Kirchhundem.
(WP) Wegen Körperverletzung und unterlassener
Hilfeleistung hatte die Staatsanwaltschaft gegen
einen 72-jährigen ehemaligen Unternehmer ermittelt,
weil dessen Dobermann am 24. November 2000 eine 68-jährige
Spaziergängerin gebissen hatte.
Gegen einen
Strafbefehl über 12 000 Mark hatte der Hundehalter
Widerspruch eingelegt. So kam es gestern zur
Verhandlung vor dem Amtsgericht, bei der der
Angeklagte von seinem Verteidiger Peter Brüggemann
vertreten wurde.
Staatsanwalt Meyer
rechtfertigte die Ermittlungen in dem Fall mit einer
bundesweiten Pressekampagne, die durch "nicht
sehr seriöse Veröffentlichungen" einer örtlichen
Tageszeitung ausgelöst worden sei. Auch das Opfer,
das den Behörden ausdrücklich mitgeteilt hatte,
dass sie keine Strafverfolgung wünsche, konnte über
die damaligen Artikel nur den Kopf schütteln. Darin
war die Rede davon, dass der Hundehalter sich nicht
um die verletzte Frau gekümmert habe. In weiteren
Artikeln war der ausgebüxte Vierbeiner gar zum
"Kampfhund" befördert worden, der schon
früher Kinder und Hühner angefallen habe.
"Alles
Quatsch", so das Opfer gestern im Zeugenstand,
die ganze - wohl auf Diffamierung angelegte -
Presse-Kampagne tue ihr sehr leid und sei garantiert
nicht von ihr ausgelöst worden. Der ausgebüxte
Hund habe sich damals mit ihrem Deutschen Drahthaar
gebissen, sie habe die Hunde trennen wollen und sei
dabei von dem Dobermann gebissen worden. Dessen
Besitzer sei unmittelbar danach aufgetaucht, habe
seinen Hund in den Wagen gesperrt und sie gefragt,
ob er etwas für sie tun könne. "Nein, das
brauchen Sie nicht", habe sie geantwortet und
sich auf den Heimweg gemacht. Erst beim Händewaschen
habe sich die Wunde tiefer herausgestellt als zunächst
vermutet. Deshalb fuhr sie zum Nähen ins
Krankenhaus, wo auch die angerissene Strecksehne des
Mittelfingers wieder zusammengeflickt wurde. Der
Schaden sei inzwischen sehr großzügig reguliert
worden.
Wie auch bei einem
12-jährigen türkischen Mädchen, das bereits 1997
von dem herumlaufenden Dobermann gekniffen und
umgestoßen wurde. Beim Sturz war eine frische
Operationswunde am Knie wieder aufgeplatzt. Die
Versicherung zahlte 1200 Mark Schmerzensgeld und 300
Mark Ersatz für die Kleidung, der Vater zeigte sich
zufrieden.
Der Angeklagte ließ
mitteilen, dass er sich seiner Nachlässigkeit bei
der Beaufsichtigung seines Hundes, der in der Lage
sei, selbst Türen zu öffnen, durchaus bewusst sei.
Er hätte Verständnis dafür, wenn ihn die Opfer
angezeigt hätten. Das Tier sei inzwischen draußen
nur noch angeleint und mit Maulkorb anzutreffen.
Staatsanwalt Meyer: "Wir haben uns erst nach
der falschen Darstellung in der Zeitung und dem
anschließenden Presserummel auf den Fall gestürzt,
der eine Eigendynamik entwickelte. Dadurch ist ein
Bild entstanden, das mit dem eigentlichen Vorfall
nichts zu tun hatte." Und auch Richter Poetsch
relativierte: "Hier wurde jemand abgestempelt,
der das so nicht verdient hatte. Eine fahrlässige Körperverletzung
liegt allerdings vor." Gegen Zahlung einer
Geldbuße von 5000 Mark an den Weißen Ring wurde
das Verfahren gegen den 72-Jährigen eingestellt.
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