Maulkorbpflicht für alle - Das Unternehmen "Zukunft" setzt mal wieder negative Maßstäbe

Ob Cocker, Zwergschnauzer, Terrier, ob groß ob klein - alles, was Katzengröße übersteigt und vom Hundebesitzer nicht für Stunden in eine Reisetasche gezwängt werden soll, ist bei der Deutschen Bahn künftig nur noch mit Maulkorb erlaubt. Gern gesehen wohl trotzdem nicht, denn dann käme man erst gar nicht auf eine solche Idee. Die Begründung klingt auf den ersten Blick vernünftig. In dicht besetzten Zügen hätten Hunde schon mal reflexartig um sich geschnappt, z.B., wenn sie unbeabsichtigt getreten worden seien. Dies sei ja auch für die Hundebesitzer selbst unangenehm, da sie in Regress genommen würden. Es leuchtet ein, dass so etwas passieren kann und dass die Bahn es zu vermeiden sucht. Nun ist reflexartiges Schnappen noch kein Beißen und hinterlässt selten ernsthafte Verletzungen. Letztlich ist das Ganze nur die Reaktion darauf, dass die Bahn mit ihrem "Kampfhundeverbot" gescheitert ist. Statistiken darüber, ob solche Maßnahmen gerechtfertigt sind, dürfte das Unternehmen ohnehin keine haben. Hunde gelten laut Fahrschein nämlich als Kinder. Zuverlässige Daten über die Anzahl der mitreisenden Hunde und derartige "Übergriffe" kann es also gar nicht geben.

Auf den zweiten Blick allerdings sollten hätte man einen millionenfachen Aufschrei vermutet. Von Hundebesitzern, ihren Familien, Tierfreunden, Fachzeitungen und bestimmten TV-Sendungen. Nicht nur den Ruf "wehret den Anfängen". Denn die haben ja schon andere gemacht. So oder ähnlich. Allerdings, wenn nun auch die Deutsche Bahn damit widerspruchslos durchkommt: "Prost Mahlzeit, Hundebesitzer." Dann verabschiedet euch und eure Hunde schon einmal von allen öffentlichen Verkehrsmitteln oder gewöhnt die Tiere schnell an einen Maulkorb. In die Diskussion, wie schädlich dieser für Psyche und Gesundheit aller oder bestimmter Hunde sein kann, will ich hier gar nicht eintreten. Und mich auch nicht schon wieder über den Unsinn der Maulkorberlasse für bestimmte Hunde äußern. Das lässt sich von interessierten Menschen (also solchen, die nicht Entscheidungsträger z.B. bei der Deutschen Bahn oder bei der Erstellung von Hundeverordnungen sind) anderswo in Hülle und Fülle nachlesen.

Teures Reisen - billige Lösungen
Fangen wir beim Kundendienst der Bahn für Hundehalter an. Hunde, die nicht in Reisetasche oder Transportbehälter mitreisen, zahlen den halben Fahrpreis. Wenn Sie, so wie ich bisher, regelmäßig mit zwei Hunden zwischen 600 und 1000 km per Bahn zurück gelegt haben, und das ein- bis zwei Mal monatlich, kommen da schon einige Tausend Euro pro Jahr zusammen. Vor allem dann, wenn Sie, Ihren Hunden zuliebe, überfüllte Züge und Billigangebote meiden, ICEs mit den kürzesten Fahrzeiten auswählen, und noch eine Sitzplatzreservierung im Abteil erster Klasse vorziehen.

Vereinfachen wir jetzt mal ganz frech die Preisgestaltung der Bahn, weil es sich leichter rechnen lässt. Hamburg-München und zurück, 1. Klasse, ein Erwachsener, zwei Hunde: 400 Euro. Besetzter Platz im Abteil: einer. Raum für weitere fünf Fahrgäste. Im Nebenabteil sitzt eine Gruppe/Familie. Zwei Kinder unter fünf Jahren - kostenlos. Ein Erwachsener zum vollen Fahrpreis, ein Erwachsener zum halben Fahrpreis, ein weiteres Kind über 5 Jahren zu 25 %: 350 Euro. Noch verfügbare Sitzplätze: einer. Rein wirtschaftlich gesehen bin ich zweifellos der bessere Kunde und bringe der Bahn mehr Geld. Dafür genoss ich aber schon immer einen schlechteren Service. Der Zugang zum Speisewagen mit Hund? Nicht erlaubt! Wasser oder Leckerli für Hunde im Zug erhältlich, sei es auch gegen Bezahlung? Fehlanzeige! Hilfe beim Einsteigen mit zwei Hunden und einem schweren Koffer? Einmal bei vierzig Fahrten! Irgend ein besonderer Service für Hundebesitzer? Gott bewahre, nur für Skifahrer, Familien, Säuglinge, Handy- und Laptopbenutzer. Das meiste davon übrigens kostenlos.

Nun gut, was nimmt man nicht alles so hin als Hundebesitzer in der heutigen Zeit. Ca. 30.000 km Bahnfahrt haben wir Drei so in den letzten zwei Jahren überstanden. Alle ohne jegliche Beanstandung von anderen Fahrgästen, unangenehme Vorfälle. Immer als Botschafter für friedliche und gut erzogene Hunde. Wenn wir unser Abteil teilen mussten, haben die Menschen es gerne mit uns geteilt. Die an Reisen gewöhnten Hunde haben ohnehin meistens sechs bis acht Stunden verschlafen, es sei denn Mitreisende hätten sie zum Spielen aufgefordert. Ein langer Spaziergang vor der Abfahrt und gutes Training waren die Garantie dafür. Tja, das mit den Botschaftern dürfte nun vorbei sein.

Ein Maulkorb macht verdächtig
Wie sieht er aus, der freudige Blick auf die Bahnhöfe und Züge der Zukunft? Mit welchen Reaktionen von Nichthundebesitzern ist zu rechnen? Um uns herum nur noch Hunde mit Maulkörben, ob 20 cm hoch oder 40. Ob drei Monate alt oder dreizehn Jahre. Ob vollzahnig oder schon zahnlos. Ob an den Maulkorb gewöhnt oder nicht. Hunde, die nur wegen dieses Maulkorbes ungehalten reagieren und die ganze Zugfahrt über unruhig und gereizt sind. Solche, die versuchen, ihn abzustreifen oder lauthals jaulen. Und dann noch die, die nur wegen des Maulkorbes gefährlich aussehen. Hunde, die keine Chance haben, angemessenes und wesenfestes Verhalten im Zug zu erlernen.

"Wenn ein Hund einen Maulkorb trägt, dann wird es wohl nötig sein." So werden jene denken, die die Vorschriften der Bahn nicht kennen und ohnehin in Bezug auf Hunde skeptisch sind. Um diesen Hund, um dieses Abteil, werden sie einen großen Bogen machen. Im Zweifelsfall noch schimpfen, dass man bissige Hunde erst gar nicht mitfahren lassen sollte. Andere, tierlieb aber ebenfalls ahnungslos, werden uns als Tierquäler beschimpfen. Eines ist sicher: Skepsis wird so nicht abgebaut. Gute Beispiele werden nicht gegeben.

Ein Hoch den Prinzipien
Und wie muss ich die Vorschrift verstehen? Muss mein Hund, wenn ich völlig allein in einem Abteil sitze, dennoch während langer Fahrten ständig den Maulkorb umbehalten? Darf er Wasser und Nahrung zu sich nehmen? Heißt es nicht einem Tier unnötig Leid zuzufügen, wenn es gar keinen Maulkorb benötigt, ihn aber acht Stunden tragen muss? Was, wenn ich mich nicht daran halte? Werde ich dann trotz gültigen Fahrscheines mit Polizeigewalt am nächsten Haltepunkt aus dem Zug entfernt? Muss ich zuzüglich zu den für Hunde völlig überzogenen Fahrpreisen auch noch eine Strafe zahlen? Was, wenn mitreisende Fahrgäste im Abteil mir gestatten, den Maulkorb abzunehmen? Oder, wenn ich die Bahn einfach mal verklagen würde? Zum Beispiel mit dem Argument, dass auch ein in einer Reisetasche mitgeführter Yorkshire, auf dem Schoss gehalten, einem vorbeigehenden Fahrgast in die Hand beißen könnte? Muss dann der arme Yorkshire auch noch einen Maulkorb tragen? Oder die Reisetasche luftdicht verschlossen werden? Ist die Bahn regresspflichtig, wenn ein gesundheitlich beeinträchtigter Hund, der keinen Maulkorb tragen sollte, zu Schaden kommt? Dürfen Hundebesitzer irgendwann gar nicht mehr Bahn fahren? Fragen über Fragen, fast möchte man den ersten Prozess provozieren.

Probleme kundenfreundlich lösen, nicht verschärfen
Es war schon immer so und sollte selbst heutzutage noch selbstverständlich sein. Probleme löst man am besten durch Nachdenken und Sachverstand. Kunden gewinnt man durch Service. Sippenhaft und kollektive Bestrafungen gehören nicht in eine moderne Zivilisation.

Und so hätte man auch dieses Problem natürlich anders lösen können. Ohne Maulkorb. Mir fallen auf Anhieb gleich mehrere praktikable Lösungen ein. Sie haben allerdings alles eines gemeinsam. Sie würden Geld kosten. D.h., die Bahn müsste das, was sie für unsere Hunde kassiert, auch wieder für uns und die Tiere ausgeben. Das überzeugt nicht? Wie wäre es mit einem Wagon für vom Aussterben bedrohte Arten? Hunde, Tierbesitzer und -freunde, Raucher und (tier)freundliches kompetentes Zugpersonal?

Traurig nur, dass nicht jeder auf die Bahn verzichten kann. Ältere Leute ohne Auto zum Beispiel, die nicht fliegen können oder wollen (schon gar nicht mit Hund im Gepäckraum - was allerdings immerhin nicht 50 % des Flugpreises kostet), niemanden haben, der sie fährt oder ihren Hund beaufsichtigen würde. Wollen Sie den Maulkorb nicht, drängt man sie noch mehr in die Isolation. Die Ärmsten und die Schwächsten am meisten. Aber betroffen sind wir letztlich alle. Deswegen verhält sich die Bahn nicht nur tier- sondern auch menschenfeindlich. Kurz: im höchsten Maße asozial. Wie war das noch mit den Politikern und dem guten Beispiel? Ein Unternehmen wie die Bahn würde nicht 6 Millionen Hundebesitzer plus Anhang so vor den Kopf stoßen, wenn das Klima in Deutschland es nicht erlaubte. Und einige Medienvertreter und Schlagzeilenjournalisten dazu. Von mir bekommt die Bahn jedenfalls nicht mehr mein sauer verdientes Geld, egal, ob ich mit oder ohne Hund(e) reise.

© Christiane Liebold-Eich, freie Redakteurin, Tierpsychologin, Tierhomöopathin, August 2002, ianes@t-online.de

 

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