"Göttin der Strassenköter" In
früheren Jahren blickte ich als stolze Besitzerin eines
wohlerzogenen, gehorsamen Hundes herablassend lächelnd auf all
diejenigen Hundehalter, die hochroten Kopfes von ihren röchelnden Tölen
hinterhergeschleppt wurden. Unappetitliche Haufen auf dem Gehstieg? Kein Problem für mich, mein Hund war zivilisiert! Zerrissene
Klamotten, demolierte Teppichböden, abgekaute Bücher und
Plattencover? Tat mein Hund nicht - war ja auch gut erzogen von mir! In seliger Überheblichkeit hielt ich mich für die einzige wahre Hundetrainerin, bis zu jenem Weihnachtsabend, als ich mit einem allerliebsten Welpen (der sich nach kurzer Zeit zur Kühlschrankgröße auswuchs) beglückt wurde. Hat
jemand schon mal "Scott und Huutsch" gesehen? Mein Köter
schrieb das Drehbuch dazu. Besonders
authentisch war die Szene, als die Wohnung des armen Mannes komplett
ruiniert wurde - meine sah schlimmer aus. Ganz putzig war auch die
Stelle, wo das Vieh die Bierdosen aufbeißt. Meiner schaffte
dickwandige Konservendosen, egal welchen Inhalts. Mein Hund begriff
weder "Fuß", "Sitz" noch "Platz", aber
dafür konnte er jede Tür öffnen, Kühlschränke knacken und aus der
Toilette saufen, ohne dass ihm der Deckel auf den Kopf fiel. Seine
Lieblingsspielzeuge waren die Klobürste, die er jedem Gast brachte,
und die gelben Säcke, deren Inhalt er fachmännisch auf dem
Veloursteppichbogen recycelte. Seine restliche Freizeit verbrachte er damit, alle Hunde aus der Nachbarschaft zu mißhandeln, Bücher, Plattencover und Kleider neu zu gestalten und unnütze Mußestunden meinerseit mit Aktivitäten zu füllen. Ich hatte keinen Hund - ich hatte die Reinkarnation von Dschingis Khan. Demütig senkte ich fortan mein Haupt beim Anblick meiner Leidgenossen, die wie ich japsend hinter ihren Ungeheuern hergezerrt wurden. Stumme
Stoßgebete schickte ich zum Himmel, wenn ich meine vom ständigen
"Pipi-weg-Putz" aufgescheuerten Knie verarztete, apathisch
schlufte ich im Bademantel nachts um zwölf nach draußen, weil mein
Hund ein "Fünf-Minuten-Blase" hatte. Drei
volle Jahre dauerte diese Buße, die mir bestimmt die Göttin Aller
Straßenköter auferlegt hatte, bis jenes historische Ereignis
eintrat, das mir den Glauben an den Hund als treuen Gefährten des
Menschen zurückbrachte: Ich
kam nach Hause und kein Kühlschrank stand offen, kein Müll war
verteilt und meine Jeans waren nicht zu Shorts umgearbeitet.
Dschingis-Khan lag friedlich schlummernd in der Küche und dämmerte
seiner Bestimmung entgegen, der Beste von allen zu sein!
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