- Redeprotokoll 20.06.2001

 

7   Ein Jahr Landeshundeverordnung in NRW: Nach wie vor schwerwiegende handwerkliche und fachliche Mängel

     Antrag

     der Fraktion der CDU

     Drucksache 13/1278 

     In Verbindung damit:

     Landeshundegesetz:

     Menschen- und Tierschutz in rechtsstaatlicher Partnerschaft

     Antrag

     der Fraktion der FDP

     Drucksache 13/1308

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU dem Kollegen Pick das Wort.

Clemens Pick (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr hatten wir andere Bilder vor uns, was die Landeshundeverordnung und die damalige Situation angeht, als das heute der Fall ist.

Wir waren damals alle betroffen durch die schlimmen und schrecklichen Ereignisse, die wir in der Bundesrepublik hatten, was in der Politik insgesamt auch zu Forderungen geführt hat, dass ein besserer Schutz von Menschen vor Tieren - insbesondere auch vor Hunden - erarbeitet werden soll.

Die Landesregierung hat damals durch Frau Ministerin Höhn sehr früh angekündigt, dass man eine noch bessere Landeshundeverordnung in der Schublade hätte, wie sie in anderen Ländern in Kraft oder in Arbeit sei. Nachdem wir in die Sommerpause gegangen sind, haben wir sie vorgelegt bekommen.

Diese Landeshundeverordnung hat in vielen Bereichen Akzeptanz gefunden. Das muss man in aller Deutlichkeit hier sagen.

Aber diese Landeshundeverordnung hat auch massive Kritik von Hundehaltern, von Züchtern, von Verbänden, von Tierschutzvereinen, von Kommunen, von Sachverständigen und auch von den politischen Parteien erfahren. Diese Kritik richtete sich in erster Linie natürlich auf die Listen, die der Landeshundeverordnung beigefügt sind.

Hier ist die Landesregierung direkt nach der Sommerpause von der CDU in einer Aktuellen Stunde und im Ausschuss aufgefordert worden, die Landeshundeverordnung zu überarbeiten; denn es ist bekannt, dass in Gesprächen im Ministerium schon Anfang Juli auch seitens der Mitarbeiter des Ministeriums gesagt worden ist, dass wesentliche Teile der Landeshundeverordnung in weniger als zwei Tagen erarbeitet wurden, zahlreiche Nachbesserungen notwendig und einkalkuliert seien und dass die Anlage 2 aus dem Buch von Herrn Schoke "Herdenschutzhunde" ungekürzt übernommen worden sei. Das war schon das Signal: Hier muss geändert werden. Das ist dem Ministerium auch schon im Juli mitgeteilt worden.

Wir haben hier im Hause Anfang September diskutiert und diese Rasseliste in Frage gestellt. Innerhalb der Koalitionsfraktionen waren hier sehr entgegengesetzte Auffassungen. Von der Kollegin Schmid wurde zum Beispiel gesagt, diese Verordnung sei nicht überhastet in Kraft getreten; vielmehr sei es lange überfällig gewesen, die hier notwendigen Schritte zu tun, um einen wirksamen Schutz von Menschen vor bestimmten Hunden zu leisten. Danach - auch nach einer Anhörung in der SPD-Landtagsfraktion - begann man, zurückzurudern. In einer Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 27. Juni 2000 heißt es noch:

     "Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Edgar Moron, fordert ein generelles Verbot für Hunde, die grundsätzlich als gefährlich gelten."

In einer Pressemeldung vom 8. September 2000, ebenfalls von Herrn Moron, heißt es:

     "Wir nehmen aber auch die Kritik an der Landeshundeverordnung ernst und wollen Gelegenheit geben, die Kritik im Dialog mit uns zu untermauern."

Der Dialogprozess hat nicht stattgefunden. Bis heute ist nichts passiert. Das war im September!

Auch im September wurde weiter formuliert, Korrekturen an der Rasseliste der Landeshundeverordnung seien allerdings möglich, was auch den Weg zu bestimmten Regelungen nicht ausschließe. Hier ist also das Zurückrudern angesagt. Man kann auch jüngste Pressemeldungen lesen, zum Beispiel in den Soester Zeitungen, in denen Herr Moron vergangene Woche wieder erklärte, allenfalls werde die SPD dann, wenn es keine Bundesregelung gebe, ihrer Fraktion Vorschläge für ein Landeshundegesetz vorlegen.

In einer Pressemeldung der vergangenen Woche - aus der "Rheinischen Post" - sagt die Kollegin Schmid, die sich vorher noch vehement wie eben zitiert eingesetzt hatte, dass sie dann, wenn spätestens im September keine Klarheit herrsche, darauf drängen werde, die Liste der dann als gefährlich eingestuften Hunde drastisch zusammenzustreichen.

Schon heute redet man nicht mehr von 42 Hunden, die auf der Liste sind, und auch nicht von 14, wie wir es im September in der Diskussion um diese Listen noch vertreten haben. Kollege Uhlenberg hat das damals hier eingebracht. Wenn man die Bundesgesetzgebung oder das, was man dort beabsichtigt, sieht, reden wir heute noch von 4 Hunderassen, die in die Liste aufgenommen werden.

Zwischenzeitlich hat es Erkenntnisse der Oberverwaltungsgerichte Schleswig und Lüneburg gegeben, die klar sagen: Verbote aufgrund der Gefährlichkeit von Hunden nach der Zugehörigkeit zu irgendeiner bestimmten Rasse sind nicht zulässig. Es gibt keine gefährlichen Hunderassen, sondern nur gefährliche Hundeindividuen. Das bestätigen auch eindeutig Wissenschaftler. Sie, Frau Ministerin, sind uns im Ausschuss bis heute noch den Beweis schuldig, den Sie angekündigt haben. Sie haben angekündigt, uns die Wissenschaftler zu benennen, die Sie bei der Erstellung der Rasseliste beraten haben. Wir kennen die Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen, die ebenfalls Bedenken hat, dass das Führungszeugnis, das verlangt wird, über eine Verordnung nicht geregelt werden kann, sondern dass hierzu Gesetze gefordert werden.

In anderen Bereichen ist die Landeshundeverordnung unzureichend, etwa dahin gehend, dass eine Anleinpflicht in Wohngebieten und auf öffentlichen Plätzen grundsätzlich für alle Hunde nicht gefordert wird. Das ist auch von den Hundehaltern so gewünscht. 

Es geht auch darum, dass die Chippflicht und die zentrale Registrierung aller Hunde vorgenommen wird, um eine Kontrolle möglich zu machen, und um die Pflicht zur Haftpflichtversicherung für alle Hunde, damit dann, wenn ein Schaden eintritt, auch sichergestellt ist, dass der Schaden ausgeglichen werden kann, und um den sofortigen Verhaltenstest für auffällig gewordene Hunde. 

Das haben wir nicht. 

Wir haben auch kein Heimtierzuchtgesetz. 

Wir haben kein Landeshundegesetz.

Es wird zwar gefordert, das sagt die FDP, und hierüber müssen wir im Ausschuss diskutieren.

Nur: Wenn ich das sehe, was im vergangenen Jahr alles hier diskutiert worden ist, und wenn ich die Auswirkungen dessen sehe, was hier die Landesregierung in der Landeshundeverordnung vorgelegt hat, ist wie folgt zusammenzufassen:

Durch diese Landeshundeverordnung werden Halter bestimmter Hunderassen diskriminiert.

          (Beifall bei der CDU)

Das, was hier vorgetragen worden ist, ist bis heute nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Das muss nachgeholt werden.

In der Praxis ist diese Landeshundeverordnung nicht durchführbar. Das sagen uns jeden Tag die Städte und Gemeinden.

          (Beifall bei der CDU)

Die Ordnungsmaßnahmen von 2.000 DM, die hier vorgeschlagen worden sind, sind unwirksam. Wir haben größere Beträge. z. B. 100.000 DM, gefordert.

Die Kostenbelastung der Kommunen ist unerträglich, wenn man weiß, dass ein Hund, der zwangsweise in ein Tierheim kommt, jährlich mindestens 5.000 DM kostet. Bei einem Hund, der 12 bis 15 Jahre alt werden kann, sind das schnell 60.000 bis 80.000 Mark pro Hund. Derzeit sind etwa 1.000 Hunde, die nicht vermittelbar sind, in nordrhein-westfälischen Tierheimen. Frau Höhn, das haben Sie durch Ihre Landeshundeverordnung verursacht.

          (Beifall bei der CDU)

Wenn wir übermorgen über die Verankerung des Tierschutzes in der Landesverfassung diskutieren, sollte man auch im Hinterkopf haben, dass durch die Landeshundeverordnung eine ganze Menge von Tieren in Tierheimen unter nicht optimalen Bedingungen gehalten werden und dass in Tierheimen am Rande der Legalität auch Tötungen von Hunden vorgenommen werden, die vermeintlich als gefährlich gelten. Meine Damen und Herren, es ist dringend erforderlich, dass wir im Ausschuss diskutieren und das Thema konkretisieren. Deswegen kündige ich an, dass die CDU-Fraktion einer Überweisung an den Ausschuss zustimmt und dass die CDU-Fraktion eine Anhörung von Experten, die längst überfällig ist, fordern wird. - Ich danke Ihnen.

          (Beifall bei der CDU - Dr. Bernhard Kasperek [SPD]: Fordere du nur!)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Herr Kollege Pick. - Ich erteile für die FDP als ebenfalls antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Dr. Grüll das Wort.

          (Dr. Bernhard Kasperek [SPD]: Der Kollege Grüll ist nicht so verbissen!)

Dr. Stefan Grüll (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Höhn, die FDP-Fraktion weiß sich mit Ihnen einig

          (Jürgen W. Möllemann [FDP]: Na, na, na! - Ministerin Bärbel Höhn: Oh!)

- der Satz geht noch weiter; freuen Sie sich nicht zu früh -, dass auch Sie und diejenigen, die an dieser Verordnung noch festhalten - viele sind es ja nicht mehr -, die Menschen vor gefährlichen Hunden schützen wollen. Das wollen wir nicht in Abrede stellen, und deswegen möchte ich den Blick auch nicht allzu sehr darauf richten, wie wir die parlamentarische Debatte im vergangenen Jahr geführt haben.

Mir geht es eher darum, nach vorne zu blicken, weil wir nach einem Jahr an einer Stelle stehen, an der wir Bilanz ziehen können, was die Verordnung gebracht bzw. nicht gebracht hat. An der Stelle aber weiß ich mich einig mit allen kynologischen Experten, die sagen, eine Rasseliste sei wissenschaftlich nicht haltbar. Ich weiß mich einig mit den kommunalen Spitzenverbänden, die sagen, die Verordnung sei nicht umsetzbar und sie belaste die Kommunen in finanzieller und personeller Hinsicht außerordentlich.

          (Beifall bei FDP und CDU)

Ich weiß mich einig mit einer Vielzahl von Verfassungsrechtlern und Europarechtlern, die sagen, das Import- und Zuchtverbot sei rechtlich nicht haltbar.

          (Beifall des Jürgen W. Möllemann [FDP])

Ich weiß mich einig mit Bettina Sokol, der Datenschutzbeauftragten dieses Landes, die eine engagierte und kompetente Frau ist. Sie hat einen einzigen Fehler - aber ich bin bereit, ihr diesen nachzusehen -: Sie gehört der Partei der Grünen an.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Wir neigen dazu, auch Leute vorzuschlagen, die nicht Mitglied unserer Partei sind! Das ist der Unterschied zu Ihnen!)

- Dann kann ich im Protokoll diesen kleinen Fehler streichen lassen. Dann bleibt sie ausschließlich eine kompetente und engagierte Frau.

Sie sagt sehr deutlich: 

Diese Verordnung ist datenschutzrechtlich nicht haltbar. Sie ist nicht geeignet, eine Legitimationsgrundlage für die schwer wiegenden und sogar grundrechtsrelevanten Eingriffe zu bilden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn man sich vergegenwärtigt, welche Phalanx von besonnenen und fachkundigen Menschen Ihnen gegenübersteht, dann gibt es in Verbindung mit den jüngsten OVG-Urteilen aus Schleswig-Holstein nur eine Konsequenz: Ziehen Sie die Konsequenz aus der einhelligen Ablehnung der Verordnung, und ziehen Sie auch die Konsequenz aus den rechtlichen Hinweisen, wie sie sich in den Urteilen des OVG Schleswig-Holstein finden.

Natürlich ist eine Rasseliste, die pauschal Gefährlichkeit feststellt, ein Problem des Art. 3 GG. Wir wollen, dass Sie auch daraus Konsequenzen ziehen. Das heißt für uns gerade unter Berücksichtigung der Erfahrung, die wir mit der Verordnung gemacht haben, und insbesondere ihrer Entstehungsgeschichte: Beteiligen Sie diesmal bitte externen Sachverstand vor einer Überarbeitung - das geht uns übrigens nicht weit genug -, vor einer Novellierung, vor einem Landeshundegesetz.

Denn wir wollen auch die parlamentarische Beratung, die Befassung in den Ausschüssen, die Debatte hier im Plenum und die Verabschiedung eines Gesetzes, das die geeignete Grundlage sein muss, um die Menschen wirksam zu schützen. Das wollen wir nämlich auch. Es gilt, gefährliche Tiere, die es allerdings in jeder Rasse gibt, auszuschließen. Einem Opfer ist es egal, ob es von einem Listenhund, der unter die Liste 1, 2 oder die 20 kg/40 cm-Regelung fällt, oder von einem Rehpinscher - dessen Biss kann übrigens auch weh tun und einem Säugling sehr gefährlich werden - gebissen wird. Das Opfer will schlichtweg nicht gebissen werden.

Da müssen wir ansetzen. Dazu haben wir Vorschläge gemacht. Das setzt voraus, dass man sich mit dem individuellen Tier und vor allem mit dem individuellen Halter beschäftigt, der nicht in der Lage ist, ein Tier verantwortlich zu halten. Die gibt es nämlich auch unter den 600.000 Hundehaltern in Nordrhein-Westfalen. Es gibt eben Halter, die unverantwortlich handeln und nicht fähig sind, ein Tier zu führen. Es geht darum, ihnen das Halten eines Hundes unmöglich zu machen, und zwar entweder, wie es Kollege Pick ausführte, durch drastische Strafen oder durch ein Hundehaltungs- bzw. Tierhaltungsverbot auf Zeit oder lebenslang. Wer sich nicht würdig, fähig und verantwortungsbewusst erweist, einen Hund zu führen, sollte keinen Hund halten dürfen. Das wäre ein Beitrag zum Menschen- und Tierschutz.

          (Dr. Bernhard Kasperek [SPD]: Das passiert alles nach dem ersten Biss!)

- Haben Sie einen Hund?

          (Dr. Bernhard Kasperek [SPD]: Das passiert erst nach dem ersten Biss!)

- Nein, das passiert nicht. Wir sind uns in diesem Zusammenhang mit der Ministerin der Landesregierung, die von Ihnen mitgetragen wird, einig, dass vor dem ersten Biss die Halterfähigkeit überprüft werden muss und nicht, wenn es zu spät ist. Sie müssen schon einräumen, Herr Kollege, dass diese Verordnung nicht dazu geführt hat, dass in Nordrhein-Westfalen nicht mehr gebissen wird.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Doch! Zumindest nicht mehr!)

- Nein, gucken Sie sich doch die Beißstatistiken an! Die Anlage-1-Hunde sind nicht mehr besonders auffällig. Aber das liegt daran, Frau Höhn, dass sie auch vorher nicht besonders auffällig waren. In dieser Hinsicht spricht die Beißstatistik eine eindeutige Sprache. Sie müssten sich schon etwas anderes einfallen lassen, wenn Sie es so rechtfertigen wollen. Das können Sie aber nicht.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Doch!)

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 stellt keine geeignete Rechtfertigungsgrundlage Ihrer Liste dar.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Doch!)

- Nein, dort greift das Analogieverbot: Es befasste sich mit Steuertatbeständen, aber nicht mit ordnungspolitischen und ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten.

Herr Schoke, den Sie zitieren, verwahrt sich dagegen - Sie wissen das genau; ich brauche den Schriftwechsel nicht zu zitieren -, als Beleg für die Rechtfertigung der Rasselisten herangezogen zu werden.

Gehen Sie das Problem der individuell gefährlichen Hunde unabhängig von der Rasse an! Dazu möchten wir Sie auffordern. Darum bitten wir Sie - in dem Fall Sie, Herr Innenminister. Dem Vernehmen nach haben Sie ja einen entsprechenden Gesetzentwurf in der Schublade. Was wir wollen, stand in der Zeitung,

          (Jürgen W. Möllemann [FDP]: Ihr müsst den inneren Schweinehund überwinden!)

und zwar unter Berufung auf eine von mir sehr geschätzte Kollegin der Sozialdemokratischen Fraktion. Insofern zweifle ich nicht im geringsten daran, dass das zutreffend ist.

Holen Sie den Gesetzentwurf einfach heraus! Lassen Sie uns gemeinsam darüber diskutieren! Dieser Gesetzentwurf kann dann nämlich, wenn er so gut ist wie das, was Klaus Matthiesen 1994 vorgelegt hat und was leider nicht umgesetzt worden ist, eine geeignete Grundlage für die von uns allen gewollte bundeseinheitliche Regelung sein; je früher er kommt, umso besser. Das muss dann aber eine wirksame, umsetzbare bundeseinheitliche Regelung sein, nicht so ein Dilettantismus, wie wir ihn jetzt auf Bundesebene erleben.

Ich bin dankbar - das ist die Gelegenheit, dies hier zu betonen -, dass Sie auf die Intervention der FDP so schnell reagiert haben, als wir nämlich auf den handwerklichen Fehler hingewiesen haben, dass man zwar mit dem Hund einer bestimmten Rasse ausreisen kann, aber nicht wieder einreisen darf.

Sie sehen, wenn wir an dieser Stelle gemeinsam wirken würden, könnten wir durchaus zu vernünftigen, umsetzbaren Lösungen kommen, die die Menschen wirksam schützen - ich wiederhole das, weil es mir wichtig ist -, die aber auch eine artgerechte Haltung von Tieren in diesem Land wieder möglich machen, die die Tierheime wieder in die Lage versetzen, Hunde bestimmter Rassen zu vermitteln - die vermittelbar sind, weil sie wesensgetestet sind -, die die Kommunen finanziell entlasten und die die Kommunen in die Lage versetzen, das Personal, das sie im Moment im Zusammenhang mit der Hundeverordnung brauchen, wieder für sinnvolle Sachen einzusetzen.

Herr Bottermann aus Ihrem Hause hatte Recht, als er in der "WAZ" am 10. Juni 1999 auf die Frage, welcher Hund gefährlich sei, in Bezug auf Rasselisten sagte: "Hier wäre die Benennung bestimmter Rassen purer Populismus." Das sagt Heinrich Bottermann vom Landwirtschaftsministerium. Frau Höhn, hören Sie auf Ihre fachkompetenten Kollegen! Dieser Mann hat Recht, so wie übrigens auch Sie Recht hatten - ich glaube, es war 1998 -, als Sie bei der Europazuchtsiegerschau des VDH von einer wirksamen, umsetzbaren Verordnung nach parlamentarischer Beratung unter Einbindung externen Sachverstands sprachen. Das ist das, was wir mit unserem Antrag verfolgen.

Der Antrag der CDU geht mir insoweit nicht weit genug, weil es darum nur um die Überarbeitung der derzeit geltenden Verordnung geht. Ich sagte bereits, dass diese handwerklich so schlecht ist, dass sie nicht überarbeitet werden kann. Sie muss schlicht ersetzt werden durch das, was wir Ihnen vorschlagen. - Herzlichen Dank.

          (Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Herr Kollege Grüll. - Für die SPD erteile ich Frau Schmid das Wort.

Irmgard Schmid (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In gebotener Kürze: Die Historie der Landeshundeverordnung seit dem letzten Jahr ist bekannt. Deshalb möchte ich nicht mehr in epischer Breite darauf eingehen. Nach wie vor gilt, dass Menschenschutz vor Hunderecht kommt. Darin sind wir uns sicherlich einig.

          (Beifall bei der SPD)

Seit dem letzten Sommer setzt die SPD-Fraktion auf Vereinheitlichung der Landeshundeverordnungen auf Länderebene. Zwei Innenministerkonferenzen konnten leider noch kein Ergebnis bringen. Der Stand der Diskussion bei der SPD-Fraktion ist: Sollte es bis zum Herbst noch keine Vereinheitlichung der Hundeverordnungen auf Länderebene geben, setzen wir uns für ein Landeshundegesetz ein.

Ich möchte es mir jetzt ersparen, alle Facetten, die zu berücksichtigen sind, die in den verschiedenen Anträgen erwähnt worden sind, und alles, was sonst noch möglich ist, heute Abend darzustellen. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.

Allerdings denke ich, dass uns der CDU-Antrag, in dem Berichte gefordert werden und in dem auch ein bisschen Polemik enthalten ist, nicht besonders weiterführen wird. Herr Kollege Pick sieht das vielleicht anders.

Ich wünsche mir gute Beratungen im Ausschuss.

          (Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmid. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Priggen das Wort.

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Pick hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir vor einem Jahr über das Thema diskutiert haben. Vor einem Jahr sah die Welt in manchen Punkten ein wenig anders aus - im Übrigen auch bei der FDP.

Gucken wir einmal nach, was vor einem Jahr von verschiedenen Stellen der FDP zu diesem Thema gesagt worden ist. Ich will einmal den niedersächsischen Generalsekretär der FDP, Herr Rössler, zitieren, der am 27. Juni 2000 in einer Pressemitteilung u. a. gesagt hat:

     "Jeder, der angesichts des Todes dieses sechsjährigen Kindes nun noch über die vermeintliche Diskriminierung von Hunderassen lamentiert oder glaubt, mit Zusatzsteuern und Hundeführerscheinen so etwas verhindern zu können, ist zynisch und verantwortungslos."

          (Hört, hört! bei der SPD)

Ich könnte jetzt in einer ähnlichen Art Guido Westerwelle - "Spiegel Online" vom 30. Juni - und die FDP in Niedersachsen und in Hessen zur 16er-Liste von Kampfhunden und weitere Quellen zitieren.

Das heißt für mich nur: Vor einem Jahr haben Sie anders geredet, und jetzt reden Sie wieder anders. Sie wechseln die Position. Sie wechseln sie aus meiner Sicht auch relativ einfach, indem Sie jetzt mit dem Antrag die Landesregierung auffordern, ein Gesetz zu machen. Sie drücken sich im Prinzip um klare, präzise Vorschläge, was genau Sie geändert haben wollen und welche Tiere Sie noch auf der Liste haben wollen, herum.

Auf Bundesebene haben die Landesregierung Rheinland-Pfalz und auch die FDP das Bundesgesetz mit der Rasseliste "Zucht und Import von gefährlichen Hunden" mitgetragen. Hier kommen Sie an und drücken sich darum, die Punkte klar zu benennen. Wenn Sie sagen würden: "Bei der Liste 2 müssen die und die Tiere weg, aber die bleiben drauf, und der Rottweiler kommt auf die Liste 1", könnte man ja mit Ihnen reden. Aber Sie beantworten diese Frage nicht präzise.

          (Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Stefan Grüll [FDP]: So können wir nicht miteinander reden!)

Beim CDU-Antrag finde ich einen Duktus schlecht, und zwar sagen Sie unter Ziffer 3:

     "Die Landeshundeverordnung setzt viele untadelige hundehaltende Bürgerinnen und Bürger zu Unrecht psychischen, physischen und materiellen Belastungen aus."

Ich finde, das überzeichnet die Situation und wird auch den Erfahrungen, die wir damit haben, nicht gerecht. Wenn man sich einmal ganz genau anguckt, was diejenigen, die unter die 40/20-Regelung fallen, zum 01.02. noch machen müssen, dann stellt man fest, dass dies zum einen die Meldepflicht ist. Der Halter muss zum anderen zuverlässig und sachkundig sein. Jemand, der drei Jahre lang einen Hund gehalten hat, gilt als sachkundig.

Das heißt, die ganz große Zahl derjenigen, die bisher ihre Hunde vernünftig gehalten haben und bei denen es keine Vorfälle gegeben hat, durch die irgendjemand betroffen wurde, gilt als sachkundig und ist in der Lage, einen Hund zu halten, ohne dass sie weitere Prüfungen oder Ähnliches machen muss.

Es gilt die Vorschrift, dass eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden muss. Das ist so vernünftig, dass man es eigentlich für jeden Hund fordern müsste, weil immer das Risiko besteht, dass ein Tier einen Unfall verursacht.

Es muss darüber hinaus ein Mikrochip eingesetzt werden. Das kostet 70 bis 80 DM. Dagegen kann auch niemand etwas haben. Dem haben Sie, glaube ich, auch zugestimmt. Hinzu kommt noch die Anleinpflicht auf öffentlichen Straßen und Plätzen und im öffentlichen Nahverkehr.

Das ist alles, was jemand, der einen Hund nach der 40/20-Regelung hat, erbringen muss. Das ist aus meiner Sicht eine absolut zumutbare Belastung.

          (Dr. Stefan Grüll [FDP]: Darum geht es nicht, Herr Priggen!)

Natürlich ist das ein gewisser Aufwand, den er treiben muss. Tun Sie doch nicht so, als wenn wir sachlich darüber reden und die Sache ändern könnten. Sie beschreiben ein Szenario, als ob die Welt unterginge, und leugnen völlig, dass Sie vor einem Jahr noch ganz anders geredet haben.

          (Beifall bei den GRÜNEN)

Der Grundsatz lautet - das haben wir immer gesagt -: Eine Verordnung ist eine Verordnung, die man unter dem jeweiligen Stand der Erkenntnisse macht. Das ist nichts Absolutes. Und wenn die Zeit - so wie jetzt - mit bestimmten Erfahrungen gekommen ist, dann kann man über die Verordnung reden und überlegen, was man verbessern kann. Die Ministerin hat im Ausschuss und in allen Gesprächen gesagt: Ziel ist es, eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen, weil 16 unterschiedliche Länderregelungen natürlich Unfug sind. Ich habe gehört, dass dieses Ziel auf einem vernünftigen Weg ist. Die Ministerin hat auch gesagt: Wenn wir eine gemeinsame Regelung nicht mit allen 16 Ländern erreichen, dann macht es auch Sinn, eine mit weniger Ländern zu machen, damit man zumindest ein Stück weiter zur Vereinheitlichung kommt. Und das ist das Ziel. Das wird auch vom Innenminister und von unserer Ministerin vorangetrieben. Ich glaube, dass das das Vernünftigste ist, was wir machen können.

Trotzdem wird die Stunde kommen, wo man dann analog zum Bundesgesetz wird sagen müssen, welche Rasse nun auf der Liste stehen soll. Darum kommen Sie nicht herum. Dass Sie draußen jetzt ein Stück weit - und vor einem Jahr haben sie es sehr hart getan - populistisch reden und sich um die präzise Benennung herumdrücken, sei Ihnen gestattet, weil Sie es ja nicht regeln müssen. Das bleibt letztlich an unserer Ministerin, an der Landesregierung hängen.

Wir können einer solchen Regelung aber nicht ausweichen. Und die Rückmeldung, die ich von Ordnungsamtsleitern habe, ist, dass mit der Liste umgegangen werden kann und dass auch das, was nach 40/20 auf die Hundehalter zukommt, sehr wohl umsetzbar ist.

In dem Sinne: Eine Vereinheitlichung auf Bundesebene ist anzustreben. Dann wird in dem Kontext auch die nordrhein-westfälische Liste überarbeitet. Und das, was Sie draußen aufführen, ist nur Mobilisieren von Stimmungen. Das hilft uns in der Sache nicht weiter.

          (Beifall bei den GRÜNEN - Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist Kasperletheater! - Oliver Keymis [GRÜNE]: Aber ein schlechtes!)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. - Für die Landesregierung spricht nun Ministerin Höhn.

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Meine Damen und Herren! Es ist schon interessant, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, was vor einem Jahr und was vor allen Dingen in den Jahren vorher los war. Was war der Grund für die Landeshundeverordnung?

Seit 1994 hatten wir eine aus meiner Sicht gute Landeshundeverordnung, die noch von Herrn Matthiesen gemacht worden ist. Sie haben selber meine inhaltlichen Kommentare dazu im Jahre 1998 erwähnt. Den Ansatz: "Ein Hund ist nicht per se, weil er einer Rasse angehört, gefährlich", habe ich immer vertreten. Allerdings war der Nachteil der alten Landeshundeverordnung, dass die Behörde nachweisen musste, dass ein Hund gefährlich ist. Der Hund musste also schon zwei- oder dreimal zugebissen haben, ehe man überhaupt tätig werden konnte.

Diese Regelung war nicht mehr durchsetzbar, und es wurde zu Recht kritisiert, dass sozusagen die Bevölkerung das Experimentierfeld dafür sein sollte, ob ein Hund gefährlich ist oder nicht. Es geht ja nicht um irgendeinen kleinen Biss - alle, die Hunde kennen, wissen, dass die auch schon einmal beißen -, es ging um gefährliche Bisse. Die Zahl der tödlichen und der schlimmsten Verletzungen stieg, und diese Bisse hatten eine Dimension angenommen, die wir früher nicht kannten. Das war der Punkt, warum wir mit der alten Landeshundeverordnung nicht mehr weiterarbeiten konnten.

Wir haben dann angekündigt, zu einem Wechsel zu kommen, insbesondere hinsichtlich der Besitzer von großen Hunden, die missbraucht und gefährlich gemacht werden können. Der Trend war, dass Teile der Bevölkerung mit Hunden umgangen sind wie mit Waffen. Es waren zwar wenige, aber diese haben versucht, ihre Hunde als Waffen zu nutzen.

Manche Hundebesitzer sind mit bestimmten Hunden durch die Gegend gegangen nach dem Motto: Der schlägt mir eine Bresche. - Es gab Mitglieder dieser Gesellschaft, die ihre Freiheit missbraucht haben, indem sie Hunde missbraucht haben.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die entscheidende Frage: Wie kommt man an diese Hundebesitzer heran? Wenn wenige in der Gesellschaft die Freiheit missbrauchen, muss man leider Auflagen machen, die viele beschränken. Deshalb sage ich zur FDP: Selbst von Ihrem liberalen Ansatz herdürfte Ihnen der Ansatz, den wir gewählt haben, gar nicht so fremd sein.

Anstatt dass die Behörde nachweisen muss, dass der Hund gefährlich ist, und praktisch jedem Hund hinterherrennen muss, haben wir gesagt: 

Jeder kann einen großen Hund haben, aber er hat gegenüber der Gesellschaft die Verpflichtung, nachzuweisen, dass dieser Hund ungefährlich ist.

Was haben Sie eigentlich dagegen? Sie fordern, dass die Behörde nachweisen muss, obwohl Sie sonst doch dafür eintreten, dass Behörden möglichst wenig eingreifen. Ihr Antrag geht am Ziel vorbei. Denn Sie definieren nur das Ziel, aber nicht die Alternative. In Ihrem Antrag steht: "die Bevölkerung wirksam vor individuell gefährlichen Hunden und unverantwortlichen Hundehaltern schützen". Aber wie dies geschehen soll, sagen Sie nicht. Das ist der entscheidende Webfehler in Ihrem Antrag.

Wir haben einen Paradigmenwechsel vorgenommen. Wir haben gesagt: In Zukunft müssen wir verlangen, dass ein Hundehalter von einem Hund, der gefährlich gemacht werden kann, nachweist, dass sein Hund nicht gefährlich ist und er entsprechend sachkundig mit diesem Hund umgehen kann. Das ist nicht zu viel verlangt.

Ich fand gut, was die CDU gesagt hat. Herr Pick hat gesagt: Die Landeshundeverordnung hat in vielen Orten Akzeptanz gefunden. - Genau das wollten wir, und das ist auch passiert. Wir hatten im letzten Jahr keinen tödlichen Beißunfall mehr und auch keine schweren Beißunfälle. Und das ist ein Erfolg dieser Landeshundeverordnung.

          (Beifall bei den GRÜNEN)

Dies ist auch ein Erfolg, der bundesweit wirkt. Denn mittlerweile gehen Hundebesitzer mit ihren Hunden erheblich sachkundiger um als früher.

Wir haben gerade in Großstädten Nutzungskonflikte. Da gibt es einmal das Interesse, einen Hund zu haben, und zum anderen das Interesse, mit seinen Kindern in Sicherheit in Parks spielen zu können, oder das Interesse älterer Leute, dort spazieren zu gehen. Deshalb haben wir deutlich gesagt: Hundebesitzer müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Und es ist, wenn man einen großen Hund hat, in dieser Gesellschaft nicht zu viel verlangt, zu wissen, wie man mit diesem großen Hund umgeht.

          (Beifall bei GRÜNEN und SPD)

Wenn man diesen Ansatz verfolgt und von den Hundebesitzern verlangt, dass sie nachweisen, dass ihre Hunde ungefährlich sind, dann müssen Sie auch in Listen Hunde benennen, die möglicherweise gefährlich gemacht werden können. Wir haben den Ansatz gewählt, nicht automatisch zu sagen: Jeder Hund dieser Liste ist gefährlich. - Wir haben vielmehr gesagt: Wer einen Hund dieser Liste hat, kann in einem Test nachweisen, dass dieser Hund ungefährlich ist. Er kriegt die Auflagen erlassen und fertig.

Genau das ist doch der Grund, weshalb bisher jeder Versuch, unsere Landeshundeverordnung vor Gericht zu kippen, nicht funktioniert hat. Sie mussten immer Urteile aus anderen Bundesländer zitieren, weil Sie hier gar kein Urteil haben, das Ihnen gefällt. Denn der Ansatz ist genau der, dass wir nicht über Listen diskriminieren, sondern sagen, die Hundebesitzer können für die einzelnen Hunde einer Liste nachweisen, dass sie die Sachkunde haben und dass ihre Hunde ungefährlich sind.

Ich sage noch eines zur Beißstatistik, weil wir interessanterweise immer noch die Diskussion um den Schäferhund haben. Ich nehme jetzt einmal nicht unsere offiziellen Beißstatistiken, sondern eine Beißstatistik, die mir die Gegner der Landeshundeverordnung aus Bielefeld überreicht haben. Die fand ich sehr interessant. Ich habe mir die Zahlen angesehen: Wie viele tödliche Beißunfälle hat es seit 1995 gegeben? Von den 13 tödlichen Beißunfällen seit 1995 waren fünf von so genannten Kampfhunden und fünf von Rottweilern. Wo ist der Schäferhund? Die Diskussion um den Schäferhund relativiert sich also, wenn man sich die Beißstatistik der letzten Jahre, überreicht von Gegnern der Landeshundeverordnung, ansieht.

Das finde ich auch interessant, wenn man überlegt, wie es weitergeht. Denn wir wollen, dass es weitergeht. Deswegen wollen wir versuchen, einen Webfehler, den es durch die vielen Landeshundeverordnungen gegeben hat, zu beseitigen. Das habe ich im letzten Sommer, als wir die Landeshundeverordnung verabschiedet haben, schon gesagt: Es ist nicht zu rechtfertigen, dass wir in jedem Bundesland eine andere Landeshundeverordnung haben. Es kann nicht sein, dass sich ein Hundebesitzer, wenn er z. B. in Hessen wohnt und von einem Bundesland ins andere zieht oder fährt, erkundigen muss, was in Nordrhein-Westfalen, was in Niedersachsen der Fall ist. Das geht nicht.

Deshalb müssen wir unsere Landeshundeverordnung vereinheitlichen. Dazu gibt es eine Arbeitsgruppe auf Bundesebene, die auch weitergekommen ist. Sie nähert sich im Übrigen sehr der Systematik von Nordrhein-Westfalen an, weil wir eben Gerichtsurteilen widerstehen und eine Landeshundeverordnung in Kraft gesetzt haben, die bisher von den Gerichten nicht gekippt worden ist. Das bedeutet: Unser Ansatz war durchdacht.

Wir werden versuchen, genau diese Bemühungen auf Bundesebene nach vorne zu bringen. Das ist ein wichtiger Ansatz, über Ländergrenzen hinweg zu einer einheitlichen Regelung, was die Hunde angeht, zu kommen. Das wollen wir erreichen, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es im Herbst hinbekommen. Dann werden wir wie alle anderen Bundesländer auch die Regelungen der Landeshundeverordnung in Nordrhein-Westfalen entsprechend überarbeiten. Das wäre eine gute Veränderung.

Im Übrigen habe ich mir gerade die Demo zur Landeshundeverordnung angeguckt.

          (Dr. Stefan Grüll [FDP]: Von wo?)

- Hier oben vom Balkon. Die Demonstranten haben mich nämlich gesehen, und dann haben sie sofort gerufen: Höhn muss weg! - Vor einem Jahr waren es aber, wenn ich mich richtig erinnere, noch etwa 10.000, und heute waren es 100. Die Zahl derjenigen, die noch betroffen ist, ist massiv geschrumpft.

Das liegt auch daran, dass die Landeshundeverordnung mittlerweile akzeptiert ist. Am Anfang war es in der Tat problematisch, wir hatten die Durchführungsbestimmungen noch nicht, weil wir aufgrund des tödlichen Beißunfalls in Hamburg schnell reagieren mussten. Aber die Durchführungsbestimmungen sind lange da. Wer nun noch demonstriert, hat mit der jetzigen Landeshundeverordnung Probleme, weil er die Ausnahmegenehmigung nicht erhält. Das ist auch richtig: Wenn der Hund den Test nicht besteht, muss er eben einen Maulkorb tragen. Daran geht nichts vorbei. Wir wollen eben auch die Menschen in diesem Land schützen. - Vielen Dank.

          (Beifall bei GRÜNEN und SPD)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Frau Ministerin Höhn. - Für die CDU erteile ich dem Kollegen Sendker das Wort.

          (Dr. Bernhard Kasperek [SPD]: Es ist doch alles gesagt, Herr Kollege!)

Reinhold Sendker (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Selten hat eine Verordnung des Landes so viel Kritik, offenen Widerspruch und Ablehnung erfahren wie diese Landeshundeverordnung.

Werter Herr Kollege Priggen, die Feststellungen im Antrag der CDU-Landtagsfraktion sind eben nicht überzogen. Das muss ich laut und deutlich feststellen. Nach einer Umfrage, die Herr Klaus Wulfmeier bei Abgeordnetenkollegen durchgeführt hat, wird mitgeteilt, dass wohl eine Vielzahl der Kolleginnen und Kollegen hier im Haus mit der vorliegenden Landeshundeverordnung recht unzufrieden ist. Es bleibt die Erkenntnis, verehrte Frau Ministerin: Solche populistischen Schnellschüsse führen nicht zu einvernehmlichen Ergebnissen. Das lassen Sie uns in der Debatte deutlich festhalten.

          (Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Höhn, Fakt ist, dass es geradezu eine Kanonade der Kritik, der sachlichen Widersprüche gegeben hat besonders von Vertretern der Wissenschaft, der Verbände, der Initiativen und auch der Kommunen. Das können Sie hier nicht schönreden und auch nicht vom Tisch wischen. Die verbreitete Kritik der Fachwissenschaft gipfelte schließlich in der Feststellung, dass die Landeshundeverordnung ohne jede Fachkompetenz sozusagen hauruck zusammengeschustert worden ist. Für den Vorwurf der fehlenden Fachkompetenz gibt es zahlreiche Hinweise und Erklärungen; ich nenne nur einige wenige Beispiele:

Da wird bezweifelt, dass das von der Ministerin für die Rassenbenennung in Anlage 1 aufgeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 schon aus rechtlichen Erwägungen als Begründung zulässig sei. Ferner haben zwei Oberverwaltungsgerichte eindeutig festgestellt, dass die pauschale Bestimmung der Gefährlichkeit von Hunden gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. An derartigen Feststellungen können Sie heute nicht vorbeireden.

Ein weiterer Punkt: Unter den in Anlage 1 genannten Hunderassen befindet sich auch der Bullterrier. Dazu sei ausdrücklich angemerkt, dass in Bayern mit 1.000 Tieren in den letzten neun Jahren fast der gesamte Bestand dieser Rasse einem Wesenstest unterzogen worden ist und es in allen Fällen ein Negativzeugnis gegeben hat. Damit gelten diese Hunde nicht mehr als Kampfhunde.

Im Übrigen enthält die Listung in Anlage 2 einige Hunderassen, die längst ausgestorben sind, und andere Hunderassen - Sie haben eben vom Schäferhund gesprochen, der die meisten Beißattacken zu verzeichnen hat - sind gar nicht aufgeführt. Auch bleiben unsere Nachfragen - daran sei in dieser Stunde noch einmal erinnert - im Fachausschuss zu den wissenschaftlichen Begründungen für die Rasselisten bis heute völlig unzureichend beantwortet. Frau Ministerin, wir hätten gerne Belege und Namen genannt.

Dass Belege fehlen, entnehmen Sie auch der recht aufwendigen Darstellung der Landeshundeverordnung. Von 29 Hunden, die in der Liste 2 genannt werden, fehlen allein sechs Bildnachweise von den dort aufgeführten Hunden. Oder - ich darf die Frau Ministerin fragen - fehlen Ihnen hier die Kronzeugen für die Rasselisten? Die Persönlichkeiten, die jedenfalls in Rede gestanden haben, die genannt worden sind, haben sich ja prompt in irgendeiner Weise davon distanziert.

Meine Damen und Herren, schon deshalb fordern wir: Schluss mit dem Versteckspiel und mit Nachdruck eine bessere Gesetzgebung als das, was uns heute noch als Landeshundeverordnung vorliegt!

          (Beifall bei der CDU)

Ich will noch erwähnen, dass sich beispielsweise der Berliner Autor Thomas Achim Schoke in der Vergangenheit schon mehrfach massiv über den Missbrauch seines Buches über die Herdenschutzhunde verwahrt hat. Davon ist eben bereits gesprochen worden. Ich will ergänzen: Herr Schoke hat schließlich auch gegen das Ministerium den Vorwurf erhoben, man habe ihm ein Angebot gegen Zahlung eines entsprechenden Honorars unterbreitet, zwei Gutachten zu schreiben, in denen er u.a. die besondere Gefährlichkeit der in Liste 2 aufgeführten Rassen nachträglich begründen sollte. Er hat das, meine Damen und Herren, recht empört abgelehnt. Dafür haben wir großes Verständnis.

Ein entsprechendes Gutachten wurde später von Frau Dr. Feddersen-Petersen in Auftrag gegeben. Deren Urteil spricht ebenfalls für sich und gegen die bestehende Landeshundeverordnung.

          (Beifall bei der CDU)

Die hoch anerkannte Wissenschaftlerin kommt zu dem Ergebnis - Herr Präsident, ich darf das mit Ihrer freundlichen Genehmigung zitieren -, "dass die erfolgte Listung ungerechtfertigt, willkürlich und schlecht ist", und so weiter und so fort.

Meine Damen und Herren, wo die wissenschaftlichen Nachweise fehlen, da sollten sie erstens endlich beigebracht werden. Zweitens halte ich angesichts der Vielzahl sachlicher Widersprüche, die in dieser Debatte deutlich geworden sind, aber auch anderer Ungereimtheiten einen anderen Umgang mit den Vertretern der Wissenschaft und der Verbände für dringend geboten.

Wie soll denn dem Bürger das Gefühl von mehr Sicherheit vermittelt werden, wenn ich das noch einmal fragen darf, wenn die Fachwissenschaft die Landeshundverordnung derart massiv kritisiert? Es wird jetzt schon nicht nur in Fachkreisen davon gesprochen, dass eine solche Hundeverordnung eher den zivilen Ungehorsam der Bürgerinnen und Bürger erzwingt als dass sie die Hundebesitzer erreicht, deren Tiere in der Vergangenheit tatsächlich auffällig geworden sind.

          (Vorsitz: Vizepräsident Jan Söffing)

Heute wie vor einem Jahr legt die CDU-Fraktion allergrößten Wert darauf, bei der dringend notwendigen Überprüfung der Landeshundeverordnung die Wissenschaft, die Verbände und vor allem auch die Kommunen wirklich anzuhören und zu erhören.

Nach all der Kritik lechzen wir geradezu danach, endlich eine solche Anhörung mit dem Ziel einer besseren Gesetzgebung und vor allen Dingen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Beteiligung des Landtages durchzuführen. - Herzlichen Dank.

          (Beifall bei CDU und FDP)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Herr Kollege Sendker. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, meine Damen und Herren, sodass ich die Beratungen zu diesem Tagesordnungspunkt schließen kann.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Hier haben sich die Fraktionen inzwischen darauf verständigt, den Antrag Drucksache 13/1278 nicht direkt abzustimmen, sondern genauso wie den Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 13/1308 zu überweisen. Wir stimmen somit ab über die Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz - federführend -, an den Ausschuss für Innere Verwaltung und Verwaltungsstrukturreform sowie an den Rechtsausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

 

 

Wer jetzt noch nicht begriffen hat wie wichtig die Demos am 7.07.2001 sind - sollte niemals nmehr einen Hund halten dürfen.

 

Lest genau was die Birnen grossteils sowie die Pfanne gesagt haben -- LEST ES GENAU!




             Systran.com

 

Zurück

gColor=#000080 border=0>


             Systran.com

 

Zurück

/p>