- Siegfried Winkel |
Von echten und falschen Kampfhunden, vielen
verschiedenen Verordnungen und dem Schwarzen
Peter beim Tierschutz eine Streitschrift von
Claudia Ludwig, Fernsehjournalistin & Redakteurin von
Herrchen gesucht Für
das, was am 26. Juni vergangenen Jahres in Hamburg geschehen ist,
gibt es keine Entschuldigung. Auch ist verständlich, dass viele
spätestens seit diesem Vorfall solch banale, wenn auch wahre Sätze
wie Man kann im Prinzip jeden kräftigen Hund zur gefährlichen
Waffe machen oder Der eigentliche Schuldige befindet sich am
anderen Ende der Leine nicht mehr hören können. Denn das
alles ist zwar vollkommen richtig, nutzt aber den Opfern, den
schwerverletzten, mitunter lebenslang verunstalteten Menschen, die
von Hunden angefallen oder, wie im Falle des Hamburger Erstklässlers,
sogar totgebissen wurden, ausgesprochen wenig. Es
gab also Handlungsbedarf, und zwar nicht erst seit dem schwarzen
Montag im Juni
2000, sondern bereits seit vielen Jahren zuvor. Und so lange schon
haben die Tierschützer selbst auf das Problem hingewiesen und die
Katastrophe vorausgesagt. Ständig,
immer wieder, unermüdlich und unerhört leider im
wahrsten Sinne des Wortes. Kaum ein Politiker oder
Verantwortlicher interessierte sich damals für die Warnungen der
Tierschützer. Die forderten nämlich schon seit Jahren ein
Zuchtverbot und genaue Kontrollen darüber, wer einen zu den
Kampfhunderassen gehörigen Hund besitzt und besitzen darf. (Die
Tierschützer selbst kontrollieren ja sogar unabhängig von
Rasse oder Mischung - sämtliche ihrer Vermittlungen ganz genau
und holen bei einem schlechten Eindruck ihre Schützlinge auch
wieder zurück; also zumindest bei anständig arbeitenden Vereinen
ist das so.) So
wie es in den USA durch die unkontrollierte
Schusswaffenverbreitung immer wieder zu mitunter leicht
vermeidbaren Blutbädern kommt, so werden bei uns, vor allem
im kriminellen Milieu, abgerichtete Hunde bestimmter Rassen und
Kreuzungen erfolgreich und folgenschwer als Waffe eingesetzt. Und
so wie die Vereinigten Staaten dringend ein Waffengesetz
brauchen, brauchen wir eines, dass die Haltung und den
Missbrauch gefährlicher Bestien verbietet. Das kann nämlich
sowohl Menschen- als auch Tierleben schützen. Das
bedeutet aber auch, mutig im (kriminellen) Milieu einzugreifen,
einen Hund, wie den Hamburger Killer, der samt seines Besitzers
schon längst auffällig und z.B. mit Maulkorbzwang belegt worden
war, dann auch einzuziehen. Stattdessen wurde nicht einmal das
Tragen eines Maulkorbes kontrolliert! Und keiner sagte etwas, als
Kampf- hunde
auf einem Schulhof (!) abgerichtet wurden. So etwas passiert nicht
still und leise. Wo waren da die Anwohner, die später auf die
Strasse gingen, um - zu Recht - gegen kriminellen Hundebesitz zu
demonstrieren? Was
in Hamburg geschah, war ein Verbrechen, eine kriminelle
Verantwortungslosigkeit und ein Akt der Gewalt, der nichts mit
normaler Hundehaltung zu tun hat. Am Jahrestag seines Todes
wurde ein Baum an der Stelle gepflanzt, an der das Unglück
geschah in Gedenken an den kleinen Volkan aber auch, um zu
mahnen und daran zu erinnern, dass so etwas nie wieder passieren
darf. Und das ist auch richtig so! Und
jetzt kommen wir zu den Konsequenzen: Hysterie
ist immer ein schlechter Ratgeber. Populismus erst recht. Und übereilte
Verordnungen, jetzt auf einmal mit heißer Nadel gestrickt,
nachdem die meisten Politiker und Behörden das Problem lange Zeit
verschlafen haben, sind keine Lösung, sondern peinlich und
unprofessionell. Ein Demonstrant trug vor dem Düsseldorfer
Landtag ein Plakat mit der folgenden, wie ich finde, geradezu
genialen Forderung: Sachkundenachweis
für Politiker! Wirklich tolle Idee! Das trifft das
Problem genau. Was ist dem noch hinzuzufügen? *
Sinnvoll und langfristig effektiv ist es, ausnahmslos ein
Zuchtverbot für die auffälligsten Rassen bzw. Kreuzungen
durchzusetzen, natürlich in Kombination mit einem genauso
strikten Einfuhrverbot für Pitbull, Staffordshire Terrier und
Bullterrier. Aber auch alle gutmütigen Vertreter dieser Rassen
sollten kastriert werden. Das Problem würde aussterben, auch wenn
natürlich zu befürchten ist, dass sich Zuhälter, Dealer und Co.
ziemlich schnell anderer Rassen bedienen werden! *
Notwendig ist es, dass wirklich aggressive Hunde, die Menschen
oder andere Hunde grundlos übel zurichten oder gar totbeissen,
eingeschläfert werden. Doch das haben die Tierschutzvereine auch
vor dem 26.6. schon getan. *
Obligatorisch sollte darüber hinaus sein, möglichst alle Hunde,
die zu den Kampfhunderassen gezählt werden, mit Mikrochip zu
kennzeichnen, um bei Bedarf deren Halter in die Verantwortung
nehmen sowie auf Aggressivität angelegte Züchtungen zurückverfolgen
zu können. (Auch der Mikrochip ist natürlich gleichfalls bei
allen anderen Hunden ausgesprochen sinnvoll.) *
Unsinnig ist es dagegen, alle Angehörigen von Rassen, die
leicht und erfolgreich in reissende Bestien verwandelt werden können,
über einen Kamm zu scheren und den unbescholtenen Haltern gutmütiger
Tiere, die es nun einmal auch unter Pitbulls, Staffordshire
Terriern und Bullterriern gibt, und zwar nicht wenige, das Leben
unnötig schwer zu machen. Es hilft mehr, endlich den kriminellen
Hundehaltern an den Kragen zu gehen, als die harmlosen zu
schikanieren. Die
charakterfesten Hunde, die nie eine Aggression gezeigt haben,
sollen in Ruhe zu Ende leben dürfen. Nur auf ihre
Fortpflanzung sollten wir auf Grund der grossen Gefahr des
Missbrauchs und der überfüllten Tierheime verzichten. (Das
sollte man aus Tierschutz-Sicht ja grundsätzlich, also auch bei
anderen Rassen, solange so viele Tiere noch ohne Zuhause sind...)
Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang auch die überhöhte
Hundesteuer für diese Tiere in keinster Weise hilfreich und
sinnvoll. Aber das war ja bereits vor dem Juni 2000 vielerorts so. Viele
Freunde speziell von Bullterriern, Pitbulls & Co. protestieren
gerade gegen diesen Punkt besonders engagiert und laufstark. Sie
sind gegen ein Zuchtverbot, weil sie diese ihre Lieblingsrasse ja
so ganz besonders niedlich finden. Und zwar finden sie häufig
schlichtweg ALLE Angehörigen ihrer Lieblingsrasse(n)
ausgesprochen und einfach nur süß. Eine ziemlich einfältige
Einschätzung. Natürlich gibt es zahllose extrem nette und
goldige Staffs, Pits und Bullis, Hunde, die keiner Fliege was zu
Leide tun. Aber diese guten Eigenschaften ohne Differenzierung auf
alle Angehörigen dieser Rassen oder Kreuzungen zu übertragen ist
genau so falsch und verantwortungslos wie das Gegenteil zu
vertreten. Also im Prinzip das gleiche wie alle diese Hunde über
einen Kamm zu scheren und als gefährlich oder gar aggressiv
einzustufen, so wie es landauf landab die verschiedenen
Landeshundeverordnungen mehr oder weniger ausgeprägt tun. Aber
noch ein zweites Argument gegen ein Zuchtverbot verdient Kritik.
Wir möchten nicht, dass diese Tiere nicht mehr gezüchtet
werden, weil wir sie so lieben, erklären diese
Hundefreunde und denken nicht dran, sich um die Hunderte von
Pitbulls, Staffordshire (Bull)Terrier & Co. zu kümmern, die
in unseren Tierheimen sitzen nahezu völlig chancenlos was
eine Vermittlung angeht. Nehmt sie doch alle, die 46 im Tierheim
Frankfurt, die 15 im Tierheim Offenbach, die 56 im Tierheim Köln-Dellbrück,
die 30 im Tierheim Bochum, die 18 im Tierheim Hanau, die 12 im
Tierheim Dreieich, die in München, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig
und Dresden, die unzähligen, die hinter Gitter mitunter immer
mehr durchdrehen, so dass man fürchten muss, dass selbst die
ursprünglich freundlichen unter ihnen irgendwann nicht mehr so
freundlich sind. Das Tierheim tut diesen Hunden nicht gut.
(Anderen natürlich in der Regel auch nicht, aber bei diesen
Hunden ist das folgenschwerer.) Wer
will einmal zusammenzählen, wie viele es zwischen Flensburg und
Berchtesgaden, zwischen Frankfurt an der Oder und Saarbrücken
sind? Wer diese Hunde wirklich liebt, wer diesen Rassen und
Kreuzungen etwas Gutes tun will, der produziert hier nicht noch
Nachschub! Das
nächste Argument für die Aufrechterhaltung der Zucht, ist das,
das keine Rassen aussterben sollten. Doch hier verwechseln die
Kampfhunde-Fans etwas, nämlich Tier- mit Artenschutz sowie Tierrassen
mit -arten. Was sind denn die Hunderassen? Etwas, das die
Menschen geschaffen haben, und das nicht immer zum Guten der
Tiere. Auf seine Zuchterfolge muss der Mensch nicht besonders
stolz sein. Wir
müssen verhindern, dass immer mehr Tier- (und Pflanzen-)arten
aussterben und von diesem Planeten verschwinden. Aber die
Staffordshire Terrier sind keine selten gewordenen Blauwale, nicht
die letzten afrikanischen Berggorillas und keine Bartgeier, die mühsam
wieder angesiedelt werden müssen. Wenn
wir keine klassischen Kampfhunde mehr haben, dann geht uns nichts
von der Artenvielfalt unserer Natur verloren, sondern ein Problem
und zwar in erster Linie ein TierSCHUTZproblem. Und das wäre
nur erstrebenswert. (Ja, auch dann, wenn natürlich die kriminelle
Szene auf andere Rassen auszuweichen versuchen wird, und zwar mit
Erfolg, wie zu befürchten ist, vor allem, wenn das neue Problem
dann wieder nicht schon an der Wurzel <= Zucht> angepackt
werden sollte.) Und
das, auch wenn gerade der oft ausgesprochen wesensstarke und
kinderliebe Bullterrier oder auch andere Angehörige der
Kampfhunderassen natürlich auch zahlreiche gute Eigenschaften
besitzen: Wir brauchen
diese Hunde nicht! Aber
wir brauchen Hunde! Und das bitte ich gerade die Hundegegner in
diesen Zeiten nicht zu vergessen. Von den vielen Schosshunden, die
alte Menschen aus der Einsamkeit führen, und fröhlichen
Kinderkumpanen ganz zu schweigen, wir haben zahllosen Hunden
ständig - viel zu verdanken: Sie retten Erdbeben- oder
Lawinen-opfer, finden Sprengstoff, Drogen, Schimmelpilz und das
Loch in der Ölpipeline. Sie führen Blinde, beschützen Menschen,
hüten Tiere und jagen Verbrecher. Bitte denken Sie daran, wenn
Sie morgen einem Hund begegnen. Machen Sie einen Bogen
um ihn, wenn Sie keine Hunde mögen, oder grundsätzlich Angst vor
ihnen haben, aber pöbeln Sie bitte nicht seinen Besitzer an (auch
nicht, wenn er einen sogenannten Kampfhund an der Leine führt).
Es kann nicht angehen, dass sich Hundefreunde, vor allem mit großen
Tieren, nur noch bei Nacht und Nebel und mit schuldbewusst
gesenktem Blick in die Öffentlichkeit trauen. Und
es kann nicht angehen, dass sich nun eine regelrechte Hatz auf
alle Angehörigen bestimmter Rassen und Kreuzungen hochschaukelt: Es
darf kein einziger
unschuldiger und freundlicher Kampfhund getötet werden, nur
weil er einer Rasse angehört, die - in der Tat immer wieder für
Katastrophen und negative Schlagzeilen gesorgt hat. Die
Politiker wälzen das Problem auf die Tierheime ab und lassen sie
dann damit alleine auch mit den Kosten! Vor allem die Großstadttierheime
sind seit Jahren mit sogenannten Kampfhunden überfüllt und
konnten schon vor dem schrecklichen Vorfall und seinen
gesetzlichen Folgen selbst die gutmütigsten dieser Tiere kaum ans
neue Frauchen oder Herrchen bringen. Ein Vermittlungsstau, der die
gesamte Tierschutzarbeit nahezu lahmlegt. Wer sich einen Hund
anschaffen möchte, sollte daher bitte gerade in den schwierigen
Zeiten einem Tierheimschützling den Vorzug geben. Denn jedes
vermittelte Tier hilft den Tierschützern. Sie brauchen gerade
jetzt Platz und Zeit, um weiterhin für die freundlichen Vertreter
problematischer Rassen eine Lösung und im Idealfall ein gutes
Zuhause finden zu können. Und
noch ein Vergleich, der zwar auch nicht neu, aber doch, wie ich
finde, passend ist, zumindest zum Nachdenken anregt: Es gibt auch
aggressive und verantwortungslose Autofahrer, die kleine und große
Menschen totfahren, und trotzdem müssen nicht alle Autobesitzer
beweisen, dass von Ihnen keine Gefahr ausgeht, obwohl es bestimmt
auch hier Statistiken gibt und eine Handvoll einschlägiger
Marken, die sich leicht auf eine schwarze Liste setzen ließen.....
Was
können wir mit Herrchen gesucht zum Guten beitragen? Seit
einem Jahr kann sich unsere Redaktion vor Zuschriften zu unserem
heutigen Thema nicht mehr retten. Wir lesen jeden Brief und jede
e-mail, aber wir können wirklich beim besten Willen nicht alle
beantworten, zumal auch eine Antwort hier häufig länger dauert,
d.h. umfangreicher ist, als die dazugehörige Frage. Wir
nehmen uns jede Kritik und jede Anregung zu Herzen, wir denken über
alles nach. Nur, was in den vergangenen Monaten zum Thema
Kampfhunde bei uns einging, das hatte mitunter nichts mehr mit
Zuschauerpost zu tun, sondern mit gesteuerten unglaublich
aggressiven Anschuldigungen, oft so unsachlich, wie nicht einmal
die undifferenzierteste Landeshundeverordnung ist. Das erschreckt.
Und
daher sei an dieser Stelle gleich in weiser Voraussicht und aus
Erfahrung allen Kampfhundehaltern in Erinnerung gebracht: Nicht wir
haben diese Verordnungen gemacht. Nicht wir sind
verantwortlich für Maulkorb- und Leinenzwang, sondern die
Politiker. Wir können nur darüber berichten und aufzuklären
versuchen. Bei Kritik an unserer Berichterstattung sind wir die
richtige Adresse. Bei Kritik an den Verordnungen bitten wir doch,
sich an die entsprechenden Politiker zu wenden, die das ganze
zustande gebracht haben. Jedoch
kann ich wie übrigens kein geringerer als unser Bundespräsident
auch, wie er am Samstag bei einer Rede in Wiesbaden kundtat
die Verzweiflung, die Wut und das Gefühl der Ohnmacht vieler anständiger
Hundehalter sehr gut verstehen, deren geliebte Familienmitglieder
von heute auf morgen kriminalisiert werden und damit ja ihre
Menschen auch. Auf einmal ist ein langjähriges geliebtes und
immer liebenswertes Familienmitglied ein Stein des Anstosses,
etwas, das man am besten versteckt und mit dem man sich am besten
nur noch nachts oder im strömenden Regen oder am allerbesten,
wenn alles beides aufeinander trifft, ins Freie wagt.
Unsere Linie ist
daher:
Herrchen gesucht stellt
nach wie vor freundliche Kampfhunde weiter in unseren Sendungen
vor. Unter freundlich verstanden wir zugegebenermaßen früher
in der Hauptsache MENSCHENfreundlich. Heute engen wir den Begriff
weiter ein. Ein Terrier muss sich nicht mit Katzen verstehen, ein
Kampfhund muss sich von anderen Hunden nicht alles gefallen
lassen. Aber Hunde, die Artgenossen anfallen oder gar totbeißen,
Hunde, die über die Maßen aggressiv gegenüber anderen Hunden
sind, die werden wir nicht mehr vorstellen. Denn wir fühlen uns
dem Tierschutz in jeder Beziehung verpflichtet. Und das Opfer ist
uns immer noch wichtiger als der Täter. Die
beste Werbung, die wir für Bullterrier, Staffordshire Terrier und
Pitbull & Co. machen können, den größten Gefallen, den wir
ihnen tun, ist, immer wieder die liebenswerten Vertreter ohne
Anzeichen von Aggression zu präsentieren. Und wenn wir da mit
Ihrer Hilfe Woche für Woche oder eben auch einmal nur alle
zwei Wochen ein tolles Zuhause bei absolut
verantwortungsvollen Menschen finden, dann ist doch schon einiges
erreicht, oder? |
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