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Landeshundeverordnung
Stellungnahme
zur
Rechtswidrigkeit der Verpflichtung zur
Vorlage von Führungszeugnissen Es
wurde bereits in unserer Stellungnahme vom vergangenen Herbst gegenüber
den zuständigen Landesministerien und der Öffentlichkeit auf
verfassungsrechtliche Bedenken gegen die nordrhein-westfälische
Landeshundeverordnung vom 30. Juni 2000 (im Folgenden: LHV NRW
2000) hingewiesen. Das Landesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie die Ressorts für Inneres
und Justiz teilten diese Bedenken nicht und hielten die in der LHV NRW
2000 enthaltene Verpflichtung zur Vorlage eines Führungszeugnisses
weiterhin für rechtmäßig. Zahlreiche Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern
sind der Anlass für diese ausführlichere weitere Stellungnahme. 1.
Die LHV NRW 2000 sieht in bestimmten Fällen die Pflicht zur
Vorlage eines Führungszeugnisses vor. Diese Pflicht besteht
a)
seit dem Inkrafttreten der LHV NRW 2000 für das Halten, die
Ausbildung, die Zucht und das Abrichten aa)
von individuell gefährlich gewordenen Hunden[1]
(gefährliche Hunden im Sinne des § 2 LHV NRW 2000) und bb)
von Hunden der in den Anlagen 1 und 2 zur LHV NRW 2000 aufgeführten
Rassen und Kreuzungen[2]
sowie b)
künftig ab 1. Januar 2002[3]
auch für das Halten von größeren Hunden[4]
(die ausgewachsen eine Widerristhöhe von mindestens 40 cm oder
aber ein Gewicht von mindestens 20 kg erreichen). 2.
Die Übermittlung von im Bundeszentralregister gespeicherten
personenbezogenen Daten an Ordnungsbehörden stellt einen Eingriff in
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ein solcher Eingriff
kann nur durch ein Gesetz gerechtfertigt werden. Es fehlt bisher aber in
NRW an einer solchen hinreichenden gesetzlichen Rechtsgrundlage, die die
in der LHV NRW 2000 normierte Pflicht zur Vorlage eines Führungszeugnisses
legitimieren könnte. Die in der LHV NRW 2000 als Ermächtigungsnorm
angegebene Vorschrift des § 26 OBG erfüllt nach unserer
Auffassung nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die in
diesem Regelungsbereich an eine vom Gesetzgeber der Exekutive erteilte
Verordnungsermächtigung zu stellen sind. a)
Nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 70
der nordrhein-westfälischen Landesverfassung (LV NRW) kann die
Exekutive zwar durch Gesetz zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt
werden. Dabei müssen jedoch Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung
im Gesetz selbst bestimmt werden. Der Gesetzgeber muss selbst die
Entscheidung treffen, welche Fragen im Wege der Verordnung geregelt
werden sollen (= Inhalt); er muss angeben, welchem Ziel die
Regelung dienen soll (Zweck) und er muss die Grenzen einer solchen
Regelung festsetzen (Ausmaß). Eine solche Regelung ist mithin
dann zu unbestimmt und stellt keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage
für eine Verordnung dar, wenn nicht mehr vorausgesehen werden kann, in
welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden
kann und welcher Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen
Rechtsverordnungen haben können. Dabei ist nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) für die an die Bestimmtheit der
gesetzlichen Ermächtigung zu stellenden Anforderungen auf die Bedeutung
der Materie und die Eingriffsintensität abzustellen; je wesentlicher
die übertragenen Materien für den Gesetzgeber und je grundrechtsrelevanter
die Auswirkungen für die von einer Rechtsverordnung potentiell
Betroffenen sind, desto größer muss die Bestimmtheit des Inhaltes, des
Zweckes und des Ausmaßes der erteilten gesetzlichen Ermächtigung
sein.[5]
Außerdem hängt der Grad der erforderlichen Bestimmtheit auch von den
Möglichkeiten der Konkretisierung ab, die der Regelungsgegenstand auf
Grund seiner Eigenart zulässt; dementsprechend sind bei komplexen und
vielgestaltigen Sachverhalten geringere Anforderungen an die
Bestimmtheit zu stellen; Gleiches gilt, wenn sich die zu regelnden tatsächlichen
Verhältnisse im Fluss befinden und sich alsbald (wieder) ändern
werden.[6]
Die Bestimmtheit einer Verordnungsermächtigung ist durch Auslegung zu
ermitteln. b)
Im vorliegenden Falle ergibt die Auslegung nach den dargelegten
Grundsätzen, dass der Verordnungsgeber die sich aus der Verfassung
ergebenen Grenzen nicht hinreichend beachtet hat. Die von ihm in der
LHV NRW 2000 für die Verpflichtung von Bürgerinnen und Bürgern zur
Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses herangezogene
Vorschrift des § 26 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW)
reicht als Ermächtigungsgrundlage nicht aus. Die Vorschrift des
§ 26 OBG, auf die sich die LHV NRW 2000 als Ermächtigungsgrundlage
allein stützt, ist lediglich als allgemeine ordnungsrechtliche
Generalklausel ausgestaltet. Sie erlaubt den Erlass von
Rechtsverordnungen in nicht näher bestimmter Weise zur Abwehr von
Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Das genügt
den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Allein der Umstand,
dass die Gerichte die in der Vorschrift des § 26 OBG normierten
unbestimmten Tatbestandsmerkmale der Gefahr sowie der öffentlichen
Sicherheit oder Ordnung in langjähriger Rechtsprechung konkretisiert
und rechtstaatlich eingegrenzt haben[7],
gewährleistet noch nicht die Einhaltung der dargelegten
verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer
Verordnungsermächtigung, wie sie aus Art. 70 LV NRW und Art. 80 Abs. 1
S.2 GG folgen. Denn aus dieser Rechtsprechung ergeben sich lediglich die
äußersten rechtstaatlichen Grenzen, die bei der Auslegung und
Anwendung der genannten Tatbestandsmerkmale gelten. Selbst wenn deshalb
angesichts der durch die polizei- und ordnungsrechtliche Rechtsprechung
zu den genannten unbestimmten Rechtsbegriffen, die in § 26 OBG Verwendung
gefunden haben, das Ausmaß der dem Verordnungsgeber erteilten
Ermächtigung durch den Gesetzgeber im Sinne des Art. 70 LV NRW und des
Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend nämlich bis an die durch die
Rechtsprechung gezogenen rechtstaatlichen Grenzen der Auslegung der
genannten Tatbestandsmerkmale - bestimmt worden sein sollte, fehlte es
jedenfalls an einer gesetzlichen Festlegung des Inhalts. Durch
Auslegung der gesetzlichen Regelung des § 26 OBG und/oder des
Ordnungsbehördengesetzes insgesamt kann im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend bestimmt werden, in
welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Vorschrift Gebrauch
gemacht wird und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung
erlassenen Verordnungen haben können (BVerfGE 29, 198, 210 mit
weiteren Nachweisen). Dabei ist in Rechnung
zu stellen, dass die Verpflichtung zur Vorlage eines Führungszeugnisses
einen nicht unbeträchtlichen Grundrechtseingriff darstellt. Das in Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Befugnis des
Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung
seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die im Bundeszentralregister
über eine Person enthaltenen und in einem Führungszeugnis aufzuführenden
Eintragungen sind als sensible personenbezogene Daten zu betrachten. Die
von der Exekutive in der LHV NRW 2000 getroffene Anordnung, diese
sensiblen Daten im Zusammenhang mit der Hundehaltung der örtlichen
Ordnungsbehörde zugänglich machen zu müssen, erweitert zumal
unter den heutigen und künftigen Bedingungen der automatischen
Datenverarbeitung - den Kreis derjenigen, die davon Kenntnis erlangen
und erlangen können, beträchtlich. Einen Eingriff von dieser Intensität
darf der Verordnungsgeber, auch wenn die Regelung der Abwehr erheblicher
Gefahren für besonders bedeutsame Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit
dienen soll, nicht vornehmen, ohne dass er vom Gesetzgeber hierzu in
hinreichend bestimmter Weise ermächtigt worden ist. Zwar hat der
Einzelne nicht ein Recht zu einer absoluten, uneinschränkbaren
Herrschaft über seine Daten; vielmehr muss er Einschränkungen
seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden
Allgemeininteresse hinnehmen. Diese bedürfen jedoch einer
(verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage, aus der sich die
Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger
erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der
Normenklarheit entspricht. Von der Möglichkeit,
die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangen zu können, ist weder
in § 26 OBG noch im Ordnungsbehördengesetz die Rede. Anders als in § 26 OBG
hat der Gesetzgeber in vergleichbaren anderen gesetzlichen Regelungen
durchaus eine Ermächtigung zur Anordnung der Vorlage eines Führungszeugnisses
erteilt. So werden etwa durch § 34a Abs. 3 der Gewerbeordnung
(GewO) die Landesregierungen ausdrücklich ermächtigt, eine Verordnung
zu erlassen, die vorsieht, dass der Gewerbetreibende im Bewachungsgewerbe
regelmäßig ein Führungszeugnis vorzulegen hat. Dies macht zugleich
deutlich, dass weder die Eigenart des Regelungsgegenstandes noch die
Komplexität, Vielgestaltigkeit oder Veränderungsträchtigkeit des
Sachverhaltes geringere Anforderungen an die Bestimmtheit zwingend
erfordern. Allenfalls in dringend regelungsbedürftigen Eilfällen könnte
für eine knapp zu bemessende Übergangszeit anderes gelten. Schon
angesichts der mehrjährigen Dauer der öffentlichen Debatten über die
Notwendigkeit der in der Landeshundeverordnung getroffenen Regelungen
ist nicht ersichtlich, inwiefern der Gesetzgeber aus zeitlichen oder
anderen berücksichtigungsfähigen Gründen an der Schaffung einer
solchen im Hinblick auf Art. 70 LV NRW und Art. 80 Abs.1 S.2 GG
erforderlichen Ermächtigungsnorm gehindert gewesen sein sollte. Zwar wird in anderen
bundes- oder landesrechtlichen Regelungen (etwa im Bereich des
Waffenrechts - § 5 WaffG -, des Passrechts - § 7 PassG
-, des Ordensrechts - § 4 OrdenG oder des Beamtenrechts)
in der Verwaltungspraxis zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eines
Antragstellers die Vorlage eines Führungszeugnisses gefordert. Nach
Auffassung der eingangs erwähnten Landesministerien spricht dies dafür,
dass auch im Anwendungsbereich der LHV NRW 2000 keine spezielle
gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich sei. Diese
Schlussfolgerung ist jedoch nicht überzeugend. Denn im
Anwendungsbereich der LHV NRW fehlt es bereits anders als in den
angeführten Gesetzen an jeglicher gesetzlichen Regelung über
die geforderte Zuverlässigkeit des betroffenen Personenkreises und
deren Anforderungen. Unabhängig davon bedarf es im vorliegenden Falle
keiner näheren Prüfung der Frage, ob die angeführten gesetzlichen
Regelungen ihrerseits die dargelegten Anforderungen des Art. 80 Abs. 1
S. 2 GG bzw. des Art. 70 LV NRW erfüllen oder nicht. Denn darüber ist
hier nicht zu befinden. Freilich ist zu
beachten, dass die Anforderungen, die von der verfassungsgerichtlichen[8]
und von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an die
Bestimmtheit einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung im Sinne des
Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 70 LV NRW gestellt werden, selbst im
Fluss sind, so dass eine sichere Prognose über den voraussichtlichen
Ausgang gerichtlicher Verfahren bislang kaum zu treffen ist. Die eingangs erwähnten
nordrhein-westfälischen Landesministerien weisen mit Blick auf die
Rechtslage in anderen Bundesländern darauf hin, dass auch dort in
vergleichbaren Regelungen das Erfordernis des Nachweises der Zuverlässigkeit
ausdrücklich Erwähnung gefunden habe; in 8 Bundesländern geschehe
dies durch eine Rechtsverordnung, in 2 Bundesländern lediglich durch
Verwaltungsvorschriften. Soweit die Gerichte bislang mit
Hundeverordnungen befasst worden seien, hätten sich keine
Beanstandungen der lediglich durch eine Rechtsverordnung geforderten
Vorlage eines Führungszeugnisses ergeben. Soweit der Hessische
Verwaltungsgerichtshof und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit
Entscheidungen vom 8. September 2000 (Az.: 11 NG 2500/00) und vom
21. Mai 2001 (Az.: 11 K 2877/00, 11 K 3268/00, 11 K 4233/00 und 11 K
4333/00) die entsprechenden Landesverordnungen teilweise außer
Vollzug gesetzt bzw. sogar in Teilen für nichtig erklärt hätten, sei
die in den Vorschriften beider Bundesländer enthaltene Pflicht zur
Vorlage von Führungszeugnissen hiervon jedoch unberührt geblieben. In diesem Zusammenhang
ist allerdings festzustellen, dass das Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 6.3.1997[9]
zur (seinerzeit geltenden) Regelung des § 3 Satz 1 der GefHuVO NRW vom
21.9.1994 (GVBl. NRW S. 1086, 1140) entschieden hat, dass § 26 OBG
NRW keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Verpflichtung
darstellt, die erforderliche Sachkunde des Hundehalters durch eine
Sachkundebescheinigung des Verbandes für das Deutsche Hundewesen
e.V. oder eine Sachkundeprüfung dieses Verbandes oder des
Landestierschutzverbandes NRW nachzuweisen. Denn § 26 OBG NRW ermächtige
zum Erlass von ordnungsbehördlichen Verordnungen zur Abwehr von Gefahren
für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, nicht jedoch zur
Beleihung der beiden Verbände oder anderer (privater) Dritter. Eine
solche Beleihung sei nur wirksam, wenn sie durch Gesetz oder aufgrund
eines Gesetzes erfolge. Dabei hat sich das Gericht auf die allgemeinen
Anforderungen des Art. 20 Abs. 2 und 3 GG bezogen, ohne darüber hinaus
Art. 80 Abs.1 S. 2 GG und Art. 70 LV NRW heranzuziehen. Auch ging es bei
jener Entscheidung nicht um die Zuverlässigkeit, sondern um die
Sachkunde eines Hundehalters und die daran zu stellenden Anforderungen.
Die gerichtliche Entscheidung macht jedoch jedenfalls deutlich, dass das
Gericht die Auffassung des nordrhein-westfälischen Verordnungsgebers
hinsichtlich der an die Bestimmtheit der herangezogenen Ermächtigungsgrundlage
des § 26 OBG zu stellenden Anforderungen nicht geteilt hat. 3.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der LHV
NRW 2000 ergeben sich auch daraus, dass in der in Anspruch genommenen
gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1
S. 2 GG nicht genügt worden ist. Danach muss das Gesetz, das ein
Grundrecht einschränkt oder eine Einschränkung aufgrund des Gesetzes
vorsieht, das einzuschränkende Grundrecht unter Angabe des Artikels
nennen. Zwar findet das
Zitiergebot nach Auffassung des BVerfG nur Anwendung auf solche
Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom
Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen (Vgl. BVerfGE 21, 92, 93;
24, 367, 396 f; 64, 72, 79f; 83, 130, 154). Nach dieser Rechtsprechung
bezieht sich das Zitiergebot z.B. nicht auf die sog. allgemeine
Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die von vornherein nur unter dem
Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet ist (vgl.
BVerfGE 10, 89, 99; 28, 36, 46). Einer näheren Auseinandersetzung mit
dieser Rechtsprechung, die im Fachschrifttum auf starke Kritik gestoßen
ist[10],
bedarf es hier nicht. Denn im vorliegenden Zusammenhang geht es nicht um
eine Beschränkung der in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten sog.
allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern um einen Eingriff in das
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Grundrecht
auf informationelle Selbstbestimmung ist vom BVerfG aus dem sog.
allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet und gegenüber der
allgemeinen Handlungsfreiheit als eigenständiges Grundrecht
verselbständigt worden[11].
Es wurzelt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG, dem die weit
überwiegende Auffassung im Fachschrifttum gefolgt ist, nicht allein
in Art. 2 Abs. 1 GG, sondern in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
1 Abs. 1 GG[12].
Dieses Grundrecht unterliegt damit nicht einfach nur den sich aus Art. 2
Abs. 1 GG unterliegenden Schranken; vielmehr ist seine Beschränkbarkeit
aufgrund seiner Mitgewährleistung (in Verbindung mit) durch Art.
1 Abs. 1 GG erschwert. Beschränkungen des Grundrechts auf
informationelle Selbstbestimmung bedürfen einer ausdrücklichen
(verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen
und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger eindeutig
ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit
entspricht; außerdem müssen sie dem mit Verfassungsrang ausgestatteten
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen; schließlich muss der
Gesetzgeber angesichts der Gefährdungen durch die Nutzung der
automatisierten Datenverarbeitung auch organisatorische und
verfahrensrechtliche Vorkehrungen treffen, welche der Gefahr einer
Verletzung dieses Grundrechts entgegenwirken. Das in Art. 2 Abs.1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung gehört damit zu den Grundrechten, die
nur aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt
werden dürfen. Es unterliegt mithin auch dem Zitiergebot des Art. 19
Abs. 1 S. 2 GG, wobei freilich festzustellen ist, dass einschlägige
Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Frage bislang nicht ergangen ist. Das als Ermächtigungsgrundlage
für die Beschränkung des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung vom Verordnungsgeber im vorliegenden Zusammenhang
herangezogene Ordnungsbehördengesetz erfüllt nicht die dargelegten
Anforderungen des Zitiergebotes des Art. 19 Abs. 1 S. 2
GG. Das nordrhein-westfälische Ordnungsbehördengesetz führt in seinem
§ 44 OBG zwar die Grundrechte des Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 sowie Art.
13 GG an, nicht jedoch das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 GG) . 4.
Insgesamt erfüllt damit die LHV NRW 2000 nicht die verfassungsrechtlichen
Anforderungen des Bestimmtheitsgebots des Art. 70 LV NRW und des Art. 80
Abs. 1 S. 2 GG sowie des in Art. 19 Abs. 1 S.2 GG verankerten
Zitiergebots. Zwar wäre es für den
Gesetzgeber ohne weiteres möglich, durch Schaffung einer entsprechenden
gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage den Verordnungsgeber in die Lage
zu versetzen, die Vorlage eines Führungszeugnisses zu verlangen. Auch
könnte er ggf. unmittelbar durch Gesetz eine solche Verpflichtung begründen.
An einer solchen normenklaren gesetzlichen Regelung fehlt es hier
jedoch. Sowohl das
rechtstaatliche Bestimmtheitsgebot als auch das Zitiergebot sind keine
bloßen Ordnungsnormen. Der Verordnungsgeber hat diese vielmehr strikt
zu beachten. Zweck des Bestimmtheitsgebotes ist es, aus demokratischen
und rechtstaatlichen Gründen die Macht der Exekutive im Bereich der
Rechtsetzung zu begrenzen und die Verantwortung der Legislative in
Gestalt des Gesetzgebers für den Inhalt von Rechtsverordnungen zu stärken.
Auch das Zitiergebot hat eine wichtige verfassungsrechtliche Funktion.
Es soll sicherstellen, dass der Gesetzgeber nicht unbedacht die Beschränkung
von Grundrechten vornimmt. Er soll sich nach außen erkennbar durch
ausdrückliche Nennung des einzuschränkenden Grundrechts über sein
Vorgehen Rechenschaft ablegen. Ein Verstoß gegen diese zwingenden
verfassungsrechtlichen Formvorschriften zieht die Nichtigkeit der
davon betroffenen Rechtsvorschrift nach sich.[13] Im Hinblick auf die
neuere Rechtsprechung mehrerer Obergerichte, die - anderweitige -
Bestimmungen einschlägiger Rechtsverordnungen teilweise außer Vollzug
gesetzt[14]
oder in Teilen (einzelne Bestimmungen der Niedersächsischen
Gefahrtierverordnung[15])
für nichtig erklärt haben, dürfte sich im Übrigen ein Tätigwerden
des Gesetzgebers ohnehin empfehlen. Im Rahmen eines solchen Gesetzes könnte
dann die in der Bevölkerung umstrittene Frage der Begründung einer
Verpflichtung von Hundehaltern zur Vorlage eines Führungszeugnisses
vom Gesetzgeber positiv oder negativ entschieden und klar
geregelt werden. 5.
Rechtsschutz gegen die in Rede stehenden Vorschriften der
nordrhein-westfälische Landeshundeverordnung über die Pflicht zur
Vorlage eines Führungszeugnisses kann, da insoweit eine
Normenkontrollklage nach § 47 VwGO in Nordrhein-Westfalen nicht zulässig
ist, unter engen Voraussetzungen mittels einer vorbeugenden
Feststellungsklage nach § 43 VwGO beim zuständigen
Verwaltungsgericht erlangt werden. In Rechtsprechung und Fachschrifttum
ist die Zulässigkeit einer solchen vorbeugenden Feststellungsklage
freilich bislang nicht hinreichend geklärt.[16]
Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Betroffene gegen
Rechtsverletzungen grundsätzlich nur mit Gestaltungs- und
Leistungsklagen vorgehen können (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO), soweit sie
damit angemessenen und ausreichenden, der Feststellungsklage in
Reichweite und Effektivität mindestens gleichwertigen Rechtsschutz
erhalten. Die Möglichkeit solchen angemessenen und ausreichenden
nachträglichen (ggf. auch vorläufigen) Rechtsschutzes schließt
ein berechtigtes Interesse an einer vorbeugenden Feststellungsklage
aus. Sofern eine
vorbeugende Feststellungsklage nicht in Betracht kommt, können
Betroffene, die nach § 4 Abs. 2 LHV NRW 2000 eine Erlaubnis für das
Halten, die Ausbildung, die Zucht und das Abrichten der von der
Vorschrift erfassten Hunde benötigen, nach erfolglosem
Widerspruchsverfahren beim zuständigen Verwaltungsgericht Verpflichtungsklage auf Erteilung der
ihnen wegen Nichtvorlage des Führungszeugnisses verweigerten
Erlaubnis erheben. Im Rahmen dieses Rechtsstreits wird dann vom Gericht
u.a. geprüft, ob von ihnen die Vorlage des Führungszeugnisses nach der
LHV NRW 2000 verlangt werden darf, insbesondere ob die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
des § 26 OBG die dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Daneben verbleibt
Betroffenen die Möglichkeit, im Falle einer Nichtvorlage des
geforderten Führungszeugnisses die behördliche Reaktion abzuwarten. Entscheidet sich die
Behörde dann zum Erlass eines auf die LHV NRW 2000 gestützten Bußgeldbescheides,
so kann das Verfahren vor den Einzelrichter am Amtsgericht (§§ 68 OWiG)
und ggf. vor das Oberlandesgericht gelangen; in diesen Verfahren wird
die Rechtmäßigkeit der einschlägigen Regelung über die Verpflichtung
zur Vorlage eines Führungszeugnisses und damit auch die Vereinbarkeit
der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage mit den dargelegten
verfassungsrechtlichen Anforderungen geprüft. [1] § 4 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. Abs. 1 und § 3 Abs. 3 LHV NRW 2000 [2] § 4 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. Abs. 1 und § 3 Abs. 3 LHV NRW 2000 [3] Vgl. § 12 Abs. 2 lit. b LHV NRW 2000 [4] § 3 Abs.3 i.V.m. § 1 Abs. 1 S.1 LHV NRW 2000 [5] Vgl. dazu u.a. BVerfGE 58, 257 (277 f); BVerfGE 62, 203 (210) ; BVerfGE 89, 121 (131 f) [6] Vgl. dazu u.a. BVerfGE 58, 257 (278) und BVerfGE 89, 121 (131) jeweils mit weiteren Nachweisen [7] Vgl. zu diesem Gesichtspunkt u.a. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 492 f [8] Vgl. dazu u.a. Hasskarl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, in: AöR 94 (1969), S. 85 (108); Bryde, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 80 Anm. 23 [9] OVG NRW, Beschluss vom 6.3.1997 5 B 3201/96 -, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1997, 806 (807) [10] Vgl. dazu unter anderem R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 19 Abs. 1, Rdnr. 57 m.w.N.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, § 83 III 4, S. 750 ff [11] Vgl. dazu u.a. Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, 5.Aufl. 2000, Art. 2 Rdnr. 1, 38 m.w.N. [12] Vgl. u.a. BVerfGE 65, 1, 41 ff; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 5.Aufl. 2000. Rdnr. 30 ff, 38 ff [13] Vgl. dazu u.a. Hamann, NVwZ 1994, S. 669; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 507 f [14] Vgl. die Entscheidung des Hess. Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Sept. 2000 Az.: 11 NG 2500/00 - [15] Vgl. etwa Urteile des Nds. Oberverwaltungsgericht vom 30.Mai 2001 11 K 4333/00, 11 K 2877/00, 11 K 3268/00 und 11 K 4233/00, vgl. Presseinformation des Gerichts vom 30.5.2001 [16] Vgl. dazu u.a. die Nachweise bei Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 2000, § 43 Rdnr. 32 f; Hamann, NVwZ 1994, 670
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