WAZ

Prädikat : ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN

C. Krause                                                                                                  Bochum, den 23.05.2001 44866 Bochum                                                                                                       

                                                                                                           

 

An die

WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG

 Chefredaktion

 Herrn Uwe Knüpfer

Friedrichstr. 34-38

D – 45123 Essen

 

 

 

Sehr geehrter Herr Knüpfer,

 da der Artikel „Regierung will Kampfhunde von der Leine lassen“ der WAZ-Ausgabe vom 23.05.2001 auf der Titelseite und ohne Angabe des Verfassers erschienen ist, muß ich davon ausgehen, daß er von Ihnen persönlich und/oder seitens der Chefredaktion gebilligt wurde. Somit sind Sie mein Ansprechpartner in dieser Angelegenheit.

Ich bitte sie, meinen Ausführungen tapfer bis zum Ende zu folgen, um zu begreifen, wie ich Ihre Veröffentlichung als verantwortungsbewusste Hundehalterin und unbescholtene Bürgerin auffassen muß.

Hier ist leider nicht zum ersten mal in Ihrem Blatt ein tendenziöser und manipulierender Artikel erschienen, der an folgenden Kriterien festzumachen ist:

I.   Die Schlagzeile

  1. Der Gebrauch des Unwortes „Kampfhund“: Jeder Kynologe lehnt diesen Begriff kategorisch ab. Es gibt keine „Kampfhunde“. Nicht in einem einzigen Gesetzestext wird dieses Wort benutzt. Auch in der LandesHundeVerordnung NRW taucht dieser Begriff nicht ein einziges mal auf. Dieses Unwort, daß im Jargon der „YellowPress-Journallie“ so beliebt ist, eignet sich jedoch bestens dazu, unterschwellig vorhandene Ängste bei Menschen (Urangst vor dem bösen Wolf) zu schüren, insbesondere bei denen, die sich mit Hunden und Hunderassen nicht auskennen. Der Mensch fürchtet sich vor dem am meisten, das er nicht kennt. Für diese Menschen sind alle größeren Hunde furchteinflößend und damit, sofern sie nicht auf den ersten Blick eindeutig Schäferhunde sind, vermeintliche „Kampfhunde“. In Ihrem Artikel wird dieses Unwort nicht einmal durch den Begriff „sogenannte Kampfhunde“ relativiert, auch der Ausdruck „Anlagehunde“ oder alternativ „Hunde der Anlage 1 oder 2“ scheint Ihnen nicht reißerisch genug gewesen zu sein.
  2. Die Formulierung „von der Leine lassen“: Sie vermittelt im direkten Kontext mit dem Unwort „Kampfhund“ der verängstigten Leserschaft sogleich das Bild von unkontrolliert in den Straßen herumstromernden und nach Menschenblut lechzenden Bestien. Ein gelungenes Horrorszenario.
  3. Die Schuldfrage: Ebenfalls bereits in der Schlagzeile wird auch schon der vermeintlich Schuldige an dieser implizierten massiven Bedrohung der Bevölkerung präsentiert und an den Pranger gestellt, nämlich die Regierung.

Fazit der Schlagzeile: Mit nur 7 Worten ist es Ihnen gelungen, die Grundstimmung der Leser negativ gegen Hunde einzustellen und der Regierung Unfähigkeit bei der Einschätzung von Gefahren zu unterstellen. Eine Schlagzeile, die dem niedrigen und agitatorischen Niveau der „BILD“ würdig gewesen wäre. Für jedes seriöse Blatt ist sie jedoch eine Schande!

 

II.  Der Inhalt des Artikels

1.        Die Kraft der Wiederholung: Der erstaunte Leser, der in der Schlagzeile die Absichtsformulierung vorgesetzt bekommen hat (...will...von der Leine lassen) , wird in der ersten Zeile des Artikels mit der harten Realität konfrontiert (...lässt...von der Leine). Das ist didaktisch hochinteressant formuliert. Da der gezielt fehlinformierte Leser den „unglaublichen“ Sachverhalt nun schon zum zweiten Mal lesen darf, muß es ja stimmen. Wiederholt man eine Lüge oft genug, wird sie in den Köpfen zu Wahrheit.

2.        Das Gesetz: Leider wird hier nicht das „Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“ kritisiert, das Millionen Bürger dieses Landes zu Bürgern 2. Klasse degradiert und ihnen unabdingbare Grundrechte aberkennt. Nein, die Ausnahmeregelungen werden kritisiert, indem man unterstellt, sie „durchlöchern“ das Gesetz. Die suggerierte Botschaft lautet hier: Super Gesetz – aber furchtbare Ausnahmeregelungen!

3.        Die Krönung: Der Satz „So dürfen Touristen ihre gefährlichen Vierbeiner mitbringen.“ ist die Krönung des ersten Absatzes. Sie vermeiden geschickt den Ausdruck „ausländische“ Touristen. Der ist auch gar nicht nötig, nachdem Sie in einer semantischen Meisterleistung den vorangegangenen Satz mit „...das strikte Einreiseverbot“ beendet hatten. Wären deutsche Touristen gemeint, müßte ja von „Wiedereinreise“ die Rede sein, und diese würden ja auch ihre Hunde aus dem Auslandsurlaub „zurückbringen“! Ergo können nur ausländische Touristen Ziel Ihrer Attacke sein. Nun zum Schlüsselfragment der Aussage, den „gefährlichen Vierbeinern“. Sie verzichten hier wiederholt auf differenzierende Mittel wie den Gebrauch des Ausdrucks „potentiell gefährlich“ oder „als gefährlich eingestufte Hunderassen“. Der Satz in seiner Vollständigkeit und im Zusammenhang des Artikels drängt dem mittlerweile verunsicherten Leser das Bild auf, daß hier Ausländer ihre bissigen Hunde in unser gerade erst sicher gewordenes Land schleusen werden. Somit wird das propagierte „Feindbild“ vom bösen Hund um das „Feindbild“ Ausländer bereichert. Exzellent gelöst!

4.        Noch einmal die Schuldfrage: Der „schwarze Peter“ wird mehrfach der Regierung zugeschoben, beginnend in der Schlagzeile. Das läßt die Vermutung zu, daß Sie nicht nur die Leser manipulieren, sondern auch die Regierenden unter Druck setzen wollen. Doch damit nicht genug! In einem Aufwasch kann man doch auch noch die FDP durch den Dreck ziehen. Wie können die es wagen, fragt sich unwillkürlich der fehlinformierte Leser, dieses fabelhafte Gesetz anzugreifen und noch dazu Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erwägen? Wie kann es sein, daß die Ausnahmeregelungen der FDP noch nicht weit genug gehen, wo sie doch dem anonymen Verfasser schon viel zu weit gegangen sind? Kein Wort über die Gründe, aus denen eine Verfassungsklage von dieser etablierten Partei z.Z. geprüft wird: Sie hält die Einschränkung von Grundrechten der Bürger, die sich keines „Vergehens“ schuldig gemacht haben, außer daß sie ihr Leben mit Hunden teilen wollen, für verfassungswidrig und hat kein Verständnis für eine rechtliche Benachteiligung von Hundehaltern gegenüber mehrfach Vorbestraften! Aber eine objektive Berichterstattung zu diesem Thema hat in Ihrem Blatt ja noch nie stattgefunden,  die Gründe dafür sind für mich rein spekulativ und gehören nicht hierher.

5.        Das Sahnehäubchen: Der anonyme Verfasser ist mit seinem Rundumschlag bzgl. Hund, Halter, ausländische Touristen, Regierung und FDP jedoch noch nicht an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gestoßen. Er ist durchaus steigerungsfähig und hebt aus dramaturgischen Gründen das Beste bis zum Schluß auf. „...die EU erwägt eine Klage gegen Berlin...“ weiß er zu berichten und nennt suggestiv auch den schnöden Grund: „...den freien Verkehr und den Handel“! Die unterschwellige Botschaft hier: Die Sicherheit der deutschen Bevölkerung wird von der EU aus rein finanziellen Gründen gefährdet. Nur damit Ausländer weiterhin ihre „Kampfhunde“ in Deutschland verkaufen können! Und da haben wir sie wieder: zuerst werden die bösen ausländischen Touristen mit ihren menschenfressenden Bestien als Feindbild in den Köpfen der Leser eingepflanzt und dann wird der böse Ausländer noch als skrupelloser Geschäftemacher der empörten Leserschaft präsentiert.

 

Fazit:  Beinahe wäre ich geneigt, Ihnen zu gratulieren. Ein klassisches Lehrbeispiel, wie man mit wenigen Worten eine erstaunliche Anzahl an Feindbildern schaffen kann, ohne daß die Intention für den durchschnittlichen Leser offensichtlich wird. Man muß aber auch Ratten wegen ihrer Anpassungsfähigkeit bewundern – trotzdem möchte ich nicht mit ihnen unter einem Dach leben.

Es wäre zu simpel anzunehmen, daß hier lediglich ein „Korrespondent aus Berlin“ am Werk war, der

a)      entweder das neue „Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“ und die Einschränkung der Grundrechte für Hundehalter nicht kennt (also nicht gründlich recherchiert hat und demzufolge seinen Job als Journalist nicht ordentlich beherrscht), oder

b)     das o.a. Bundesgesetz durchaus kennt, Hundehalter aber nicht als vollwertige Bürger dieses Landes respektiert und damit konform geht, daß man sie entrechtet, und/oder

c)      Ausländer nicht in Deutschland sehen möchte, egal ob als „Touristen mit Hund“ oder als „Züchter von Hunden“.

Bedauerlicherweise ist aber nicht nur der Verfasser dieses Artikels für die Veröffentlichung verantwortlich! Entsetzlich ist insbesondere, daß solch subversiven Ansichten in Ihrer (wirklich unabhängigen?) Zeitung ein Forum zur Verfügung steht! Da Sie schon jetzt beginnen, durch gezielte Fehlinformation wieder einmal Spannungen zwischen Hundehaltern und Hundehassern aufzubauen drängt sich mir der schreckliche Verdacht auf, daß das zu erwartende „Sommerloch“ auch in diesem Jahr wieder mit Hundehalter-Hetz-Artikeln überbrückt werden soll.

 

Sollten Sie wirklich tapfer bis zum Ende meiner Ausführungen durchgehalten haben? Dann noch eine rhetorische Frage zum Schluß: Sie erwarten doch nicht wirklich, daß ich diesen Schmierenjournalismus auch nur mit einer Mark finanziere? Meine entsetzte Nachbarin hat mir dieses Pamphlet in die Hand gedrückt. Bereits seit Jahren lege ich keinerlei Wert darauf, mich auf derart niedrigem Niveau manipulieren zu lassen, wo ich lediglich informiert zu werden wünsche!

 

Aus gegebenem Anlass bitte ich Sie hiermit außerdem, mich in Zukunft mit Anrufen Ihrer „Kundenwerber“ zu verschonen. Ca. halbjährlich empfehlen mir diese, eine Woche lang kostenlos und ganz  unverbindlich Ihrer Zeitung zu testen. Darauf lege ich nicht den geringsten Wert und bitte Sie, in Zukunft von diesen Belästigungen abzusehen.

 

Mit der Ihnen gebührenden Achtung

 

C. Krause



           Systran.com

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