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RUMÄNISCHE RHAPSODIE

(Mag. Alexander Willer,  ©Tierschutzverein CANIS)

Rumänien – ein Land voller Mystik und Legenden. Schaurig-schöne Assoziationen an Bram Stokers weltberühmten Gruselklassiker „Dracula“ werden wach. Doch während Stokers Vampire und Werwölfe wider Willen zum ewigen Leben verdammt sind, wartet auf viele rumänische Streunerhunde der baldige Tod. Seit 1995 arbeiten österreichische Tierschützer an der Lösung der Misere. Jetzt – sechs Jahre später – droht ein neues Massaker in bisher unbekanntem Ausmaß. Mindestens 130.000 Hundeleben stehen auf dem Spiel.

Seinen Anfang nahm das Streunerdilemma zu Zeiten des Ceausescu-Regimes, als durch die planmäßige Umsiedlung zehntausender Landbewohner in städtische Plattenbauten auch deren Vierbeiner aus der angestammten Umgebung gerissen worden waren. Nach dem Sturz des berüchtigten „Conducators“ verschärfte sich die Problematik zusätzlich, da die neue Regierung eine sehr hohe Hundeabgabe einführte. Für den Großteil der ohnehin unter der Armutsgrenze lebenden rumänischen Bevölkerung stellte ein Haustier plötzlich einen unerschwinglichen Luxus dar. Infolgedessen wurden die Hunde auf die Straße gesetzt. Ihre Population stieg alleine in Bukarest rapide an.

Staat gegen Streuner

Die Behörden reagierten mit unglaublicher Brutalität. Die Stadtverwaltung von Bukarest beauftragte private Müllbeseitigungsfirmen, Jagd auf die Streuner zu machen. Die Hunde wurden mittels Drahtschlingen gefangen und in schäbige Baracken gepfercht, die in Zeiten der Diktatur als Gefängnisse für Regimekritiker dienten, wie etwa die Baza Ecarizage in Bukarest. Dort wurden sie schlußendlich durch Strychnin oder Erschlagen von ihren Qualen „erlöst“. Manch unglücklicher Hund fand gleich am Fangort unter Hieben und Tritten sein Ende. Besonders lukrativ gestaltete sich der Handel mit toten Hunden. Für bestimmte Kadaverquoten zahlten ausländische Unternehmen mit harter Westwährung. Grund dafür war die feine Hundehaut, die sich hervorragend zur Verarbeitung in Schuhinnenfutter eignet. Auf diese makabre Weise schafften viele Streuner den Sprung von der Gosse Bukarests in die noblen Mailänder Boutiquen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Wie zum Trotz stieg die Hundepopulation in Rumänien dennoch weiter an. Mit stalinistischen „Säuberungsmethoden“ konnte das Streunerproblem nicht bereinigt werden. Einsichtige Beamte der Bukarester Stadtverwaltung baten westliche Tierschutzorganisationen um Rat und Unterstützung; schließlich stand Rumäniens Image in Westeuropa auf dem Spiel. Das Ergebnis war ein Joint-venture der besonderen Art. Gemeinsam mit drei rumänischen Veterinäruniversitäten wurde ein Marshall-Plan für die malträtierten Hunde erstellt. Dieser Plan sah und sieht neben der Bereitstellung von Medikamenten und klinischen Geräten die sukzessive Sterilisation bzw. Kastration der Hunde vor. Nach dem operativen Eingriff werden die Tiere am Ohr tätowiert und somit als „problemlose“ – sprich fortpflanzungsunfähige – Vierbeiner gekennzeichnet. Am Ende des Planes steht die Freilassung der Hunde oder auch ihre Vermittlung an rumänische Tierfreunde, das sogenannte „rehoming“. Sinn dieser Aktion ist eine langfristige Abnahme der Streunerpopulation, die letale Maßnahmen seitens des Staates obsolet macht. Es ist nicht Sinn des Programms, die Hunde in großem Stil nach Deutschland, Österreich oder anderswo hin zu „exportieren“! Eine Ausfuhr geschieht nur bei Härtefällen, für die schon im vorhinein ein Besitzer gefunden wurde. Schlußendlich sollen rumänische Stellen dahingeführt werden, ohne weiteres West-Know-how selbständig zu agieren.

Rumänien anno 2001

Alles begann mit einem französischen Zeitungsartikel, worin zu lesen stand, die verwilderten Hunde in Bukarest gefährden die Sicherheit von Ausländern. Offizielle rumänische Stellen reagierten prompt. Bald tauchte eine Statistik auf, die 22.000 Hundebisse pro Jahr aufwies; Erhebungsweise- oder Ort freilich nicht angeführt. Bald darauf, am 4. Februar, erklärte der Oberbürgermeister von Bukarest Traian Basescu im nationalen TV Antena 1, daß in der Landeshauptstadt Bukarest 30.000 „alte, kranke und aggressive Streunerhunde“ ab 1.März euthanasiert werden. Die Tiere würden eine öffentliche Gefahr – vor allem für Kinder – darstellen. 100.000 weitere Streuner sollen eingefangen und zehn Tage verwahrt werden. Finde sich in diesem Zeitraum kein Privatmann oder Verein, der für einen Hund rechtlich wie finanziell bürge, drohe auch hier die Tötung. Wer die triste Lage der rumänischen Bürger kennt, weiß, dass dieses Vermittlungsprogramm aus monetärer Hinsicht illusorisch ist.

Am 6.Februar erklärten auch Repräsentanten der nordrumänischen Stadt Tirgu Mures im TV  ihre prinzipielle Zustimmung zur Streunertötung. Kastrationsprogramme kämen angeblich zu teuer. Und das, obwohl dieselben Männer den österreichischen Tierschutzgruppen VgT und IBT zugesichert hatten, ein Programm dieser Art zu unterstützen. Neuesten Meldungen zufolge stünde selbst Premierminister Adrian Nastase hinter der bevorstehenden Säuberungswelle. Damit droht das Hundemassaker ein landesweites zu werden.

Tötung ist kontraproduktiv

Es wird den rumänischen Behörden trotz des angekündigten Gemetzels mit Sicherheit nicht gelingen, die Streunerhundepopulation auszuradieren. Dazu fehlt es vor allem an Logistik. Hinzu kommt, dass die rumänische Bevölkerung den Hunden gegenüber mehrheitlich positiv gegenübersteht. Viele Bürger, die selbst in Armut leben, füttern „ihre“ Streuner regelmäßig. Es gab sogar schon Morddrohungen gegen die verantwortlichen. Behördenvertreter. Außerdem bieten die weitverbreiteten Müllberge immer Nahrung. Das Szenario ist also leicht auszumalen: Die Massaker setzen ein, die Hunde reagieren darauf mit verstärkter Reproduktion. Das heißt, die Wurfzahl der Welpen steigt. Zudem wandern die Tiere in bisher nicht benützte Territorien ab. Diese Verhaltensweise ist typische für viele wilde bzw. verwilderte Caniden und konnte bei Füchsen in Saarland und Großbritannien sowie bei Kojoten in den USA beobachtet werden. In ein paar Jahren wäre die Population wieder „nachgewachsen“ und das Massaker müsste erneut beginnen. Der Tierschutzverein CANIS hat nach Vorsprache in der rumänischen Botschaft in Wien die Aufgabe übernommen, dies mittels Studie den rumänischen Behörden vorzulegen, währenddessen der Verein gegen Tierfabriken (VgT) und der Internationale Bund der Tierversuchsgegner (IBT) die nötigen Mittel für weitere Kastrationen ergreifen werden. Die grüne österreichische Nationalrätin Dr. Madeleine Petrovic sagte ebenfalls Unterstützung zu. Unabhängig davon läuft ein von den Vier Pfoten initiiertes internationales Projekt in Bukarest. Und auch die unverwüstliche Ex-Actrice Brigitte Bardot ist wieder vor Ort.

Vom Trauermarsch zur Rhapsodie?

Der Tierschutzverein CANIS ersucht alle Hunde- und Tierfreunde um finanzielle wie materielle Unterstützung. Von Geldspenden bis zu Medikamenten wird alles dringend benötigt. Futtermittel bitte lieber an heimische Tierheime spenden, da der rumänische Zoll mit bürokratischen Schikanen nicht geizt. Bitte helfen sie uns, das drohende Tötungsprogramm vielleicht noch abzuwenden.. Und schreiben Sie vor allem Briefe und Faxe an Zeitungen! Westliche Presse kann in Rumänien Wunder wirken!!! Komponieren wir den Trauermarsch gemeinsam in eine Rhapsodie um; ein Stück voller Melancholie, aber auch voller Hoffnung...

 

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