Leserbrief

Dr. Chr. Tünnesen-Harmes

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

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Umetikettierung rechtswidriger Kampfhundeverordnungen in Gesetze genügt nicht! (zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG 6 CN 6.01 - vom 03.07.2002)

Die Niedersächsische Gefahrtier-Verordnung ist vom Bundesverwaltungsgericht u.a. auf Antrag der von uns vertretenen Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Rottweiler-Klubs e.V.(ADRK) endgültig für nichtig erklärt worden. Die Bemühungen der meisten Bundesländer, die auf Ausrottung bestimmter Hunderassen zielen, sind damit zumindest einstweilen gescheitert. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch keineswegs nur formale Aspekte beanstandet, vielmehr gibt es gewichtige verfassungsrechtliche Gründe, u.a. einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat unsere Rechtsauffassung bestätigt, daß es schon an einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung des Bartels-Ministeriums fehlt. Angesichts der klaren Bestätigung des Gerichts, daß die Gefahrtier-Verordnung gerade nicht auf Grundlage des Gefahrenabwehrgesetzes ergehen durfte, kam es für die Entscheidung des Gerichts nicht mehr auf die zahlreichen weiteren grundrechtsrelevanten Rechtsverstöße in der Gefahrtier-Verordnung an. Hierzu zählen auch die in der mündlichen Urteilsbegründung ausdrücklich genannten "gewichtigen Bedenken" im Hinblick auf den Gleichheitssatz, die darauf gründen, daß anerkannte deutsche Gebrauchshunderassen unterschiedlich behandelt werden, ohne daß hierfür irgendein plausibler sachlicher Rechtfertigungsgrund zu sehen ist. Die Verordnung hat nämlich Hunde der Rasse Rottweiler und Dobermann erfaßt, hingegen die qualitativ mindestens gleichwertige, quantitativ aber weit überwiegende Gefahr durch die Vielzahl deutscher Schäferhunde, Boxer, Doggen u.a. völlig ohne Kontrolle gelassen.

Die untauglichen Verordnungen der meisten Bundesländer werden nicht dadurch besser, daß sie formal in ein Gesetz umetikettiert werden. Auch Parlamentsgesetze müssen das Grundgesetz beachten. Hierzu gehört auch der Gleichbehandlungsgrundsatz, also das Willkürverbot. Nach unserer Überzeugung, die sich mit dem von Niedersachsen angegriffenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg deckt, müssen entweder alle vergleichbaren potentiell gefährlichen Rassen oder aber keine derselben einschränkenden Bestimmungen unterworfen werden. Es kann nicht angehen, eine kleine Gruppe von Haltern bestimmter Hunderassen zum Zwecke der Wählerberuhigung als „Sündenbock“ herauszugreifen, nur weil sie gerade diese Rassen halten. Das Problem muß vielmehr bei der Wurzel gepackt werden. Nicht die Hunderasse ist das Problem, sondern der individuelle Halter, egal ob er Pittbulls, Rottweiler oder aber Schäferhunde hält. Der Schutz der Bevölkerung hat einen hohen Stellenwert und gerade deshalb ein stimmiges und ausgewogenes Regelungskonzept verdient, statt zum Spielball wahltaktischer Überlegungen gemacht zu werden.

 

 

Duisburg, den 05.07.2002

 

 

Dr. Chr. Tünnesen-Harmes

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

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