Mannheimer VGH-Präsident Weingärtners Meinung über Kampfhunde


Mannheim/B.-W., 14.11.01

Der neue Mannheimer VGH-Präsident Weingärtner über sein Amt, Kampfhunde und Asylurteile

Der neue Job gefällt ihm, manche Reformidee weniger. Seit August ist Karl-Heinz Weingärtner - als Nachfolger von Claus Meissner - Präsident des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim. Zuvor pendelte der in Heidelberg lebende Weingärtner in verschiedenen Funktionen zwischen dem VGH und dem Verwaltungsgericht Karlsruhe. Im Interview mit unserer Zeitung warnt der 55-Jährige davor, Asylentscheidungen einzelnen Richtern zu überlassen.

Sie sind jetzt ziemlich genau 100 Tage im Amt. Wie gefällt es Ihnen denn bislang?

KARL-HEINZ WEINGÄRTNER: Sehr gut! Ich kenne den Verwaltungsgerichtshof ja von meinen früheren Tätigkeiten her, dennoch hätte ich nicht gedacht, dass mir der Einstieg als Präsident so leicht fällt.

Weil Haus und Hof so gut bestellt sind?

WEINGÄRTNER: In der Tat. Auch was die Verwaltung und die technische wie finanzielle Ausstattung angeht, habe ich beste Voraussetzungen vorgefunden.

Mit Ihrer Billigung der baden-württembergischen Kampfhunde-Verordnung standen Sie als Vorsitzender gleich im Rampenlicht. +++HIER+++

WEINGÄRTNER: Eine vollständige Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, deshalb kann ich hierzu wenig sagen. Nur so viel: Wir haben die Verordnung für rechtens befunden, weil sie die Auflagen nicht allein mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse begründet . . .

. . . sondern einen Wesenstest vorsieht . . .

WEINGÄRTNER: . . . der jedem Halter ermöglicht, die Ungefährlichkeit seines Hundes nachzuweisen. Wird der Test bestanden, fallen die wesentlichen Auflagen weg.

Bis auf den Leinenzwang.

WEINGÄRTNER: Selbst davon kann man sich befreien lassen.

Kampfhundebesitzer fühlen sich dennoch ungerecht behandelt. Bei der Urteilsverkündung verließen einige weinend und fluchend den Saal. Haben Sie Verständnis?

WEINGÄRTNER: Wer seit zwölf Jahren einen Hund hat, der immer brav und lieb war, hängt ihm nicht gerne von heute auf morgen einen Maulkorb um. Ich habe Verständnis dafür, wenn sich da jemand ungerecht behandelt fühlt. Aber sobald der Test bestanden ist, kommt der Maulkorb wieder ab. Ich denke, das ist recht und billig.

Unterschiedliche Länder-Regelungen und widersprüchliche Urteile zu Kampfhunden haben ein beträchtliches Chaos bewirkt. Zeit für das Bundesverfassungsgericht?

WEINGÄRTNER: So unterschiedlich sind die Urteile nicht. Fast alle Oberverwaltungsgerichte sind sich einig, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse nicht alleiniges Kriterium sein darf, sondern eine Möglichkeit bestehen muss, die vermutete Gefährlichkeit zu widerlegen.

Also ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier besser als ihr Ruf?

WEINGÄRTNER: Ich würde generell von einer sehr guten deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit sprechen.

Nichtsdestotrotz haben Sie bei Ihrer Amtseinführung gewarnt, die Akzeptanz der Bürger gehe verloren, wenn sich die Richter nicht stärker als Dienstleister begriffen.

WEINGÄRTNER: Wir entscheiden nach Recht und Gesetz, das kann keine Dienstleistung sein. Ich meine, dass wir die öffentliche Wahrnehmung unserer Arbeit stärker berücksichtigen müssen.

Was heißt das konkret?

WEINGÄRTNER: Beim äußeren Ablauf wie in der mündlichen Verhandlung sollten wir uns um Transparenz bemühen. Auch unseren Service könnten wir verbessern.

Zum Beispiel?

WEINGÄRTNER: Etwa im Zusammenhang mit der Nutzung neuer Technologien. Am Verwaltungsgericht Sigmaringen läuft gerade ein Modellversuch zum elektronischen Rechtsverkehr. Weiterhin informieren die Verwaltungsgerichte im Internet über ihre Arbeit.

Wäre es nicht hilfreich, Entscheidungen verständlicher zu formulieren?

WEINGÄRTNER: Die Sprache der Juristen ist eine Fachsprache, komplizierte Themen können nur darin abgehandelt werden. Trotzdem wäre mitunter mehr Verständlichkeit wünschenswert. Denn wer eine Entscheidung befolgen soll, muss sie auch verstehen können.

Den Bürger stört besonders die lange Verfahrensdauer.

WEINGÄRTNER: Die durchschnittliche Laufzeit ist gar nicht so lang, sie liegt bei etwa einem Jahr. Mancher Bürger hätte natürlich am liebsten schon nach drei Monaten sein Urteil - weil er meint, seine Sache sei die einzige und wichtigste.

Könnten vermehrte Einzelrichter-Entscheidungen die Verfahren beschleunigen?

WEINGÄRTNER: Das denkt jedenfalls der Gesetzgeber. Deshalb hat er einige Reformen angestrengt, die immer häufiger Einzelrichter-Entscheidungen vorsehen.

Da klingt eine gewisse Skepsis durch . . .

WEINGÄRNTER: Einfache Fälle kann auch ein einzelner Richter entscheiden. Es ist aber gute demokratische Tradition des Verwaltungsprozesses, dass neben Berufsrichtern auch Ehrenamtliche an der Entscheidung mitwirken. Dies sollte man grundsätzlich beibehalten. Immerhin geht es um Streitigkeiten zwischen Bürgern und Obrigkeit.

Wie ist das bei Asylverfahren?

WEINGÄRTNER: Der Gesetzgeber plant, dass hier fast ausnahmslos nur Einzelrichter entscheiden. Ich halte diese Reform für sehr problematisch.

Warum?

WEINGÄRTNER: Grundsätzliche Fragen politischer Verfolgung in bestimmten Ländern sollte zunächst eine Kammer entscheiden, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Einzelrichterentscheidungen können zur Rechtszersplitterung führen. Davor hat auch die von Rita Süssmuth geleitete Zuwanderungskommission gewarnt. Hoffentlich berücksichtigt das die Bundesregierung.

Mannheimer VGH-Präsident erst 2 Wochen im Amt: Zufall?

Mannheim, 16.10.01

Feierliche Verabschiedung und Amtseinführung

Aus Anlass der Verabschiedung des bisherigen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, Professor Dr. Claus Meissner, und der Amtseinführung seines Nachfolgers, Dr. Karl-Heinz Weingärtner, hat der Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Professor Dr. Ulrich Goll, zu einer Feierstunde mit anschließendem Stehempfang eingeladen. Sie findet statt am
Montag, dem 1. Oktober 2001, um 10.00 Uhr
im Rittersaal des Schlosses Mannheim.


"In seiner mündlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende des 1. Senats, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Weingärtner, unter anderem aus:" +++ HIER +++


Ergänzend dazu:
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Wechsel an der Spitze des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

Dr. Karl-Heinz Weingärtner ist neuer Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Ab heute leitet er das höchste Verwaltungsgericht des Landes in Mannheim. Er tritt die Nachfolge von Prof. Dr. Claus Meissner an, der Ende April mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist.

Dr. Weingärtner verfügt über langjährige und vielfältige Erfahrung in beiden Instanzen der baden-württembergischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der heute 55-jährige Jurist begann seine Laufbahn nach Studium, hervorragend abgelegten Staatsexamina und Promotion im Jahr 1975 als Assessor bei der Landesanwaltschaft beim Verwaltungsgerichtshof. Seit 1976 war er zunächst als Richter beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, ab 1982 als Richter am Verwaltungsgerichtshof im Hochschul- und Prüfungsrecht tätig. Ab 1989 übernahm er den Vorsitz einer Kammer am Verwaltungsgericht Karlsruhe, die zunächst nur für Asylstreitigkeiten, später auch für allgemeine Verwaltungsstreitsachen zuständig war. Daneben leitete er Arbeitsgemeinschaften für Rechtsreferendare und wirkt seit vielen Jahren als Prüfer in der Zweiten juristischen Staatsprüfung mit. Seit 1993 war Dr. Weingärtner Vorsitzender Richter des für Wirtschaftsverwaltungsrecht und Asylrecht zuständigen 14. Senats des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim. Von dort kehrte er im Oktober 1995 nach Karlsruhe zurück und wurde Präsident des dortigen Verwaltungsgerichts, das er bis zu seiner heutigen Ernennung zum Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs leitete.


Verwaltungsgerichte : Pressemitteilungen
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Die Polizeiverordnung des Innenministeriums und
des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde vom 03.08.2000 ist rechtmäßig

Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat heute mündlich über die Anträge von 96 Hundehaltern verhandelt, die die wesentlichen Teile der Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde vom 03.08.2000 für rechtswidrig halten. Sie beanstanden, dass dort nur für Hunde bestimmter Rassen besondere Verpflichtungen enthalten seien, während zahlreiche andere gefährliche Hunderassen, von der Polizeiverordnung nicht erfasst würden. Der VGH hat diese Normenkontrollanträge abgewiesen.

In seiner mündlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende des 1. Senats, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Weingärtner, unter anderem aus:

Die Polizeiverordnung des Landes ist nicht zu beanstanden, weil das Innenministerium und das Ministerium Ländlicher Raum bei Erlass der Verordnung sich innerhalb des ihnen durch das Grundgesetz und das Polizeigesetz eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums gehalten haben. Der Senat hat bereits 1992 und 1999 entschieden, dass von Hunden eine polizeiliche Gefahr ausgehen kann und es legitim ist, wenn der Verordnungsgeber zum Schutz von Leib und Leben von Menschen für bestimmte Hunde be-sondere Halteverpflichtungen aufstellt. In diesen früheren Entscheidungen sind zwar die entsprechenden Polizeiverordnungen teilweise für nichtig erklärt worden, weil damals die Gefährlichkeit von Hunden allein aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit festgestellt worden ist, die Rasselisten abschließend gewesen sind und es für den einzelnen Hundehalter nicht möglich war, die Ungefährlichkeit seines Tieres nachzuweisen. Diese früher vom Senat beanstandete Regelungsweise hat der Verordnungsgeber jetzt vermieden. Der Verordnungsgeber selbst geht nunmehr davon aus, dass nicht jeder Hund allein wegen seiner Rassezugehörigkeit gefährlich ist. Damit hat der Verordnungsgeber den übereinstimmenden wissenschaftlichen Erkenntnissen genüge getan, wonach die Rassezugehörigkeit allein nicht zur Gefährlichkeit ausreicht.

Wenn der Verordnungsgeber zwischen bestimmten Hunderassen differenziert, wie dies nach § 1 Abs. 2 und § 1 Abs. 3 der Polizeiverordnung geschieht, dann ist dies nicht willkürlich. Es stellt auch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes dar, wenn andere Hunderassen, wie etwa der Deutsche Schäferhund, die Deutsche Dogge, der Dobermann und Rottweiler nicht in die Polizeiverordnung aufgenommen worden sind. Der Verordnungsgeber kann sich für seine Entscheidung darauf berufen, dass teilweise genetische Dispositionen vorliegen, die für die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen mit maßgeblich sein können. Ebenso kann er sich darauf berufen, dass die frühere Zucht bzw. die Verwendung bestimmter Hunderassen mehr für oder gegen eine Gefährlichkeit sprechen. Der dem Verordnungsgeber zustehende weite Entscheidungsspielraum wäre nur dann überschritten, wenn seine Gefährdungseinschätzung eindeutig unrichtig wäre. Dies lässt sich nicht feststellen. Eine gewisse Ungleichbehandlung ist auch deshalb hinzunehmen, weil die dem Hundehalter aufgebürdeten Maßnahmen angesichts des überragenden Schutzes, den der Mensch vor gefährlichen Hunden verdient, nicht besonders schwer wiegen. Wenn für Kampfhunde ein Maulkorbzwang angeordnet ist, so ist dies angesichts der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit nicht unverhältnismäßig, und es ist auch gerechtifertigt, solche Hunde unfruchtbar zu machen. Auch der Leinenzwang, der für Hunde bestimmter Rassen besteht, obwohl sie keine Kampfhunde sind, belastet die Hundehalter nicht über Gebühr, zumal vom Leinenzwang Ausnahmen gemacht werden können und es grundsätzlich Sache des Hundehalters ist, für eine artgerechte Haltung seines Tieres zu sorgen, indem er ihm auf einem gesicherten umfriedeten Bezirk die Auslaufmöglichkeit schafft.

Da die Anträge der Antragsteller erfolglos waren, müssen sie auch die Kosten des Ver-fahrens tragen. Der VGH hat gegen seine Entscheidung die Revision nicht zugelassen.

 

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er erfolglos waren, müssen sie auch die Kosten des Ver-fahrens tragen. Der VGH hat gegen seine Entscheidung die Revision nicht zugelassen.

 

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