-Geltorf

Abzockerei im hohen Norden

Rechtsanwalt

Volker Stück

Liebigstr. 6

34125 Kassel

RA Volker Stück, Liebigstr. 6, 34125 Kassel                                                                     Tel. 0561 - 874268

 

Gemeindevertreter der

Gemeinde Geltorf

Amtsverwaltung Haddyby

Rendsburgerstr. 54 c

 

24886 Busdorf

12. Oktober 2001

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Fax:  -

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Hundessteuersatzung Gemeinde Geltorf v. 07.08.2001 (Haddebyer Amtskurier Nr. 21, 5. JG)

Sehr geehrte Damen und Herren Gemeindevertreter,

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bahrenfuß,

nach Hunden verschiedener Rassen (Cocker-Spaniel, Deutscher Schäferhund, Dobermann) gehört seit ca. 5 Jahren ein wesensgetesteter und gutmütiger American Staffordshire Terrier zur Familie, für den selbstverständlich eine Halteerlaubnis vorliegt.

 

Mit größtem Befremden haben wir Ihre Hundesteuersatzung vom 07.08.2001 zur Kenntnis nehmen müssen, die mittlerweile dank der neuen Medien (Internet, e-mail) überregional bekannt geworden ist und die Aufmerksamkeit von Hunde-/Tierfreunden, - schützern und –rechtlern bundes-, europa- und weltweit gefunden hat.

 

Nach § 4 Abs. 2 Ihrer o.g. Hundesteuersatzung fallen für den ersten sog „Kampfhund“ jährlich 400 Euro (normaler Hund: 30,72 Euro) und für jeden weiteren 1000 Euro Hundsteuer (normaler Hund: 46,08 bzw. 61,32 Euro) an, wobei Sie als Kampfhunde unwiderleglich folgende Rassen ansehen:

Bullterrier, Pitbull-Terrier, Mastino Napolitano (gemeint soll wohl der Mastino Napoletano sein), Fila Brasileiro, Bordeaux Dogge, Mastino Espanol (gemeint soll wohl der Mastin Espanol sein), Staffordshire Bull Terrier, Dogo Argentino, Römischer Kampfhund, Chinesischer Kampfhund, Bandog und Tosa Inu (bundesweit gibt es ca. 20 –30 Exemplare!).

 

Als Bevollmächtigter von mehreren Antragstellern habe ich vor dem VGH Kassel das Normenkontrollverfahren gegen die sog KampfhundeVO vom 05.07.2001 (Hess GVBl I, S. 355 f.) sowie die GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde vom 15.08.2000 (Hess GVBl I, S. 411 ff.) geführt und den Beschluss vom 08.09.2000 – 11 NG 2500/00 – (= NVwZ 2000, 1438 ff.) sowie das Urteil vom 29.08.2001 – 11 N 2497/00 – (Veröffentlichung vorgesehen) erstritten.

 

Es darf wohl – was bereits die unzutreffende Schreibweise der Rassen zeigt - angenommen werden, dass Sie vor Erlass Ihrer Hundesteuersatzung weder auf sachverständigen kynologischen (Wissenschaft über Hunde) noch rechtswissenschaftlichen Rat zurückgegriffen haben, sondern sich als primärer Erkenntnisquelle der Bildzeitung bzw. populistischer Vorurteile bedienten. Da ich mit der Materie intensiv befasst bin und mir sehr an einer natur- und rechtswissenschaftlichen Versachlichung des Themas „Kampfhund“ gelegen ist, erlaube ich mir folgende Anmerkungen zu Ihrer Satzung:

 

I.

 

Ihre Hundesteuersatzung widerspricht in § 4 Abs. 2 (Kampfhundesteuer die o.g. Rassen) allen naturwissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen, die auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden haben:

 

Es entspricht einhelliger Auffassung sämtlicher namhaften Experten des In- und Auslands aus Kynologie, Ethologie (Verhaltenskunde), Zoologie, (Tier-)Genetik als auch Hundexperten bei Polizei, Zoll, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr, dass es keine Hunderasse gibt, die von Natur aus gefährlich ist. Die Gefährlichkeit eines Hundes kann nicht nach Rassezugehörigkeit beurteilt werden, sondern nur individuell. Es kommt entscheidend auf den Menschen an, was aus dem Hund wird (vgl. statt aller: Landestierärztekammer Hessen unter www.ltk-hessen.de).

 

Folgerichtig kommt Ihr OVG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 29.05.2001 – 4 K 8/00 – zu folgendem Ergebnis (unter I. der Gründe):

„Insgesamt lässt sich den ethologischen und zoologischen Fachveröffentlichungen als nahezu einhellige Auffassung entnehmen, dass die Zugehörigkeit zu einer Rasse nicht gleichbedeutend ist mit der Gefährlichkeit eines Hundes.....Keine der Rassen ist aber von sich aus gefährlich, sondern vielmehr nur das Hundeindividuum, das über Rassegrenzen hinweg Verhaltensweisen entwickelt, die Gefahren für die Menschen und andere Tiere in sich bergen.....Danach ist es wissenschaftlich unhaltbar, alle Individuen einer Rasse aufgrund verallgemeinernder Beurteilung als gefährlich einzustufen, eine Wertung, der sich der Senat ohne Einschränkung anschließt (siehe auch Feddersen-Petersen, Stellungnahme zum Entwurf der Neufassung der schleswig-holsteinischen HundeVO (v. 07.07.1993) v. 19.06.2000, S. 1; Eichelberg, „Kampfhunde“ ? gefährliche Hunde ?, Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.V.- Neue wissenschaftliche Gutachten, 5. Aufl. 2000, S. 8). Dies schließt es aus, allein aus der Rassezugehörigkeit eines Hundes zugleich zwingend dessen Gefährlichkeit herzuleiten (so auch Urteil des VGH Mannheim v. 26.04.1999 – 1 S 2214/98-, NVwZ 1999, 1016, 1018). Die Rassezugehörigkeit kann nicht als taugliches Differenzierungskriterium im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG angesehen werden, da sie keine sachgerechte Anknüpfung für die Gefährlichkeit des Tieres bietet und damit die Auswahl der Hunde anhand der Rasseliste für den hier mit den Verordnungsbestimmungen verfolgten Zweck der Gefahrenabwehr nicht geeignet ist.“

Auch alle bekannten Statistiken weisen nicht die sog. „Kampfhunderassen“ als die wahren Beißer aus (Hamann in Deutsche Verwaltungspraxis 1998, S. 481, NVwZ 1999, S. 964 sowie NVwZ 2000, S. 894, Kampfhunde-Gefährliche Hunde (Hrsg.: VDH e.V., 5. Aufl. 2000), S. 29 f. m.w.N.).

II.

 

Die von Ihnen gelisteten Rassen „Bandog“, „Römischer Kampfhund“ und „Chinesischer Kampfhund“ sind im übrigen unbekannt bzw. nicht existent. Sie werden keinen einzigen Tierarzt oder Wissenschaftler finden, der einen derartigen Hund jemals gesehen hat oder identifizieren könnte. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir die Rasse-/Erkennungsmerkmale bzw. Standards dieser Hunde zukommen ließen, nach denen Sie diese Rassen feststellen oder erkennen wollen.

 

Offenbar und bedauerlicherweise ließen Sie sich beim Satzungserlass mehr von vorschnellen populistischen Vorurteilen als von wissenschaftlich gesicherten Fakten leiten ließen. Wie bemerkte schon der französischen Dichter Alphonse de Lamertine (1790 - 1869): „Je mehr ich von den Vertretern des Volkes sehe, desto mehr bewundere ich meine Hunde“.

 

III.

 

Eine nach Rassen vorgenommene Differenzierung ist deshalb sachwidrig und willkürlich im Sinne des Art. 3 I GG (vgl. nur zivilrechtlich: Amtsgericht Hattingen vom 01.08.1991 - 7 C 115/91 -; für Gefahrenabwehrverordnungen: VGH Mannheim vom 18.08.1992 - 1 S 2550/91 - in NVwZ 1992, S. 1105 = VBlBW 1993, S. 99, mit zust. Anm. Hamann in NVwZ 1993, S. 250; OVG Bremen vom 06.10.1992 - 1 N 1/92 - in DÖV 1993, S. 576; OVG Saarlouis vom 01.02.1993 - 3 N 3/93 - in Amtlichen Sammlung der OVG Rheinland Pfalz und Saarland, Bd. 24, S. 412 - 426 sowie Juris; VGH Mannheim vom 26.04.1999 - 1 S 2214/98 - in NVwZ 1999, S. 1016 = Unser Rassehund 1999, S. 5 ff; VGH Kassel vom 08.09.00 - 11 NG 2500/00 – in NVwZ 2000, 1438 sowie 29.08.2001 – 11 NG 2497/00 -; OVG Bremen vom 26.09.00 - 1 B 291/00 – in NVwZ 2000, 1435; VG Frankfurt Oder vom 09.10.2000 - 1 L 781/00 -; OVG Schleswig Holstein vom 29.05.2001 – 4 K 8/00 –; für Hundesteuersatzungen: VG Hamburg vom 24.11.1992 - 17 VG 315/92 -; VG Hamburg vom 24.11.1992 - 17 VG 2854/92 -; VG Koblenz  vom 15.11.1994 - 2 K 1930/94. KO -;; OVG Magdeburg vom 18.03.1998 - A 2 S 31/96 -in NVwZ 1999, 321; VG Mainz vom 30.11.1999 - 3 K 1786/98 MZ -, VG Osnabrück vom 13.06.2000 - 1 A 90/98; Literatur: Hamann in Deutsche Verwaltungspraxis 1992, S. 14; NVwZ 1992, S. 1067; Deutsche Verwaltungspraxis 1998, S. 481, NVwZ 1999, S. 964 sowie NVwZ 2000, S. 894m.w.N.).

 

Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass mit Steuern ein sog. Lenkungszweck verfolgt werden darf. Dieser besteht in Ihrer Gemeinde jedoch nicht in einer Einschränkung der Hundehaltung an sich bzw. generell, sondern in einer Zurückdrängung von gefährlichen Hunden wie sich aus § 4 Abs. 2 Satz 2 ergibt. An dieser Stelle möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich die Zurückdrängung bzw. Bekämpfung tatsächlich gefährlicher Hunde billige, die pauschale (und wissenschaftliche widerlegte) Anknüpfung von Merkmalen an eine Rassezugehörigkeit - auch aus Gründen der jüngeren deutschen Geschichte - nicht akzeptieren kann und möchte. Dieser Lenkungszweck kann hier nicht gegeben sein oder verfolgt werden:

 

Dies ergibt sich ohne weiteres aus den vorstehenden Ausführungen: Wenn sog. Kampfhunde nach allen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Statistiken sowie dem Urteil des OVG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 29.05.2001 – 4 K 8/00 – nicht gefährlicher sind als andere Hunde (gleicher Größe, Sprungkraft, Gewichts etc.), was soll dann hier objektiv noch gelenkt werden (abgesehen von populistischer Stimmungsmache in der Bevölkerung selbstverständlich) ?

 

III.

 

Verfehlt ist schließlich der Rückgriff auf das Urteil des BVerwG vom 19.01.2000 - 11 C.8.99 (JuS 2001, 92 = NVwZ 2000, 929 = DÖV 2000, 554 = VR 2001, ) - aus mehreren Gründen:

 

·       Das VG Osnabrück vom 13.06.2000 - 1 A 90/98 - hat die Entscheidung des BverwG mit überzeugender Begründung aus den vorstehenden Gründen abgelehnt. Die Entscheidung können Sie anfordern beim VG Osnabrück, Hakenstr. 15, 49074 Osnabrück.

 

·       Das BVerwG hatte einen (nur) 8 fach höheren Steuersatz für sog. Kampfhunde (90 zu 720 DM) zu beurteilen. Ihre Steuersatzung ist jedoch für einen „Erstkampfhund“ um 13 x erhöht (30,72 Euro zu 400 Euro), für den „Zeitkampfhund“ um 21,7 x (46,08 zu 1000 Euro) und für den „Drittkampfhund“ um 16,3 x (61,32 zu 1000 Euro). Hier liegt es nahe, eine erdrosselnde Wirkung anzunehmen, die die Nichtigkeit zur Folge hat.

 

·       Das Urteil des BVerwG beruht auf einer unzutreffenden und sinnentstellenden Wiedergabe der renommierten Sachverständigengutachten Frau Dr. Eichelbergs sowie Frau Dr. Feddersen Petersen, weshalb sich diese an den Präsidenten des BVerwG gewandt haben und die unzutreffende Wertung ihrer Gutachten beklagten. Wäre das Gericht von einer zutreffenden Wertung der Gutachten ausgegangen, so wäre die Entscheidung anders ausgefallen.

 

In dem Schreiben Frau Dr. Feddersen-Petersen vom 02.01.2001 heißt es wörtlich:

Es gibt keine „gefährlichen Hunderassen“, (weder nach Beißvorfällen noch wissenschaftlichen Erkenntnissen - ethologisch, tierzüchterisch, molekulargenetisch - folgen diese Benennungen seriösen, nachvollziehbaren Kriterien) - es gibt gefährliche Hundeindividuen.“

 

In dem Schreiben Frau Dr. Helga Eichelbergs vom 08.11.2000 an den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts heißt es:

„Das aus dem Zusammenhang genommene Zitat erweckt den Anschein, als befürworte ich die Auflistung von Rassen, die insgesamt und a priori ein Gefahrenpotential darstellen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Aus zoologischer Sicht weise ich noch einmal darauf hin, daß allein die Rassezugehörigkeit eines Hundes keinerlei Aussagen über seine individuelle Gefährlichkeit zuläßt. Dieser Standpunkt ist meinem Gutachten (Anmerkung des Unterzeichners: Hierbei handelt es sich um die Broschüre des VDH „Kampfhunde-Gefährliche Hunde“ Auflage 1999) unschwer zu entnehmen und ich verwahre mich ausdrücklich gegen die Art und Weise, wie hier mit Zitaten umgegangen wird.“

 

·       Schließlich erging die Entscheidung zu einer Steuersatzung der Stadt Rosslau/Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1994. Zu dieser Zeit war die kynologische, ethologische, zoologische, genetische  Wissenschaft als auch die Statistik noch nicht auf dem heutigen Stand, was in der Entscheidung anklingt, wenn es dort heißt:

Jedenfalls aus der zeitlichen Sicht des Satzungserlasses der Beklagten im November 1994 handelt es sich um einen komplexen und noch in mancher Hinsicht nicht endgültig geklärten Sachverhalt. In einer solchen Situation ist es vertretbar, dem Satzungsgeber angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen einzuräumen... Die Beklagte war folglich befugt, eine in gewisser Weise experimentelle Regelung zu treffen“.

 

Derartige experimentelle Regelungen des Gesetz-/Verordnungsgebers sind m.E. grundsätzlich bedenklich und abzulehnen. Nachdem heute aber alle renommierten Experten und Tierarztverbände/-fachausschüsse und das OVG Schleswig Holstein eine Anknüpfung der Gefährdungsbeurteilung an die Rassezugehörigkeit ablehnen (siehe oben unter I.), wäre auf dem Stand der heutigen Sach- und Rechtslage mit einer anderen Entscheidung zu rechnen.

 

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit den oben genannten Gesichtspunkten näher auseinandersetzen würden.

 

Schließen möchte ich mit einem Zitat des deutschen Denkers, Dichters, Juristen und an sich Hundehassers Goethe: „Dem Hunde wenn er gut erzogen, wird selbst ein weiser Mann gewogen“.

Ich hoffe in diesem Sinne, dass es Ihrer Gemeinde noch genug weise Männer (und Frauen!) gibt, die bereit sind, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.

 

Mit freundlichen Grüßen

Volker Stück

[Rechtsanwalt]

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