- OLFEN


Was haben die denn nun wieder versucht??

Nachrichten aus dem Münsterland vom 14.8.2002
 

Schweer entkräftet Vorwürfe (19:11)
Bei einem Einsatz gegen fünf Kampfhunde in Olfen hätten die Polizisten keinesfalls unkontrolliert in ein Wohnhaus geschossen. Das sagte Oberstaatsanwalt Schweer. Es habe sich lediglich ein Fehlschuss gelöst, der eine Fensterscheibe durchschlagen habe. Schweer gestand jedoch ein, dass der 50-Mann-Einsatz, bei dem Hunde erschossen wurden, nicht optimal vorbereitet war. Die betroffenen Olfener Hundehalter hatten der Polizei Wild-West-Methoden vorgeworfen.

www.wdr.de


 
 
NRW-NORDRHEIN-WESTFALEN Montag, 12. August 2002
  Nordrhein-Westfalen Seite 37

Polizisten setzten Dienst-Waffen willkürlich ein

Ballistisches Gutachten bestätigt gravierendes Fehlverhalten bei einem Großeinsatz im Kreis Coesfeld

Von Hubertus Gärtner

Coesfeld/Köln – Mutmaßliche Straftaten von Polizeibeamten sind in den vergangenen Wochen und Monaten verstärkt an die Öffentlichkeit gedrungen. Wie jetzt durch ein ballistisches Gutachten bestätigt wurde, ist es am 17. Januar auch bei einem Großeinsatz im Kreis Coesfeld zu gravierenden Vorfällen gekommen.

In der kleinen Ortschaft Olfen hatten zahlreiche Polizeibeamte an diesem Tag dem Ordnungsamt dabei geholfen, mehrere angeblich gefährliche Hund zu beschlagnahmen. Dabei kam es auf einem Grundstück zu einer Schießerei, in deren Verlauf einige Polizeibeamte allem Anschein nach ihre Waffen (Maschinenpistolen und Pistolen) willkürlich einsetzten und dadurch „unkalkulierte Gefährdungen“ von Personen in Kauf nahmen. Zu dieser Einschätzung kommt Professor Bernd Brinkmann vom rechtsmedizinischen Institutes der Universität Münster. Nach seinen Erkenntnissen wurde von einem Gebäude-Innenhof aus mehrfach in diverse Räume geschossen.

Laut Gutachten feuerte die Polizei sogar mit Spezialmunition „blind“ durch eine Scheibe in ein Schlafzimmer. Während der Schussabgabe sei das Rauminnere durch Aluminum-Lamellen für den Schützen nicht einsehbar gewesen. Gegen die beteiligten Beamten wurde bereits Strafantrag wegen versuchter Körperverletzung und eines versuchten Tötungsdeliktes gestellt. Die Münsteraner Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings auch gegen die Hundehalter wegen Körperverletzung, weil deren Tiere offenbar mehrere Personen gebissen hatten.

Im Kölner Polizeiskandal haben sich die Hinweise darauf verdichtet, dass auch hochrangige Vorgesetzte offenbar nicht im Sinne ihrer Führungsverantwortung handelten. Dieses sei das Ergebnis einer Untersuchungskommission der Kölner Bezirksregierung, berichtet der Spiegel. Der Vorwurf betreffe insbesondere den Fall eines 28-jährigen Beamten. Er war seit 1999 bereits durch zwölf Strafanzeigen aufgefallen, trotzdem habe man ihn auch weiterhin an so genannten Brennpunkten eingesetzt.

Gemeinsam mit fünf weiteren Beamten soll der 28-jährige am 11. Mai auf der Kölner Innenstadt-Wache Eigelstein einen 31-jährigen Mann in gefesseltem Zustand massiv getreten und geschlagen haben. Das Opfer starb nach zweiwöchigem Koma in einem Krankenhaus. Wie berichtet, hat die Staatsanwaltschaft in diesem Fall ihre Ermittlungen auf 13 Beschuldigte ausgeweitet.

(siehe Seite 42


 
NRW-PANORAMA Montag, 12. August 2002
  Nordrhein-Westfalen Seite 42

„Blind ins Blaue gefeuert“

Wie Polizisten bei der Jagd auf Hunde unkontrolliert ins Schlafzimmer eines Kindes schossen

Von Hubertus Gärtner

Coesfeld/Olfen – Karl-Heinz Z. wollte am 17. Januar dieses Jahres um 6.10 Uhr eigentlich nur zur Arbeit. Als er auf dem Bauhof der Stadt Olfen aus dem Auto stieg, kamen aus der Nachbarschaft zwei große Hunde angelaufen. Eines der Tiere soll dem städtischen Mitarbeiter in den linken Oberschenkel gebissen haben. Wie dramatisch die erlittene Verletzung wirklich war, steht dahin. Karl-Heinz Z. berichtet, seine Hand sei „blutverschmiert“ gewesen. Laut ärztlichem Attest wurde die Haut am Oberschenkel „oberflächlich verletzt, die Unterhaut gequetscht“.

Was auf diesen Vorfall folgte, ist strittig. Fest steht, dass bei einer anschließenden spektakulären Aktion gegen eine Familie aus Olfen, der die Hunde gehörten, Polizeibeamte durch eine unkontrollierte Schießerei Bewohner eines Hauses, deren Nachbarn und auch sich selbst erheblich gefährdet haben. Unter anderem feuerten sie mit Spezialmunition durch eine Fensterscheibe in das Schlafzimmer eines Kindes, ohne überhaupt einsehen zu können, ob sich jemand im Inneren des Raumes befand. Zu diesem Ergebnis kommt ein ballistisches Gutachten, das Professor Bernd Brinkmann, Leiter des Münsteraner Institutes für Rechtsmedizin, verfasst hat. Die 20-seitige Expertise liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Auch die Staatsanwaltschaft in Münster ist bereits in den Fall eingeschaltet. Sie ermittelt unter anderem wegen einer Strafanzeige, die der Marler Rechtsanwalt Hans Reinhardt für seine Mandanten wegen „versuchter Körperverletzung beziehungsweise eines versuchten Tötungsdeliktes“ gegen eine unbekannte Anzahl von Polizisten gestellt hat. Es sei „reines Glück“ gewesen, dass am 17. Januar in Olfen lediglich einige Tiere und gottlob kein Mensch durch Polizeikugeln zu Tode kam, sagt Reinhardt. Im übrigen spricht er von einem „völlig überzogenen Einsatz“, der alle Besonnenheit, Verhältnismäßigkeit und vernünftige Abwägung habe vermissen lassen.

Nach dem Inhalt der umfangreichen Akten fand die spektakuläre Aktion ihren Anfang darin, dass Karl-Heinz Z. an dem besagten Morgen von dem Hund angegriffen wurde. Einige Stunden nach der Attacke informierte Karl-Heinz Z. das Ordnungsamt der Stadt Olfen. Dort trat sofort ein Krisenstab zusammen. Die beiden Hunde gehörten offenbar der Familie P., die in der Vergangenheit angeblich schon mehrfach durch unsachgemäße Haltung ihrer fünf großen Hunde aufgefallen war. In einer Anzeige der Stadt Olfen vom 22. Januar gegen die Familie P. heißt es, deren Mitglieder hätten mit „krimineller Energie“ gegen diverse Vorschriften der Landeshundeverordnung verstoßen. Es fehle ihnen an der notwendigen Sachkunde und Zuverlässigkeit. Auch in der Vergangenheit seien die Tiere nicht ausbruchssicher untergebracht worden, man habe sie ohne Maulkorb herumlaufen lassen.

Unter diesen Kautelen entschloss sich der „Krisenstab“ der Stadt Olfen am 17. Januar zum finalen Zugriff. Alle Hunde der Familie P. sollten beschlagnahmt und in ein Tierheim gebracht werden. Als am Nachmittag gegen 15.15 Uhr der Leiter des Olfener Ordnungsamtes in Begleitung von zahlreichen Polizisten auf den Hof von Willibald P. kam, eskalierten die Ereignisse. Drei Hunde zwängten sich durch den Hauseingang nach draußen und griffen einen Polizeibeamten und den Leiter des Ordnungsamtes an. Zwei Tiere wurden gleich erschossen, der dritte Hund lief weg. Anschließend forderte der Einsatzleiter weitere Unterstützung an. Am Ende waren etwa 80 Beamte vor Ort, ein Hubschrauber kreiste über dem Hof. Es sei „wie im Krieg“ gewesen, erinnert sich Willibald P.

Im Zuge des Einsatzes schoss die Polizei offenbar wild umher. Laut Ballistik- Gutachten wurde zum Beispiel auf dem Hof aus nächster Nähe ein Schuss in ein Schlafzimmer abgegeben, „in der vagen Hoffnung, dort vermutete weitere Hunde zu treffen“. Weil Lamellen hinter der Fensterscheibe die Sicht versperrten, wurde das Spezialgeschoss laut Gutachten „blind ins Blaue“ abgefeuert, und es war wohl nur ein Zufall, dass sich weder die kleine Enkelin von Willibald P. noch sonst jemand im Zimmer befanden.

Auch Ehefrau Angelika P. wurde nach Aktenlage rüde behandelt. „Komm in die Hufe, Alte, sonst machen wir Dir Beine“ – bei diesen Worten habe ein Beamter vor den Augen der 59-jährigen Frau mit einer Maschinenpistole herumgefuchtelt. Rechtsanwalt Reinhardt hat auch diesbezüglich wegen Beleidigung eine Strafanzeige erstattet.

Im Zusammenhang mit den Hundebissen wird auch gegen vier Angehörige der Familie P. wegen Körperverletzung ermittelt. In dem Fall muss also noch viel geklärt werden. Dazu gehört auch die Frage, ob es sich bei den Tieren sämtlich um Kampfhunde handelte. Die Stadt Olfen hat ihr Vorgehen stets als „rechtmäßig“ verteidigt und ein Sprecher der Coesfelder Polizei teilte mit, man habe lediglich „Amtshilfe“ geleistet.

 

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