Arbeitskreis für Umweltschutz und Tierschutz

Bundesarbeitsgruppe gegen Tierversuche und betäubungsloses Schächten

Informationsbüro

Mitglied im Bundesverband zum Schutz gegen Rechtsmißbrauch e.V.  

Hinterm Dorf 25

25573 Beidenfleth

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 Beidenfleth, 17. Januar 2002

 

Ein gelungener Betrug?

Bundesverfassungsgericht verfälscht das Grundgesetz (GG)

  Ich beziehe mich auf das Urteil des BVerfG vom 15. Januar 2002 (Az: 1 BvR 1783/99). Ich gehe vom vollständigen Urteilstext aus. Dieses Schreiben bezweckt nur, in einer vorläufigen Stellungnahme auf einige Rechtsverstöße des BVG hinzuweisen. Eine ausführlichere Analyse wird folgen.

 Die Kenntnis des Urteilstextes wird vorausgesetzt, anders lässt sich eine vorläufige Stellungnahme, der es zunächst auf die Verdeutlichung der wichtigsten Sachverhalte der Rechtskontroverse ankommt, nicht vertreten.

 1. Nicht einmal ansatzweise berücksichtigt das BvG die Tatsache, dass sich ein Schächten (als ritueller oder überhaupt mittelbar religiöser Bestandteil der muslimischen bzw. jüdischen Religion) auch mit Betäubung (und damit ohne jeden Verstoß gegen den § 4 a TierSchG bzw. die Artikel 2 Abs. 1 und Art. 4 GG) durchführen lässt.

 2. Auf den Art. 3 Abs. 3 GG wird anfangs nur formal eingegangen, bedeutsamer dann auf S. 11, wo ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz verworfen wird „ ... weil auch Muslime eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG erhalten können, die als Metzger ihre Kunden mit dem Fleisch geschächteter Tiere versorgen wollen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft den Genuß des Fleisches nicht geschächteter Tiere verbieten.“ Hier wird abermals der Fehler deutlich, wenn das Schächten undifferenziert mit betäubungslosen Schächten gleichgesetzt wird. Auch der vorhergehende Hinweis auf die Entscheidung des BVerwG 112, 227 ändert daran nichts.

 3. Eine womöglich noch gravierendere Fehlerquelle stellt das mehrfache Hinweisen auf Religion und damit insbesondere auf den Art. 4 Abs. 1 und 2 GG dar. Welche rechtliche und verfassungsrechtliche Bedeutung dem Phänomen der „Glaubensgemeinschaft“ zukommt, war z.B. auch in der Kontroverse mit dem VG Darmstadt umstritten. Wenn das BvG hierzu eine übergreifende Wertung vorgibt, wäre dies nur zu begrüßen - sofern diese klar ist. Das war aber nicht der Fall.

 4. Eine eindeutige Rechts- und Sachverfälschung stellt die Behauptung dar, jüdischen Interessenten sei rechtmäßig die Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG erteilt worden. Es gibt weder im Grundgesetz, noch im Tierschutzgesetz eine Textpassage, die eine solche „Selbstver­ständlich­keit“ belegt. Verlangt wird auch für Juden der Nachweis der „zwingendne Vorschriften“. Diesen Nachweis haben sie bis heute nicht erbringen können.

  Die Landesregierungen in Bayern und Hessen, die solche Ausnahmegenehmigungen erteilt haben, haben schwerwiegende Ausnahmeverletzungen begangen.

 Diese Verfahrensweise der Einschmuggelung nachweislich unzutreffender Sachverhalte erweckt den Verdacht eines Betrugsverhaltens. Das muss überprüft werden.

 Generell gilt ferner, dass die Behandlung des religiösen Problems - trotz vieler Hinweise auf Begriffe wie „Religion“, „religiös“ und trotz mehrfacher Einbeziehung des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - in einer verblüffend dilettantischen Art und Weise gehandhabt wird, bei der gerade das rechtliche und verfassungsrechtliche Problem weitgehend verwischt wird. Obschon es zur Allgemeinbildung auch eines Juristen gehören sollte, dass der Islam (wie der Mosaismus und das Christentum) von der Existenz eines Gottes ausgehen, der durch die von ihm diktierten Heiligen Schriften (Koran, Thora) die höchste objektiv und religiös entscheidende Autorität darstellt, wird das religiöse Grundproblem, das als „zwingende Vorschrift“ allein entscheidend ist, durch eine Aussonderung gerade dieser grundsätzlich als objektiv vorgegebenen Größe und damit eine Reduzierung in einer subjektiv konstruierten Einengung zu einem Spielball politischer und persönlich-ideologischer Beliebigkeiten! 

Setzen wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und die Urteile der Bundesverwaltungsgerichte in ihrem Bezug auf die Einbeziehung des Grundgesetzes gleich, dann gilt:

 1. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes  - und vieler ihm vorausgegangenen Urteile untergeordneter Verwaltungsgerichte - lassen immer wieder eine beachtliche sachkompetende Kenntnis und Gründlichkeit in der Behandlung des vorliegenden Schächtproblems erkennen.

 

2. Demgegenüber ist der Zusammenhang zwischen dem Text des Grundgesetzes und den Erörterungen des Bundesverfassungsgerichtes - unbeschadet einiger weiterführender Hinweise - teilweise als dilettantisch und wenig kompetent zu interpretieren. An die Stelle ernsthafter Sachanalysen (die gelegentlich zu erkennen sind) stoßen wir auf eine eher oberflächliche, nur teilweise durchgearbeitete Bemühung, das Schächtproblem in den Griff zu bekommen. Das Ergebnis ist eine ideologische Interpretation, die sich zwar politisch-ideologischen Wünschen und Ablehnungen leichter anpassen lässt, aber das Grundgesetz teils als lästiges, nun einmal existierendes Nebenprodukt einer Rechtskontroverse nimmt, teilweise aber auch wie eine der sattsam bekannten geistig-juristischen Selbstbefriedigungen anmutet.

Wie dem auch sei, mit dem vorliegenden Urteil hat das Bundesverfassungsgericht seine ihm vom Gesetzgeber vorgegebenen Auftrag verspielt. Allerdings „die Macht“ ist ihm geblieben. Und gerade von dieser, wo sie nicht einmal mehr kontrolliert werden kann, weder Demokratie, noch Humanität leben können.

 

Gezeichnet

Heinz E. Wolf

  Hier auch als O .doc

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