Rheinpfalz |
"Die Rheinpfalz" - Nr. 144 vom Montag, den 25.06.2001 "Kampfhunde sind ein grundsätzliches Sicherheitsrisiko" Die 16 Bundesländer bereiten die Harmonisierung ihrer Kampfhundeverordnungen vor - vier Rassen sollen komplett aus Deutschland verschwinden. von Redakteur Erhard Stern Vor einem Jahr, am 26.06.2000 starb der sechsjährige türkische Junge Volkan. Er wurde auf einem Schulhof im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg von zwei Kampfhunden zerfleischt. Die anschliessend in fast allen Bundesländern zusammengezimmerten KampfhundeVÖn sollen noch in diesem Jahr vereinheitlicht werden. Derzeit beschäftigen sich Veterinäre und Ordnungsrechtsexperten im Bund-Länder-Arbeitskreis "Tierschutz" damit, die teils sehr unterschiedlichen KampfhundeVOn der Länder anzugleichen. Das ist ganz im Sinne des Deutschen Tierschutzbundes, der nicht müde wird, darauf hinzuweisen, dass durch die im vergangenen Jahr in allen verfassten Von lediglich eine Scheinsicherheit geschaffen worden sei. "Ein Jahrzehnt lang hat die Politik nicht reagiert. Dann ist sie übers Ziel hinausgeschossen", sagt Tierschutzbund-Sprecher Thomas Schröder. So haben beispielsweise 15 der 16 Länder Listen vorgelegt, auf denen bestimmte Hunderassen als grundsätzlich gefährlich definiert werden. In RLP sind dies Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, und Staffordshire Bullterrier. In NRW dagegen fallen neben diesen drei weitere 39 Hunderassen, die grösser als 40 cm oder ausgewachsen mehr als 20 kg auf die Waage bringen, unter die VO und müssen - sofern sie überhaupt gehalten werden dürfen - ständig angeleint sein und einen Maulkorb tragen. Das gleiche gilt für Hunde aller anderen Rassen, die bereits durch aggressives Verhalten aufgefallen sind. Schon an der unterschiedlichen Länge der Rasselisten könne man ablesen, dass diese willkürlich zusammengestellt worden seien, sagt Schröder: "Und auf keiner Liste taucht der Deutsche Schäferhund auf, der auf Beissstatistiken weit oben steht." Unterstützung für seine Argumentation bekam der Tierschutzbund Ende Mai, als die OVGs in Schleswig ("Die Zugehörigkeit zu einer Rasse ist nicht gleichbedeutend mit der Gefährlichkeit eines Hundes") und Lüneburg ("Es gibt gefährliche Hunde, aber keine gefährlichen Rassen") die KampfhundeVÖn in Schleswig-Holstein bzw. Niedersachsen an die Leine legten. Leinenzwang für alle Hunde? Am 04.07. steht nun die rheinland-pfälzische VO - erlassen vier Tage nach dem Hamburger Vorfall - auf dem Prüfstand des Koblenzer Verwaltungsgerichtshofs. Geklagt haben Hundezüchter und -besitzer. Ihrer Ansicht nach ist es nicht haltbar, dass sämtliche Tiere einer bestimmten Rasse als gefährlich eingestuft werden. Andererseits verweist der Sprecher des Mainzer Innenministeriums, Michäl Hartmann, darauf, dass das Land mit der VO durchaus positive Erfahrungen gemacht habe: Die Zahl von unverantwortlichen Haltern, die ihre Tiere als Waffen missbrauchen, sei deutlich zurückgegangen. Den Hinweis auf den angeblich so bissigen Schäferhund kennt der Tierschutzreferent im bayerischen Gesundheitsministerium, Karl Wenzel. Gelten lässt er ihn nicht: Schliesslich gebe es wesentlich mehr Schäfer- als sog. Kampfhunde. Und in aller Regel seien die Bisse von Schäferhunden eher harmlos - auch wenn immer wieder über tödliche Unfälle berichtet werde. "Kampfhunde sind dagegen ein grundsätzliches Sicherheitsrisiko", sagt Wenzel. Und natürlich sei die Aussage "Das eigentliche Problem steht am anderen Ende der Hundeleine" nicht falsch. "Aber der Hund ist die Waffe, nicht der Halter." Unter dem Vorsitz Bayerns will der Bund-Länder-Arbeitskreis voraussichtlich im September seine Vorschläge zur Harmonisierung der Länder-VÖn präsentieren. Den verschiedenen Gerichtsurteilen zum Trotz werden auch diese wieder auf Rasselisten basieren. Dies sei schliesslich der Auftrag der Innenminister, sagt Wenzel. Endgültig entscheiden wollen die Länderminister gemeinsam mit Bundesinnenminister Otto Schily im November. Sicher scheint, dass die schärfsten Bestimmungen für Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Staffordshire Bullterrier gelten werden. Zucht und Einfuhr von Tieren dieser Rassen hatte der Bundestag ohnehin noch im vergangenen Jahr verboten. Darüberhinaus zeichnet sich eine generelle Leinenpflicht für Hunde in "Bereichen mit erhöhtem Publikumsverkehr" ab. Wer sein Tier nicht im Griff hat, der soll zur Kasse gebeten werden. Dies hat zumindest NRW-Innenminister Fritz Behrens angedeutet. Noch nicht geklärt sind dagegen offenbar die Regelungen für Wesenstests sowie Sachkundeprüfungen, mit denen die Aggressivität der Hunde bzw. die Zuverlässigkeit der Halter überprüft werden sollen. Selbst der Tierschutzbund sieht die Politik mittlerweile auf dem richtigen Weg. Tierschutzbund-Sprecher Schröder verweist aber darauf, dass seine Organisation bereits 1990 ein bundeseinheitliches "Heimtier-Gesetz" fordere: Nur durch eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Tiere bestehe die Chance, die Biografie eines auffälligen Hundes nachzuvollziehen und letztlich den Züchter zur Verantwortung zu ziehen, wenn dieser seine Tiere auf Aggressivität trimmt. Deshalb müsse auch die generelle Unterscheidung zwischen Hobby- und Gewerbezucht fallen: "Verantwortungsvolle Hundezüchter lassen sich kontrollieren. Aber Hobbyzüchter kontrolliert niemand. Doch gerade hier ist dem Missbrauch Tor und Tür geöffnet." 50.000 Mark, drei Jahre Haft Und schliesslich kann sich Schröder auch vorstellen, dass Hundebesitzer künftig nachweisen müssen, dass sie überhaupt in der Lage sind, mit dem Tier umzugehen - sozusagen eine Hundeschule für alle. Dann, glaubt er, werde sich auch die derzeit grundsätzlich düstere Stimmung gegen grosse Hunde wieder aufhellen. "Aber es gibt selbstverständlich auch keinen Grund, mit jemandem nachlässig zu sein, der seinen Hund missbraucht", sagt Schröder und fordert deshalb saftige Bussgelder und Freiheitsstrafen bei Verstössen. Lt. Tierschutzgesetz ist es freilich bereits jetzt verboten, Tiere auf Aggressivität zu züchten. Auch eine nicht-artgerechte Haltung von Tieren steht unter Strafe - von bis zu 50.000 Mark oder Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren. Der Tierschutzbund empfiehlt Hundebesitzern aber auch, die Ängste ihrer Mitmenschen vor Hunden ernst zu nehmen. Deshalb sollten verantwortungsvolle Hundehalter ihre Tiere in bewohnten Gebieten grundsätzlich an die Leine nehmen. Artikel Ende Hier die Antwort auf solch einen Schwachsinn:
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