haben, haben dieses "Potential" ­ das Aggressionspotential ­ nicht verbessern können. ­ Das dazu.

 

Zu den Zimmern: Ich möchte noch auf die Frage, ob die Größenregelungen justiziabel sind, eingehen. Ich glaube, in unserer Gesellschaft ist nichts besser geeignet, als Maße, Gewichte, Größen, Entfernungen zu bestimmen. Das ist die Basis fast aller Gesetze. Das ist das Einzige, was eine Willkür verhindert. Deswegen habe ich auch nichts dagegen und halte es immer noch für das Beste, dass irgendwo ein Maß festgelegt wird, ein Gewichtsmaß oder ein Größenmaß. Das ist definierbar, und man kann sich natürlich darüber streiten, ob Hunde ab 40 cm zu den Hunden gehören, die ein etwas größeres Potential haben. Da wäre ich leidenschaftslos. Es könnten von mir aus auch 35 cm sein oder 45 cm, aber es müsste festgelegt werden wie auch in allen anderen Bereichen. Das Führerscheinalter ist auf 18 festgelegt, der LKW-Führerschein ab 7,5 Tonnen, das ist alles festgelegt in unserer gesamten Gesellschaft. Das ist etwas völlig Normales.

 

Ich stimme auch dem Beitrag zu, dass man die Haltung von Hunden nicht von den Wohnverhältnissen abhängig machen soll. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, was die Bezugsperson seinem Hund an sensorischen Reizen und sozialen Bedürfnissen zukommen lassen kann. Das ist in der Wohnung ­ wenn er will ­ durchaus zu befriedigen. Aber natürlich dann nicht, wenn er neun Stunden außerhalb der Wohnung ist, und in diesen neun Stunden der Hund ohne soziale Betreuung ist und seine sensorischen Reize nicht befriedigen kann. Das ist von ganz anderen Faktoren abhängig. Ich würde das nicht daran festmachen: Garten vorhanden? ­ Ja oder nein. ­ Drei Zimmer? ­ Ja oder nein. ­ 40 qm oder 80 qm? ­ Im übrigen wird es in Kürze eine Tierschutz-Hundeverordnung geben, die sicherlich viele Maße enthält und viele Regelungen dieser Art, wie groß die Zwinger bei Zwingerhaltung sein müssen, bei Anbindehaltung, wie das alles zu funktionieren hat usw.

 

 


 



Es ist die Leinenführigkeit angesprochen worden: Sie wird an bestimmten Orten mit maximal zwei Metern geregelt. Ich habe mir erlaubt ­ ich habe das vorhin nicht angesprochen ­, das zu kritisieren, weil ich nicht der Auffassung bin, dass das eine vernünftige Regelung ist. Denn unter Umständen ­ gerade an diesen bestimmten Orten, die in beiden Gesetzesvorlagen definiert sind ­ und eher häufig ist eine zwei Meter lange Leine viel zu lang. Sie müssen von folgender Regel ausgehen ­ das sind Erfahrungswerte: Der Aktionsradius eines Hundes hat Relevanz. Kann der Hund eine bestimmte Person erreichen, beißen oder belästigen, die er nicht beißen oder belästigen darf? Das heißt: Leinenlänge plus Armlänge plus ein Ausfallschritt. Denn wenn der Hund spontan reagiert, muss der Mensch erst einmal reagieren, und zumeist geht er dann einen Schritt in dessen Richtung. Das heißt, dass bei einer zwei Meter langen Leine der Aktionsradius eines Hundes durchschnittlich bei etwa vier Metern anzusiedeln ist, und das ist völlig schlecht geregelt.

 

Als Präambel oder Prämisse muss in dieses Gesetz hineingeschrieben werden ­ ich habe das auch schriftlich fixiert ­, dass jeder Hundeführer verpflichtet ist, seinen Hund so zu halten, dass er niemanden gefährdet, belästigt oder schädigt. Das heißt: Der Hund muss unter Umständen kurz, sozusagen am Halsband gehalten werden. ­ Das erwarte ich von einem verantwortungsbewussten Verhalten. ­ Deswegen ist es gefährlich, mit derartigen Leinenmaßen zu arbeiten. Sie führen bei der Umsetzung der Verordnung dazu, dass der Hundehalter sagt, er hätte seinen Hund an einer zwei Meter langen Leine geführt, und dann fragt, was daran denn verkehrt sei, denn das stehe doch in der Verordnung. ­ Genau das ist kontraproduktiv gewesen; das kann man sich nicht erlauben.

 

Aufwand für Wesenstest: Ich habe mir in meinem schriftlichen Beitrag auch erlaubt, einige Anmerkungen zu den Sachkundeprüfungen zu machen. Im Rahmen der Sachkundeprüfung empfehle ich dringend, mit allen betroffenen Hunden so etwas wie einen Wesenstest zu machen ­ natürlich keinen kompletten Wesenstest. Ich habe auch immer gesagt, dass man diesen Test gar nicht "Wesenstest" nennen dürfte. Denn das Wesen eines Hundes ist so komplex, dass man es nicht untersuchen kann. Sie können einen ganzen Tag und wochenlang daran arbeiten, um das Wesen eines Hundes zu definieren. Hierbei geht es partiell nur um das Aggressionsverhalten von Hunden, das untersucht werden muss. Aber das sollte bei der Sachkundeprüfung im praktischen Teil untersucht werden, ansonsten vergibt man die Chance eines präventiven Instruments. Wenn schon Sachkunde gefordert wird, dann darf man diese nicht auf eine theoretische Überprüfung beschränken.

 

Das Multiple-Choice-Problem ist schon angesprochen worden. Abgesehen davon, dass viele Fragestellungen falsch sind, ist es meiner Auffassung nach teilweise zu einfach und anspruchslos. Im Übrigen muss man vor allen Dingen die praktische Sachkunde überprüfen, das heißt, man muss prüfen, ob der Aspirant, also der Hundehalter, geeignet ist, einen Hund gefahrenvorbeugend zu führen, vor allen Dingen auch angesichts alltäglicher bestimmter Umweltreize wie Bewegungsabläufe von Menschen, Joggern, Kindern, Radfahrern und Hunden. Wenn man also schon die praktische Kompetenz im Rahmen der Sachkunde prüft, dann muss auch der Hund geprüft werden. Eine praktische Prüfung lässt sich nicht ohne einen Hund durchführen ­ so, wie man auch den Führerschein nicht ohne Auto ablegen kann. Zum Führerschein gehören Theorie und Praxis, und diese muss geleistet werden. Das könnte ­ wenn Sie so wollen ­ ein geeigneter Verhaltenstest sein, der einen Filter darstellt, um beim HÜV zu erkennen, wo sich die gefährlichen Hunde in unserer Stadt befinden. Diese müssen dann der Ordnungsbehörde mitgeteilt und von kompetenten Fachleuten auf ihre Gefährlichkeit hin untersucht werden. Danach sind knallharte Entscheidungen zu treffen, bis hin zur Tötung eines Hundes, wenn er tatsächlich übersteigert gefährlich ist. ­ So muss das ablaufen, anders geht es nicht.

 

Im Übrigen werden auch Dominanz- oder Sozialverhalten eines Hundes Gegenstand dieser Überprüfung sein müssen. Es geht also nicht nur um seine Führigkeit, sondern auch um seine Unterordnung, wie es in Ihrem Gesetzentwurf heißt. Ich würde das weiter ausdehnen auf das Sozialverhalten insgesamt.

 

Das Korbproblem: Ich kenne einige Fälle, in denen Hunde, die zu lange und vor allen Dingen im Sommer mit einem Korb gearbeitet haben, verstorben sind. Das ist ein Korbproblem gewesen.  Hunde können mit bestimmten Körben nicht genügend hecheln. ­ Es gibt Körbe, die das zulassen, aber bei bestimmten Körben funktioniert das nicht. ­ Sie bekommen den Temperaturausgleich nicht hin und können dadurch Probleme bekommen. Was jedoch auch in sicheren Beißkörben nicht abläuft, sind die Rituale eines Hundes wie das Zähnezeigen und Hochziehen der Lefzen. Das sind wichtige Dinge, die zur Körpersprache des Hundes gehören. Hinsichtlich der Korbproblematik sprach ich vorhin davon, dass es ein wesentlicher Nachteil und auch tierschutzrelevant sei, dass der Hund nicht kommunizieren und interagieren kann. Das heißt: Der Hund läuft unter einer Tarnkappe und kann sozusagen sein Gesicht nicht zeigen. ­ Das ist ein Riesenproblem! ­ Dann können die Hunde sich nicht verständigen, und somit sind Missverständnisse vorprogrammiert ­ auch unter Hunden. Deswegen: Auf Grund der körperlichen Gefahren und der Tatsache, dass die Hunde nicht interagieren und kommunizieren können, ist das nicht artgemäß. ­ Da kann einer sagen, was er will. ­ Das kann im Interessenausgleich nur dadurch kompensiert werden, wenn dieser Hund gefährlich ist. Bei einem gefährlichen Hund muss das zurückgestellt werden, denn die Interessenabwägung geht klar zu Gunsten der Menschen bzw. der Kinder ­ das ist gar keine Frage. Das muss der Hund als Kreatur hinnehmen, und als gefährlicher Hund darf er draußen nicht ohne Korb geführt werden.

 

Zu den Rasselisten: Ich glaube, dass ich dazu nicht mehr viel sagen muss. Das ist unisono die Auffassung aller Experten, die Rang und Namen haben und halbwegs kompetent sind. Damit werden wahrscheinlich alle Gesetzes- und Verordnungsgeber Schiffbruch erleiden ­ das kündige ich jetzt schon an. Sie können mich beim Wort nehmen, dass das nur noch eine Frage der Zeit ist. Das kann nicht gut gehen, wenn alle kompetenten Wissenschaftler sagen, dass es nicht haltbar ist. ­ Ich habe das vorhin schon in Bezug auf das Aggressionsverhalten der Hunde begründet.

 

Beißkraft: Natürlich lässt sich die Beißkraft der Hunde konditionell stärken; das hängt im Wesentlichen von den Muskeln und Hebelwirkungen ab. Ein Hund mit einem langen Fang hat in der Spitze weniger Beißkraft als hinten, und ein Hund mit einem kurzen Fang hat auch eine größere Beißkraft. Das Gleiche gilt für einen Hund mit etwas mehr Muskeln, und ein Hund, der trainiert wird ­ ein Muskel lässt sich trainieren ­, hat dann auch noch eine bessere Beißkraft. Wenn man dem Hund dann noch beibringt, fest zu beißen und nicht loszulassen, dann beißt dieser Hund individuell auch anhaltender als andere Hunde. So kommt es also, dass bestimmte Hunde in die Bredouille geraten sind, weil sie ­ das ist der Knackpunkt ­ in unserer Gesellschaft von Leuten geführt werden, die glaubten, diese Hunde für ihr Ego oder bestimmte kriminelle Dinge oder Handlungen gut gebrauchen zu können. Hier liegt ein einwandfreier Missbrauch vor. Er wird von einer bestimmten Schicht von Menschen betrieben, die das natürliche Potential von Hunden ­ das hätten sie mit anderen Rassen genauso gut hinbekommen können ­ missbraucht, um ihre Handlungen durchzuführen. So etwas lässt sich auch mit Riesenschnauzern und Schäferhunden machen. Wie schon vorhin erwähnt worden ist: Es sind in Europa Trends zu beobachten, dass die Leute auf Grund der Rasselisten in Landeshundeverordnungen auf andere Hunde ausweichen. 

 

Die Polizeistatistik Berlin ist genannt worden: Der Polizeipräsident soll gesagt haben, es stehe fest, dass diese Hunde maßgeblich an den Beißvorfällen in Berlin beteiligt seien. Ich kann nichts daran machen, dass diese Rassen von ganz bestimmten Leuten missbraucht werden. Leider ist es so, dass diese Rassen prozentual  häufiger von schlechten, unzuverlässigen und kriminellen Hunderhaltern geführt werden. Gucken Sie sich mal die Halter von Boxern an; sie gehören zu einer ganz anderen Gesellschaftsschicht ­ natürlich nicht alle. Ich will nicht alle über einen Kamm scheren. Ich kenne viele Kollegen, Staatsanwälte, Richter, Geistliche und Theologen, die sich diese so genannten Kampfhunde halten. Sie leiden darunter, dass sie nach einigen Vorfällen bei Menschen, die unzuverlässig und kriminell sind, sozusagen geworben haben. Und darunter leiden diese Rassen insgesamt, aber das hat nichts mit dem genetischen Potential oder dem Anderssein dieser Rassenzu tun.

 

Die Finanzierung von HÜV: Ich habe nur gesagt, dass ich diese Idee sehr gut finde. Ich habe mich in den letzten Monaten, im letzten Jahr, mit vielen Hundeverordnungen der Bundesrepublik Deutschland befasst und sage es noch einmal: Das, was die Grünen in Berlin vorgelegt haben, ist das mit Abstand Beste, was ich gesehen habe, und zielt auf eine bestmögliche  Gefahrenabwehr ab. ­ Ich bin kein Grüner und sage das aus voller Überzeugung, nachdem ich alternative Hundeverordnungen kennengelernt habe. ­ Hier wird das Potential von präventiven Maßnahmen voll ausgeschöpft. Es ist nicht so, dass die so genannten Kampfhunde außen vor bleiben, sondern sie fallen alle darunter und laufen durch das gleiche Verfahren. Manchmal entsteht hier der Eindruck, als wolle dieser Entwurf, dass die so genannten Kampfhunde außen vor bleiben. Die sind ja alle entweder über 40 cm groß oder über 17 kg schwer und machen den gleichen Prozess mit. Der Vorteil ist, dass dieser Entwurf wesentlich weiter geht. Er erreicht nicht nur das, was der andere Entwurf beabsichtigt, sondern wesentlich mehr.

 

V: Ich unterbreche Sie ungern, aber wäre es vielleicht möglich, zum Ende zu kommen?

 

Herr Maciejewski (Arbeitskreis der diensthundeführenden Behörden des Bundes und der Länder): Ich möchte noch etwas zur Beißkraftuntersuchung sagen: Auch wir haben eine solche Untersuchung durchgeführt. Ich persönlich glaube nicht, dass die Beißkraft dieser so genannten Kampfhunde so viel größer ist, dass es eine rechtliche Relevanz haben müsste. Der allerschwächste Hund ist in der Lage, unter ungünstigen Umständen einen Menschen zu töten. Damit will ich sagen: Wenn man die Beißkraft eines solchen Hundes mit 15 Tonnen ­ ich weiß nicht, was da manchmal zu lesen ist ­ definiert, dann ist es letztendlich unerheblich und hat keine Relevanz mehr, ob da noch ein Hund ist, der eine Beißkraft von 17 Tonnen aufweist. Jeder Hund, der individuell gefährlich ist, kann Schäden verursachen oder sogar Menschen töten. Deshalb muss man sich nicht überlegen, wo im oberen Bereich noch Nivellierungen bezüglich der Beißkraft sind. ­ Danke schön!

 

V: Recht herzlichen Dank! ­ Als Letzter in dieser Runde hat Herr Scharbach das Wort. ­ Bitte sehr!

 

Herr Scharbach (Allgemeiner Blindenverein Berlin 1874 e. V.): Ich habe das große Glück, nicht unmitelbar gefragt worden sein, so dass ich Ihnen ­ wie die Dinge liegen ­ zu einem etwas vorgezogenen Feierabend verhelfen kann. ­ Eines möchte ich noch klarstellen: Ich habe vorhin von "Hysterie" gesprochen und meinte damit keineswegs die Hysterie, die immer dann eintritt, wenn etwas passiert ist, und zwar bei den Betroffenen oder denjenigen, die mit dem Schrecken davongekommen sind, sondern ich meine die immer wieder zu beobachtende Regelungshysterie, die dann ausbricht. Deshalb habe ich gesagt, dass es bitte so bleiben möge, dass der Blindenführhund in besonderer Weise geschützt bleibt, und er nicht plötzlich, wenn wieder ein solches Regelungsbedürfnis besteht ­ bei wem auch immer ­, unter die Räder kommt. Um mehr ging es mir dabei nicht, und es ging mir bestimmt nicht darum, Eltern, deren Kinder durch beißwütige Hunde zu Schaden gekommen sind, in irgendeiner Weise zu diskriminieren. Davon bin ich weit entfernt. Ich habe es vorhin gesagt: Wir gehören, was solche Dinge anbelangt, immer zu den schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft, weil wir optisch nicht kontrollieren können, was auf uns zukommt. Von da her bitte ich Sie, mir das so abzunehmen. ­ Schönen Dank!

 

V: Recht herzlichen Dank! ­ Sie haben signalisiert, dass Sie untereinander gern noch ins Gespräch kommen möchten, und es gibt auch noch Fragen einzelner Abgeordneter. Inzwischen haben wir jedoch fast vier Stunden in diesem Raum verbracht, so dass vielleicht auch das Bedürfnis besteht, uns etwas anders zu bewegen, als es in den letzten vier Stunden möglich gewesen ist. Deshalb schlage ich vor, dass wir die Anhörung an dieser Stelle beenden. ­ Ich bedanke mich recht herzlich für Ihr Erscheinen und Ihre sachkundigen Stellungnahmen. Selbstverständlich erhalten Sie von uns das Wortprotokoll dieser Anhörung, und wir halten Sie auch auf dem Laufenden, wie sich das Gesetzgebungsverfahren im Land Berlin gestalten und letztendlich zu einem Abschluss kommen wird. ­ [Frau Sen Schöttler: Frau Vorsitzende! An mich sind auch Fragen gestellt worden!] ­ Vielleicht gestattet mir die Frau Senatorin, dass ich meinen Satz noch zu Ende führe, und dann kommt sie auch zu Wort. ­ Bitte, Frau Senatorin!

 

Frau Sen Schöttler (ArbSozFrau): Frau Vorsitzende! Ich gestatte Ihnen alles. Ich möchte nur nicht, dass irgendwann jemand wie Frau Hämmerling, die zum Beispiel an mich eine Frage gerichtet hat, sagt, ich hätte diese nicht beantwortet. Insofern sagen Sie mir bitte, ob ich diese Fragen jetzt  oder zu Beginn der nächsten Sitzung beantworten soll!

 

Allerdings möchte ich noch zu Herrn Maciejewski sagen: Das ist genau das, was Sie gefordert haben. Es gibt nämlich eine allgemein gültige Regelung in § 1 des Gesetzes. Darin heißt es:

 

Hunde dürfen außerhalb eines eingefriedeten Besitztums nicht unbeaufsichtigt

sein. Wer einen Hund außerhalb eines eingefriedeten Besitztums führt, muss die

Gewähr dafür bieten, dass Menschen, Tiere oder Sachen durch den Hund nicht

gefährdet werden.

 

Das ist der allgemeine Grundsatz ­ keine Präambel, sondern § 1. Ich hoffe, dass Ihre Bedenken damit ausgeräumt sind. Im Gesetz ist auch von einer "höchstens zwei Meter langen Leine" die Rede, was sich dann im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 relativieren würde. ­ Soll ich die Fragen jetzt oder beim nächsten Mal beantworten?

 

V: Es wäre eher mein Wunsch, die Ausführungen jetzt nicht mit einem solchen Absolutismus vorzutragen, sondern wir sollten möglicherweise gemeinsam die Chance nutzen, die Dinge, die wir heute von den Expertinnen und Experten gehört haben, zu verinnerlichen und nach Auswertung dieser Anhörung zu überlegen, wie wir diese Tagesordnungspunkte noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt behandeln. Anderenfalls werden wir in dieser Diskussion Wort und Gegenwort haben, ohne über die Dinge nachdenken zu können, die Sie vorgetragen haben. ­ Das ist mein Wunsch als Vorsitzende. Sie können darüber abstimmen, aber Sie können es auch lassen. ­ Bitte, Frau Hämmerling!

 

Frau Abg. Hämmerling (Grüne): Ich würde mich freuen, wenn uns Frau Senatorin Schöttler ihre Antworten in der nächsten oder übernächsten Woche schriftlich zukommen ließe. Wir werden dann sowieso noch einmal darüber diskutieren, so dass ich das für einen sehr guten Vorschlag halte.

 

V: Frau Senatorin, Sie sind noch einmal persönlich angesprochen worden. ­ Bitte schön!

 

Frau Sen Schöttler (ArbSozFrau): Ich würde die Fragen gern entweder jetzt oder zu Beginn der nächsten Sitzung mündlich beantworten, weil ich der Meinung bin, dass sich die Fragen von Frau Hämmerling nicht für eine schriftliche Beantwortung eignen, denn das wären längere wissenschaftliche Ausführungen.

 

V: Frau Hämmerling! Wünschen Sie längere wissenschaftliche Ausführungen zu Beginn der nächsten Sitzung? ­ Wir werden dann die Tagesordnung dementsprechend gestalten. ­ Bitte, Sie haben das Wort!

 

Frau Abg. Hämmerling (Grüne): Nein, nein, das kann beim nächsten Mal ruhig mündlich passieren. Ich werde dann wieder vom Recht der Kleinen Anfrage Gebrauch machen. ­ Danke!

 

V: Okay, damit sind wir uns über diesen Punkt einig.

 

Bevor ich mich noch einmal abschließend bei Ihnen bedanke, verbleibt mir ­ um die Tagesordnung korrekt abzuarbeiten ­ noch die Pflicht, die Tagesordnungspunkte 3, 4 und 5 auf einen Zeitpunkt zu vertagen, an dem wir diese Anhörung abschließend auswerten. Welcher konkrete Zeitpunkt das sein wird, kann ich aus heutiger Sicht nicht sagen, weil noch eine andere gesetzliche Regelung in Arbeit ist, so dass diese Punkte wahrscheinlich noch einmal im Mai oder Juni auf die Tagesordnung gebracht werden. ­ Bitte, Herr Klemm!

 

Abg. Klemm (PDS): Frau Vorsitzende! Ich bitte Sie ausdrücklich, die Anträge unter den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 noch einmal nach der Beschlussfassung zu dem möglichen Gesetz aufzurufen. Denn dann wird uns die Möglichkeit eröffnet, den Antrag nicht zurückziehen zu müssen ­ dann wäre er weg. Aber es könnte ja sein, dass wir ihn dann für erledigt erklären und dadurch das Verfahren etwas verkürzen.

 

V: Genauso war es gemeint, Herr Klemm. Ich halte es auch für sinnvoll, an dieser Stelle so zu verfahren.

 

Damit ist die Tagesordnung der heutigen Sitzung formal abgearbeitet. ­ Ich danke Ihnen noch einmal recht herzlich, dass Sie zu uns gekommen sind. ­ Für diejenigen, die noch einen weiten Weg nach Hause haben: Kommen Sie gut nach Hause! ­ Recht herzlichen Dank!

 

Punkt 6 der Tagesordnung

Hier als Originaldokument

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