Gesetz |
Stellungsnahmen zur Anhörung Landeshundegesetz |
Dr. Dorit FeddersenPetersen ETHOLOGIN Fachtierärztin für Verhaltenskunde Zusatzbezeichnung Tierschutzkunde Institut für Haustierkunde CHRISTIANALBRECHTSUNIVERSITÄT ZU KIEL
Biologiezentrum Olshausenstr. 40 Tel.: (0431) 880 1 Durchwahlen: 880 4506 ( 4530, 4527, 5139) FAX: (0431) 880 1389 Email: dfeddersen@ifh.uni kiel.de
ETHOLOGISCHE STELLUNGNAHME ZUM HUNDEGESETZ NRW
Der o.a. Gesetzentwurf bedeutet für mich die erneute Umsetzung und Verschärfung von Maßnahmen, die seit Jahren immer wieder weder wissenschaftliche Bestätigung fanden noch nachweislich Erfolge zeitigten. Im Gegenteil, darüber, daß dieser Ansatz wissenschaftlich falsch ist, bestand stets Konsens. So fragt man sich, warum so rigide an völlig verfehlten Denkmustern festgehalten wird. Die Art der Regelung eines hochgespielten Problems beweist meines Erachtens, daß bestehende Defizite im Zusammenleben Mensch Hund, für die unser rechtliches Instrumentarium vor Etablierung des landesrechtlichtlichen Verordnungschaos durchaus ausreichend war, keiner kausalen Analyse unterzogen wurde. Man kann auch sagen, daß offensichtlich nicht verstanden wurde, wo wirkliche Probleme bestehen (Wissensmängel etc.) und wie ihnen wirkungsvoll zu begegnen ist (Lernmodule Hund im Schulunterricht etc.). Die soziologische Schiene des Hundemißbrauchs wird durch das vorliegende Hundegesetz auch gleichsam nicht einmal marginal tangiert. Die Gefährlichkeit von Hunden wird folgendermaßen gegliedert: ·Rassebedingte Gefährlichkeit Wissenschaftliche Grundlagen aus unterschiedlichen Disziplinen fehlen. Es herrscht hingegen Konsens darüber, daß es weder gefährliche noch ungefährliche Rassen gibt. Jegliche Erläuterungen sind bekannt, ich erspare mir ihre erneute Aufzählung! ·Kreuzungsbedingte Gefährlichkeit Kreuzungen der als gefährlich sortierten Rassen untereinander sowie mit anderen Hunden sind weder phänotypisch noch molekulargenetisch zu benennen. Dazu ist keinerlei Fachkompetenz in der Lage. So kommen wir hier in das große narrative Chaos: es werden Ohrlängen vermessen und mit Angaben in Rasseenzyklopädien oder Standards verglichen werden, ,um Puzzle für Puzzle ein bißchen Boxer, ein wenig Dackel und eine Prise Staffordshire Bullterrier zu entdecken. Meint man. Denn so geht es dummerweise nicht: es gibt z.B. Konvergenzen in der Vererbung dieser polygenetisch gesteuerten Merkmale, so daß Mischlinge an Ohr, Schnauze oder Bein wie ein Kategoriehund aussehen können (auch nachgemessen), während ihre Eltern friedliche Schnauzer und etwa Doggenoder Irish Wolfshounds sind. So kommt es zwangsläufig zu peinlichen Fehlsortierungen. Präziser formuliert: Was hier gefordert wird, mutet lächerlich an, wenn es nicht so traurig wäre, macht fassungslos, da offenbar die Urheber zur Erhöhung der Rechtssicherheit, sich nie mit Grundlagenwissen zur Genetik belastet haben. Wie übrigens, ich zitiere, tritt ein Phänotyp einer Rasse bei einem Hund deutlich hervor? Eine für mich sehr nebulöse Forderung in einem Gesetz. Der Verwaltungsaufwand wird riesig, die Konfusion ebenso unbescholtene Hundehalter müssen um ihre Mischlinge kämpfen.Das alles dient der öffentlichen Sicherheit, den berechtigten Sicherheitsinteressen der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein Westfalen? Nein, nach meinem Verständnis grenzt es ihre Freiheiten ein, beschneidet ihre Lebensfreude und beschert ihnen außerordentlich viel Ärger, Trauer und Geldentzug. ·Größenabhängige Gefährlichkeit
Auch hier fehlt jeglicher fachlichsachliche Unterbau. Ich kenne keine wissenschaftliche Publikation und keine empirisch belegte Statistik, die besagt, daß ein Hund ab 40 cm Schulterhöhe pauschal gefährlicher ist als einer, der allein 38 cm aufweisen kann! ·Gewichtsabhängige Gefährlichkeit
Hunde, die 20 kg wiegen, sind kaum eine Kategorie, der größere Gefährlichkeit zuzuschreiben ist als solchen, die einige kg weniger auf die Waage bringen. Wo wiederum ist die fachliche Basis, die eine solch abstrus anmutende Typisierung rechtfertigt? ·Individuelle Gefährlichkeit Die einzelnen Punkte ihrer Zuordnung machen diesen grundsätzlich vernünftigen Ansatz (wäre der Halter einbezogen) zunichte: 4. Hunde, die einen anderen Hund durch Biss verletzt haben, ohne selbst angegriffen worden zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben, Wer denn (er)kennt die Gestik, das Ausdrucksverhalten von Hunden in biologisch nachvollziehbarer Weise? Dieser Satz wird die Gerichte (völlig unnötigerweise) beschäftigen. Beispiele: Mein Hund hat uriniert (Unterwerfung) und wurde attackiert (der Hund imponiermarkierte ...). Mein Hund biß, als ihm der andere die Zunge zeigte, kann er sich ja nicht gefallen lassen (submissive Geste). Den Abstrusitäten des Gesetzes, den Rechtsbeschneidungen von Hundehaltern einerseits sowie tierschutzwidrigem Handeln andererseits wäre noch viel hinzuzufügen. Grundsätzlich noch dieses: Es wird suggeriert, daß Unfälle mit den Angehörigen der benannten Kategorien zugenommen hätten, dieses insbesondere mit Kindern und alten Menschen (was anthropomorph enträtselt Bösartigkeitunterstellt). Diese Statistik ist jedoch nicht stimmig: Nach Durchsicht der zur Verfügung stehenden Daten sind diese Annahmen empirisch nicht belegt. Gründe:unzureichendes Datenmaterial, fehlerhafte Schlußfolgerungen.Die Validität der zur Meinungsfindung herangezogenen Daten ist m.E. damit mehr als fragwürdig. _________________________ Dr. Dorit FeddersenPetersen
Zur Begründung des Normenkontrollantrages wird u.a. eingangs angeführt: Ad Leinen und Maulkorbzwang: Für die von Maulkorb und Leinenzwang betroffenen Hunde bestehe die Möglichkeit zu artgemäßem Verhalten innerhalb ausbruchsicherer Grundstücke. Dieses könne im übrigen durch eine entsprechende Ausgestaltung und Handhabung insbesondere des Maulkorbs sichergestellt werden Sog. artgemäßes Verhalten kann schwerlich ausschließlich auf dem eigenen Grundstück stattfinden. Hunde sind einerseits Lauftiere, die ihren Bewegungsdrang leben müssen, zum anderen soziale Lebewesen, die mit dem Sozialpartner Mensch kooperieren, zusammenarbeiten wollen, und umso ausgeglichener sind, desto häufiger dieser mit ihnen Unternehmungen gestaltet, die ihnen ein Stöbern, eine Investigation der belebten wie unbelebten Umwelt ernach eigener Auswahl möglicht. Schließlich sind sie hochsozial und benötigen Artgenossenkontakte. Dieses alles wird als obligatorisch angesehen, um der Vermeidung von Fehlentwicklungen vorzubeugen, denen potentielle Gefährdungen innewohnt.Hunde sind keine Gartentiere. Denn, was uns interessiert, wohin wir den angeleinten Hund führen, ist in aller Regel relativ reizlos für diesen. Hunde sind Makrosmaten, ein Fakt, dem Rechnung zu tragen ist. Sie verfügen über eine ausgedehnte Riechschleimhaut mit ungleich mehr Sinneszellen, als wir sie haben und einen Hirnbereich, der ihnen eine Verarbeitung dieser Eindrücke in einem für uns unvorstellbaren Ausmaß ermöglicht. Diese Fähigkeiten von Hunden wurden züchterisch selektiert und werden genutzt. Dieses trifft u.a. auf den American Staffordshire Terrier zu, mit dem als Katastrophen und Trümmersuchhund erfolgreich gearbeitet wird. Tiere, die die angedeuteten Fähigkeiten haben, sind motiviert, jedenfalls annähernd ihnen entsprechend zu leben. Der hochvertraute, eingezäunte Territorialbereich kann weder Geruchs noch Sozial, noch lokomotorische Vielfalt bieten. Hunde nur hier ohne Maulkorb und Leine laufen zu lassen, ist hochgradig tierschutzrelevant. Mit einem Maulkorb versehen, können die arttypischen Rituale weder gelernt, noch ausgeführt werden. Man stelle sich den Hund vor, der eine AnoGenitalkontrolle (wie typisch für eine Kontaktaufnahme) bei einem Artgenossen durchzuführen bestrebt ist, einen Drahtmaulkorb trägt, der eine einigermaßen vertretbare Regulierung seines Wärmehaushalts erlaubt, und diesen bei Annäherung dem Artgenossen in den Anogenitalbereich stößt. Diese Interaktion kann für beide Partner nur zur Frustration führen, evtl. vermeidbares Aggressionsverhalten auslösen. Ein ständig angeleinter Hund mit Maulkorb lebt ausgesprochen restriktiv! Ad Rassenbewertung: .Der Antragsgegner verweist in diesem Zusammenhang auf eine von dem Fachreferat des Nieders. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefertigte Rassebewertung. Diese Bewertung stützt sich u.a. und maßgeblich auf das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Auftrag gegebene Gutachten zur Auslegung des § 11 b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen) vom 2. Juni 1999 (herausgegeben im Januar 2000) und gelangt zu dem Ergebnis, in bestimmten Zuchtlinien der in § 1 Abs. 1 GefTVO genannten Hunderassen zeige sich besonders ausgepräft ein übersteigertes Angriffs und Kampfverhalten, das leicht auslösbar sowie biologisch nach Zweck und Ziel nicht sinnvoll sei und bei anderen Rassen nicht in gleichem Ausmaß habe beobachtet werden können. Hunde dieser Rassen seien teilweise auf Aggressivität abgerichtet worden und durch schwere Beißzwischenfälle aufgefallen. Auch Hunde, die jahrelang einen friedlichen Anschein erweckt hätten, könnten aus unerklärlichen Gründen plötzlich gesteigert aggressiv reagieren. Auch Hunde der benannten Rassen (einschließlich ihrer Kreuzungen!) bestechen durch eine große Varianz züchterischen Ursprungs, bezüglich ihrer Herkunft, ihres Verwendungszweckes sowie damit verbundenen Verhaltensbesonderheiten. Hunde vom Pit Bull Typus.: Hier werden die unterschiedlichsten Kreuzungen subsumiert. Diese sind weder phänotypisch noch genetisch zuzuordnen, was verstärkt für Kreuzungen mit diesen Kreuzungen zutrifft. American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier sind Rassen mit außerordentlicher Divergenz bezüglich verschiedenster Parameter. Sagen wir es einfach: Staffordshire Bullterrier sind nicht nur in England als Begleithunde hochgeschätzt, haben eine Schulterhöhe von 40 cm und bestechen durch ihr menschenbezogenes Sozialverhalten. Genetische Dispositionen: Daß so gut wie jegliches Verhalten bei Angehörigen der Klasse der Säugetiere durch ein feinverzahntes Zusammenspiel genetischer Dispositionen und Erfahrungen, Lernprozesse, auf differenzierteste Weise entsteht, lernen wir in der Schule (s. LINDER, Biologie, Metzeler Verlag). Wurde dieses versäumt, so werden im ersten Semester der Biologie entsprechende Kenntnisse, die seit Jahrzehnten Allgemeinwissen sind, verbreitet. Obwohl noch vieles über die proximaten Grundlagen der Entwicklungshomöostasis zu lernen bleibt, gibt es kaum einen Zweifel daran, daß es sich um ein weit verbreitetes Phänomen handelt, und daß in einem ultimaten, evolutionären Sinn Individuen davon profitieren, den störenden Einflüssen bei der Entwicklung ihres Verhaltens widerstehen zu können (IMMELMANN (1986). Die Entwicklung also jeglicher Merkmale ist ein interaktives Phänomen, welches den Genotyp eines befruchteten Eies und die Umgebung des sich entwickelnden Organismus einbezieht. Der Hinweis auf genetische Dispositionen und die obligatorischen Lernvorgänge bei Säugetieren,kann schwerlich als Untermauerung der Gefährlichkeit von Rassen herangezogen werden. Er gilt allein für Individuen, ist über bestimmte Merkmale dieser zu definieren. Prädispositionen gibt es für den weit zu fassenden Begriff des Sozialverhaltens, so auch das obligat als Regulativ zu ihm gehörende Aggressionsverhalten. Auch dieses ist biologisches Basiswissen. Aggressionsverhalten, also Kompetition von gruppenlebenden Säugetieren, ist unverzichtbar für ihr Zusammenleben Gefährlich sind Hundehalter, die ihren Tieren keinen sozialen Status zuweisen können bzw. Hunde so aufwachsen lassen, daß diese Deprivationserscheinungen (Fehlentwicklungen durch sozialen Erfahrungsentzug) davontragen. So können Gefahrenmomente verstärkt entstehen. Tierschutzrelevanz und Gefährdungspotential gehen Hand in Hand (FEDDERSENPETERSEN, D. (1991): Aggressive Hunde ein Tierschutzproblem. Schutz des Tieres vor Mißbrauch durch den Menschen bedeutet Menschenschutz). Diese ältere Publikation schrieb ich nach Anregung und fruchtbarer Auseinandersetzung mit Herrn Dr. Goldhorn, dem langjährigen 1. Vorsitzenden der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) bereit vor 10 Jahren. Ad Rassebewertung: In § 2 mit Anlage 1 GefTVO seien zum einen Hunde aufgenommen worden, die zu den alten klassischen Kampfhunden gehörten und sich von ihrer Veranlagung her dazu eigneten, in ähnlicher Weise wie die durch § 1 Abs. 1 GefTVO erfassten Hunde missbraucht zu werden. Zum anderen seien Hunde erfasst worden, die zwar in ihrer Zuchthistorie keine Kampfhundevergangenheit aufwiesen, jedoch in den letzten Jahren in schwere, auch tödlich verlaufene Beißzwischenfälle verwickelt gewesen seien bzw. stärkere Haltungsprobleme als andere Rassen aufwiesen. Von der Verordnung nicht erfasst seien der Deutsche Schäferhund, der Boxer und die Deutsche Dogge, deren Zuchtauswahl als Gebrauchshunde auf ein ruhiges und ausgeglichenes Wesen gerichtet sei. Von alten klassischen Kampfhunden sollte man nicht reden, weil so impliziert wird, daß die aufgeführten Rassen heute einer Zuchtauslese wie im alten Rom unterliegen und keine Verhaltensänderungen aufweisen. Das ist falsch. Aus zoologischer Sicht ist es unstatthaft, Rassen wegen eines (vermeintlich einheitlichen) Verwendungszwecks zusammenzufassen. Vielmehr muß jede systematische Kategorie Ausdruck einer verwandtschaftlichen Beziehung sein und diese ist bei Hunderassen allgemein schwer möglich, insbesondere bei so unterschiedlich erzüchteten Rassen wie Staffordshire Bullterrier, Herdenschutzhunden und molossoiden Rassen nicht im entferntesten gegeben. Wie es mit der Abstammung von Hunden aussieht, möge der beigefügte Artikel Was ist eine Rasse? verdeutlichen. Nicht allein jeder Laienkynologe wird in dieses weite Feld sein intuitiv gewonnenes Wissen einfließen lassen und dazu beitragen, die bestehende Verwirrung weiter zu verstärken Einen Stammbaum für Rassen im zoologischen Sinne gibt es nicht. Rassen sind relativ jung, ca. 100 150 Jahre alt. Populationen, die ihnen phänotypisch ähnlich waren (Beispiel Mastino Napoletano) sind durch Verkreuzungen etlicher Rassen nachgezüchtet worden, wobei nicht selten ein Überbetonen bestimmter morphologischer Parameter stattfand (Größe, Hautfaltenentwicklung etc.), was sich negativ auf die Gesundheit der Tiere auswirkte. Ein heutiger Mastino ist mit dem Römischen Kriegshund sicher nicht zu vergleichen. Die Zusammenstellung der Rassen besticht durch eine große Varianz bezüglich "züchterischen Ursprungs", Herkunft, Verwendungszweck sowie damit verbundenen Verhaltensbesonderheiten. Dennoch soll dieses willkürlich zusammengestellte Spektrum sehr unterschiedlicher Hunderassen zu den alten klassischen Kampfhunden gehören. Dieses muß als laienkynologische Meinung gewertet werden. Zum anderen seien Hunde erfasst worden, die zwar in ihrer Zuchthistorie kein Kampfhundevergangenheit aufwiesen, jedoch in den letzten Jahren in schwere, auch tödlich verlaufene Beißzwischenfälle verwickelt gewesen sein sollen.
Diese sind nicht belegt. Worauf stützt sich diese Behauptung?
Dagegen stehen Ergebnisse unterschiedli cher Fachrichtung, die
einheitlich betonen, daß die Mehrzahl aller Unfälle mit Hunden
zuhause geschehe, mit Hunden verschiedenster Rassezugehörigkeit,
etwa 80 % (Hornisberger, 2000). Ad willkürfreie Begründung des Rassekatalogs:
Zitat: ...sowie Hunde, die von einer dieser Rassen abstammen, sind gefährliche Hunde. Wie es mit der Abstammung von Hunden aussieht, möge der beigefügte Artikel Was ist eine Rasse? verdeutlichen. Nicht allein jeder Laienkynologe wird in dieses weite Feld sein intuitiv gewonnenes Wissen einfließen lassen und dazu beitragen, die bestehende Verwirrung weiter zu verstärken. Dennoch soll dieses willkürlich zusammengestellte Spektrum von Hunderassen aufgrund ihrer besonderen genetischen Ausstattung eine erhöhte abstrakte Gefahr für Leib und Leben von Menschen und Tieren darstellen. Zu dieser Einschätzung konnte der Verordnungsgeber ... unter wertender Heranziehung wissenschaftlicher (?) und praktischer (?) Erkenntnisse sowie statistischer (?) Befunde willkürfrei gelangen. Die jeweilige Wertung jedoch ist häufig so problematisch ... . Ad Bewertung der fachwissenschaftlichen Erkenntnisse: Der Begriff Kynologie kennzeichnet heute eine Laienkynologie. Es gibt keinen Lehrstuhl für Kynologie, hingegen etliche Hunde besitzende Experten, die populistische SelfMadeExperten bzw. Funktionärs Kynologen oder Hundeausbilder unterschiedlichster Couleur sind. Zwischen Kynologie und Ethologie (Zoologie) spannt sich ein komplexes Geflecht aus persönlichen Vorbehalten, Idealismus, Funktionärstum und Partikularismus, gekennzeichnet durch persönliche Vorteilnahme und hohen Hang zur Zerstrittenheit (s. BRACH, 2001). Hunde sind Lebewesen, die Tür und Tor öffnen für menschliche Projektionen. Das ist ein zentrales Problem. Weder EICHELBERG noch UNSHELM (2000) (Kampfhunde Gefährliche Hunde) untermauern die These der gefährlichen Rassen, kommen vielmehr zu folgenden Schlüssen: "Ich komme zu dem Schluß, daß es wissenschaftlich unhaltbar ist, sämtliche Tiere einer Rasse als "gefährlich" einzustufen ..." (EICHELBERG) bzw. "..Maßnahmen gegen gefährliche Hunde unabhängig von der Rassezugehörigkeit ausgehen" (UNSHELM). Das Zitat S. 5 zitiert beide für die gegenteilige Auffassung. Unerwähnt bleibt die Tatsache, daß die Mehrzahl aller Unfälle mit Hunden zuhause geschieht, mit Hunden verschiedener Rassezugehörigkeit, etwa 80% (HORNISBERGER, 2000). Eigene Arbeiten zu PitBull Terriern (Kreuzungen, die ein Zuhälter für den Hundekampf verpaarte und extrem restriktiv hielt, so daß hochgestörte Individuen resultierten) werden einer (welcher?) Rasse zugeschrieben, da die Negativauslese ohne Anführungsstriche geschrieben wird. Gemeinsam mit dem Fakt, daß Pit Bulls in der vorliegenden Rasseliste als Rasse dargestellt werden, kommt es so rasch wieder zu der Verwechslung der beschriebenen Störungen bei kämpfenden Hunden mit Hunden bestimmter Rassezugehörigkeit. Dieses sei nicht als semantische Pedanterie aufgefaßt, vielmehr als ursächlich für Mißverständnisse angesehen. Von Kampfhunden schrieb ich nie, wenn es um Rassen ging, es gibt keine Kampfhunderassen, Zuchtziel für keine Rasse ist der Sieg in der Pit. Dieser Begriff ist rein historisch. Pit Bulls, die ich untersuchte, waren kämpfende Hunde, Individuen (Kreuzungen) mit schwersten Verhaltensstörungen. Störungen im Bereich Muttertier Welpen, die für einige Zuchten (evtl. Zuchtlinien) des Bullterriers / Am. Staff. Terriers beschrieben wurden, dürfen nicht auf die Rassen extrapoliert werden, da andere Zuchten (Zuchtlinien?) dieses Verhalten gar nicht zeigten und etliche Rassen diesbezüglich auch noch nie untersucht wurden. Bei reduzierten Fürsorgeverhalten, sind die Muttertiere nicht mehr zur Zucht einzusetzen, jedoch nicht die Rassen auszurotten .... Diese Folgerung ist als völlig unverhältnismäßig zu werten. Ad signifikante statistische Daten: Diese sind mir nicht bekannt. Die vorliegenden Statistiken weisen Trends auf, die stets den Deutschen Schäferhund oder Mischlinge an der Spitze der Unfälle verzeichnen. Diese Statistiken sind jedoch nicht auf die Populationen umgerechnet, was wohl auch gar nicht möglich ist. Ad Statement FeddersenPetersen bzw. § 11b / Qualzuchtgutachten: Wer meine Arbeiten der letzten 17 / 18 Jahre liest, vermag ein Verleugnen von Daten nicht ansatzweise zu erkennen. Schon in meinem ersten Buch Hundepsychologie, in dem die Dissertation SCHLEGER zitiert wurde, fehlt nicht der Hinweis, diese Ergebnisse niemals auf die gesamte Rasse zu extrapolieren. Unsere Arbeiten an Wölfen und Hunderassen sind Grundlagenforschungen, die leider von etlichen Seiten m.o.w. bewußt fehlinterpretiert wurden. Über Hunde weiß ein Jeder alles. Es gibt keine semantische Relativierung, wohl aber eine Zunahme der Erkenntnisse, was von einem engagierten Wissenschaftler zu erwarten ist. Es ging mir stets um die Defintion des Normalverhalten von Haustieren bestimmter Rassezugehörigkeit und ich betonte zunehmend (dieses als angewandtes Moment der Forschungen), auf das Verhalten als Kriterium der Zuchtauswahl zu achten. Wir haben im Laufe der Jahre über 20 Rassen unter seminatürlichen Bedingungen mit Wölfen, die vergleichbar leben, untersucht und dann die Umweltbedingungen für die Haushunde sukzessive verändert. Aggressionsverhalten ist eben kein Merkmal, sondern ein sehr komplexer Bereich des Sozialverhaltens. Unterschiede, die rassekennzeichnend sein könnten, zu erfassen, ist aufwendig und bedarf sehr vorsichtiger Interpretation. Sog. Übersteigerungen im Aggressionsverhalten habe ich früh für Zwergpudel beschrieben, die sicher deshalb nicht gefährlich sind. Auffallend unangepaßtes Verhalten (ein kreischender Hund wird in den Ring gezogen und erhält ein V 1, darf weiterzüchten, weil sein Fell und die mandelförmigen Augen dem Standard der Rasse entsprechen ...) sollte zum Zuchtausschluß führen (s. § 11b). Es zeigten sich Überforderungen unter bestimmten Haltungsbedingungen, die bei anderen Rassen (Bullterrier, Fila Brasileiro z.B.) ausblieben. Wie andere Wissenschaftler meine Arbeiten zitieren, steht nicht in meiner Macht und Verantwortung. Außerdem kenne ich ausschließlich wissenschaftliche Zitate im von mir gemeinten Sinne. Die Vorgehensweise wurde somit verstanden. Wissenschaftler anderer Fachrichtungen mögen zu anderen Schlüssen kommen, bei zu knapper Auseinandersetzung mit der Methodik, der Fragestellung und Analyse vielleicht. Natürlich war es mir wichtig, daß inadäquates (sog. übersteigertes) Aggressionsverhalten in das Gutachten zur Auslegung des § 11b aufgenommen wird. Und ich begrüße das neue Tierschutzgesetz, welches Aggressionssteigerungen wie Aggressionszuchten verbietet. Ich gehörte damals zum weiteren Kreis der Gutachter. Als ich las, daß Herr Prof. Reetz neben einem alten Zitat von SCHENKEL über Wölfe und einer amerikanischen Arbeit, die allein Hypothesen aufzählte (völlig irrelevante Literatur für den angesprochenen Sachverhalt), meinen Namen mit einer mündlichen Mitteilung versehen hatte, die ja jeder Spekulation Tür und Tor öffnet, schrieb ich Herrn Dr. Baumgärtner und bat um Aufnahme von Literatur von mir bzw. aus meiner Arbeitsgruppe (s. Anlage). Die Arbeiten über etliche Hunderassen enthalten keine Zuchtlinienanalysen, wir sind keine Tierzüchter, es gibt jedoch für diese und jene Rasse Hinweise, die ein Überdenken im Hinblick auf Tierschutzrelevanz ermöglichen sollten. Zuchten mit Verhaltensweisen, die dem Selbstaufbau der Welpen etwa entgegenstehen, sind zu kennzeichnen und sollten dieses Verhalten nicht weitergeben dürfen. Herr Dr. Baumgärtner wollte Herrn Reetz informieren, dennoch blieb es bei der mdl. Mitteilung, die eine differenzierte Auseinandersetzung mit unseren Arbeiten verunmöglicht. Herr Dr. Reetz wollte Rassen mit Defekten aufnehmen, ähnlich wie der von ihm vorgeschlagene Cocker Spaniel, die konnte ich ihm nicht liefern. Die Kreuzungen mit dem hochgradig gestörten Verhalten interessierten ihn nicht. Der Tatbestand des Leidens ist allerdings gerade hierfür mich erfüllt, wo Hunde für den Hundekampfzerstört werden. Aber es waren keine Rassen. Herr Dr. Reetz ist Versuchstierkundler, er kommt aus der Tierzucht, hat sich vorzugsweise mit dem MerleFaktor befaßt. Heretabilitätsuntersuchungen an Rassen wurden bei uns nie betrieben, sind bezüglich des Aggressionsverhaltens auch wenig aussichtsreich, da die Umwelt zu sehr an der Entwicklung dieses Bereichs des hundlichen Sozialverhaltens beteiligt ist. Aggression ist eben kein hundliches Merkmal und Defektrassen bezüglich dieses Merkmals kenne ich nicht! Der Blick auf eine jüngere Exploration ist so interessant nicht, neu auch nicht. Die implizierte Unterstellung verweise ich in den Bereich einer unlogischen Absurdität. Im Buch Ausdrucksverhalten sind eigene Forschungen über Deutsche Schäferhunde, die unter Zwingerbedingungen aufwuchsen mit anderen, die in der Familie groß wurden, verglichen worden. Die Zwingerhunde entwickelten mit hoher Signifikanz Verhaltensstörungen. Das jetzt angesprochene Projekt gehört zur Analyse von Rassehunden unter Rudelbedingungen (s. Anlage, Sonderdruck). Die seit fast 4 Jahren von uns beobachteten Deutschen Schäferhunde entwickelten komplexe Strategien zur Konfliktlösung in der Gruppe (ähnlich wie Malamutes, Bullterrier, Filas u.a Rassen). Dieses ist ein Ergebnis. Wo ist da der Zusammenhang mit einer vermeintlich vorhandenen semantischen Relativierung zu sehen? Ich war nie an Vereine / Gruppierungen gebunden und von diesen abhängig. Wohl auch deshalb erregten meine Arbeiten viele Gemüter .... FAZIT: In ausgeprägt subjektiver und selbstgefällig anmutender Betrachtungsweise wird hier eine VO schöngeredet. Dabei fehlt für mein Ermessen jegliche ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Thema, das uns alle so dringlich fordert. Kiel, den 2.07.01
Dr. Dorit Urd FeddersenPetersen Anlagen: 1 Publikation (s.d. Literatur), 1 Brief an Herrn Dr. Baumgartner, 1 Abhandlung Was ist eine Rasse?
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