Rechtsanwalt

Volker Stück

Liebigstr. 6

34125 Kassel

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Volker Stück, Liebigstr. 6, 34125 Kassel                                              

 

Abgeordnetenhaus Berlin

- Ausschuß für Gesundheit, Soziales und

Migration -

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10 111 BERLIN - MITTE

10. März 2001

volker/chico/politik/gutacht-doc.

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Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin - Stellungnahme

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

zur Ausschußsitzung am Donnerstag, dem 22.03.2001, 14.00 Uhr Tagesordnungspunkte

 

1.    Vorlage Gesetz über das Halten und führen von Hunden in Berlin - Drs 14/618 - (unter B.)

2.    Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die grünen über das Gesetz zur Reduzierung von Gefahren durch Hunde in der Stadt - Drs 14/265 - (unter C.)

 

möchte ich vorab folgende Stellungnahme / Kurzgutachten abgeben:

 

A.

 

Zur Person:

 

RA Volker Stück, geboren am 17.03.1976 in Eschwege, keiner Partei zugehörig. Zur Zeit beruflich tätig als Leiter Personalbetreuung und -entwicklung eines Werkes mit ca. 3.200 Mitarbeitern eines weltweit tätigen deutschen Konzerns. Diverse Veröffentlichungen, überwiegend zu arbeits-/sozialrechtlichen Themen, so z.B. JuS 1996, 153 ff.; JuS 1999, 275 ff.; MDR 1999, 1483 ff.; MDR 2000, 376 ff.; NZA 2000, 749 ff.; MDR 2000, 1053 ff.; PersonalProfi 2001, Heft 1, 26 ff.

 

Aufgewachsen von klein auf mit Hunden - in chronologischer Reihenfolge - der Rassen Cocker Spaniel „Tessie“, Deutscher Schäferhund „Senta“, Dobermann „Freya“, z.Z. American Staffordshire Terrier „Chico“ (5 Jahre), dessen Halter mein Vater Günter Stück (63, weiterer aufsichtführender Richter am Amtsgericht Eschwege, Träger des Ehrenbriefes des Landes Hessen) ist. Zum „Hunderecht“ gekommen durch persönliche Betroffenheit und Diskriminierung, aufgrund meiner (nicht nur juristischen) Ausbildung und meines rechtsstaatlichen, ethischen sowie gesellschaftlichen Verständnisses sowie des daraus sich zwangsläufig ergebenden Engagements.

 

Verfahrensbevollmächtiger 23 Antragsteller verschiedenster Rassen im Pilot - Normenkontrollverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Kassel) gegen die sog. Kampfhunde VO vom 05.07.00 (GVBl Hessen, Teil I, S. 355 ff.) sowie deren Nachfolgeregelung, die GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde vom 15.08.00 (GVBl Hessen, Teil I, S. 411 ff.), AZ - 11 NG 2500/00 (einstweiliger Rechtsschutz) - mit Beschluß des HessVGH vom 08.09.00 sowie 11 NG 2497/00 (Hauptsache) -. Eine Entscheidung in der Hauptsache wird für das 2. Quartal 2001 erwartet.

 

 

B.

 

Zur Drucksache 14/618 - Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin (Regierungsentwurf vom 05.09.2000):

 

Bedenken und Anmerkungen habe ich zu folgende Bestimmungen des vorliegenden Gesetzentwurfes:

 

§ 1 Abs. 4 (Anzahl zu führender Hunde):

Das gleichzeitige Führen von bis zu 3 Hunden (Satz 1) durch eine Person erscheint mir bei großen und kräftigen Hunden - egal welcher Rasse - bedenklich. Ebenso verfehlt erscheint die Verknüpfung Alter - Hundeanzahl in Satz 2. Für eine effektive Gefahrenabwehr sind m.E. allein zwei Kriterien maßgebend, an die angeknüpft werden sollte:

·       Kontrollier-/Beherrschbarkeit der Hunde

·       Autorität sowie körperliche Verfassung des Hundeführers.

 

§ 3 Abs. 1 (Generelle Leinenpflicht):

Nach den bekannten kynologischen Erkenntnissen können Hunde Verhaltensstörungen erleiden, wenn ihr Bewegungsbedürfnis und sozialer Austausch mit Artgenossen ge-/verhindert wird, wobei der Schutz der Öffentlichkeit keinesfalls verkannt wird. Ein genereller Leinenzwang wäre m.E. unabdingbar zu verbinden mit einer entsprechenden Anzahl von - ausreichend großen, flächendeckend vorhandenen und erreichbaren - ausgewiesenen Hundeauslaufgebieten.

 

§ 3 Abs. 2 Ziff. 3 (Besondere Leinenpflicht - Veranstaltungen):

Da auch Hundeausstellungen etc. zu den öffentlichen Versammlungen usw. hierunter fallen, wäre hierfür eine Ausnahme zuzulassen.

 

§ 3 Abs. 2 Ziff. 4 (Besondere Leinenpflicht - öffentliche Verkehrmittel):

Die Bestimmung ist nicht zu beanstanden. Da Verkehrsbetriebe (ÖPNV) dazu übergegangen sind, bestimmte Hunde(-rassen,-größen) von der Beförderung generell auszuschließen, ist es m.E. anzustreben, eine gesetzliche Beförderungspflicht auch für Hunde (vgl. § 22 PBefG) aufzustellen, die von Bedingungen wie Leinenpflicht und Tragen eines Beißschutzhemmnisses abhängig gemacht werden könnte. Gerade in Großstädten besteht hierzu besondere Veranlassung. Anders können Personen, die über keinen eigenen Pkw verfügen und Taxen nicht in Anspruch nehmen können, keine Hundeauslaufgebiete, den Tierarzt etc. erreichen.

 

§ 4 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz (Privilegierung Schutzhunde):

M.E. ist kein Grund ersichtlich, warum die Ausbildung zum Schutzdienst nicht als Ausbildung i.S.d. 1. HS anzusehen wäre. In dieser Ausbildung wird „(Mann-)Schärfe“ regelmäßig trainiert, weshalb die Privilegierung an dieser Stelle ungerechtfertigt erscheint. Auch oder gerade diese Hunde sollten als gefährliche Hunde gelten. Eine Privilegierung kann später für Einsatzzwecke vorgenommen werden, wie in § 13 erfolgt, wobei hier - richtigerweise - keine Unterscheidung zwischen Hunden im „öffentlichen Dienst“ und der Privatwirtschaft gemacht wurde.

 

§ 4 Abs. 2 (Gefährliche Hunde - Rasseliste):

Hauptkritikpunkt ist die pauschale Festschreibung 12 bestimmter Rassen als - offensichtlich unwiderlegbar - gefährlich, wovon 5 Rassen einen besonderen Status haben, und die daran anknüpfenden negativen Rechtsfolgen. Diese Rassefestlegung/-differenzierung entbehrt - nach neuestem Stand - einer tiergenetisch, ethologisch, kynologisch oder tatsächlich gesicherten Grundlage. Auch die bekannten Beißstatistiken weisen andere Hunde als gefährlich aus. Die vorgenommene Einteilung entspricht vielmehr einem von den Medien entfachten Bild der öffentlichen Meinung, dem leider viele Politiker meinen, entsprechen zu müssen. Polizeirechtlich handelt es sich um eine sog. Putativgefahr, die kein (rechtmäßiges) Einschreiten rechtfertigt.

 

Es entspricht gesicherter kynologischer Erkenntnis der anerkannten Experten, daß es keine Hunderasse gibt, die von Natur aus oder genetisch aggressiv und kämpferisch veranlagt ist. Der Hund ist - wie der Mensch auch - ein soziales Wesen und im wesentlichen vom Sozialisationsprozess geprägt. Es kommt mithin auf den Halter an, was aus einem Hund wird.

 

Beweis:           1. Sachverständigengutachten der Fr. Dr. Helga Eichelberg, Zoologisches Institut der Universität Bonn, Poppelsdorfer Schloß, Bonn.

                        2. Sachverständigengutachten der Fr. Dr. Dorit Urd Feddersen Petersen, Fachtierärztin für Verhaltenskunde, Institut für Haustierkunde der Christian Albrecht Universität Kiel, Olshausenstr. 40, 24118 Kiel.

                        3. Sachverständigengutachten der Frau Dr. Irene Stur, Institut für Tierzucht und Genetik, Veterinärmedizinische Universität, 1030 Wien, Linke   Bahngasse 11.

 

Es sei hier aus dem Gutachten Frau Prof. Dr. Sturs zur Änderung des Steiermärkischen Tierschutzgesetzes vom 26.01.1993 und der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 28.06.1993 zitiert:

„Eine a priori Feststellung einer besonderen Gefährlichkeit eines Hundes aufgrund seines wesensmäßig typischen Verhaltens ist auf der Basis von bisherigen Erkenntnissen aus der Tierzucht überhaupt nicht, auf der Basis von Erkenntnissen der Verhaltensforschung nur bedingt und nur durch einen erfahrenen Ethologen bei Kenntnis aller Umweltbedingungen, denen der Hund im Laufe seines Lebens ausgesetzt war, möglich. Eine praxisgerechte Exekutierung eines solchen Gesetzes ist somit nicht realisierbar, da bei ... Amtstierärzten eine entsprechende ethologische Ausbildung nicht vorausgesetzt werden kann. (S. 1)

Von Hunden ausgehende Gefahren für die Sicherheit von Menschen oder Tieren sind unabhängig von der Rassenzugehörigkeit und somit ist es nicht möglich, per Verordnung Rassen zu bestimmen, von denen eine besondere Gefährdung ausgeht (S. 2).

 

Insbesondere ist auch kein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich, warum einzig und allein ausländische Hunderassen als gefährlich eingestuft werden, nicht jedoch nach Größe, Gewicht und ggf. auch Verwendung deutsche Hunderassen wie Schäferhund, Boxer, Rottweiler, Dogge, Dobermann etc.. Daß eine bestimmte Hunderasse einer bestimmten Bevölkerung vertrauter ist (so der BayVerfGH), kann keinen Einfluß auf die Gefahrbeurteilung haben. Hier spielen offenbar - unsachliche und rechtlich irrelevante - Nationalempfindungen eine große Rolle, weil es nicht anders erklärt werden kann, daß in Frankreich der deutsche Rottweiler als gefährlich gilt, in Deutschland hingegen die französische Bordauxdogge (Ziff. 8).

 

Einmal angenommen, die unterstellten Wesensmerkmale wären tatsächlich zutreffend, so kann es einen unbefangenen Betrachter nur erstaunen, daß diese Rassen im Polizei-/Schutzdienst in Deutschland keine Verwendung finden, obwohl sie dafür prädestiniert wären. Statt dessen findet man dort ausschließlich deutsche Gebrauchshunderassen, überwiegend Deutsche Schäferhunde.

 

Die vorgenommene Differenzierung ist deshalb sachwidrig und willkürlich im Sinne des Art. 3 I GG (vgl. nur zivilrechtlich: Amtsgericht Hattingen vom 01.08.1991 - 7 C 115/91 -; für Gefahrenabwehrverordnungen: VGH Mannheim vom 18.08.1992 - 1 S 2550/91 - in NVwZ 1992, S. 1105 = VBlBW 1993, S. 99, mit zust. Anm. Hamann in NVwZ 1993, S. 250; OVG Bremen vom 06.10.1992 - 1 N 1/92 - in DÖV 1993, S. 576; OVG Saarlouis vom 01.02.1993 - 3 N 3/93 - in Amtlichen Sammlung der OVG Rheinland Pfalz und Saarland, Bd. 24, S. 412 - 426 sowie Juris; VGH Mannheim vom 26.04.1999 - 1 S 2214/98 - in NVwZ 1999, S. 1016 = Unser Rassehund 1999, S. 5 ff; VGH Kassel vom 08.09.00 - 11 NG 2500/00; OVG Bremen vom 26.09.00 - 1 B 291/00-; VG Frankfurt Oder vom 09.10.2000 - 1 L 781/00 -; für Hundesteuersatzungen: VG Hamburg vom 24.11.1992 - 17 VG 315/92 -; VG Hamburg vom 24.11.1992 - 17 VG 2854/92 -; VG Koblenz  vom 15.11.1994 - 2 K 1930/94. KO -;; OVG Magdeburg vom 18.03.1998 - A 2 S 31/96 -in NVwZ 1999, 321; VG Mainz vom 30.11.1999 - 3 K 1786/98 MZ -, VG Osnabrück vom 13.06.2000 - 1 A 90/98; Literatur: Hamann in Deutsche Verwaltungspraxis 1992, S. 14; NVwZ 1992, S. 1067; Deutsche Verwaltungspraxis 1998, S. 481, NVwZ 1999, S. 964 sowie NVwZ 2000, S. 894m.w.N.).

 

Verfehlt ist der Rückgriff auf das Urteil des BVerwG vom 19.01.2000 - 11 C.8.99 (JuS 2001, 92) - aus mehreren Gründen:

·       Dort ging es um eine Steuersatzung (Stadt Roßlau) mit der grundsätzlich Lenkungszwecke verfolgt werden dürfen, die einen Gestaltungsspielraum eröffnen, was bei Gefahrenabwehrregelungen nicht der Fall ist, da hier nur eine Gefahr existent sein kann oder nicht (in letztgenanntem Fall liegt eine Putativgefahr vor).

·       Das Urteil des BVerwG beruht auf einer unzutreffenden und sinnentstellenden Wiedergabe der Gutachten Frau Dr. Eichelbergs sowie Frau Dr. Feddersen Petersen, weshalb sich diese an den Präsidenten des BVerwG gewandt haben und die unzutreffende Wertung ihrer Gutachten beklagten. Wäre das Gericht von einer zutreffenden Wertung der Gutachten ausgegangen, so wäre die Entscheidung anders ausgefallen.

 

In dem Schrieben Frau Dr. Feddersen-Petersen vom 02.01.2001 heißt es wörtlich:

Es gibt keine „gefährlichen Hunderassen“, (weder nach Beißvorfällen noch wissenschaftlichen Erkenntnissen - ethologisch, tierzüchterisch, molekulargenetisch - folgen diese Benennungen seriösen, nachvollziehbaren Kriterien) - es gibt gefährliche Hundeindividuen.“

 

In dem Schreiben Frau Dr. Helga Eichelbergs vom 08.11.2000 an den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts heißt es:

„Das aus dem Zusammenhang genommene Zitat erweckt den Anschein, als befürworte ich die Auflistung von Rassen, die insgesamt und a priori ein Gefahrenpotential darstellen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Aus zoologischer Sicht weise ich noch einmal darauf hin, daß allein die Rassezugehörigkeit eines Hundes keinerlei Aussagen über seine individuelle Gefährlichkeit zuläßt. Dieser Standpunkt ist meinem Gutachten (Anmerkung des Unterzeichners: Hierbei handelt es sich um die Broschüre des VDH „Kampfhunde-Gefährliche Hunde“ Auflage 1999) unschwer zu entnehmen und ich verwahre mich ausdrücklich gegen die Art und Weise, wie hier mit Zitaten umgegangen wird.“

 

·       Schließlich erging die Entscheidung zu einer Steuersatzung aus dem Jahr 1994. Zu dieser Zeit war die kynologische Wissenschaft noch nicht auf dem heutigen Stand, was in der Entscheidung anklingt, wenn es dort heißt:

Jedenfalls aus der zeitlichen Sicht des Satzungserlasses der Beklagten im November 1994 handelt es sich um einen komplexen und noch in mancher Hinsicht nicht endgültig geklärten Sachverhalt. In einer solchen Situation ist es vertretbar, dem Satzungsgeber angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen einzuräumen... Die Beklagte war folglich befugt, eine in gewisser Weise experimentelle Regelung zu treffen“.

Derartige experimentelle Regelungen des Gesetz-/Verordnungsgebers sind m.E. grundsätzlich bedenklich und abzulehnen. Nachdem heute aber alle renommierten Experten und Tierärztverbände/-fachausschüsse eine Anknüpfung der Gefährdungsbeurteilung an die Rassezugehörigkeit ablehnen, wäre auf dem Stand der heutigen Sach- und Rechtslage mit einer anderen Entscheidung zu rechnen.

 

Soweit eine Berufung auf das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 12.10.1994 (Vf. 16-VII-92 - NVwZRR 1995, 265) zurückgegriffen wird, sei nur auf die überzeugenderen Auseinandersetzungen dazu des VGH Mannheim sowie des HessVGH verwiesen VGH Mannheim vom 26.04.1999 - 1 S 2214/98 - in NVwZ 1999, S. 1016 = Unser Rassehund 1999, S. 5 ff; VGH Kassel vom 08.09.00 - 11 NG 2500/00 -).

 

Problematisch ist ferner die Erfassung von Kreuzungen (Mischlinge). Selbst für Tierärzte ist es bei Mischlingen schon unerkennbar, festzustellen, welchen Rassen Väter bzw. Vorväter und Mütter anhörten, erst recht für einen kynologisch ungebildeten Bürger, Verwaltungsbeamten etc.. Genetisch ist die Zuordnung nach bzw. zu Rassen oder deren Rückverfolgung jedenfalls nicht möglich. Im übrigen hat auch der deutsche Boxer (als Rasse meiner Kenntnis nach seit 1896 anerkannt) die Vorfahren der in § 4 Abs. 2 Ziff. 1- 4. genannten Rassen.

 

Beweis:           Prof. Dr. Sachverständigengutachten Frau Dr. Irene Sturs.

 

Es sei hier nur aus dem Gutachten Frau Prof. Dr. Sturs zur Änderung des Steiermärkischen Tierschutzgesetzes vom 26.01.1993 und der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 28.06.1993 zitiert:

„Für die Kreuzungen aus bestimmten Rassen gilt sinngemäß das gleiche wie für reinrassige Hunde wobei die Inkriminierung von Kreuzungen selbst bei zulässiger Rasseninkriminierung kaum exekutierbar wäre, weil weder aus dem Exterieur noch aus anderen phänotypischen bzw. genetischen Merkmalen die genaue Rassenzusammensetzung eines Mischlings sicher erkennbar ist.“ (S. 2)

 

Beweis:           Sachverständigengutachten der Frau Dr. Irene Stur, Institut für Tierzucht und Genetik, Veterinärmedizinische Universität, 1030 Wien, Linke Bahngasse 11

 

Eine derartige Vorschrift ist auch mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar.

 

Meines Erachtens ist es im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr ausreichend, daß es allein bei den (rasseneutralen) Kriterien des § 4 Ziffer 1 bleibt und für einen konsequenten Vollzug gesorgt wird. Die Anknüpfung an längst überwunden geglaubte und widerlegte Blut- und bzw. oder Bodenideologien ist auch aus übergeordneten gesellschaftlichen Gründen abzulehnen. Ausländerhaß und Rassendiskriminierung jedweder Form sind bei allen Lebewesen entschieden abzulehnen.

 

Mit der Gleichheitswidrigkeit, d.h. Nichtigkeit, verfallen alle an § 4 Abs. 2 anknüpfenden Bestimmungen ebenfalls der Rechtswidrigkeit.

 

§ 5 Abs. 1 Satz 1 (Halteverbot):

Das generelle Verbot der Haltung eines Hunde nach § 4 Abs. 2 Ziff. 1 - 5 (falls nicht die Voraussetzungen des § 14 Übergangsregelung erfüllt sind) ist unverhältnismäßig, knüpft es doch allein an der willkürlichen pauschalen Rasseauswahl an und erfaßt alle Hunde dieser Rassen, selbst wenn diese nie i.S.d. § 4 Abs. 1 auffällig geworden sind oder in einem Wesenstest ihre Gutartigkeit positiv nachweisen können. M.E geht es hier nicht um eine Gefahrenprävention, sondern darum, bestimmte Rassen auszurotten.

 

§ 5 Abs. 1 Ziffer 3 sowie § 10 Abs. 1 Satz 3 (Erlaubnisvoraussetzung Haftpflichtversicherung):

Die Haftpflichtversicherung nur für gefährliche Hunde nach § 4 Abs. 2 Ziff. 1 - 5 verstößt gegen Art. 3 I GG. Sie ist auch nicht sachgerecht. Zweck ist es, Geschädigten zu ihren berechtigten Ansprüchen zu verhelfen, auch bzw. gerade wenn beim Schädiger nichts zu holen ist. Ein Solvenzrisiko besteht hingegen nicht nur bei Kampfhundehaltern, sondern generell bei allen Hundehaltern. Weiter können auch nicht gelistete Hunde erhebliche Schäden verursachen und Schadensersatzansprüche nach § 833 BGB (Gefährdungshaftung) begründen. Bsp.: Ein Dackel eines Arbeitslosen jagt einen Fahrradfahrer, der stürzt und sich schwer verletzt.

Konsequent und zu befürworten wäre daher allein eine Hapftpflichtversicherung für alle Hunde.

 

§ 5 Abs. 1 Ziff. 5 (Erlaubnisvoraussetzung berechtigtes Interesse):

Gleichheitswidrig und verfehlt ist die Forderung eines „berechtigten Interesses“, eines völlig vagen unbestimmten Rechtsbegriffs. Eine Verkürzung dieses Begriffes auf wissenschaftliche Interessen oder Besitzer besonders gefährdeter Grundstücke (so die Begründung) ist m.E. völlig zu kurz und zweckverfehlt i.S. einer selbsterfüllenden Prophezeiung.

Warum soll sich jemand einen American Staffordshire Terrier, in den USA eine zu Therapiezwecken bevorzugt verwendete Rasse, nicht als „reinen“ Familienhund anschaffen können und dürfen. Der Gesetzgeber möchte hier diese Hunde nur als „Versuchskaninchen“ (= wissenschaftliche Zwecke), eine m.E. verwerfliche, unethische und unchristliche  Zweckbestimmung, oder sie - der Auffassung bestimmter Boulevardmedien folgend - quasi „bestimmungsgemäß“ als Wach-/Kampfhunde für besonders gefährdete Grundstücke eingesetzt sehen. Mit der Umsetzung dessen würde der Gesetzgeber gerade geschaffen, was eigentlich - nach TierschG und Polizeirecht - zu vermeiden wäre: Gequälte und todgeweihte (Versuchs-)Kreaturen einerseits oder aggressive und scharfe Wachhunde andererseits. Mein Appell: Geben Sie den Listenhunden eine Chance und sich selbst einen Ruck. Beschäftigen Sie sich intensiv theoretisch und praktisch mit den „Objekten“ ihrer Gesetzgebung und Sie werden fast ausnahmslos positive Erfahrungen machen.

 

§ 5 Abs. 1 Ziff. 6 sowie § 6 Abs. 6 (Erlaubnisvoraussetzung Kennzeichnung)

Die fälschungssichere Kennzeichnung nur für bestimmte Hunde ist gleichheitswidrig und sinnwidrig. Zweck ist die Zuordnung zu einem bestimmten Halter, sei es, daß der Hund entlaufen wäre oder im Falle eines Schadens einem Haftpflichtigen zugeordnet werden kann. Dies gilt für alle Hunderassen.

 

§ 5 Abs. 2 Satz 2 (Mögliche Erlaubnisvoraussetzung Unfruchtbarmachung)

Eine Auflage, einen Hund unfruchtbar zu machen, dürfte nur erfolgen, wenn der Hund i.S.d. § 4 Abs. 1 tatsächlich auffällig geworden ist, da sie nur dann verhältnismäßig und zu rechtfertigen wäre. Keinesfalls darf eine Unfruchtbarmachung eines Hundes nur wegen Rassezugehörigkeit verfügt werden. Gerade wesensgute/-feste und sozialisierte Hunde dürfen nicht von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden. Bei Ihnen wäre das mit der Unfruchtbarmachung verbundene erhebliche medizinische Risiko (Narkose, Inkontinenz etc.) nicht gerechtfertigt und läge ein rechtswidriger Eingriff in Art. 12 I, 14 I GG vor. Dies sollte zuminest in den Motiven / Ausführungsbestimmungen klar gestellt werden.

 

§ 6 Abs. 2 Satz 1 (Ausnahmslose Maulkorbpflicht):

Nach neueren kynologischen Erkenntnissen ist die generelle Pflicht zum Anlegen eines Maulkorbes für gefährliche Hunde nicht vertretbar, hindert sie doch den Temperaturausgleich und das Sozialverhalten des Hundes. Verhältnismäßig scheint die Maulkorbpflicht nur für tatsächlich auffällige Hunde i.S.d. § 4 Abs. 1. Die Maulkorbpflicht gilt schließlich selbst auf den ausgewiesenen Hundeauslaufgebieten, so daß ab dem 7. Monat außerhalb des eingefriedeten Besitztums der Hund immer und überall zum Tragen eines Maulkorbs verpflichtet ist.

Wenn der Gesetzgeber hier keine Änderung vornehmen will, so möge er doch wenigstens das Tragen eines sog. Halti dem Maulkorb als Beißschutzhemmung gleichstellen, da viele Hunde einen Maulkorb kategorisch ablehnen.

 

§ 6 Abs. 3 Satz 2 (Ausschilderung aller Grundstückszugänge):

Die generelle Beschilderung hat stigmatisierenden sowie diskriminierenden Charakter und ist m.E. generell nicht zu rechtfertigen, sondern allenfalls dann, wenn sich der Hund tatsächlich als gefährlich erweisen hat. Diesbezüglich verweise ich auch auf die Beschlüsse des OVG Bremen vom 29.11.2000 - 1 B 398/00 - sowie vom 21.09.2000 - 1 B 291/00 - wo ausgeführt wird:

Zwar sind durch die vorübergehende Anbringung derartiger Schilder bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine irreparablen Nachteile zu befürchten, gleichwohl greift die verlangte Kennzeichnung von Wohn- und Geschäftsräumen in die Grundrechte der betroffenen Halter ein und erschwert deren private und berufliche Kontakte zu anderen Menschen. Dies braucht der Antragsteller auch nicht vorübergehend hinzunehmen, wenn offensichtlich ist, daß der Eingriff zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich und die Regelung deshalb nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist.“

Die Anbringung des Schildes an allen Zugängen zum Grundstück ist eine nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung, gerade wenn es um Geschäftsleute geht. Ich vertrete einen Autohausbesitzer und den Betrieber eines traditionsreichen Hotels , die ihre unauffälligen Hunde (Mastino Napoletano und AmStaff) in ihren Wohnungen bzw. privaten Räumlichkeiten innerhalb des Geschäftsgebäudes halten, gleichwohl aber die Schilder am Hotel bzw. Autohaus anbringen müssen. Die hiervon auf Kunden ausgehende Wirkung ist weder mit Art. 12, 14, 2 GG noch Art. 3 I GG in Einklang zu bringen. Zumindest für derartige Fällen sind Einschränkungen zu statuieren.

 

§ 6 Abs. 4 (Begrenzung der zu führenden Hunde):

Warum jemand nur einen (unauffälligen) Staffordshire Bullterrier - also einen kleineren und leichten - Hund führen darf, jedoch drei (ebenfalls unauffällige) Doggen oder Rottweiler zugleich, läßt sich sachlich nicht begründen.

 

§ 7 Abs. 1 (Sachkunde durch anerkannte Sachverständige):

Entsprechend einem Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen - 5 B 3201/96 - wird zu beachten sein, daß als anerkannte Sachverständige nicht allein eine einzige Institution, z.B. der Verband für das Deutsche Hundewesen e.V., bestimmt wird oder eine Kontingentierung erfolgt. Vielmehr sind alle fachlich und persönlich geeigneten Personen/Institutionen gleichermaßen zuzulassen.

 

§ 7 Abs. 2 Satz 2 (Privilegierung von Hundeführern im öffentlichen Dienst):

Die Behördenprivilegierung (Ausbildung zum Diensthundeführer von Bundes-/Landesbehörden = Sachkunde) stellt eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung dar. Gleichzustellen sein dürften ohne weiteres Ausbilder von Jagd-/Blinden-/Rettungs-/Gebrauchshunden, Tierärzte oder sonstige Personen mit einschlägiger praktischer und theoretischer Erfahrung, z.B. Zuchtwarte.

 

§ 8 Abs. 1 Ziff. 1 (Persönliche Unzuverlässigkeit - Straftaten):

Ausgehend vom Zweck - Abwendung der von Hunden ausgehenden Gefahren - würde ich eine Begrenzung auf solche Delikte vornehmen, die eine aktive und vorsätzliche Gewaltanwendung voraussetzen. Da der strafrechtliche Gewaltbegriff sehr weit ist, scheint diese Einschränkung geboten. Straftaten gegen das Eigentum oder Vermögen, sind entschieden zu mißbilligen und ahnden, sollten aber im vorliegenden Sinn nur zur Unzuverlässigkeit führen, wenn sie mit Gewalt verbunden sind, wie Raub oder Erpressung, da keine Konnexität mit der Hundehaltung besteht.

Aufzunehmen wäre m.E. auch der Verstoß gegen das BetäubungsmittelG, Menschenhandel (§ 181 StGB). Zumindest bei Wiederholung sollten diese Personen als unzuverlässig gelten.

 

§ 8 Abs. 2 Ziff. (Persönliche Zuverlässigkeit - Sonstige Anforderungen):

Da in den USA American Staffordshire Terrier aufgrund ihrer Eigenschaften häufig als Therapiehunde eingesetzt werden, wäre in Ziff. 2 eine Änderung zu überlegen.

Die Regelvermutung, daß die Nicht-Entrichtung der Hundesteuer zur Unzuverlässigkeit führt (Ziff. 4), sollte aufgegeben werden. Hier sollten nur solche Kriterien Berücksichtigung finden, die in der Physis oder Psyche oder im Verhalten des Halters liegen und ihn allein deshalb als ungeeignet erscheinen lassen, einen Hund artgerecht und sicher zu halten.

Wer sich einmal intensiv mit Suchtkrankheiten beschäftigt hat (Ziff. 5), weiß, welche Schwierigkeiten der Begriff „alkoholkrank“ macht. Welche Trinktypen nach Jellinek/Feuerlein sollen hierunter fallen ? Auch derjenige, der jeden Tag zwei Flaschen Bier trinkt ?

 

Massiven Bedenken begegnet im Hinblick auf die Menschenwürde (Art 1 I GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art 2 I GG), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. nur BVerfG vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 - BVerfGE 65, 1, 41 f.) sowie den rechtsstaatlichen Grundsatz, daß niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten, die Erhebung dieser Daten, die nur durch Abfrage beim Betroffenen erhoben werden können. Faktisch sind die Betroffenen als medizinische Laien auch nicht in der Lage, eine zutreffende Beurteilung abzugeben, selbst wenn sie dies wollten und es rechtlich von ihnen verlangt werden dürfte.

 

§ 9 Abs. 2 (Ausnahmsloses Zuchtverbot):

Das generelle Verbot der Zucht und Kreuzung von Hunden nach § 4 Abs. 2 Ziff. 1 - 5 verstößt gegen Art. 3 I, 12 I, 14 I GG sowie §§ 28, 30 EG Vertrag und bedeutet die Ausrottung der Rassen Pitbull, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier und Tosa Inu..

 

Die Regelung verletzt das Verbot der mengenmäßigen Ausführbeschränkungen des Art. 28 EGV. Danach sind mengenmäßige Ausführbestimmungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten verboten. Als Maßnahmen kontingentgleicher Wirkungen ist jede Handelsregelung eines Mitgliedsstaates anzusehen, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar tatsächlich oder potentiell zu behindern (EuGH vom 11.06.1974 - RS 8/74 - Dassonville -; EuGH vom 13.01.2000 - RS 254/98 - TK Heimdienst Sass GmbH-), wobei Hemmnisse für den Binnenhandel, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung von Erzeugnissen ergeben (EuGH vom 20.02.1979 - RS 120/78 - Cassis de Dijon-), also Beschränkungen aufgrund nationaler Bestimmungen über Verkaufsmodalitäten (EuGH vom 24.11.1993 - RS CC 267/91 und 268/91 - Keck-), hingenommen werden müssen. Um solche handelt es sich vorliegend jedoch gerade nicht, da hier keine bestimmte Art des Verkaufs geregelt wird, sondern Zucht und Handel der (unter § 4 Abs. 2 Ziff. 1 - 5) fallenden Hunde generell untersagt ist. Vorliegend handelt es sich um ein Verbot, welches von einem Mitgliedsstaat ausgeht und nicht nur Leistungsempfänger dieses Mitgliedsstaates betrifft, sondern auch Leistungsempfänger anderer Mitgliedsstaaten. Aus diesem Grund beeinflußt die Unfruchtbarmachung (§ 5 Abs. 2) und das Abgabeverbot der Hunde den Zugang zum Markt in einem anderen Mitgliedsstaat, so daß das Verbot der VO geeignet ist, den innerstaatlichen Handel tatsächlich und potentiell zu beeinträchtigten bzw. auszuschließen (EuGH vom 10.05.1995 - RS 384/93 - Alpine Investments).

 

Rechtfertigungsgründe nach Art. 30 EGV liegen für die Maßnahmen nicht vor. Art. 30 EGV bestimmt zwar, daß Maßnahmen, insbesondere auch Ausfuhr- und Einfuhrverbote und Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sein können, Diese Verbote und Beschränkungen dürfen jedoch kein Mittel zu einer willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung darstellen. Eine solche liegt vor, wenn ein Mitgliedsstaat sich mißbräuchlich auf die in Art. 30 Satz 1 EGV geschützten Rechtsgüter beruft, in Wirklichkeit aber ganz andere Ziele mit der Maßnahme verfolgt.

 

Die vorliegenden Bestimmungen sind willkürlich und diskriminierend, was bereits oben unter Hinweise auf Rechtsprechung und Literatur erläutert wurde. Sie verfolgen in ihrer Allgemeinheit, Abstraktheit und Ausnahmslosigkeit nicht den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder den Schutz des Lebens von Menschen, sondern dienen der Ausrottung und Unterbindung bestimmter Hunderassen, so daß ein grenzüberschreitender Handel mit diesen Hunden nicht mehr möglich ist. Überdies ist schon die Eignung zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes abzusprechen, da auf die betroffenen Hunde nur ein sehr geringer Teil aller Verletzungen durch Hunde insgesamt zurückgeht. Schließlich gäbe es auch mildere Mittel wie Leinen- und Maulkorbpflicht für tatsächlich gefährliche Hunde. Erfaß werden selbst solche Hunde, die nachweislich gutartig sind.

 

Mithin ist die Regelung nicht europarechtskonform. Zum Nachweis, daß die vorstehende Auffassung von der Europäischen Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, David Byrne, geteilt wird, sei auf deren Schreiben vom 13.12.2000 verwiesen.

 

Im übrigen ist die Regelung unverhältnismäßig sowie in sich widersprüchlich. Die weitaus meisten Hunde der Kategorie § 4 Abs. 2 Ziff. 1 - 5 entsprechen § 9 Abs. 2 Satz 2, d.h. ihre Zucht erfolgte nicht im Hinblick auf eine selektive Steigerung genetischer Aggressionsmerkmale - vorausgesetzt Aggressivität als Wesensmerkmal wäre überhaupt, wie ein bestimmter Phänotyp, vererbbar. Wenn diese Hunde dann noch i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 sozialverträglich aufgezogen werden, tatsächlich keinerlei Anzeichen für übermäßige Aggressivität bestehen und dies ggf. sogar in einem Wesenstest nachgewiesen wird (z.B. durch Verband im Rahmen der Zuchtzulassung), so besteht nicht nur kein Grund, diese Hunde von der Fortpflanzung auszuschließen, es sei denn, man will bestimmte Rassen ausrotten. Auszuschließen von der Zucht sind - unabhängig von der Rasse - alle hyperaggressiven Hunde; zuzulassen und zu fördern - auch im Sinne einer Gefahrenwehr - ist die Zucht aller Hunde, die den Kriterien in § 9 Abs. 1 entsprechen.

 

§ 10 Abs. 1 Satz 2 (Anordnung der Tötung nach Ermessen):

Die Verfügung, einen bissigen Hund töten zu lassen, ist im Hinblick auf das im gesamten Verwaltungsrecht geltende ultima - ratio - Prinzip regelmäßig rechtswidrig und verstößt gegen § 17 Nr. 1 TierSchG, da es weniger belastende Maßnahmen gibt, wie Leinen- und Maulkorb-/Beißschutzzwang sowie Führung durch geeignete Personen (vgl. nur VG Hannover vom 10.06.1999 - 14 A 3339/98 -; Hamann in DÖV 1989, 215). Dies wird die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens zu berücksichtigen haben und darauf sollte in der Kommentierung bzw. den Erläuterungen hingewiesen werden.

 

Der Verwaltung sollte ohnehin eine ausführliche - rechtliche und tatsächliche - Erläuterung an die Hand gegeben werden, ihr die einschlägige Rechtsprechung und Literatur vermittelt, sowie Schulungen veranstaltet  werden. Die Erfahrungen, die ich in Hessen persönlich im Rahmen der Halteerlaubniserteilung gemacht habe, waren ernüchternd und traurig. Ohne die Erfahrungen verallgemeinern zu wollen, zeigten sich sowohl im Verwaltungsverfahrensrecht als auch im materiellen Verwaltungsrecht erhebliche Kompetenzmängel selbst bei Leitern von Ordnungsämtern, die 4 Anläufe benötigten, bis sie es geschafft hatten, endlich eine rechtsfehlerfreie Erlaubnis zu erteilen. Jeder Bürger hat m.E. - auch ohne anwaltliche Intervention - Anspruch auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln. Das Beschreiten des Rechtsweges kann und muß die Ausnahme sein und bleiben, nicht jedoch die Regel.

 

§ 11 (Datenschutz)

Zu den datenschutzrechtlichen Fragestellungen, sollte die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten eingeholt werden.

 

§ 12 Abs. 1 (Ordnungswidrigkeiten)

Der Ordnungswidrigkeitenkatalog wäre den obigen Ausführungen anzupassen. Auf rechtswidrige Bestimmungen kann keine Ordnungswidrigkeit aufbauen.

 

Ergebnis:

 

Der vorliegende Regierungsentwurf stellt sich in großen Teilen als gleichheitswidrig, unverhältnismäßig und gegen anderes bzw. höherrangiges Recht (GG, TierschG, EG-Recht) verstoßend dar. Im Falle einer Verabschiedung birgt er ein erhebliches Risiko, in sehr großen Teilen gerichtlich kassiert zu werden.

 

 

C.

 

Zur Drucksache 14/265 - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 14.03.2000 über ein Gesetz zur Reduzierung von Gefahren durch Hunde in der Stadt:

 

Dieser Gesetzentwurf zeichnet sich durch eine intensive sowie profunde Sachkenntnis aus, ist rasseneutral, diskriminierungsfrei und orientiert sich allein an der Gefährdungsbeurteilung aufgrund greifbarer Fakten (§ 2 Abs. 2). Insoweit spiegelt er die vorliegenden neueren kynologischen, ethologischen und (tier-)genetischen Erkenntnisse wieder und folgt nicht von den Medien geschürten Ressentiments und widerlegten Vorurteilen.

 

Er ist ausgewogen, verhältnismäßig (i.S.d. der Rechtsprechung), steht im Einklang mit GG, TierschG sowie EG-Recht und ist in sich stimmig, so daß ihm aus allen Blickwinkeln zu wünschen ist, daß er Grundlage einer über Berlin hinausgehenden Regelung werden möge.

 

Soweit er Regelungen enthält, die über die bisher bekannten Regelungen hinausgeht, sind diese uneingeschränkt zu begrüßen und können von jedem verantwortungsbewußten Hundehalter nur gutgeheißen werden. Insbesondere sind hier zu nennen:

 

·       § 8 Hundekot - Beseitigungspflicht auf öffentlichen Straßen, Wegen etc.

·       § 5 Abs. 3: Nachweis der Sachkunde vor dem Kauf eines großen Hundes (zwingend) sowie Empfehlung, dies auch bei kleinen Hunden zu tun, wobei m.E. auch hier eine zwingende Regelung anzustreben wäre. Damit werden irrationale Spontanentscheidungen (z.B. Hund als Weihnachtsgeschenk) oder sachfremde Haltungsmotive wirksam im Interesse der betroffenen Tiere (kein Aussetzen, Gewährleistung einer artgerechten Haltung, Aufrechterhaltung der Mensch-Hund-Bindung), ihrer (sonst ggf. uninformierten und überforderten) Halter und der Allgemeinheit (überfüllte Tierheime etc.) vermieden. Wenn ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Sinn macht, dann an dieser Stelle ! Denkbar wäre auch, einen Verstoß hiergegen als Ordnungswidrigkeit zu ahnden (§ 12).

 

Die Anmerkungen oder Hinweise sind deshalb auf nur wenige Punkte zu beschränken:

 

§ 4 Abs. 4 sowie § 4 Abs. 5 (Fristen):

Die Fristen zum Nachweis der Sachkunde (6 Wochen) und zum Nachweis des Führungszeugnisses (2 Wochen) könnten ggf. zu kurz sein. Hier werden die lokalen Verhältnisse zu prüfen sein.

 

§ 5 Abs. 2 Satz 3 (Sachkundeunterstellung):

Wie oben zu § 7 Abs. 2 Satz 2: Auch andere kraft Beruf oder Ausbildung mit Hunden beschäftigte Personen sollten den Diensthundeführern von Bundes-/Landesbehörden gleichgestellt werden, z.B. Tierärzte.

Als sachkundig sollte nach den Festlegungen im sog. Hundeüberwachungsverein (HÜV) Gesetz auch gelten, wer bereits vorher artgerecht Hunde gehalten hat, die nicht auffällig waren oder dergleichen.

 

§ 7 Abs. 3 Ziff. 2 (Leinenpflicht - Veranstaltungen):

Wie oben § 3 Abs. 2 Ziff. 3: Eine Ausnahme sollte für öffentliche Hundeausstellungen o.ö. zugelassen werden.

 

Zur wünschenswerten Beförderungspflicht im ÖPNV, ggf. unter bestimmten Voraussetzungen, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

§ 7 Abs. 4 Satz 2 (Maulkorb für gefährliche Hunde an öffentlichen Stellen):

Zu überlegen wäre, ob unter Gefahrenabwehrgesichtspunkten ein sog. Halti als Beißschutzhemmnis statt des „beißsicheren Maulkorbs“ ausreichen würde.

 

§ 9 Abs. 2 (Regelbeispielkatalog: Maßnahmen bei gefährlichen Hunden):

Hier ist auf die Ausführungen oben zu § 10 Abs. 1 zu verweisen, insbes.. zur Tötung. Beim Regelbeispiel Ziff. 1 würde ich empfehlen, einen klarstellenden Zusatz zu machen, wonach der Hund ohne Provokation, äußeren Anlaß oder rechtfertigenden Grund einem Mensch oder Tier schwere Verletzungen zugefügt hat. Ähnlich müßte zu verfahren sein, wenn jemand sich einem fremden Hund vertrauensselig nähert, diesen streicheln will und von diesem gebissen wird, weil ihn dann eine erhebliche Mitschuld (50%) trifft (so OLG Frankfurt a.M. - 7 U 91/99 - für den gescheiterten Versuch, einen fremden Rottweiler zu streicheln).

 

Ergebnis:

 

Unter Brücksichtigung der vorstehenden Änderungen ist davon auszugehen, daß dieser Entwurf einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird und nicht gänzlich oder auch nur in Teilen kassiert wird.

 

D.

 

Einzelheiten werde ich Ihnen in der Sitzung erläutern. Um Verständnis bitte ich vorab, daß ich nicht mit sämtlichen Unterlagen und Anlagen anreisen kann, da ich sonst einen Kleinlaster benötigte. Sollten Sie Interesse an bestimmten Unterlagen haben oder meine Schriftsätze im Verfahren vor dem HessVGH zur Verfügung gestellt bekommen, so bitte ich um Mitteilung. Ich werde bemüht sein, Sie mit allen erforderlichen Informationen zu versorgen bzw. versorgen zu lassen, die Sie für eine sachgerechte Entscheidung benötigen.

 

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. In der Woche bin ich regelmäßig wie folgt zu erreichen: Telefon: 05631 - 58 14 32; Fax: 05631 - 58 12 68; e-mail: volker.stueck@korbach.conti.de.

 

Ich hoffe, Sie mit den obigen Ausführungen überzeugen zu können, eine sowohl den Hunden und ihren Haltern als auch der Gesamtvölkerung gerecht werdende verhältnismäßige Lösung zu finden und schließe mit einem Zitat von Konrad Lorenz (Verhaltensforscher):

Die Fähigkeit eines Tieres schaden zu stiften, ist proportional zu seiner Intelligenz. Der Mensch ist auch hier Spitze.“

Mit freundlichen Grüßen

Volker Stück

[Rechtsanwalt]

Kopie an: Arbeits-/Infokreis Rechtsanwälte „Kampfhund“

Anlage(n): -Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin - Stellungnahme

 

Hier als .doc

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Die Fähigkeit eines Tieres schaden zu stiften, ist proportional zu seiner Intelligenz. Der Mensch ist auch hier Spitze.“

Mit freundlichen Grüßen

Volker Stück

[Rechtsanwalt]

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Anlage(n): -Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin - Stellungnahme  

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