- Aktuelles

Interview mit Bouffier

"Die Liste fiel nicht vom Himmel"

 Kurier-Interview: Warum es nur noch drei Kampfhunde-Rassen gibt

  Wiesbaden

 Als Innenminister Bouffier 16 Rassen zu unerwünschten Kampfhunde erklärte,  hatte er sich das CSU-regierte Bayern zum Vor- bild genommen. Seine neu  Verordnung, die nur noch drei Kampfhunde-Rassen kennt, orientiert sich  dagegen am Beispiel der rot-grünen Bundesregierung, begründet der  CDU-Politiker im Interview seinen Rückzieher. Darin wird auch  offenkundig,  wie tief die Fronten zwischen ihm und zahlreichen Hunde-Haltern geworden  sind. Das Gespräch führte Kurier-Redakteur Christoph Cuntz.

  Kurier: Herr Bouffier, der FDP-Ortsverband Reichelsheim fordert von Ihnen  eine Entschuldigung, weil Sie angeblich zahlreiche Hundebesitzer in  Verbindung mit Obdachlosen und Drogenabhängigen gebracht haben, und weil ihre  Kampfhunde-Verordnung für Pogrom-Stimmung im Lande gesorgt haben soll. Fühlen  Sie sich angesprochen?

 Bouffier: Es war nie meine Absicht, ordentliche Hundehalter zu diskriminieren. Aber es ist und bleibt meine Aufgabe, die Bevölkerung vor  gefährlichen Hunden zu schützen. Und ich möchte nicht, dass erst dann  gehandelt wird, wenn wieder was passiert?

 Kurier: Also Ihrerseits keine Entschuldigung bei den Hundehaltern?

 Bouffier: Dazu sehe ich überhaupt keinen Anlass. Ich habe eine Fülle von  Briefen bekommen. Da haben sich die einen beschwert, die Verordnung sei  viel zu scharf. Und andere haben gefragt, warum wir nicht alle Kampfhunde  sofort einfangen.

 Kurier: Wer hat fleissiger geschrieben: Gegner der Verordnung oder ihre  Befürworter?

 Bouffier: Die Gegner der Verordnung. Das ist aber auch ganz normal so. Die  haben teilweise vorgedruckte Briefe geschickt mit unsäglichem Inhalt. Darin haben sie vereinzelt die Judenvernichtung des Dritten Reiches auf eine Stufe  gestellt mit der Kampfhunde Verordnung. So etwas disqualifiziert sich von  selbst. Andere haben E-Mails geschickt mit dem Gruss "Heil Hitler". Das ist  nicht mehr tolerabel. Da habe ich auch Strafanzeige gestellt.

 Kurier: In wieviel Fällen?

 Bouffier: Da bin ich im Moment nicht ganz auf dem letzten Stand. Ich glaube,  die Abteilung hat auch noch ein oder zwei Strafanzeigen gefertigt.

 Kurier: Tausende von Hundefrauchen und -herrchen wollen am 9. September vor  Ihrem Ministerium  demonstrieren - ganz ohne Leine und Maulkorb. Haben Sie  sich schon einen Beissschutz zugelegt?

 Bouffier: Es ist doch das gute Recht von Jedermann zu demonstrieren. Das habe  ich nicht zu kritisieren. Ich finde das jedenfalls wesentlich besser als  Aktionen der vergangenen Wochen, als meine Privatadresse, Personalien und  Telefonnummer ins Internet gestellt wurde und dazu der Aufruf: Wir belagern  sein Haus. Das geht ein bisschen weit.

 Kurier: Sie sind ganz persönlich attackiert worden?

 Bouffier: Ja klar. Es ist auch nicht nur bei Worten geblieben. Es sind Taten  gefolgt, die sind am Sonntag morgens um 11 Uhr angerückt. Ich hatte mir aber  erlaubt, zwei Wochen in Urlaub zu gehen. Am dritten Sonntag sind sie dann  erschienen, begleitet von Presse und Fernsehen. Die 70 oder 80 Demonstranten  hatten allerdings Pech, ich war an dem Tag in Hessen unterwegs. Aber für die  Familie und für die Nachbarschaft war es nicht sehr angenehm.

 Kurier: Ihnen wird nachgesagt, Sie hätten sich als beratungsresistent  erwiesen, als Sie Anfang Juli 16  Hunderassen auf Ihre Schwarze Liste gesetzt  haben. Ihren Kritikern geben Sie im Nachhinein recht, weil Sie diese Liste  auf drei Rassen zusammengestrichen haben.

 Bouffier: Diese Liste ist ja nicht vom Himmel gefallen. Das Innenministerium  hat seit Februar an den  gesetzlichen Vorgaben gearbeitet. Wir haben uns an  der Verordnung in Bayern orientiert, und damit an jenem Bundesland, das im  Juni und Juli allseits gelobt wurde, wie weitsichtig die Politiker dort  gehandelt haben. Wir haben im wesentlichen die Bayerische Liste übernommen,  die der Verfassungsgerichtshof in Bayern bestätigt hat. Bayern hat acht  Jahre Erfahrung und genau daran haben wir uns orientiert.

 Kurier: Und warum haben Sie jetzt die Zahl der Kampfhunde-Rassen von 16 auf  drei reduziert?

 Bouffier: Wenn wir jetzt eine weitere Differenzierung vorgenommen haben dann  deshalb, weil die Bundesregierung und die meisten Bundesländer versuchen, zu  einer Linie zu kommen. Das halte ich auch für vernünftig. Die Rassen, die in  einem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung genannt werden, haben wir jetzt  übernommen. Und das sind diese drei.

 Kurier: Worin genau bestand für Sie die Notwendigkeit in Ihrer ersten  Verordnung 16 Rassen zu den Kampfhunden zu zählen?

 Bouffier: Das habe ich ja gerade erklärt. Weil wir von der Bayerischen Linie  ausgegangen sind. Das war erfolgreich. Wir haben eine ganze Fülle von  Kommunen, in denen nun die Zahl der Genehmigungsanträge die Zahl der bislang  gemeldeten Kampfhunde um das drei- bis vier-fache übersteigt. Nun sind wir  der Auffassung, dass man die KampfhundeVerordnung differenzieren kann.

 Kurier: Das zeigt ja, wie schlampig viele Ordnungsämter in der  Vergangenheit  gearbeitet haben.....

 Bouffier: Das weiss ich nicht. Das zeigt vor allem eines: Es ist gelungen,  eine ganze Reihe von Hundehaltern endlich zur Anmeldung ihrer Tiere zu  bewegen.

 Kurier: Zu den Hunden, die Sie ursprüngich mal zu den Kampfhunden zählten und  die jetzt aus dieser Rubrik hier herausgefallen sind, gehört beispielsweise  der Mastino Napolitano oder der Kaukasischer Owtscharka. Nach wie vor aber  wollen Sie die Haltung auch dieser Rassen erschweren. Was macht denn Hunde  dieser Rassen gefährlicher als Rottweiler oder Dobermann, für die es ja  keinerlei Auflagen gibt?

 Bouffier: Bei Hunden der Rubrik, zu der auch Mastino oder Owtscharka zählen,  gehen wir so lange von einer latenten Gefährlichkeit aus bis diese widerlegt  ist. Mir sind noch nie so viele Hundeexperten untergekommen wie in den  vergangenen Wochen. Sie werden niemals eine halbwegs übereinstimmende Meinung  erzielen, was die eine Hunderasse von der anderen unterscheidet. Letzlich  muss der Minister entscheiden.

 Kurier: Baden-Württemberg hat gar nicht erst versucht, so fein zu  differenzieren.

 Bouffier: Das habe ich Ihnen doch schon erklärt. Es gab eine Fülle zum Teil  schlimmer Vorfälle. Das muss einen doch veranlassen, zu handeln. Es wird  gelegentlich behauptet - und dem will ich nicht entgegentreten - dass die  Ordnungsbehörden vielleicht auch schon früher entschiedener hätten vorgehen  können. Aber das kann doch kein Argument dafür sein, dass man jetzt nicht  handelt. Es ist doch Unsinn, wenn da jetzt behauptet wird, nun seien Massen  von Tieren gefährdet. Wir haben in Hessen - Stand vom 11. August - 3 700  Erlaubnisanträge registriert. 58 Hunde wurden sicher gestellt, zehn eingeschläfert.

 Kurier: ... neun allein in Wiesbaden ...

 Bouffier: ... die Behörden hatten bis Anfang dieser Woche 68  Ordnungswidrigkeiten eingeleitet. Das heisst im Klartext: die Grössenordnung  dessen, worum es geht, die relativiert sich sehr. Wenn von einem  Massenproblem gesprochen wird, ist das mit der Realität nicht in Einklang zu  bringen.

 Kurier: Gleichwohl haben Sie jetzt Ihre Schwarze Liste reduzieren müssen. Und  in der Öffentlichkeit haben Sie dafür viel Kritik geerntet, es gab Kommentare  wie: Sie seien als Tiger gesprungen und als Bett- vorleger gelandet. Wäre es  nicht politisch klüger gewesen, Sie hätten die Richter des  Verwaltungsgerichtshofes urteilen lassen. Dann hätten die den Schwarzen Peter  gehabt.

Bouffier: Wenn man Verantwortung trägt, kann man eine solche Auffassung  nicht  haben. Es kann doch nicht sein, dass sich ein Minister zurücklehnt und sagt:  Es ist alles furchtbar schwierig und deshalb schieben wir die Schuld auf andere. Das entspricht nicht dem Grundsatz der Gewalteinteilung. Ich habe eben ein Ressort, in dem ich eine Fülle von unangenehmen Entscheidungen  treffen muss.

 Kurier: Der hessische Staatsgerichtshof hat nicht ausgeschlossen, dass die  Kampfhunde-Verordnung bereits im verwaltungsgerichtlichen  Normenkontrollverfahren für nichtig erklärt wird.

 Bouffier: Man kann nie ausschliessen, dass eine gerichtliche Überprüfung auch  zu Beanstandungen führt. Sonst bräuchten wir keine Gerichte.

 Kurier: Glauben Sie denn, dass Ihre neue Verordnung Bestand haben wird?

 Bouffier: Davon gehe ich aus.

 (Wiesbadener Kurier vom 19.08.2000)

 

 

     Zurück

ial size=2> (Wiesbadener Kurier vom 19.08.2000)

 

 

     Zurück

ody>