Landeshundeverordnung Nordrhein-Westfalen
_______________________________________________________________________________________
28/09/00
Presseerklärung der Expertenkommission zur Bewertung der LHV NRW
Nachdem wir, die Unterzeichner dieses Schreibens, auf Einladung der Regierungsfraktionen von SPD und Buendnis 90/Die Gruenen
bereits am 8. September zu einem Fachgespräch zur neuen Landeshundeverordnung in den Düsseldorfer Landtag eingeladen
wurden, fand am Montag (25. September) im Landtag eine weitere
Anhörung auf Initiative der FDP statt. Irritiert durch die Tatsache, daß unser am 8. September erarbeiteter Konsens, der
auch vom überwiegenden Teil der Medien bis ins Detail korrekt wiedergegeben wurde, von Umweltministerin Bärbel Hoehn später
ins Gegenteil verkehrt wurde, beschlossen wir nach der Anhörung
am Montag, unsere Position zur Landeshundeverordnung NRW diesmal in einer gemeinsamen Erklärung deutlich zu machen. Dabei
verzichten wir allerdings darauf, detaillierte Änderungs-Vorschläge zur LHV zu unterbreiten. Diese wurden von uns in der
Vergangenheit bereits mehrfach vorgelegt, blieben bislang aber von der Landesregierung unberücksichtigt. Statt dessen wollen
wir noch einmal darlegen, warum die Landeshundeverordnung NRW
in der Fassung vom 30. Juni bei uns auf ebenso schwerwiegende wie grundlegende Bedenken stößt:
Ad 1:
Unter allen Juristen der Expertenkommission besteht Einigkeit darüber, daß die Verordnung mit Grundsätzen rechtsstaatlichen
Handelns unvereinbar ist. Abgesehen davon, daß ein solch gravierender Eingriff in elementare Lebensbereiche zigtausender
Bürger allenfalls per Gesetz, keinesfalls jedoch per Verordnung zu regeln ist, bestehen auch erhebliche
verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verordnung. In ihrer Sitzung am 25. September
hat die Kommission daher erneut ihr Befremden darüber zum Ausdruck gebracht, daß die vom Umweltministerium NRW erlassene
Verordnung zu keiner Zeit vom Justizministerium auf ihre Verfassungs- und Rechtmäßigkeit überprüft wurde - obschon das
allein deswegen erforderlich gewesen wäre, weil die Verordnung etliche Bundes- bzw. Landesgesetze tangiert.
Ad 2:
Nach einhelliger Meinung der Kommission ist die Verordnung nicht geeignet, dem tatsächlichen Schutzbedürfnis der Menschen vor
gefährlichen Hunden Rechnung zu tragen. Statt den einzelnen unverantwortlichen Halter dingfest und haftbar zu machen, werden
per Verordnung unbescholtene Bürger quasi über Nacht zu potentiellen Straftätern erklärt und in einer bisher einzig-artigen Beweislastumkehr genötigt, die Behörden von ihrer
Unschuld zu überzeugen. Statt beim gefährlichen (Hunde)-Individium anzusetzen, indiziert die Verordnung willkürlich und
pauschalisierend gleich mehr als drei Dutzend (!) Hunderassen.
Dieses Vorgehen irritiert um so mehr, wenn man feststellen muß,
daß der weitaus überwiegende Teil aller in Liste 1 und 2 aufgeführten 42 Rassen in offiziellen Beißstatistiken entweder
überhaupt nicht, lediglich an hinteren Stellen, in keinem einzigen Fall jedoch auf den ersten Rängen dieser Erhebungen
aufgeführt wird. Nach übereinstimmender Auffassung der Kommission soll so dem Buerger offenbar eine Scheinsicherheit vorgegaukelt
werden, frei nach dem Motto: "Je mehr Rassen auf der Liste eines Landes, desto größer die Sicherheit seiner Bürger".
Daß dabei Rassen gelistet werden, die bereits seit Jahrhunderten ausgestorben sind, nie existierten oder in Deutschland weder
gezüchtet noch gehalten werden, sei nur am Rande und deshalb erwähnt, weil es bei allen Teilnehmern der Expertenrunde starke
Zweifel am Sach- und Fachverstand jener Mitarbeiter des Landes-
Umweltministeriums ausgelöst hat, die an der Erstellung der LHV mitgewirkt haben.
Ad 3:
Es erfüllt die Mitglieder der Kommission mit großer Sorge, daß die Verordnung nicht etwa für ein friedvolles Miteinander von
Hundehaltern und Nichthundhaltern eintritt, sondern im Gegenteil bestehende Vorurteile und Ängste auf beiden Seiten schürt, daß
sie weite Teile der Bevölkerung zunehmend polarisiert. Dieser
Umstand wiegt um so schwerer, als ein Abwägen berechtigter Interessen beider Seiten überhaupt nicht erkennbar ist. Daß
infolge der Verordnung Menschen wegen der Rassezugehörigkeit ihres Hundes (nicht wegen seiner Gefährlichkeit) von der
Beförderung durch die Deutsche Bahn AG ausgeschlossen werden, daß ihnen die Wohnung gekündigt oder daß ein bislang völlig
unauffälliger Hund weggenommen wird, hat mit dem Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden wohl nicht einmal marginal
zu tun.
Ad 4:
Entgegen aller anderslautender Bekundungen hat das Umwelt-Ministerium Zusagen, für eine gesicherte Unterbringung der in
Folge der LHV ausgesetzten, beschlagnahmten und in Tierheimen abgegebenen Hunde (besonders der Anlage1) ausreichende Geld-
Mittel bereitzustellen, nicht eingehalten. Statt dessen sind
Meldungen von katastrophalen Überbelegungen, Tötungsaktionen und anderen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz an der Tagesordnung.
Daß etliche dieser Hunde auf Grund der Unterbringungssituation,
aber auch durch permanenten Leinen- und Maulkorbzwang deutliche Verhaltensveränderungen aufweisen, bestätigt den von der
Kommission schon sehr früh geäusserten, vom Umweltministerium aber offenkundig nie ernst genommenen Verdacht: Die Verordnung
in der jetzt gültigen Form ist eher dazu angetan, verhaltensauffällige Tiere zu produzieren und das Problem somit zu
verschärfen, anstatt es zu lösen.
Ad 5:
Die Expertenrunde möchte an dieser Stelle noch einmal ihr Befremden darüber zum Ausdruck bringen, daß die erheblichen
Bedenken, die schon in der mehrstündigen Anhörung vom 8.September gegen die aktuelle Fassung der LHV vorgebracht wurden, bislang in
keiner Weise von der Landesregierung berücksichtigt wurden.
Da sich vor allem erheblicher Widerstand der Experten gegen die Rasselisten und die Beweislastumkehr erhob, ist nicht einzusehen,
warum sogar eine Überprüfung der Listen vom Umweltministerium bislang kategorisch abgelehnt wird. Dies ist um so weniger zu
verstehen, als in anderen Bundesländern die Listen bereits von Gerichten in Normenkontrollverfahren de facto außer Kraft
gesetzt wurden.
Düsseldorf, 28. September 2000
Manfred Arning (Bund Deutscher Kriminalbeamter),
Guenther Bloch (IG unabhängiger Hundeschulen),
Christa Bremer (Verband für das Deutsche Hundewesen),
Dr. Rolf Dannemann (Veterinaeramt Wuppertal),
Volker Drews (IG Mensch & Hund),
Dr. Mechthild Fecke-Peitz (Tierärztekammer Westfalen-Lippe),
Stephan Giese-Lex (Rechtsanwalt),
Werner Griepenkerl (Club für französische Hirtenhunde),
Friedhelm Grunert (IG Mensch & Hund),
Dr. Manfred Herrmann (Allgemeiner Deutscher Rottweiler Klub),
Ulla Keller (Mütter + Kind für Hunde),
Hans-Joachim Konnegen (Rechtsanwalt),
Petra Krivy (Club für Slovensky Cuvac),
Peter Lange (Journalist),
Simone Lepetit (Rechtsanwältin),
Tanja Lex (Rechtsanwältin),
Dr. Karl Lucks (Oberstaatsanwalt a.D.)
Alfred Maciejewski (BDK / IG Mensch & Hund),
Armin Meier-Kuehn (Oberstudienrat),
Alexandra Oetker (Liberales Netzwerk),
Norbert Roling (Klub für Ungarische Hirtenhunde),
Claudia Schuermann (Bullterrier in Not),
Prof. Dr. Bernd Switalla (Briard Club Deutschland),
Dr. Ursula Teschner (Veterinäramt Wuppertal),
Thorsten Wegener (Uelzener Versicherungen),
Harald Wiegand (Journalist),
Hartmut Zenk (Verein für Deutsche Schäferhunde)
|