- Siegfried Winkel

                       

 

 

Seitenzahl: 8

Telefongebühren betragen pro Minute 1,21 Mark

 

Sendung vom 2. Juli 2001, 19.00 bis 19.30 Uhr im hessen fernsehen

 

 

 

Von echten und falschen Kampfhunden, vielen verschiedenen Verordnungen und dem Schwarzen Peter beim Tierschutz –

eine Streitschrift

 

von Claudia Ludwig, Fernsehjournalistin & Redakteurin von „Herrchen gesucht“

 

Für das, was am 26. Juni vergangenen Jahres in Hamburg geschehen ist, gibt es keine Entschuldigung. Auch ist verständlich, dass viele spätestens seit diesem Vorfall solch banale, wenn auch wahre Sätze wie „Man kann im Prinzip jeden kräftigen Hund zur gefährlichen Waffe machen“ oder „Der eigentliche Schuldige befindet sich am anderen Ende der Leine“ nicht mehr hören können. Denn das alles ist zwar vollkommen richtig, nutzt aber den Opfern, den schwerverletzten, mitunter lebenslang verunstalteten Menschen, die von Hunden angefallen oder, wie im Falle des Hamburger Erstklässlers, sogar totgebissen wurden, ausgesprochen wenig.

 

Es gab also Handlungsbedarf, und zwar nicht erst seit dem schwarzen Montag im

Juni 2000, sondern bereits seit vielen Jahren zuvor. Und so lange schon haben die Tierschützer selbst auf das Problem hingewiesen und die Katastrophe vorausgesagt.

Ständig, immer wieder, unermüdlich – und unerhört – leider im wahrsten Sinne des Wortes. Kaum ein Politiker oder Verantwortlicher interessierte sich damals für die Warnungen der Tierschützer. Die forderten nämlich schon seit Jahren ein Zuchtverbot und genaue Kontrollen darüber, wer einen zu den Kampfhunderassen gehörigen Hund besitzt und besitzen darf. (Die Tierschützer selbst kontrollieren ja sogar – unabhängig von Rasse oder Mischung - sämtliche ihrer Vermittlungen ganz genau und holen bei einem schlechten Eindruck ihre Schützlinge auch wieder zurück; also zumindest bei anständig arbeitenden Vereinen ist das so.)

 

So wie es in den USA durch die unkontrollierte Schusswaffenverbreitung immer wieder zu – mitunter leicht vermeidbaren – Blutbädern kommt, so werden bei uns, vor allem im kriminellen Milieu, abgerichtete Hunde bestimmter Rassen und Kreuzungen erfolgreich und folgenschwer als Waffe eingesetzt. Und so wie die Vereinigten Staaten dringend ein Waffengesetz  brauchen, brauchen wir eines, dass die Haltung und den Missbrauch gefährlicher Bestien verbietet. Das kann nämlich sowohl Menschen- als auch Tierleben schützen.

 

Das bedeutet aber auch, mutig im (kriminellen) Milieu einzugreifen, einen Hund, wie den Hamburger Killer, der samt seines Besitzers schon längst auffällig und z.B. mit Maulkorbzwang belegt worden war, dann auch einzuziehen. Stattdessen wurde nicht einmal das Tragen eines Maulkorbes kontrolliert! Und keiner sagte etwas, als Kampf-

hunde auf einem Schulhof (!) abgerichtet wurden. So etwas passiert nicht still und leise. Wo waren da die Anwohner, die später auf die Strasse gingen, um - zu Recht - gegen kriminellen Hundebesitz zu demonstrieren?

 

Was in Hamburg geschah, war ein Verbrechen, eine kriminelle Verantwortungslosigkeit und ein Akt der Gewalt, der nichts mit „normaler“ Hundehaltung zu tun hat. Am Jahrestag seines Todes wurde ein Baum an der Stelle gepflanzt, an der das Unglück geschah – in Gedenken an den kleinen Volkan – aber auch, um zu mahnen und daran zu erinnern, dass so etwas nie wieder passieren darf. Und das ist auch richtig so!

Und jetzt kommen wir zu den Konsequenzen:

Hysterie ist immer ein schlechter Ratgeber. Populismus erst recht. Und übereilte Verordnungen, jetzt auf einmal mit heißer Nadel gestrickt, nachdem die meisten Politiker und Behörden das Problem lange Zeit verschlafen haben, sind keine Lösung, sondern peinlich und unprofessionell. Ein Demonstrant trug vor dem Düsseldorfer Landtag ein Plakat mit der folgenden, wie ich finde, geradezu genialen Forderung: „Sachkundenachweis für Politiker!“– Wirklich tolle Idee! Das trifft das Problem genau. Was ist dem noch hinzuzufügen?

 

* Sinnvoll und langfristig effektiv ist es, ausnahmslos ein Zuchtverbot für die auffälligsten Rassen bzw. Kreuzungen durchzusetzen, natürlich in Kombination mit einem genauso strikten Einfuhrverbot für Pitbull, Staffordshire Terrier und Bullterrier. Aber auch alle gutmütigen Vertreter dieser Rassen sollten kastriert werden. Das Problem würde aussterben, auch wenn natürlich zu befürchten ist, dass sich Zuhälter, Dealer und Co. ziemlich schnell anderer Rassen bedienen werden!

 

* Notwendig ist es, dass wirklich aggressive Hunde, die Menschen oder andere Hunde grundlos übel zurichten oder gar totbeissen, eingeschläfert werden. Doch das haben die Tierschutzvereine auch vor dem 26.6. schon getan.

 

* Obligatorisch sollte darüber hinaus sein, möglichst alle Hunde, die zu den Kampfhunderassen gezählt werden, mit Mikrochip zu kennzeichnen, um bei Bedarf deren Halter in die Verantwortung nehmen sowie auf Aggressivität angelegte Züchtungen zurückverfolgen zu können. (Auch der Mikrochip ist natürlich gleichfalls bei allen anderen Hunden ausgesprochen sinnvoll.)

 

* Unsinnig ist es dagegen, alle Angehörigen von Rassen, die leicht und erfolgreich in reissende Bestien verwandelt werden können, über einen Kamm zu scheren und den unbescholtenen Haltern gutmütiger Tiere, die es nun einmal auch unter Pitbulls,

Staffordshire Terriern und Bullterriern gibt, und zwar nicht wenige, das Leben unnötig schwer zu machen. Es hilft mehr, endlich den kriminellen Hundehaltern an den Kragen zu gehen, als die harmlosen zu schikanieren.

Die charakterfesten Hunde, die nie eine Aggression gezeigt haben, sollen in Ruhe „zu Ende“ leben dürfen. Nur auf ihre Fortpflanzung sollten wir auf Grund der grossen Gefahr des Missbrauchs und der überfüllten Tierheime verzichten. (Das sollte man aus Tierschutz-Sicht ja grundsätzlich, also auch bei anderen Rassen, solange so viele Tiere noch ohne Zuhause sind...) Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang auch die überhöhte Hundesteuer für diese Tiere in keinster Weise hilfreich und sinnvoll. Aber das war ja bereits vor dem Juni 2000 vielerorts so.

 

Viele Freunde speziell von Bullterriern, Pitbulls & Co. protestieren gerade gegen diesen Punkt besonders engagiert und laufstark. Sie sind gegen ein Zuchtverbot, weil sie diese ihre Lieblingsrasse ja so ganz besonders niedlich finden. Und zwar finden sie häufig schlichtweg ALLE Angehörigen ihrer Lieblingsrasse(n) ausgesprochen und einfach nur süß. Eine ziemlich einfältige Einschätzung. Natürlich gibt es zahllose extrem nette und goldige Staffs, Pits und Bullis, Hunde, die keiner Fliege was zu Leide tun. Aber diese guten Eigenschaften ohne Differenzierung auf alle Angehörigen dieser Rassen oder Kreuzungen zu übertragen ist genau so falsch und verantwortungslos wie das Gegenteil zu vertreten. Also im Prinzip das gleiche wie alle diese Hunde über einen Kamm zu scheren und als gefährlich oder gar aggressiv einzustufen, so wie es landauf landab die verschiedenen Landeshundeverordnungen mehr oder weniger ausgeprägt tun.

 

Aber noch ein zweites Argument gegen ein Zuchtverbot verdient Kritik. „Wir möchten nicht, dass diese Tiere nicht mehr gezüchtet werden, weil wir sie so lieben,“ erklären diese „Hundefreunde“ und denken nicht dran, sich um die Hunderte von Pitbulls, Staffordshire (Bull)Terrier & Co. zu kümmern, die in unseren Tierheimen sitzen – nahezu völlig chancenlos was eine Vermittlung angeht. Nehmt sie doch alle, die 46 im Tierheim Frankfurt, die 15 im Tierheim Offenbach, die 56 im Tierheim Köln-Dellbrück, die 30 im Tierheim Bochum, die 18 im Tierheim Hanau, die 12 im Tierheim Dreieich, die in München, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig und Dresden, die unzähligen, die hinter Gitter mitunter immer mehr durchdrehen, so dass man fürchten muss, dass selbst die ursprünglich freundlichen unter ihnen irgendwann nicht mehr so freundlich sind. Das Tierheim tut diesen Hunden nicht gut. (Anderen natürlich in der Regel auch nicht, aber bei diesen Hunden ist das folgenschwerer.)

 

Wer will einmal zusammenzählen, wie viele es zwischen Flensburg und Berchtesgaden, zwischen Frankfurt an der Oder und Saarbrücken sind? Wer diese Hunde wirklich liebt, wer diesen Rassen und Kreuzungen etwas Gutes tun will, der produziert hier nicht noch Nachschub!  

 

Das nächste Argument für die Aufrechterhaltung der Zucht, ist das, das keine Rassen aussterben sollten. Doch hier verwechseln die Kampfhunde-Fans etwas, nämlich Tier- mit Artenschutz sowie Tierrassen mit -arten. Was sind denn die Hunderassen? Etwas, das die Menschen geschaffen haben, und das nicht immer zum Guten der Tiere. Auf seine Zuchterfolge muss der Mensch nicht besonders stolz sein.

 

Wir müssen verhindern, dass immer mehr Tier- (und Pflanzen-)arten aussterben und von diesem Planeten verschwinden. Aber die Staffordshire Terrier sind keine selten gewordenen Blauwale, nicht die letzten afrikanischen Berggorillas und keine Bartgeier, die mühsam wieder angesiedelt werden müssen.

 

Wenn wir keine klassischen Kampfhunde mehr haben, dann geht uns nichts von der Artenvielfalt unserer Natur verloren, sondern ein Problem – und zwar in erster Linie ein TierSCHUTZproblem. Und das wäre nur erstrebenswert. (Ja, auch dann, wenn natürlich die kriminelle Szene auf andere Rassen auszuweichen versuchen wird, und zwar mit Erfolg, wie zu befürchten ist, vor allem, wenn das neue Problem dann wieder nicht schon an der Wurzel <= Zucht> angepackt werden sollte.)

 

Und das, auch wenn gerade der – oft ausgesprochen wesensstarke und kinderliebe – Bullterrier oder auch andere Angehörige der Kampfhunderassen – natürlich auch zahlreiche gute Eigenschaften besitzen:  Wir brauchen diese Hunde nicht!

 

Aber wir brauchen Hunde! Und das bitte ich gerade die Hundegegner in diesen Zeiten nicht zu vergessen. Von den vielen Schosshunden, die alte Menschen aus der Einsamkeit führen, und fröhlichen Kinderkumpanen ganz zu schweigen, wir haben zahllosen Hunden – ständig - viel zu verdanken: Sie retten Erdbeben- oder Lawinen-opfer, finden Sprengstoff, Drogen, Schimmelpilz und das Loch in der Ölpipeline. Sie führen Blinde, beschützen Menschen, hüten Tiere und jagen Verbrecher. Bitte denken Sie daran, wenn Sie morgen einem Hund begegnen. Machen Sie einen

Bogen um ihn, wenn Sie keine Hunde mögen, oder grundsätzlich Angst vor ihnen haben, aber pöbeln Sie bitte nicht seinen Besitzer an (auch nicht, wenn er einen sogenannten Kampfhund an der Leine führt). Es kann nicht angehen, dass sich Hundefreunde, vor allem mit großen Tieren, nur noch bei Nacht und Nebel und mit schuldbewusst gesenktem Blick in die Öffentlichkeit trauen.

 

Und es kann nicht angehen, dass sich nun eine regelrechte Hatz auf alle Angehörigen bestimmter Rassen und Kreuzungen hochschaukelt: Es darf kein einziger unschuldiger und freundlicher Kampfhund getötet werden,

nur weil er einer Rasse angehört, die - in der Tat – immer wieder für Katastrophen und negative Schlagzeilen gesorgt hat.

 

Die Politiker wälzen das Problem auf die Tierheime ab und lassen sie dann damit alleine – auch mit den Kosten! Vor allem die Großstadttierheime sind seit Jahren mit sogenannten Kampfhunden überfüllt und konnten schon vor dem schrecklichen Vorfall und seinen gesetzlichen Folgen selbst die gutmütigsten dieser Tiere kaum ans neue Frauchen oder Herrchen bringen. Ein Vermittlungsstau, der die gesamte Tierschutzarbeit nahezu lahmlegt. Wer sich einen Hund anschaffen möchte, sollte daher bitte gerade in den schwierigen Zeiten einem Tierheimschützling den Vorzug geben. Denn jedes vermittelte Tier hilft den Tierschützern. Sie brauchen gerade jetzt Platz und Zeit, um weiterhin für die freundlichen Vertreter problematischer Rassen eine Lösung und im Idealfall ein gutes Zuhause finden zu können.

 

Und noch ein Vergleich, der zwar auch nicht neu, aber doch, wie ich finde, passend ist, zumindest zum Nachdenken anregt: Es gibt auch aggressive und verantwortungslose Autofahrer, die kleine und große Menschen totfahren, und trotzdem müssen nicht alle Autobesitzer beweisen, dass von Ihnen keine Gefahr ausgeht, obwohl es bestimmt auch hier Statistiken gibt und eine Handvoll einschlägiger Marken, die sich leicht auf eine schwarze Liste setzen ließen.....

 

 

Was können wir mit „Herrchen gesucht“ zum Guten beitragen?

 

Seit einem Jahr kann sich unsere Redaktion vor Zuschriften zu unserem heutigen Thema nicht mehr retten. Wir lesen jeden Brief und jede e-mail, aber wir können wirklich beim besten Willen nicht alle beantworten, zumal auch eine Antwort hier häufig länger dauert, d.h. umfangreicher ist, als die dazugehörige Frage.

 

Wir nehmen uns jede Kritik und jede Anregung zu Herzen, wir denken über alles nach. Nur, was in den vergangenen Monaten zum Thema Kampfhunde bei uns einging, das hatte mitunter nichts mehr mit Zuschauerpost zu tun, sondern mit gesteuerten unglaublich aggressiven Anschuldigungen, oft so unsachlich, wie nicht einmal die undifferenzierteste Landeshundeverordnung ist. Das erschreckt.

 

Und daher sei an dieser Stelle gleich in weiser Voraussicht und aus Erfahrung allen Kampfhundehaltern in Erinnerung gebracht: Nicht wir haben diese Verordnungen gemacht. Nicht wir sind verantwortlich für Maulkorb- und Leinenzwang, sondern die Politiker. Wir können nur darüber berichten und aufzuklären versuchen. Bei Kritik an unserer Berichterstattung sind wir die richtige Adresse. Bei Kritik an den Verordnungen bitten wir doch, sich an die entsprechenden Politiker zu wenden, die das ganze zustande gebracht haben.

Jedoch kann ich – wie übrigens kein geringerer als unser Bundespräsident auch, wie er am Samstag bei einer Rede in Wiesbaden kundtat – die Verzweiflung, die Wut und das Gefühl der Ohnmacht vieler anständiger Hundehalter sehr gut verstehen, deren geliebte Familienmitglieder von heute auf morgen kriminalisiert werden und damit ja ihre Menschen auch. Auf einmal ist ein langjähriges geliebtes und immer liebenswertes Familienmitglied ein Stein des Anstosses, etwas, das man am besten versteckt und mit dem man sich am besten nur noch nachts oder im strömenden Regen oder am allerbesten, wenn alles beides aufeinander trifft, ins Freie wagt.   

 

Unsere Linie ist daher: Herrchen gesucht stellt nach wie vor freundliche Kampfhunde weiter in unseren Sendungen vor. Unter „freundlich“ verstanden wir zugegebenermaßen früher in der Hauptsache MENSCHENfreundlich. Heute engen wir den Begriff weiter ein. Ein Terrier muss sich nicht mit Katzen verstehen, ein Kampfhund muss sich von anderen Hunden nicht alles gefallen lassen. Aber Hunde, die Artgenossen anfallen oder gar totbeißen, Hunde, die über die Maßen aggressiv gegenüber anderen Hunden sind, die werden wir nicht mehr vorstellen. Denn wir fühlen uns dem Tierschutz in jeder Beziehung verpflichtet. Und das Opfer ist uns immer noch wichtiger als der Täter.

 

Die beste Werbung, die wir für Bullterrier, Staffordshire Terrier und Pitbull & Co. machen können, den größten Gefallen, den wir ihnen tun, ist, immer wieder die liebenswerten Vertreter ohne Anzeichen von Aggression zu präsentieren. Und wenn wir da – mit Ihrer Hilfe – Woche für Woche oder eben auch einmal nur alle zwei Wochen – ein tolles Zuhause bei absolut verantwortungsvollen Menschen finden, dann ist doch schon einiges erreicht, oder?

 

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