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"KAMPFHUNDE - PROBLEMATIK" |
Dorit Urd Feddersen-Petersen,
Institut für Haustierkunde, Christian-Albrechts-Universität zu
Kiel
Ad Rassezugehörigkeit: Aus Sicht der Ethologie gibt es keine "Kampfhunderassen" oder "gefährlichen Rassen", da es naturwissenschaftlich so unsinnig wie unbewiesen ist, einer Hunderasse a priori, somit ohne Berücksichtigung der Verzahnung von genetisch bedingten Handlungsbereitschaften und den obligatorischen Lernvorgängen eine "gesteigerte Gefährlichkeit" zuzuschreiben. Rassenkataloge, die "Hunde mit gesteigerter Gefährlichkeit" auflisten, sind nicht nur irreführend, da der Objektivität entbehrend, sie sind darüberhinaus durchaus angetan, die genannten Rassen für eine bestimmte Klientel "attraktiv" zu machen, somit geeignet, einen bestimmten Hundemißbrauch (Instrumentalisierung als "gefährlicher Hund", der ängstigen soll, oder als "Waffe") zu fördern. Auch die sog. "Kampfhundesteuer" trägt unheilvoll dazu bei, Hunde bestimmter Rassezugehörigkeit und deren Halter mit einem üblen Stempel zu versehen. Auch diese Klassifizierung entbehrt jeglicher Grundlage und ist sowohl diskriminierend für Hundehalter wie schädlich für deren Hunde, die nicht selten aus Gründen der Zahlungsnot ihrer Halter in Tierheime abgeschoben werden müssen. Natürlich werden auch Hunderassen nicht als Tabula rasa geboren, ihr Verhaltensinventar wie z.B. bestimmte Reaktionsnormen sind genetisch determiniert - entwickeln sich jedoch in ständiger, feindifferenzierter Wechselwirkung mit allen (belebten wie unbelebten) Reizen des hundlichen Umfeldes. Und dieses gilt auch für das Aggressionsverhalten. Die Abgrenzung "innerer Antrieb oder äußerer Reiz", ist müßig. Ad Biologie der Aggression: Der Streit um diese Verhaltensdeterminanten war früher mehr als ein akademisches Problem oder eine Haarspalterei: Die Folgerungen für die Verhaltensvorhersage und insbesondere die Modifikation oder Manipulation aggressiven Verhaltens sahen höchst unterschiedlich aus. "Aggressionstrieb": Das aktuelle Verhalten wird bei hoher innerer Bereitschaft (die durch das "Nichtausleben" aggressiven Verhaltens zustandekommt) durch immer schwächere, unspezifischere äußeren Reize immer leichter ausgelöst bzw. kann auch spontan erfolgen. Anhänger der Reiz-Reaktions-Modelle dagegen betonten, daß auch die Verhaltensbereitschaft durch Umweltreize erst erzeugt werden muß. Heute wissen wir: Aggression ist vielursächlich, vererbt wird jeweils nur eine Reaktionsnorm, gleichsam ein Angebot an die Umwelt. Ergo entscheiden innerhalb dieser Norm dann die verschiedenen Umwelteinflüsse, in welcher Weise die vom Erbmaterial ausgehenden Informationen im Einzelfall verwirklicht werden. Beispiele zur Kooperation und Kompetition von Hunden werden gegeben. Ad "Gefährliche Hunde": Es besteht - zumal in der Jugendentwicklung eines Hundes (sensible Phasen!) - eine ständige Wechselwirkung von Umwelt und Erbgut, die den späteren Hund "formt". So wird die Art und Weise, Konflikte zu lösen, in dieser Zeit geübt, im spielerischen Kontext. Isoliert oder reizarm aufgezogene Hunde werden "schwierige Hunde" - dieses ist vorhersagbar - sie zeigen häufig situativ unangemessenes, übersteigertes bzw. verändertes Angriffs- wie Abwehrverhalten Menschen und Artgenossen gegenüber, wodurch über das Restrisiko einer Hundehaltung hinausgehende Gefahrenmomente geschaffen werden. Soziale Unsicherheit führt zu erhöhter Gefährlichkeit. Hunde, die im Junghundalter eine Rangeinweisung entbehrten, vielmehr vermenschlicht und verwöhnt wurden, neigen hingegen zu gestörtem Sozialverhalten Menschen und Artgenossen gegenüber, was bei großen Hunden nicht zu unterschätzende Gefahren in sich birgt. Zucht, Aufzucht, Erziehung und Training eines Hundes wird entscheidend von Menschen beeinflußt, so daß jeder Schadensfall einem "Hund - Halter - Gespann" zuzuordnen ist. Den angesprochenen Entwicklungen zum "gefährlichen Hund" liegen individuelle Kombinationen bestimmter Züchter / Halter und bestimmter Hunde zugrunde, die typisch sein können. Ad Umgang mit "Gefährlichen Hunden": Dieser hat sich nach dem Einzelfall zu richten, Verallgemeinerungen sind zu vermeiden, da sie in der Mehrzahl der Fälle nicht "greifen". Jeder Entwicklung zum "Gefährlichen Hund" liegt eine individuelle soziale Konstellation zugrunde. Innerhalb dieser kann grob kategorisiert werden. Konditionierungen von Hunden, die vorsichtig einem bestimmten Typus zuzuschreiben sind, werden besprochen. Hunde, die sich durch gezielte Zuchtwahl auf "übersteigerte Aggressivität" auszeichnen, sind in bestimmten Fällen nicht mehr therapierbar. Über das Erkennen und Abgrenzen gegenüber anderen Hunden mit Verhaltensstörungen werden Kriterien genannt. Résumé: Vergleichende Untersuchungen zur Verhaltensentwicklung unter definierten Umweltbedingungen wie zum Entstehen sozialer Beziehungen an über 20 Hunderassen (darunter auch der American Staffordshire Terrier, der Bull Terrier, Fila Brasileiro u.a. auf den Pauschallisten geführter Rassen sowie Jagdhunde- und Schutzhunderassen) entbehren der Daten für eine generell höher anzusetzende Gefährlichkeit für die Haltung einer bestimmten Rasse.Es gibt keine "gefährlichen Hunderassen", es gibt gefährliche Hundeindividuen. Der Begriff "gefährlicher Hund" ist unbedingt unabhängig von der Rassezugehörigkeit zu benennen, vielmehr rasseneutral für Individuen über definierte Merkmale zu bestimmen (der Situation nicht angemessenes Aggressionsverhalten, Angriffe und ungehemmtes Beißen (ohne Beißhemmung) von Sozialpartnern (Artgenosse, Mensch) u.a. Tierarten). Hund und Mensch bilden stets ein "Beziehungsgespann": Jede Hundezucht wie Hundeentwicklung, jedes Hundeverhalten wird vom Menschen entscheidend beeinflußt, der überwiegend ursächlich verantwortlich ist für gestörte Beziehungen zum Tier. Es sind die Züchter (Massenzuchten!) und Besitzer bzw. das gesamte soziale Umfeld, das Hunde gefährlich werden läßt. Analysen der Genesen von schweren Beißvorfällen weisen auf soziologische Probleme, das Bedürfnis von Menschen über den Mißbrauch von Hunden zu imponieren, Angst einzuflössen und ihr Ego aufzuwerten. Die "Aggressionszüchtungen", in der Regel Kreuzungen (sog. "Hinterhof-Züchtungen"), sind als Symptom gesellschaftlicher Probleme zu werten. Das neue Tierschutzgesetz verbietet Aggressionssteigerungen, züchterisch wie über entsprechende Konditionierung. Die entsprechenden §§ müssen nur zur Anwendung kommen. Hilfreich wäre eine Kennzeichnungs- und Registrierpflicht für alle Hunde. Es muß verhindert werden, daß ein Jeder, also auch ein Mensch ohne Fachkenntnis und Verantwortung, sowie einer, der nur am Hund verdienen will, züchten darf. Also sollte ein Heimtierzuchtgesetz erlassen werden, die hierfür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen sind zu schaffen. Auch eine Hundehalter-VO sollte endlich erlassen werden. Wir müssen, entfernt von emotionalen "Lösungsansätzen im Schnellverfahren", zu objektiven Fakten, zu einer objektiven Darstellung der Gefährdung durch Hunde und deren Ursachengefüge finden. Auffällig ist u.a., daß Hunde, die Menschen schwer verletzten, vorher häufig auffällig geworden waren, was weit zu wenig beachtet und geahndet worden war. Eine weit konsequentere Ausschöpfung vorhandener Gesetze hätte etliche Wiederholungsvorfälle verhindert - und würde überwiegend ausreichen (gemeinsam mit den bereits aufgeführten Vorschlägen), Probleme mit Menschen und ihren Hunden weit besser in den Griff zu bekommen. Es gibt keine Rasse mit einer besonderen Gefährlichkeit, wohl aber werden bestimmte Rassen häufiger als "Waffe" mißbraucht als andere. Die Gründe sind vielursächlich. |