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Rechtsanwalt

Volker Stück

Liebigstr. 6

34125 Kassel

RA Volker Stück, Liebigstr. 6, 34125 Kassel                                                                     Tel. 0561 - 874268

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Brüder-Grimm-Platz 1

 34117 KASSEL

30. November 2002

vs/chico/gericht/vgh0302-doc.

Vorab per Fax: 0561 - 1007 264

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26.11.2002                             VR/VGH 01/02                        05631 - 58 14 32

In dem Normenkontrollverfahren

Günter Stück u.a. ./. Land Hessen

 

- 11 N 2751/02 -

 

Termin: n.n.

 

wegen:            Ungültigkeit des Hess. HundeVO vom 10.05.2002 (GVBl. I., S. 90 ff.)

 

 

wird auf den Schriftsatz des Antragsgegners, der die gleiche „Qualität“ der streitgegenständliche Verordnung hat, auflagengemäß wie folgt erwidert:

 

I.

 

Zur Nichtigkeit der Rasseliste (§ 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO):

 

1.

 

Der Antragsgegner stellt selbst (siehe S. 1 letzter Absatz) fest, dass das erkennende Gericht im rechtskräftigen Urteil vom 29.08.2001 – 11 N 2497/00 – (ESVGH 52, S. 41 = VR 2002, S. 209 ff.) die GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde vom 15.08.2000 (GVBl I., S. 411 ff.) für nichtig erklärt hat, „soweit darin für Hunde der dort aufgeführten Rassen und Gruppen die in § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung genannten Eigenschaften unwiderleglich vermutet werden“, bzw. (S. 3 erster Absatz), dass der VGH Kassel „lediglich die unwiderlegliche Vermutung der Aggressivität und Gefährlichkeit bestimmter Rassen für nichtig erklärt“ hatte.

 

Ganz offensichtlich sind auf Seiten des Antragsgegners Akteure am Werk, die über keine Erfahrungen mit den Hunderassen verfügen, hat der Antragsgegner doch – quasi verbösernd – in der angegriffenen HundeVO vom 10.05.2002 (GVBl I., S. 90 ff.) alle gelisteten Rassen wieder (wie schon in der KampfhundeVO vom 05.07.2000; GVBl I., S. 355) für unwiderleglich gefährlich erklärt und beruft sich zur Begründung auf ein angeblich bestehendes „Restrisiko“. Dies folgt eindeutig aus den Ausführungsbestimmungen vom 03.07.2002 – LPP 72 – L 021-a –02 –27 – (dort S. 3, 1. Absatz von oben; S. 6, 2. Absatz von untern; S. 15, 3. Absatz von unten) und der der HundeVO zu Grunde liegenden Kabinettsvorlage vom 12.04.2002 – LPP 72 – L- 021-a-02-07 – (unter Begründung, Teil A, S. 2, 1. Absatz von oben; Teil B, zu § 2), wo ausgeführt wird, „dass die Hunde der aufgelisteten Rassen und Gruppen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden als gefährlich gelten, auch wenn die Eigenschaften durch eine Wesensprüfung widerlegt werden können (Restrisiko)“ (Unterstreichung durch Unterzeichner).

 

Wenn sich der Antragsgegner zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen HundeVO auf das Urteil des erkennenden Gerichts vom 29.08.2001 – 11 N 2497/00 - berufen will (so S. 2, erster Absatz oben), so kann dies nur noch als dreist bezeichnet werden. Hätte der Antragsgegner – wie von ihm wahrheitswidrig behauptet – tatsächlich die Anforderungen des Urteils umsetzen wollen, so hätte er allen Hundeindividuen die Widerlegung einer generell zunächst vermuteten Gefährlichkeit durch Ablegung eines positiven Wesenstests gestatten müssen. Genau dies hat er nicht getan, sondern diese Möglichkeit gerade abgeschnitten. Auf die Ausführungen in der Normenkontrollantragsschrift vom 01.10.2002 (dort unter B., I., 3. S. 18) wird ergänzend verwiesen.

 

Mit einer Nonchalance ohnegleichen werden hier sowohl die Rechtsprechung des VGH Kassel als auch die Grundsätze der Willkürfreiheit und Verhältnismäßigkeit, insbesondere des Übermaßverbotes mit Füßen getreten. Wenn hier ein tatsächliches oder rechtliches „Restrisiko“ bestehen sollte, so beruht dieses allein auf dem Unvermögen des Antragsgegner in rechtlicher und kynologischer Hinsicht. Warum von einem wesensgeprüften und Zeit seines Lebens friedfertigen (Listen)Hund in der Hand eines persönlich zuverlässigen und sachkundigen Hundehalters ein höheres „(Rest)Risiko“ ausgehen soll als von jedem anderen ungeprüften, insbesondere vergleichbar großen und kräftigen Hund in der Hand eines ungeprüften und „nicht durchleuchteten“ Halters, bleibt wohl für immer der irrealen Vorstellungswelt des Antragsgegners vorbehalten. Sachliche Gründe wird er dafür jedenfalls nicht ins Feld führen können.

 

Konsequenterweise ist § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO mit der unwiderleglichen Vermutung der Aggressivität und Gefährlichkeit der 11 gelisteten Hunderassen für nichtig zu erklären.

 

 

2.

 

Mit großer Genugtuung vernehmen die Antragsteller, dass – nach nun mehr als 2 Jahren – sich auch beim Antragsgegner die Erkenntnis durchsetzt, dass § 71 HSOG keine hinreichende Ermächtigung für eine derartige - an Rassezugehörigkeit anknüpfende - Regelung enthält, eine Auffassung, die die Antragsteller von Anfang an vertreten haben.

 

Der Antragsgegner gesteht damit ein, dass seine bisherigen Regelungen zum Thema „gefährlicher“ Hund – soweit an Rasse-/Gruppenzugehörigkeit anknüpfend -, samt und sonders rechtswidrig waren. Entsprechendes gilt für die darauf gestützten Ausführungshandlungen.

 

Sollte der Antragsgegner versuchen, seine dritte rechtswidrige HundeVO binnen weniger als 2 Jahren durch Schaffung einer gesetzlichen Grundlage „nachträglich zu heilen“, ist ein solcher Versuch zum Scheitern verurteilt. Eine rechtliche Ermächtigung muss bereits bei Erlass der Verordnung vorliegen. Alles andere ist mit Rechtsstaatlichkeit unvereinbar und Willkür. Die – jetzt eingestandene – Rechtswidrigkeit wird konsequent weiter verfolgt werden, ggf. in Form eines (Fortsetzungs-)Feststellungsantrages.

 

3.

 

Selbst wenn eine gesetzliche Ermächtigung in einem geplanten § 71 a Abs. 1 HSOG erfolgen würde, wäre das Grundproblem der HundeVO (§ 2 Abs. 1 Satz 2) - die Statuierung einer (unwiderleglichen) Gefährlichkeitsvermutung aufgrund Rassezugehörigkeit – nicht gelöst.

 

Nach einhelliger Auffassung aller renommierten Experten ist Gefährlichkeit nämlich kein Rasse-/Gruppenmerkmal, sondern kann – unabhängig von Rasse-/Gruppenzugehörigkeit – nur individuell festgestellt bzw. beurteilt werden. Wenn weiter feststeht, dass kein Hund – egal welcher Rasse – hyperaggressiv geboren wird,

 

Beweis:

 

1.    Frau Prof. Dr. Irene Stur, Institut für Tierzucht und Genetik, Veterinärmedizinische Universität, Veterinärplatz 1, A 12 10 Wien.

2.    Frau Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Fachtierärztin für Verhaltenskunde, Institut für Haustierkunde der Christian Albrecht Universität Kiel, Olshausenstr. 40, 24118 Kiel.

3.    Frau Dr. Helga Eichelberg, Zoologisches Institut der Universität Bonn, Poppelsdorfer Schloß, Bonn oder Mozartstr. 13, 53 919 Weilerswist.

4.    Herr Prof. Dr. Otmar Distl, Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Bünteweg 2, 30559 Hannover.

5.    Herr Prof. Dr. Hansjoachim Hackbart, Leiter des Instituts für Tierschutz und Verhalten, Tierärztliche Hochschule Hannover, Bünteweg 2, 30559 Hannover.

6.    Herr Polizeihauptkommissar Alfred Macijewski, Sprecher Arbeitskreis Diensthunde haltende Behörden des Bundes (Grenzschutz, Bundeswehr, Zoll) und der 16. Länder sowie Leiter Landespolizeischule für Diensthundeführer, Lipstädter Weg 26, 33 758 Schloß Holte-Stukenbrock.

7.    Frau Dr. Willa Bohnet, Tierärztliche Hochschule Hannover, Bünteweg 2, 30559 Hannover.

8.    Frau Dr. med. vet. Doris Becker (Stv. Vors. LTK Hessen), Fritz-Erler-Str. 15, 34270 Schauenburg-Breitenbach.

9.    Frau Dr. med. vet. Barbara Schöning (Vorsitzende LTK Hamburg), Lagerstr. 36, 20357 Hamburg.

 

sondern allein der menschliche Einfluss für eine über das natürliche Maß hinausgehende Gefährlichkeit oder Aggressivität verantwortlich ist, insbesondere Erziehung, Sozialisation, Abrichtung, Verhaltenskonditionierung, Verwendung und Haltebedingungen, so ist jede an Rasse-/Gruppenzugehörigkeit des Tieres anknüpfende Regelung untauglich, willkürlich und unverhältnismäßig.

 

Die Zuordnung bestimmter – regelmäßig missliebiger – Eigenschaften zu bestimmten Rassen oder Gruppen beruht auf einer politisch gefährlichen sowie wissenschaftlich eindeutig widerlegten Rasse- oder Genetiklehre und gehört in die braune Mottenkiste der Geschichte, die niemand wieder öffnen sollte !

 

Die in Aussicht gestellte gesetzliche Regelung des § 71 a Abs. 1 HSOG perpetuiert die bisher in den Verordnungen enthaltene Unsinnigkeit der Rasseanknüpfung. Die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage macht eine solche Regelung nicht sachgerechter, wissenschaftlichen Kriterien standhaltender, willkürfreier oder verhältnismäßiger.

 

Hier offenbart sich auf die Neuaufführung eines uralten Konfliktes: Macht versus Wissenschaft. Behaupteten früher z.B. die Mächtigen (Klerus/Adel), die Erde sei eine Scheibe, um ihr tradiertes Weltbild und ihre eigene Macht zu retten und machten unbequemen Wissenschaftlern (Inquisitions-)Prozesse, verbannten, meuchelten oder verbrannten sie, wenn sie nicht „abschwören“ wollten, so wird heute von den „Machtinhabern“ (Spitzen der Exekutive, Politik) behauptet, aus rassespezifischen oder genetischen Merkmalen bestimmte unerwünschte Eigenschaften ableiten zu können. Wer diesen Kampf letzten Endes bisher stets gewonnen hat und auch zukünftig gewinnen wird, ist spätestens seit Galileo Galilei allgemein bekannt. Es ist letztlich nicht eine Frage des Ergebnisses, sondern nur der Zeit und des zu erbringenden Blutzolls, bis die Wissenschaft über die Macht triumphiert. In einem demokratischen Rechtsstaat sollte die Zeit bis dahin so kurz und der Blutzoll so gering wie möglich ausfallen.

 

Weitere Ausführungen dazu werden ggf. erfolgen, wenn eine solche Regelung tatsächlich in Kraft treten sollte.

 

 

4.

 

Hinsichtlich der Ausführungen des Antragsgegners zur vorgelegten Statistik (Anlage 5; Erhebungszeitraum: 15.07.2000 – 31.05.2002) wird zunächst auf die Ausführungen in der Antragsschrift vom 01.10.2002 (unter B., I., 2., S. 14 f.) Bezug genommen, wonach eine solche pauschale Statistik ohne Aussagekraft ist.

 

Die Statistik ist überdies auch nur selektiv, weil sich nur unwiderleglich gefährliche Listenhunde und tatsächlich gefährliche Hunde einem Wesenstest unterziehen müssen. Hier fehlt schon vom Ansatz her jeder Vergleichsmaßstab. Aussagekraft könnte eine Statistik diesbezüglich nur dann haben, wenn sich alle Hunde einem vergleichbaren Test unterziehen müssten, weil nur dann rechtsverwertbare valide und vergleichbare Zahlen vorlägen.

 

Ungeachtet dieser evidenten Mängel der Statistik muss sich der Antragsgegner selbst sowie den Antragstellern die Frage beantworten, warum er – seiner eigenen Logik folgend – nicht auch folgende Rassen bzw. Gruppen neben Bullmastiff, Bordeaux-Dogge, Mastin Espanol und Tosa Inu aus der Liste unwiderleglich gefährlicher Hunde gestrichen hat:

 

  • Staffordshire Bullterrier einschließlich Kreuzung
  • American Bulldog einschließlich Kreuzung
  • Dogo Argentino Kreuzung
  • Kaukasischer Owtscharka Kreuzung.

 

Die vorstehend genannten Rassen bzw. Gruppen haben gemein, dass sie nach der Statistik des Antragsgegners sehr geringe oder gar keine Durchfallquoten im Wesenstest aufweisen und auch bei den Vorfällen kaum oder gar nicht in Erscheinung treten.

 

 

II.

 

Zur Nichtigkeit der unterschiedlichen Erlaubnisdauer (§ 3 Abs. 1 Satz 2, 1. HS HundeVO):

 

Die Ausführungen zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Erlaubnisdauer (§ 3 Abs. 1 Satz 2, !. Halbsatz HundeVO) sind untauglich und unsubstantiiert.

 

1.

 

Der Verordnungsgeber hält die unterschiedliche Erlaubnisdauer „für zweckdienlich“ (S. 4, 2. Absatz von unten). Fragt sich nur, welchen Zweck er verfolgt. Wohl kaum den der Gefahrenabwehr, dem eine Polizei-/Gefahrenabwehrverordnung allein dienen darf:

 

Warum für einen positiv wesensgeprüften und Zeit seines Lebens friedfertigen und unauffälligen (Listen)Hund in der Hand eines persönlich zuverlässigen und sachkundigen Hundehalters nur eine Befristung für maximal 2 Jahre erteilt werden kann, für einen tatsächlich verhaltensauffälligen (z.B. bissigen) Hund hingegen eine Erlaubnis nach Behördenermessen bis zu 4 Jahren erteilt werden kann, lässt sich sachlich nicht begründen:

 

  • Die Erlaubnisdauer ist bei der Erteilung der Erlaubnis maßgeblich, d.h. der Regelung eines konkret – individuellen Sachverhalts in Form eines Verwaltungsaktes. Voraussetzung einer Erlaubniserteilung ist seitens des Hundes eine positive Wesensprüfung (§ 3 Abs. 1 Ziffer 4) und seitens des Halters Zuverlässigkeit, Sachkunde sowie artgerechte Haltung (§ 3 Abs. 1 Ziffern 2., 3., 5).

     

Die juristische Waagschale muss sich hier zu Gunsten des unauffälligen Listenhundes bewegen, hat dieser doch seine Ungefährlichkeit – neben dem Wesenstest – auch durch tatsächliches (friedliches) Verhalten unter Beweis gestellt.

 

Da es in beiden Fällen um die Beurteilung eines konkreten Hundeindividuums in der Hand eines konkreten Halters geht - die Erlaubnis ist ein einzelfallbezogener Verwaltungsakt! -, scheidet ein Rückgriff auf generell-abstrakte Überlegungen aus und wäre sachfremd.

 

  • In einem solchen Fall ist das von einem bereits tatsächlich gefährlichen Hund ausgehende „Restrisiko“ – will man dieses unsinnige Kriterium auch hier bemühen – größer als das vom unauffälligen Listenhund ausgehende „Restrisiko“, so dass auch dieses Kriterium versagt.

 

  • Einzig logisch denkbares Differenzierungskriterium vermag auch hier die Rasse- bzw. Gruppenzugehörigkeit zu bilden, zu deren Unsinnigkeit auf die obigen Ausführungen und vorgelegten Gutachten verwiesen wird.

 

Wenn der Antragsgegner ausführt, „Die Unterscheidung geht davon aus, dass nach hier vorliegenden Erfahrungen und der geführten Statistik die in § 2 Abs. 1 aufgelisteten Hunde durch Vorkommnisse und Nichtbestehen der Wesensprüfung aufgefallen sind.“, so zeugt dies erneut von einem für sich sprechenden Unverständnis des Antragsgegners:

 

  • Wenn ein Hund den Wesenstest nicht bestanden hat, so darf nach § 3 Abs. 1 Satz 1 gar keine Erlaubnis erteilt werden, so dass sich die Frage einer unterschiedlichen Erlaubnisdauer erst gar nicht stellt ! Wenn aber ein Hund den Test bestanden hat und auch noch verhaltensunauffällig war, warum soll dann das Nichtbestehen eines anderen Hundes zu seinen Lasten gehen ? Rassezugehörigkeit und Zuweisung von Kollektiv-/Rasseschuld sind keine rechtlich statthaften Differenzierungskriterien.

 

  • Hinsichtlich der Statistik sei auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

Auch der Hinweis des Antragsgegners, „dass es sich bei der Regelung des zweiten Halbsatzes um eine Kann-Regelung handelt.“ , geht an der Sache völlig vorbei. Die Tatsache, dass die zuständige Behörde bei Listenhunden nur eine maximal zweijährige Erlaubnis erteilen kann, wohingegen sie nach ihrem Ermessen bei tatsächlich gefährlichen Hunden eine bis zu vierjährige Erlaubnis erteilen kann, ändert nichts an der willkürlichen Ungleichbehandlung, die die HundeVO aufstellt. Der Antragsgegner kann sich zur Rechtfertigung seiner sach- und rechtswidrigen Ungleichbehandlung nicht auf das Ermessen der örtlichen Ordnungsbehörden berufen, um seine missglückte Regelung zu retten.

 

 

2.

 

Es wird völlig unsubstantiiert von „hier vorliegenden Erfahrungen“ sowie „einer Reihe von Fällen“ gesprochen, „in denen die in der Verordnung aufgelisteten Rassehunde auch nach absolvierter Wesensprüfung wieder durch Vorkommnisse auffällig geworden sind“, ohne weiter ins Detail zu gehen. Dies mag der oberflächlichen und unzureichenden Arbeitsweise des Antragsgegners entsprechen, die sich in der HundeVO auch widerspiegelt, ist jedoch zur Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts wie auch der Antragsteller ungeeignet. Solange der Antragsgegner nicht das Gegenteil substantiiert darlegt und beweist, ist davon auszugehen, dass die den gelisteten Hunderassen zugehörigen Hundeindividuen – insbesondere wenn sie den Wesenstest erfolgreich bestanden haben – keine höhere Auffälligkeit zeigen als jede andere Hunderasse oder –gattung auch. Die Antragsteller behalten sich ausdrücklich vor, dazu weiter vorzutragen, sollte der Antragsgegner ihnen einlassungsfähigen Vortrag liefern.

 

 

III.

 

Zur Nichtigkeit der Mitteilungspflicht bei bestandenem Wesenstest (§ 7 Abs. 3 letzter Satzteil HundeVO):

 

Zunächst einmal ist festzustellen, dass im Verhältnis Hundehalter – Wesenstester ein ausschließlich privatrechtliches Rechtsverhältnis besteht, welches durch Gleichordnung gekennzeichnet ist. Dieser Erkenntnis verschließt sich auch der Antragsgegner nicht länger.

 

Der Antragsgegner beruft sich nun darauf, dass die Mitteilung des (negativen oder abgebrochenen) Wesenstests durch den Wesenstester an die örtliche Ordnungsbehörde durch die Erteilung des Einverständnisses des Hundehalters (Vorgaben zur Durchführung des Wesenstests gemäß GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde, dort Ziffer 3 – Anlage 6) legitimiert sei. Dort heißt es:

 

Der Hundehalter(die Hundehalterin muss sein/ihr schriftliches Einverständnis zur Weitergabe des Testergebnisses an die Ordnungsbehörde geben.“

 

Übersehen wird dabei aber, dass kein Hundehalter rechtlich verpflichtet ist, ein derartiges Zwangseinverständnis gegenüber dem Wesenstester abzugeben. Hierfür gibt es nämlich keinerlei Rechtsgrundlage, so dass eine derartige Erklärung nur freiwillig ist. Dies gesteht der Antragsgegner selbst ein, wenn er ausführt: „Das Verfahren der Erteilung der Einverständniserklärung geht aus der Verordnung nicht hervor.“

 

Wenn der Antragsteller zutreffend ausführt, „Niemand ist verpflichtet, Wesenstester zu werden.“ so ergänze er dies vollständigkeitshalber um den Satz „Kein Hundehalter ist verpflichtet, sein schriftliches Einverständnis zur Weitergabe des Testergebnisses an die Ordnungsbehörde zu geben.“

 

Ob derjenige, der für diese Abforderung dieser Erklärung (= Vorgaben zur Durchführung des Wesenstests gemäß GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde) verantwortlich zeichnet, mindestens wegen versuchter Nötigung (§§ 240 Abs. 3; 22 StGB) strafrechtlich zu belangen ist, da hier (rechtswidrig) mit einem empfindlichen Übel (keine Einverständniserklärungserteilung des Hundehalters = keine Wesenstestabnahme = keine Halteerlaubnis = Sicherstellung des Hundes und Ordnungsgeld gegen Halter) die Abgabe einer (Einverständnis-)Erklärung (= Tun) gefordert wird, zu der der Halter nicht verpflichtet ist, werden die Strafverfolgungsbehörden zu gegebener Zeit zu klären haben. Auf Unwissenheit oder Unkenntnis möge sich dann aber keiner der Verantwortlichen berufen. Der Antragsgegner wird aufgefordert, Namen und Amtsbezeichnung des Verantwortlichen für die oben genannte „Einverständniserklärung“ schriftlich zu benennen.

 

 

IV.

 

Zur Nichtigkeit der Anleinpflicht, soweit auf „die Halterin oder des Halters“ abgestellt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HundeVO):

 

Wenn der Antragsgegner hier ausführt, „Der Verordnungsgeber will mit der Beschränkung auf das eingefriedete Besitztum oder die Wohnung von Halterin oder Halter verhindern, dass der gefährliche Hund in allgemein zugänglichen Bereichen und Räumlichkeiten, so in Fluren, Treppenhäusern, Aufzügen und Zuwegen ohne Leine geführt wird.“, so muss er sich schon fragen lassen, warum er eine solche Regelung dann nicht getroffen hat, wenn nicht gelten soll „Er wollte zwar, aber er konnte nicht“. Ein interner Wille ist im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls rechtlich unbeachtlich.

 

Da die Regelung, wie der Antragsgegner feststellt, formal und tatsächlich ausschließt, „den Hund mit Zustimmung des Inhabers des Hausrechts auf dessen eingefriedetem Besitztum laufen zu lassen“, ist sie zur Abwehr von allgemeinen Gefahren von vornherein untauglich und unverhältnismäßig (vgl. nur OVG Schleswig Holstein vom 29.05.2001 – 4 K 8/00 – in NVwZ 2001, 1300).

 

Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 kann nach § 18 Abs. 1 HundeVO mit einer Geldbuße bis zu 5.000 € geahndet werden. Darüber hinaus droht die Gefahr, dass einer Sicherstellung nach § 14 Abs. 1 HundeVO oder der persönlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Ziffer 1 HundeVO.

 

Geradezu abwegig, unwürdig und schlicht hilflos muten deshalb die Ausführungen des Antragsgegners „Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt nach § 46 Abs. 1 Satz 1 OWiG im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde, so dass keine Ordnungsbehörde gezwungen ist (Anm. der Unterzeichners: Sie ist aber berechtigt), im Fall eines ungefährlichen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1Satz 1 der Hundeverordnung ein Bußgeldverfahren einzuleiten.“

Der Antragsgegner will sich hier der Rechtswidrigkeit der von ihm geschaffenen Regelung mit dem Hinweis auf das sog. Opportunitätsprinzip entziehen und die Antragssteller zu einem rechtlichen russischen Roulettespiel einladen !

 

Da der Antragsgegner selbst sich nachweislich unter anderem durch folgende Äußerungen hervorgetan hat

 

„Unsere Aufgabe ist es, die Menschen vor diesen Kampfmaschinen zu schützen. Aus diesem Grund müssen wir mit allen Mitteln gegen diese Hunde vorgehen“ (Anm.: Unterstreichung durch Unterzeichner; nachzulesen als Pressemitteilung vom 05.07.00 unter  http://www.hmdi.hessen.de.).

 

„Diese Kampfmaschinen müssen generell von der Bildfläche verschwinden!“ (Anm.: Unterstreichung durch Unterzeichner; nachzulesen als Pressemitteilung vom 29.06.00 unter http://www.hmdi.hessen.de.)

 

„Es ist letztlich unerheblich, ob der Begriff „Kampfhund“ wissenschaftlich haltbar ist...“ (nachzulesen als Pressemitteilung vom 27.06.00 unter  http://www.hmdi.hessen.de.)

 

ist es den Antragstellern, allesamt verantwortungsbewusste Hundehalter und rechtstreue Bürger, unzumutbar, sich auf ein derartiges „Spiel“ einzulassen. Eine derartige Ausführungen aus dem Munde einer an sich nach Art 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebundenen Behörde zu vernehmen, kann nur ungläubiges Erstaunen erzeugen. Bei dieser Regelung handelt es sich um einen „juristischen Rohrkrepierer“.

 

Die beanstandete Regelung ist deshalb für nichtig zu erklären.

 

 

V.

 

Zur Nichtigkeit der Mitteilung der Ordnungsbehörde an das Steueramt (§ 15 Abs. 6 HundeVO):

 

Soweit der Antragsgegner auf die Hundesteuer-Urteile des BVerwG vom 19.01.2000 (AZ - 11 C 8.99 - in NVwZ 2000, 929 = DÖV 2000, 554 = DVBl 2000, 918 = BVerwGE 110, 265) sowie des OVG Lüneburg vom 19.02.1997 (AZ - 13 L 521/95 – in NvwZ 1997, 816) rekurriert, sei dem der Beschluss des OVG Lüneburg vom 18.10.2002 – 13 LA 246/02 – entgegengesetzt, der dem Schriftsatz vom 23.11.2002 beigefügt war. Gestützt auf die neuen fachwissenschaftlichen Erkenntnisse zeichnet sich auch hier eine Trendwende in der Hundesteuer-Rechtsprechung ab.

 

In wirtschaftlicher Hinsicht und aus Sicht eines Steuerzahlers durchaus interessant ist die Ausführung des Antragsgegners „Es wäre daher ausgesprochen unökonomisch, diesen Datenbestand (Anm. des Unterzeichners: Gemeint ist der der Ordnungsbehörde) nicht für die Besteuerung zu nutzen.“

 

Hier steht jedoch eine GefahrenabwehrVO auf dem juristischen Prüfstand – wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen haben hier außen vor zu bleiben und können rechtsstaatlichen Prinzipen nicht vorgehen bzw. diese aushebeln. Eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlungspflicht fehlt und diese dient nicht gefahrenabwehrrechtlichen Zwecken der Ordnungsbehörden, sondern allein fiskalischen bzw. ökonomischen Zwecken der kommunalen Kämmereien bzw. Steuerämter. Hier von „Gefahrenabwehr im weiteren Sinne“ zu sprechen, ist verfehlt und würde jede beliebige Ausuferung gestatten.

 

Ein Wertungswiderspruch des Antragsgegners sei an dieser Stelle noch aufgedeckt, wenn ausgeführt wird „Lenkungszweck der erhöhten Steuer gefährlicher Hunde ist nämlich auch die Eindämmung der Haltung gefährlicher Hunde. Die Datenübermittlung dient daher auch der Gefahrenabwehr im weiteren Sinne.“ (Unterstreichung durch Unterzeichner).

 

In der Landtagsdrucksache Nr. 15/3991 „Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und FDP für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des HSOG (Gesetz zur Einführung einer Pflichthaftpflichtversicherung für gefährliche Hunde“ vom 04.06.2002 heißt es hingegen „In der durch den Innenausschuss des Hessischen Landtags durchgeführten schriftlichen Anhörung hat sich gezeigt, dass Zweifel darüber bestehen, ob ein gefährlicher Hund, bei dem die Wesensprüfung positiv verlaufen ist, weiterhin als gefährlicher Hund im Sinne des Gesetzentwurfes anzusehen ist.“ (Unterstreichung durch Unterzeichner). Deshalb wird dort das Wort „gefährlichen“ durch das Wort „erlaubnispflichtigen“ ersetzt werden.

 

Wenn aber der polizei- bzw. gefahrenabwehrrechtliche Sachgesetz- bzw. Verordnungsgeber selbst – nach bestandener Wesensprüfung - nicht mehr von „gefährlichen“ Hunden ausgeht, was allein sachangemessen und verhältnismäßig ist, dann kann es eine kommunale Hundesteuersatzung ohne evidente Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung erst recht nicht mehr (vgl. BVerfG vom 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95 sowie 2 BvR 2004/95 - (BVerfGE 98, 106 (119) = NJW 1998, 2342 sog. Verpackungssteuerurteil) und eine Lenkungswirkung entfällt, weil kein „gefährlicher Hund“ mehr vorhanden ist.

 

 

Wie der Antragsgegner beziehen sich auch die Antragsteller auf die Ausführungen in den Normenkontrollverfahren – 11 NG 2500/00 – sowie – 11 N 2497/00 – nebst den in diesem Verfahren vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen. Diese Akten sollten beigezogen werden.

 

In Anbetracht der vorstehenden Situation wird um eine möglichst schnelle Terminierung ersucht. Es wird angeregt, den vorliegenden Normenkontrollantrag zusammen mit denen der Kollegen Hanske & Nielsen (Hannover), Kühn (Kassel) etc. zu verhandeln.

 

Schließen möchte ich mit Johann Wolfgang Goethe:

„Wer Tiere quält, ist unbeseelt, und Gottes guter Geist ihm fehlt.

Mag noch so vornehm drein er schauen, man sollte niemals ihm vertrauen.“

 

 

Volker Stück

[Rechtsanwalt]

Kopie an:          Antragsteller

Anlage(n):         -

 

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