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Rechtsanwalt Volker
Stück Liebigstr. 6 34125 Kassel RA Volker Stück, Liebigstr. 6, 34125 Kassel Tel. 0561 - 874268 Offener Brief Ministerium des Inneren Sachsen Anhalt Herrn Minister Dr. Manfred Püchel Halberstädter Str. 2 39112 MAGDEBURG 27.
Oktober 2001 volker/chico/politik/innenmin-doc. Fax: 0391 - 567 5519 [Ihre Zeichen/Ihre Nachricht vom] [Mein Zeichen/Meine Nachricht vom] Telefon (08.00 - 17.00 Mo. - Fr.) TierschG 05631 - 58 14 32 Änderung
der TierschG - Euthanasie von Tierheimhunden Sehr
geehrter Dr. Püchel, ich
wende mich an Sie, z.Z. Leiter der Innenministerkonferenz, als
Hunde-/Tierfreund, der erfahren hat, dass es Forderungen des
Deutschen Städtetages (Präsident z.Z. Hajo Hoffmann/OB Saarbrücken;
Vizepräsidentin OB Petra Roth/Frankfurt a.M.) geben soll, dass
Tierschutzgesetz mit dem Ziel zu ändern, (Kampf-)Hunde, die nach 6
Monaten noch nicht vermittelt wurden, zu euthanasieren, wobei
ich mich von diesem Euphemismus distanziere. Ich
darf Sie zunächst bitten, diese Meldung bzw. Absicht zu bestätigen
oder zu dementieren. Im ersten Fall bitte ich darum, mir den
entsprechenden Antrag zur Verfügung zu stellen bzw. die Fundstelle
oder Bezugsquelle anzugeben. Sollte
es eine derartige Forderung tatsächlich geben, empfinde ich das als
äußerst perfide und rechtlich bedenklich. Im einzelnen: ·
Mit
Ausnahme Thürigens haben alle Länder sog. (Kampf-)HundeVO
erlassen, die nach einhelliger Auffassung der Experten aus Kynologie,
Ethologie, Zoologie, Tiergenetik, der praktischen Tierärzte (vgl.
nur Landestierärztekammer Hessen unter www.ltk-hessen.de)
aber auch der unter Verschluss gehaltenen Resolution der
Diensthundeexperten der 16 Bundesländer, Bundesgrenzschutz, Zoll
und Bundeswehr, jeder sachlichen Grundlage entbehren, da sie die Gefährlichkeit
eines Hundes an seine Rassezugehörigkeit knüpfen. Der Arbeitskreis
Diensthundewesen kommt in seiner Resolution vom 29.09.2000
einstimmig zur Einschätzung: Es ist fachlich nicht
vertretbar, die Gefährlichkeit von Hunden mit ihrer Rassezugehörigkeit
zu verbinden. Sie muss vielmehr individuell und verhaltensorientiert
definiert werden. Es gibt nachweislich keine gesteigert gefährliche
Hunderasse, sondern unabhängig von Rassen gefährliche Hunde. Diese
Aussage ergibt sich aus allen fachpraktischen Erfahrungen und
Kenntnissen, aus bisherigen gezielten Überprüfungen bestimmter
Rassen und allen bekannten wissenschaftlichen Aussagen. ·
Die Haltung von Hunden,
die kraft exekutiver Eingebung - wissenschaftlicher Sachverstand
wurde vorher nicht eingeholt bzw. ignoriert - allein aufgrund ihrer
Rassezugehörigkeit als gefährlich deklariert wurden, wurde
massiven und grundrechtsrelevanten Restriktionen unterworfen, z.B.
Sachkundenachweis, Wesenstest, persönliche Zuverlässigkeit,
Ausschilderung von Wohnung/Grundstück, Unfruchtbarmachung,
Einfuhrverbot, Erlaubnisvorbehalte, Haltungsverbote, Einschränkung
des Art. 13 GG etc. Deshalb wurden die VO zum Teil für nichtig erklärt
(Gefahrenabwehrverordnungsentscheidungen: VGH
Mannheim vom 18.08.1992 - 1 S 2550/91 - in NVwZ 1992, S. 1105 =
VBlBW 1993, S. 99, mit zust. Anm. Hamann
in NVwZ 1993, S. 250; OVG
Bremen vom 06.10.1992 - 1 N 1/92 - in DÖV 1993, S. 576; OVG
Saarlouis vom 01.02.1993 - 3 N 3/93 - in Amtlichen Sammlung der
OVG Rheinland Pfalz und Saarland, Bd. 24, S. 412 - 426 = NuR 1993,
1993, S. 168 sowie Juris; VGH
Mannheim vom 26.04.1999 - 1 S 2214/98 - in NVwZ 1999, S. 1016 =
Unser Rassehund 1999, S. 5 ff; VGH
Kassel vom 08.09.00 - 11 NG 2500/00 in NVwZ 2000, 1438; OVG
Bremen vom 26.09.00 - 1 B 291/00 in NVwZ 2000, 1435; VG
Frankfurt Oder vom 09.10.2000 - 1 L 781/00 -; OVG Schleswig Holstein vom 29.05.2001 4 K 8/00 -, OVG
Lüneburg vom 30.05.2001 11 K 2877/00 -, VGH
Kassel vom 29.08.2001 11 N 2497/00 -). ·
Die Haltung dieser
Hunde wurde ferner erheblich verteuert, z.B. durch die Kosten für
Wesenstest (ca. 250,-- DM), Sachkundeprüfung (ca. 250,-- DM),
Erlaubniserteilung (ca. 250,-- DM), Unfruchtbarmachung, Chip (ca.
50,-- DM), Sicherung des Grundstücks und nicht zuletzt durch sog.
Kampfhundesteuern, die zwischen 800,-- und 1.500,-- DM betragen.
Hundesteuersatzung wurden ebenfalls zum Teil von den Gerichten
verworfen (Hundesteuersatzungen: VG
Hamburg vom 24.11.1992 - 17 VG 315/92 -; VG Hamburg vom 24.11.1992 - 17 VG 2854/92 -; VG Koblenz vom
15.11.1994 - 2 K 1930/94. KO -;; OVG
Magdeburg vom 18.03.1998 - A 2 S 31/96 -in
NVwZ 1999, 321; VG Mainz vom
30.11.1999 - 3 K 1786/98 MZ; VG
Osnabrück vom 13.06.2000
- 1 A 90/98 -; Hamann, NVwZ 2000, 895; Seitz,
JZ 2000, 949 ff.). ·
Hinzu kommt die massive
Vergiftung des öffentlichen Klimas durch pauschale Hetz- und
Hasstiraden gegen die Halter solcher Hunde: In der Bundestagsdebatte
vom 30.06.2000 musste ich mir zum Beispiel anhören, unter Imponiergehabe,
Aggressionslust, Kompensationsbedarf bei Ich-Schäche und
Verantwortungslosigkeit (so der ehem. Kollege RA Schily anlässlich
der Kamphunddebatte) oder an Persönlichkeitsproblemen
zu leiden. Frau Duden (MdB Hamburg/SPD) sah sich gar veranlasst, in
der Bildzeitung vom 28.06.2000, S. 4 zur gesellschaftlichen
Ächtung aufzurufen, die Kampfhundehalter erfahren sollten.
Halter dieser Hunde wurden in einer Art und Weise diskriminiert, die
ich mir nicht hätte vorstellen können, hätte ich es nicht selbst
erlebt. Fast scheint es, als wäre das finstere Zeitalter zurückgekehrt:
Diese Hunde und ihre Halter sind a priori (unwiderleglich) gefährlich
- und die Erde ist eine Scheibe ! Die Auseinandersetzung zwischen
Wissenschaft einerseits und Auffassung der Herrschenden
andererseits scheint wieder aufzuleben. Wer letzten Endes gewonnen
hat, ist bekannt. ·
Begleitet wurde all
dies von einem sprichwörtlich scharfen - politisch erwünschten
- Vorgehen der Behörden und Polizei gegen fast ausnahmslos
unscharfe Hunde und Besitzer, die nicht dem Rotlicht-Milieu
zugehören. Folge
dieser beispiellosen legislativen, exekutiven und medialen Exzesse
war, dass sich viele Hundehalter von ihren bis dato völlig unauffälligen
Hunden (unfreiwillig) trennen mussten, weil sie die rechtlichen
Voraussetzungen nicht erfüllen konnten, nicht über die nötigen
finanziellen Mittel verfügten, dem öffentlichen Druck, den
permanenten Anfeindungen nicht mehr gewachsen waren, eine Kündigung
des Mietverhältnisses drohte, falls der Hund nicht abgeschafft würde
etc. Aus eben diesen Gründen stehen auch die Chancen dieser Hunde
auf Vermittlung aus den Tierheimen schlecht. Viele
dieser unauffälligen und unschuldigen Hunde, die nur der
falschen Rasse angehörten bzw. einen entsprechenden Phänotyp
aufwiesen, wurden deshalb in Tierheimen abgegeben. Entgegen den
Erwartungen der populistischer Politiker und Medien fanden die Hunde
dort aber überwiegend eine liebevolle Betreuung und bestanden die
durchgeführten Wesenstests mit sehr hohen Erfolgsquoten (so z.B.
Herr Poggendorf für die Hamburger Tierheime), was die Annahme
unserer politischen und exekutiven Spitzen Lügen straft und die
Ergebnisse der vorgenannten Wissenschaftler bestätigt. Aber die
Erde ist ja eine Scheibe ! Ein
gesunder und wesensgetesteter Hund kann und darf nach dem geltenden
TierschG nicht straffrei getötet werden und es wird sich kein
verantwortungsbewusster und seinem Berufsethos verpflichteter
Tierarzt finden, der einen derartigen Hund einschläfern wird. Die
deutschen Tierärzte und ihre Standesorganisationen haben
dankenswerterweise mehrfach darauf hingewiesen, dass sie sich nicht zum
Erfüllungsgehilfen jahrelanger politischer Versäumnisse machen
und entgegen ihrem Auftrag als berufener Schützer der Tiere wahllos
und massenhaft Hunde einschläfern, weil diese einer bestimmten
Rasse angehören oder aufgrund politisch-populistischer
Entscheidungen schwer vermittelbar sind (Präs. der Deutschen Tierärztekammer
Prof. Dr. Günter Pschorn in einer Stellungnahme vom 15.11.2000).
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Jetzt
stehen Legislative und Exekutive vor den Trümmern ihres eigenen
blindwütigen Schaffens. Sie haben die Schaffung der derzeitigen
Situation selbst herbeigeführt und wissen jetzt nicht, wie sie ihr
und den Kosten Herr werden sollen ! Also will man offenbar das
TierschG ändern, um die Geister, die man rief, wieder los zu
werden. In
Anbetracht der Tatsache, dass § 90 a BGB geändert wurde (Tiere
sind keine Sachen mehr) und eine sehr zu begrüßende Einführung
des Tierschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz diskutiert wird,
kann eine derartige Änderung, d.h. die Legalisierung der Tötung
von Hunden nach 6 Monaten Tierheimaufenthalt, nur als perfide und in
höchstem Maße unchristliche Absicht, allein motiviert aus
fiskalischen Interessen, angesehen werden. Eine
derartige Absicht, sollte sie existieren, wird sicher auf massiven
öffentlichen und rechtlichen Widerstand stoßen und wirft ein
bezeichnendes Bild auf Ethik und Geist ihrer Urheber und aller, die
sich an der Umsetzung beteiligen. Schließen möchte ich in diesem
Sinne deshalb mit zwei Zitaten, die Ihnen hoffentlich Anlas zum
Nach- und Umdenken geben werden: Leo
Tolstoi: Vom Tiermord zum
Menschenmord ist nur ein Schritt und damit auch von der Tierquälerei
zur Menschenquälerei. Berthold
Auerbach: Der untrüglichste
Gradmesser für die Herzensbildung der Menschen ist, wie sie die
Tiere betrachten und behandeln. In
Erwartung Ihrer Stellungnahme verbleibe ich mit
freundlichen Grüßen Volker
Stück [Rechtsanwalt] Anlage(n):
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