Qualzuchtgutachten des BMI
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Gutachten zur Auslegung
von § 11b des Tierschutzgesetztes(Verbot von Qualzüchtungen)
Herausgeber : Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten (BMELF),
Referat Tierschutz,
Postfach, 53107b Bonn,
Internet : http://www.bml.de |
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Text :
Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimtierzucht
Druck: BMELF,Bonn, Januar 2000
Sachverständigengruppe*
Tierschutz und Heimtierzucht
· Herr Dr. J. Arndt (t) und Herr Dr. Backhaus sind vorzeitig
aus der Sachverständigengruppe ausgeschieden, sie haben durch
ihre dankenswerte Mitarbeit und wertvollen Hinweise in
besonderer Weise zur Erarbeitung dieses Gutachtens
beigetragen.
Vorwort
Das vorliegende Gutachten steht in unmittelbarem Zusammenhang
mit dem Tierschutzgesetz(TierSchG). Ziel dieses Gesetzes ist
es, das Leben und Wohlbefinden der Tiere als Mitgeschöpfe der
Menschen zu schützen. Grundsätzlich darf niemand einem Tier
ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden
zufügen.Die Durchsetzung
dieses gesetzlichen Grundsatzes bei der Zucht von Tieren
regelt § 11b TierSchG. Danach ist es verboten, Wirbeltiere zu
züchten oder durch bio- oder gentechnische Maßmahmen zu
verändern, wenn damit gerechnet werden muß, daß bei der
Nachzucht, den bio- oder gentechnisch veränderten Tieren
selbst oder deren Nachkommen erblich bedingte Körperteile oder
Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder
umgestaltet und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden
auftreten. Ebenso ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten,
wenn damit gerechnet werden muß, daß bei Nachkommen mit Leiden
verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten. Das
Verbot gilt auch, wenn die Haltung dieser Tiere nur unter
Bedingungen möglich ist, die bei ihnen zu Schmerzen oder
vermeidbaren Leiden oder Schäden führen.Mit dieser Problematik
beschäftigte sich auch der Europarat im Rahmen des
Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren. Im Zuge
der Beratungen der Vertragsparteien wurde bereits 1995 eine
Diskussion mit internationalen Hunde- und Katzenzuchtverbänden
initiiert, um tierschutzrelevante Zuchtstanndards zu ändern
oder gar einen Verzicht auf die Zucht bestimmter Rassen zu
erreichen. Gemäß der hierbei gefaßten Resolution intensivierte
das Bundesernährungsministerium (BML) die Diskussion mit den
Verbänden und leistete Aufklärungsarbeit. Durch Appelle
konnten die Verbände jedoch nicht in ausreichendem Maße dazu
bewegt werden, auf tierschutzwidrige Rassestandards zu
verzichten und Übertypisierungen bei der Zuchtauswahl zu
vermeiden.Derzeit bereitet die Anwendung des Verbotes von
Qualzucht im Verwaltungsvollzug nocch Probleme. Einerseits
liegen die vorhandenen Informationen nicht gwebüdelt vor, zum
anderen wird die Grenze zwischen zulässiger Zucht und
verbotener Qualzucht sehr kontrovers diskutiert. Deshalb hat
BML zum Themenkomplex der Heimtierzucht eine
Sachverständigengruppe gebeten, das nunmehr vorliegende
Gutachten zu erstellen. Die Bedeutung der Heimtierzucht in
Deutschland belegen die schätzungsweise 22,6 Millionen bei uns
gehaltenen Heimtiere einschließlich der Zierfische.Die Arbeit
der Sachverständigengruppe ist von langwierigen und
kontroversen Diskussionen mit den Vertretern der Tierschutz-
und Heimtierzuchtverbände sowie Wissenschaftlern begleitet
worden.Diese haben auch zu Änderungen und zur Aufnahme von
Anregungen in das Gutachten geführt. Einige tierartspezifische
Ausführungen sowie allgemeine Aussagen zur zur Zuchtmethodik
und Zuchtplanung werden weiterhin kritisiert. Dennoch kann
dieses Gutachten sowohl den Züchtern bei ihren
Zuchtentscheidungen und in der Verbandsarbeit als auch den
zuständigen Behörden der Länder beim Verwaltungsvollzug als
Leitlinie und Entscheidungshilfe dienen.Mir ist bewußt, daß
dieses Gutachten auch kritische Reaktionen auslösen wird. Ich
wünsche mir, daß sich die dadurch verursachten Dieskussionen
im Sinne des Tierschutzes positiv auswirken und zu weiteren
wissenschaftlich fundierten Informationen führen werden, um
Qualzuchten zu vermeiden.
K.-H. Funke
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorbemerkungen 1
1 Allgemeiner Teil 1
1.1 Einleitung 1
1.2. Rechtliche Grundlagen 2
1.2.1 Tierschutzgesetz und Europäisches Übereinkommen zum
Schutz von HHeimtieren 2
1.3 Begriffe und Definitionen 3
1.3.1 Qualzüchtung 3
1.3.2 Heimtier 4
1.3.3 Nachzucht 4
1.3.4 Züchten / Züchter 5
1.3.5 Vererbte Merkmale im Sinne von § 11b des
Tierschutzgesetzes 5
1.3.6 Wohlbefinden 6
1.3.7 Schmerzen, Leiden, Schäden 6
1.3.8 Artgemäßer Gebrauch 7
1.4 Problematische Zuchtziele 7
1.4.1 Wachstum 8
1.4.2 Riesenwuchs und Übergewicht 8
1.4.3 Zwergwuchs 8
1.4.4 Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit, Kurzschädeligkeit,
Mopskopfbildung mit Hydrozephalie) 9
1.4.5 Augen 10
1.4.6 Ohren 10
1.4.7 Haut, Haar- und Federkleid 10
1.4.8 Extremitäten und Gelenke (Unpysiologische Steilstellung
der Intertarsalgelenke) 12
1.4.9 Wirbelsäule (An- bzw. Brachyurie : Schwanzlosigkeit bzw.
Kurzschänzigkeit) 12
2 Spezieller Teil
2.1 Säugetiere 14
2.1.1 Hunde 15
2.1.1.1 Monogen vererbte Merkmale 15
2.1.1.1.1 Blue-dog-Syndrom (Blauer-Dobermann-Syndrom) 15
2.1.1.1.2 Brachy- und Anurien sowie Verkrüppelungen der
Schwanzwirbelsäule 16
2.1.1.1.3 Chondrodysplasie 17
2.1.1.1.4 Dermoid / Dermoidzysten 19
2.1.1.1.5 Grey-Collie-Syndrom 20
2.1.1.1.6 Haarlosigkeit (Nackt) 21
2.1.1.1.7 Merlesyndrom 22
2.1.1.1.8 Weitere monogen vererbte Einzeldefekt und
Erkrankungen 24
2.1.1.2 Oligo- oder polygen vererbte Merkmale 26
2.1.1.2.1 Brachyzephalie / Brachygnathie 26
2.1.1.2.2 Ektropium 27
2.1.1.2.3 Entropium 28
2.1.1.2.4 Hautfaltenbildung, übermäßige, permanente 29
2.1.1.2.5 Hüfgelenksdysplasie (HD) 30
2.1.1.2.6 Verhaltensstörung : Hypertrophie des
Aggressionsverhaltens 31
2.1.1.2.7 Weitere oligo- oder polygen vererbte Merkmale 33
Tabelle Hunde - Kurze Orientierungshilfe 35
2.1.2 Katzen wird hier nicht ausgeführt
2.1.3 Kaninchen wird hier nicht ausgeführt
2.2 Vögel wird hier nicht ausgeführt 3 Weitere Hinweise und
Empfehlungen für die Begrenzung von Erbfehlern und
Erbkrankheiten in der Heimtierzucht 112
3.1 Allgemeines 112
3.2 Das Tierschutzgesetz und das Europäische Übereinkommen zum
Schutz von Heimtieren legen Bedingungen für die Züchtung fest
112
3.3 Ermittlung von Anlagenträgern sowie von Tieren mit
genetischem Risiko (genetisch bedingten Dispositionen) und
deren Zuchtverwendung 116
3.3.1 Anlagenträger für Erbkrankheiten und erbliche Defekte
116
3.3.2 Tiere mit genetischer Disposition (genetischem Risiko)
für Krankheiten und Defekte 118
3.4 Zuchtziele 120
3.5 Zuchtmethoden 121
3.5.1 Inzucht - Linienzucht 121
3.5.2 Auszucht 122
3.5.3 Verdrängungszucht - Rückzüchtung 122
3.5.4 Neue Selektionsverfahren 122
3.6 Was ist notwendig 123
4 Anhang 126
Glossar 126
Zuchtdokumentation 135
Tabelle Bestands- und Zuchtaufzeichnungen 136
Tabelle Bestandsübersicht 137
Tabelle Wurfchronik 137
Tabelle Jungtierverzeichnis 137
Tabelle Zuchtschauerfolge 137
Tabelle Verzeichnis der Vatertiere/Muttertiere 138
Tabelle Deckakte 139
Tabelle Verzeichnis der Würfe, Teil I 140
Tabelle Verzeichnis der Würfe, Teil II 141
Tabelle Unterschriften 142
-1-
Vorbemerkungen
Das Gutachten soll insbesondere allen Züchtern von Heimtieren
helfen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die
Vorschriften des Tierschutzgesetzes, welche die Züchtung
betreffen, in vollem Umfang zu beachten. Ziel ist das vitale,
gesunde, schmerz- und leidensfreie Tier.Die Gutachter sind
sich bewußt, daß die Ziele des Gutachtens zwar mit Nachdruck
zu verfolgen sind, aber nicht in allen Fällen kurzfriestig in
vollem Umfang realisiert werden können.Allen Züchtern,
zuchtverbänden und Sachverständigen, die das Entstehen dieses
Gutachtens durch kritische und konstruktive Kommentare
begleitet haben, sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.
1 Allgemeiner Teil
1.1 Einleitung
Seit der Überleitung von Wildtieren in den Hausstand haben
sich die domestizierten Nachkommen diesem in
unterschiedlichenm Grade angepaßt. Das trifft auch für die
haustiere zu, die in Gebiete oder Länder verbracht wurden, die
von der Stammart nicht bzw. nicht mehr bewohnt werden.Züchter
und Halter von Tieren sind auch die Gestalter des
Verhältnisses Mensch/Heimtier. Ihr Wille und ihre Fähigkeiten
haben Auswirkungen auf die Tiere. Wenn züchter die notwendigen
Zusammenhänge und Folgen ihres Tuns nicht kennen, nicht
beachten und die gebotenen Grenzen ihrer
Gestaltungsmöglichkeiten überschreiten,(z.B. Zucht mit
Defektgenen oder Übertypisierung), so besteht die Gefahr, daß
sie mit ihren Zuchtzielen das Wohlbefinden der Tiere
beeinträchtigen.Manche Zuchten sind deshalb seit geraumer Zeit
Anlaß für Diskussionen über sinnvolle, artgemäße und
verhaltensgerechte Lebensbedingungen. Der Notwendigkeit, die
Funktion und ein der Biologie des Tieres entsprechendes
harmonisches Zusammenwirken von Organen und organsystemen zu
erhalten, ist hierbei besondere Bedeutung zuzumessen.Der
Gesetzgeber hat Abschnitt 7 des Tierschutzgesetzes (§§ 11 -
11c) der Zucht und dem Handel mit Tieren gewidmet. Die
Umsetzung des § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von
Qualzüchtungen) ist bisher noch unbefriedigend. Aus diesen
Gründen hat das BML eine Sachverständigengruppe eingesetzt.
Ihre aufgabe war es, für den Bereich der Heimtierzucht ein
Gutachten zu erstelle, das als verbindliche Leitlinie für
Zuchtorganisationen, Züchter, aber auch für die zuständigen
Behörden dienen soll.
-2-
1.2. Rechtliche Grundlagen
1.2.1 Tierschutzgesetz und Europäisches Übereinkommen zum
Schutz von Heimtieren
Nach § 11b des Tierschtuztgesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 25. Mai 1998 (BGBl. I S. 1105,1818) ist es
verboten Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder
gentechnische Maßnahmen zu verändern, wenn damit gerechnet
werden muß, daß bei der Nachzucht, den bio- oder gentechnisch
veränderten Tieren selbst oder deren nachkommen erblich
bedingte Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch
fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch
Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.Ferner ist es
verboten Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder
gentechnische Maßnahmen zu verändern, wenn damit gerechnet
werden muß, daß bei den Nachkommen
a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen
oder mit Leiden verbundene erblich bedingte
Aggressionssteigerungen auftreten oder
b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst
oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder zu vermeidbaren
Leiden oder Schäden führt oder
c) deren Haltung nur unter Bedingungen möglich ist, die bei
ihnen zu Schmerzen oder zu vermeidbaren Leiden oder Schäden
führen.
Die zuständige Behörde kann das Unfruchtbarmachen von
Wirbeltieren anordnen, wenn damit gerechnet werden muß, daß
deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne der
Absätze 1 oder 2 dieses Paragraphen zeigen.Die vorstehend
genannten Bedingungen gelten nicht für durch Züchtung oder
bio- oder gentechnische Maßmahmen veränderte Wirbeltiere, die
für wissenschaftliche Zwecke notwendig sind.Mit der
Novellierung des Tierschutzgesetzes wurde das
Bundesministerium ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz der Tiere
erforderlich ist, die erblich bedingten Veränderungen,
Verhaltensstörungen und Aggressionssteigerungen näher zu
bestimmen und dabei insbesondere bestimmte Zuchtformen unf
Rassemerkmale zu verbieten oder zu beschränken.Nach § 12 Abs.
1 des novellierten Tierschutzgesetzes dürfen Wirbeltiere, an
denen Schäden feststellbar sind, von denen anzunehmen ist, daß
sie durch tierschtuzwidrige Handlungen verursacht worden sind,
nicht gehalten oder ausgestellt werden; das Nähere wird durch
Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 oder 5 geregelt.
-3-
§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 lautet wie folgt :"Das
Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz der Tiere
erforderlich ist,1. ...
2. ...
3. ...
4. das Verbringen von Wirbeltieren in das Inland oder das
Halten, insbesondere das Ausstellen von Wirbeltieren im Inland
zu verbieten, wenn an den Tieren zum Erreichen bestimmter
Rassemerkmale tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen worden
sind,
5. das Halten von Wirbeltieren, an denen Schäden feststellbar
sind, von denen anzunehmen ist, daß sie durch
tierschtuzwidrige Handlungen verursacht worden sind, zu
verbieten, wenn das Weiterleben der Tiere nur unter Leiden
möglich ist,
6. ... "
Auch im Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren
(Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 13. November
1987 zum Schutz von Heimtieren (BGBl. 1991 II S. 402)) ist die
Zucht von Heimmtieren reglementiert. Im Artikel 5 heißt es:
"Wer ein Heimtier zur Zucht auswählt, ist gehalten, die
anatomischen, physiologischen und ethologischen Merkmale zu
berücksichtigen, die Gesundheit und Wohlbefinden der
Nachkommenschaft oder des weiblichen Elternteils gefährden
können".
1.3 Begriffe und Definitionen
1.3.1 Qualzüchtung
Der Tatbestand ds § 11b des Tierschutzgesetzes ist erfüllt,
wenn bei Wirbeltieren die durch Zucht geförderten oder die
geduldeten Merkmalsausprägungen (Form-, Farb-, Leistungs- und
Verhaltensmerkmale) zu Minderleistungen bezüglich
Selbstaufbau, Selbsterhaltung und Fortpflanzung führen und
sich in züchtungsbedingten morphologischen und/oder
physiologischen Veränderungen oder Verhaltensstörungen äußern,
die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind.
(Vergleiche Bedarfsdeckungs- und Schadenvermeidungskonzept,
DVG-Fachgruppe Verhaltensforschung, Gießen: Verlag DVG 1987).
-4-
1.3.2 Heimtier
Der Ausdruck Heimtier bezeichnet ein Tier, das der Mensch
insbesondere in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und
als Gefährten hält oder das für diesen Zweck bestimmt ist
(Artikel 1 Absatz 1 des Europäischen Heimtierübereinkommens).
1.3.3 Nachzucht
Der § 11b zielt auf die "Nachzucht". Diese kann, in
Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium eines Individuums,
unterschiedlich definiert werden. Während der Frühentwicklung
unterliegt das Wechselsspiel zwischen Differenzierung und
Wachstum einer fein abgestimmten Regulation. Unter
Differenzierung versteht man die Zunahme an Organisation und
Heterogenität von Individuen im Laufe ihrer Entwicklung.
differenzierung und Wachstum vollziehen sich auf verschiedenen
Entwicklungsebenen:Da § 11b bei der Nachzucht auf Körperteile
oder Organe zielt, die bereits nach abgeschlossener
Organogenese vorhanden sind, ist die Frage von Bedeutung, ab
welchem Zeitpunkt von "Nachzucht" oder "Nachkommen" gesprochen
werden kann. Man teilt die Entwicklung eines Organismus etwas
vereinfacht in drei Phasen ein:1. Primitiventwicklung, primäre
Organogenese,2. feinere ausarbeitung von Form und Struktur
sowie3. funktionelle Reifung und Integration der OrganeDie
dritte Phase beginnt im Allgemeinen nach Abschluß der
embryonalen Organogenese, bei Säugetieren etwa mit Ende des
ersten Drittel der Gravidität, bei ****** etwa nach der Hälfte
der Bebrütungszeit. Ab diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen,
daß die Nachkommen Empfindungsfähigkeit entwickeln. Fortan
sind zur Nachzucht im Sinne des § 11b auch abgestorbene Feten
und Totgebrten zu rechnen, während früher embryonaler
Fruchttod nicht erfaßt wird.Die juristische Ansicht, daß die
Existenz eines Tieres erst mit dessen Geburt bzw. Schlupf
beginnt, bleibt hiervon unberührt. Gegenstand der Regelung des
§ 11b ist nämlich das Verbot, mit den Elterntieren zu züchten.
Die mögliche Schädigung der Nachzucht ist hingegen
Tatbestandsmerkmal einer Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot.
Subjekt der Regelung des § 11b sind damit die schon lebenden
Wirbeltiere, mit denen gezüchtet werden soll. Die Frage, ob es
sich bei den möglicvherweise geschädigten Feten bereits um
eine Nachzucht im oben dargestellten Sinne handelt oder nicht,
ist dagegen relevant für die Beurteilung durch den Züchter, ob
bei einer Schädigung von Feten auf Grund vererbter Merkmale
der Tatbestand der Qualzüchtung im Sinne von § 11b erfüllt ist
oder nicht. Treten die Schädigungen und die damit verbundenen
Schmerzen, Leiden oder Schäden
-5-
bei einem Fetus auf, der als Nachzucht im o.a. Sinne gilt, und
muß der Züchter damit rechnen, ist der Tatbestand der
Qualzüchtung erfüllt. Tritt der mögliche Schaden hingegen
früher auf, so ist der Tatbestand nicht verwirklicht.
1.3.4 Züchten / Züchter
Der Begriff (Tier-)Zucht ist weder im Tierzucht- noch im
Tierschutzgesetz definiert. Er wird mit unterschiedlichem
Bedeutungsgehalt verwendet. Unter Züchen im Sinne von § 11b
versteht man die geplante Verpaarung von Tieren. Dabei kann es
vorsätzlich oder fahrlässig zu einem Verstoß gegen § 11b
kommen.Züchter sind natürliche Personen (Halter und/oder
Besitzer der Zuchttiere). Sie tragen Verantwortung für das
Zuchtresultat. Verbände, Vereine etc. sind im Sinne des § 11b
mitverantwortlich, sofern sie Zuchtziele festlegen und
Zuchttieren bewerten.
1.3.5 Vererbte Merkmale im Sinne von § 11b des
Tierschutzgesetzes
Zuvorderst handelt es sich um züchterisch geduldete, gewollte
oder sogar als Zuchtziel (Rassestandard) festgelegte Merkmale,
die selbst tierschutzrelevant sind oder mit
tierschutzrelevanten merkmalen assoziiert sind oder zu
entsprechenden Folgeerscheinungen (Abiotrophien) führen.
Voraussetzung für die An-wendung von § 11b ist die Erblichkeit
des oder der relevanten Merkmale, wobei es auf den Vererbungs-
modus nicht ankommt (z.B. monogam, oliogon, polygon,
geschlechtsgekoppelt, polygon mit Schwellen-charakter, siehe
Anhang Seite 126 bis 135).Im Falle monogamer, teilweise oder
vollständig dominat vererbter Merkmale mit homozygoter
Schadwirkung ist mit geschädigtem Nachwuchs zu rechnen ( 25
%), wenn heterozygote Merkmalsträger miteinander verpaart
weden. Paart man die heterozygoten Merkmalsträger mit
Nichtmerkmalsträgern,, so treten in der Nachzucht je 50 %
heterozygote Merkmalsträger und Nichtmerkmaalsträger auf.
Negativ zu werten ist eine solche Paarung in jedem Fall, da
die belastende Anlage weiterhin verbreitet wird.Als Qualzucht
im Sinne des Gesetzes ist eien Paarung von heterozygoten
Merkmalsträgern mit homozygoten Nichtmerkmalsträgern jedoch
nur dann anzusehen, wenn auch die Heterozygoten Nachteile
haben oder haben könnten.
-6-
Erbkrankheiten und -schäden, sofern sie bei einer Rasse
gehäuft auftreten und in Kauf genommen werden, fallen auch
dann unter § 11b, wenn sie mit dem Zuchtziel nicht in
Verbindung stehen.Polygon vererbte Merkmale mit graduell
unterschiedlicher Ausprägung werden von § 11b erfaßt, wenn
ihre Ausprägung und Häufigkeit in einer Rasse eine
verantwortbare Zucht ausschließen.Zuchtformen, bei denen nur
durch besondere Maßnahmen und Eingriffe das Auftreten von
Schmerzen, Leiden oder Schäden zuverlässig und nachhaltig
verhindert werden kann, fallen webenfalls unter das
Zuchtverbot des § 11b. Eine Vorbeugende Tötung von Tieren,
bevor diese relevante Merkmale ausprägen, kann die Einstufung
einer Rasse als Qualzüchtung nicht verhindern.
1.3.6 Wohlbefinden
Wohlbefinden ist nach LORZ ( 1992) der Zustand physischer und
psychischer Harmonie des Tieres in sich und mit der Umwelt,
wobei es insbesondere, aber nicht nur, auf das Freisein von
Schmerzen und Leiden ankommt. Zeichen des Wohlbefindens sind
Gesundheit und ein in jeder Beziehung normales, der Art
entprechendes Verhalten. Beides setzt einen ungestörten,
artgemäßen Ablauf der Lebensvorgänge und des Verhaltens
voraus.
1.3.7 Schmerzen, Leiden, Schäden
Wenn die Begriffe auch meist im Plural gebraucht werden, so
bedeutet dies nicht, daß ein einzelner Schmerz oder ein
einzelner Schaden hingenommen werden kann. Schmerz setzt keine
unmittelbare Einwirkung auf das Tier voraus und muß auch nicht
zu erkennbaren Abwehrmaßnahmen führen.Der Begriff Leiden darf
im Zusammenhang mit § 11b keinesfalls nur medisinisch gesehen
werden. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen
Begriff des Tierschtuzrechtes, der auch alle von dem Begriff
Schmerz nicht erfassten länger andauernden Unlustgefühle
einschließt. Häufig findet hierfür auch der Begriff "Distress"
Verwendung. Leiden werden auch durch instinktwidrige, der
Wesensart eines Indi-viduums zuwiderlaufende und gegenüber
seinem Selbst- oder Artaerhaltungstrieb als lebensfeindlich
empfundene Beeinträchtigungen verursacht. Hierzu gehören im
hinblick auf § 11b auch dauerhafte Entbehrungen bei der
Befriedigung ererbter arttypischer Verhaltensbedürfnisse. Die
Erheblichkeit von Schmerzen, Leiden oder Schäden braucht für
die Erfüllung des Verbotstatbestandes nach § 11b nicht gegeben
zu sein.Ein Schaden liegt bereits vor, wenn der Zustand eines
tieres dauerhaft auch nur geringfügig zum Negativen verändert
ist. Der Schaden kann auf körperlicher oderr psychischer
Grundlage erfolgen. Gleichzeitiges Leiden und Schmerzempfinden
muß nicht gegeben sein. So sind zuchtbedingte ge-
-7-
ringfügige Gleichgewichtsstörungen bereits als Schaden nach §
11b anzusehen, ebenso wie Folgeschäden, die aufgrund von
Zuchtmerkmalen auftreten, z.B. die Häufung von Gehirntumoren
bei kurzköpfigen Hunderassen. Der maximale Schaden, den ein
Lebewesen annehmen kann, ist sein Tod
1.3.8 Artgemäßer Gebrauch
Organe, Organsystenme und Körperteile eines Individuums haben
bestimmte, genetisch festgelegt, für die Lebens- und
Fortpflanzungsfähigkeit notwendige Funktionen zu erfüllen. Der
artgemäße Gebrauch ist dann nicht mehr gegeben, wenn eine
dieser Funktionen durch züchterische Einflussnahme nicht mehr
ausreichend erfüllt oder ausgeführt werden kann. Dies gilt
besonders für erbliche Beeinträchtigungen an Sinnesorganen.
Auch negative Veränderungen an Organen oder Körperteilen, die
mit Zuchtmerkmalen in zusammenhang stehen, nicht aber mit den
durch Zuchtziele beeinflußten Organen oder Körperteilen
iden-tisch sind, und mit Schmerzen, Leiden oder Schäden
einhergehen, fallen unter § 11b. Gleiches gilt für negative
Vehaltensänderungen von Tieren, sofern diese durch Zucht
bedingt sind.
1.4 Problematische Zuchtziele
Im Folgenden werden die Zuchtziele, soweit sie mit dem
geltenden Tierschutzgesetz nicht vereinbar sind, zunächst
allgemein und dann im Einzelnen besprochen und Vorschläge zur
Verbesserung gemacht.Es handelt sich um züchterisch geförderte
Defektgene oder deren Auswirkungen sowie oligogen oder polygen
bedingte Merkmalsausprägungen, die Schmerezen. Leiden oder
Schäden bewirken oder die mit krankhaften Zuständen gekoppelt
sind.In der Heimtierzucht beliebte Zuchtziele betreffen vor
allem das Wachstum (Größe, Körperform), die Haut und das
Haarkleid bzw. Gefieder einschließlich der Pigmentierung
(Farbe) sowie das Verhalten (Wesensmerkmale). Häufig treten
mit diesen Merkmalen gekoppelt auch Veränderungen im Bereich
des Zentralnervensystems, der Sinnesorgane, der
fortpflanzungsorgane, der muskulatur, des Skelets, des
Bindegewebes und anderer Organe oder Gewebe auf.
-8-1.4.1 Wachstum
Bei fast allen Haustierarten ist die ursprüngliche Größe
verändert worden. Man züchtet neben mittelgroßen auch
übergroße und sehr kleine Rassen (Riesen, Zwerge). Bei Hunden
bestehen die größten Rassen-unterschiede (Schulterhöhe von 20
cm bis fast 1 m, Gewicht von 1,5 kg bis 100 kg). Es sind
mehrere Faktoren, die sich in ihrere Wirkung summieren. Die
eine Kombination liefert Riesen, die andere Zwerge. Dabei
kommt es entweder zur harmonischen Vergrößerung oder
Verkleinerung aller Körperteile und Organe ( proportionierter
Riesen- bzw. Zwergwuchs) oder zu unproportioniertem Wuchs, der
nur bestimmte Körperteile betrifft. Stellen z.B. die
Röhrenknochen der Gliedmaßen das Wachstum vorzeitig ein, so
bleiben die Extremitäten kurz, während die Körperentwicklung
fast normal verläuft. Dieses unproportionierte Wachstum istmit
krankhaften prozessen gekoppelt, auch wenn zunächst die
Funktionalität und das Zusammenwirken der Organe scheinbar
nicht beeinträchtigt wird.
1.4.2 Riesenwuchs
Beim Riesenwuchs handelt es sich um eine polygon determinierte
hyperplastische bzw. partiell hyper-plastische
Skelettentwicklung mit auffallender Schädelvergrößerung,
Vergrößerung der Extremitäten, insbesondere an deren Enden,
und generalisierte oder partielle Bindegewebszubildung. Der
Störung liegt eine Veränderung der eosinophilen Zellen der
Hypophyse mit erhöhter Produktion von Wachstumdhormonen
zugrunde. Beginnt die erhöhte Hormonausscheidung vor dem
Schluß der Epiphysen-fugen, entsteht der hypophysäre Hochwuchs
(Gigantismus). Bei andauernder hoher Ausscheidung, nach
Abschluß des Physiologischen Wachstums, kommt es zu einer
Vergrößerung prominenter Skelett-abschnitte. Durch
stabilisierende Selektion werden die entsprechenden Allele in
bestimmten Rassen erhalten. Dies führt zu
Erkrankungsdisposition, z.B. der Osteochondrosis dissecans,
einer vor allem bei großen Hunden vorkommenden Krankheit des
Gelenkknorpels.
Kaninchen mit großem Gewicht (Übergewicht) neigen verstärkt zu
Pfotenerkrankungen ("wunde Pfoten"). Dieses Problem ensteht
durch den Gewichttseinfluß und eine vorhandene genetische
Disposition bei den entsprechenden Rassen.
1.4.3 Zwergwuchs
Beim Zwergwuchs sind verschiedene Formen bekannt, die durch
Erbfaktoren verursacht werden. Folgende davon sind in der
Heimtierzucht von Bedeutung.
- echter Zwergwuchs
- unechter, unproportionierter Zwergwuchs
-9-
Die Ursache des echten Zwergwuchses ist eine genetisch
bedingte Wachstumsschwäche mit einer bereits bei der Geburt
nachweisbaren, allgemeinen proportionierten Unterentwicklung
des gesamten Körpers, die auch durch das postnatale Wachstum
nicht ausgeglichen wird. Bei Hunden, Kaninchen und Geflügel
wird diese Form des Zwergwuchses bei verschiedenen Rassen
systematisch gezüchtet.Der unechte, unproportionierte
Zwergwuchs mit angeborenen und züchterisch erwünschten kurzen,
krum-men Beinen ist Folge einer genetisch fixierten
Wachstumsstörung des Knorpelgewebes mit frühzeitigem Abschluß
der perichondralen und endochondralen Ossifikation
(Chondrodydplasia fetalis). Die Expressi-on dieser
Knorpelwachstumsstörung reicht von gering- bis zu
hiochgradigen Formen. Die Störung ist vor allem durch
verkürzte Extremitätenknochen zu erkennen. Außerdem stehen die
verdickten Knochenenden mit ihren Gelenkflächen mehr oder
weniger abweichend von der Knochenachse. Diese "Erbkrankheit"
ist in der Hundezucht vielfach rassebildend eingesetzt worden
: sowohl zur Miniaturisierung als auch um einen bestimmten
Rassehabitus zu züchten. Das Merkmal manifestiert sich in
Knochen während der Phase des Knorpelwachstums.Mit der
Einführung des Merkmals in die Zucht besteht eine Bereitschaft
(Disposition) zu einer Reihe von Erkrankungen, z.B.
Bandscheibenvorfall, Hydrocephalus internus (Wasserkopf),
persistierende Fontanellen. Atemstörungen, Fehlstellung von
Knochen und Gelenken sowie Schwergeburten.
1.4.4 Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit, Kurzschädeligkeit,
Mopskopfbildung mit Hydrozephalie)
Es handelt sich um eine breite und runde Ausformung des
Kopfes, mit z.T. gleichzeitiger Verkürzung des
Gesichtsschädels, mit ausgeprägten Jochbögen und einer
deutlichen Wölbung des Hirnschädels (Apfel-kopf)bis hin zum
fast primatenähnlichen Rundkopf mit frontaler Orientierung der
Augen. Die Brachy-zephalie ist für bestimmte
chondrdysplastische Rassen typisch. Es kommt zur Disproportion
zwischen Hirnschädel und Gesichtsschädel, bedingt durch
Wachstumshemmung in den betroffenen Regionen. Dadurch entsteht
ein extremer Schädeltyp, bei manchen Rassen mit
persistierenden Fontanellen in der Schädeldecke und fast
fetalem Habitus (Fetalisation). Die Brachyzephalie is in der
Regel auch mit einer Abknickung der Schädelbasis
verbunden.Weiterhin können gleichzeitig Hypoplasie
(Unterentwicklung) der kaumuskulatur, Gebiss- und
Kiefer-anomalien (Brachygnathie mit fehlerhaftem Gebissschluß,
Atemwegsverengung mit Atembeschwerden sowie
Schluckbeschwerden) auftreten. infolge des kontaktes der
Kornea mit den
-10-
Gesichtshaaren kommt es zur permanenten Korneareizung. Die
ausgeprägte Einbuchtung des Gesichts-schädels (Glabella)
begünstigt eine hyperplastische Hautfaltenbildung und damit
die Disposition zu Dermatiden und zum Ektropium. Des weiteren
besteht eine Disposition zu Hydrozephalie und
Geschwulst-bildung sowie, bedingt durch den großen runden Kopf
der Feten, eine erhöhte Neigung zu Schwergeburten (Dystokie).
Brachyzephale Hündinnen sind häufig nicht in der Lage, ihre
Neugeborenen Welpen aus der Eihaut zu befreien und abzunabeln.
1.4.5 Augen
Tief liegende oder kleine Augen als Zuchtziel führen bei
Säugetieren zur Einwärtsdrehung der freien Lidränder mit
sekundärer Reizung und Entzündung von Kornea und Konjunktiva.
Das Krankheitsbild ist durch starke Expressivitätsschwankungen
gekennzeichnet.Das "offene Auge" bzw. "das Rote sichtbar" als
Merkmal ist gekennzeichnet durch eine Auswärtsdrehung des
freien unteren Lidrandes mit Klaffen der Lidspalte, erhöhtem
Tränenfluß und Entzündung der Konjunktiva.Große Augen bei
"Kugelköpfen" führen zur Gefahr der Korneaverletzung und zum
partiellen Bulbusvorfall.
1.4.6 Ohren
Die Ohrmuscheln stellen für die Gestaltung des Kopfes eine
Varianzkomponente dar. Die züchterische Umgestaltung reicht
von kleinen, eng anliegenden Rosenohren eineiger
Windhundrassen über Faltohren bei Katzenrassen bis zu schweren
Pendelohren bei verschiedenen Hunderassen und beim Kaninchen.
Letztere sind meistens mit einer schlaffen, sehr faltenreichen
Haut verbunden. Es treten Verletzungen, Othäma-tome sowie eine
höhere Otitisfrequenz auf.Da die Ohen insbesondere beim
Kaninchen im hohen Maße zur Wärmeregulation notwendig sind,
besteht bei sehr kurzen Ohren die Gefahr unzureichender
Wärmweregulation mit allen nachteiligen Folgen für die Tiere,
insbesondere während des Sommers bei hoher Temperatur im
Außenkäfig.
1.4.7. Haut, Haar- und Federkleid
Bei Haut, Haar- und Federkleid hat sich der Einfluß der
künstlichen Selektion besonders ausgewirkt. Die mutativen
Veränderungen der Hautanhangsorgane (Haare, Federn) sind bei
vielen Heimtieren gleich. Die Haarstruktur mancher
Hunderassen, z,B. des Maltesers, entspricht in etwa der des
Angorahaares bei an-deren Tierarten ( Ziege, Katze, Kaninchen,
Meerschweinchen).
-11-
Auch extreme Zuchtziele im Bereich der Haut und ihrer
Anhangsorgane können zu Krankheiten bzw. zu
Krankheitsdispositionen führen : Falten zu Dermatitisneigung.
Haarlosigkeit zu Störungen der Wärme-regulation, Hypodontie,
Immundefekten u. a., Pigmentmangel zu Störungen im
Zentralnervensystem und in den Sinnesorganen. Pigmentmangel
ist deshalb häufig mit Krankheitsdisposition gekoppelt, da zum
einen Melanoblasten und Neuroblasten vom gleichen Keimblatt
(Ektoderm) stammen, und zum anderen bei Albinos die farblose
Iris nicht ausreichend vor zuviel Lichteinfall auf die Retina
schützt. Daher leiden Albinos vor allem unter
Schwachsinnigkeit und sind hochgradig lichtempfindlich. Von
Albinoratten ist bekannt, daß bei ihnen bereits bei sehr
geringen Lichintensitäten (80 - 100 Lux) irreparable Schäden
an den Photorezeptoren der Netzhaut auftreten können.Bei
verschiedenen Rassetauben ist die Hypertrophie der
Schnabelwachshaut (am Ober- und Unterschnabel) u.a. Zuchtziel.
Dabei kommte es zu großen walnußförmigen Wucherungen mit
permanenter Größenzunahme. Ähnliche Proliferationen wiesen
auch die Augenringe der Tiere auf. Diese permanente
Substanzzunahme führt zu einem stark eingeschränkten
Gesichtsfeld; die Tiere haben Schwierigkeiten bei der
Futteraufnahme, die Nasenöffnungen sind eingeengt, eine
physiologische Atmung ist nur in eingeschränktem Maße möglich.
Die Lebensfähigkeit der Merkmalsträger wird dadurch stark
beeinträchtigt.In der Taubenzucht führt die Schnabelverkürzung
als Zuchtziel dazu, daß Elterntiere ihre eigene Nach-zucht
nicht mehr aufziehen könne.Bei den Hauben****** reicht die
haubengröße von kleinen, nur aus wenigen Federn bestehenden
Gebilden bis zu großen Vollhauben. Die Haubenfedern wachsen
aus einem verdickten Hautbezirk, der sich zu einer fettreichen
Bindegwebsplatte entwickeln kann. Enten mit Großhauben weisen
Schädeldefekte (persistie-rende Fontanellen) auf. An diesen
defekten Stellen ist die Haut mit den hirnhäuten verwachsen.
Es kann zu Gewebsverlagerungen in die Schädelhöhle kommen oder
die Hirnhäute btw. Gehirnsubstanz treten durch die Lücken
hervor (Meningo-enzephalocele). Bei ****** mit züchterisch
geförderter Haube treten erhöhte embryonale Mortalität und
plötzliche Todesfälle unter Jung- und Alttieren auf.Bei
verschiedenen Hühnerrassen sind sog. "Ohrbommeln" oder "Tuffs"
als Rassemerkmale etabliert. Es handelt sich um warzenförmige,
befiederte Hautauswüchse an den Kopfseiten. Lage, Größe und
Befiederungsdichte dieser Gebilde sind variabel, der Gehörgang
kann so stark verkürzt sein, daß das Trommelfell ungeschützt
an der Außenseite des Kopfes liegt.
-12-
1.4.8 Extremitäten und Gelenke (Unpysiologische Steilstellung
der Intertarsalgelenke)
Verschieden Vogelrassen fallen durch aufrechte Körperhaltung
und lange Ständer mit weit durchgedrück-ten
Intertarsalgelenken auf. diese haltung kann zu schäden führen,
insbesondere zu Rissen an den Knorpeloberflächen der Gelenke
mit Bewekungsstörungen als Folge.
1.4.9 Wirbelsäule (An- bzw. Brachyurie : Schwanzlosigkeit bzw.
Kurzschänzigkeit)
Morphologisch unterscheidet man bei diesem merkmal allgemein
zwei Typen : - die Schwanzwirbel fehlen- Einige Schwanzwirbel
sind vorhandenDer Faktor wird durch ein Modifikatorgen
variabel exprimiert und kann daher weitere Wirbelsäulen- und
Rückenmarksdefekte einschließen, z.B. Verkürzung von Lenden-
und Brustwirbelsäule oder spina bifida (offene
Wirbelsäule).Bei Hühnern führt Schwanzlosigkeit zur aufrechten
Körperstellung mit nachteiligen Folgen an den Gelenken. die
Schlupfergebnisse sind bei diesen Rassen schlecht; die
Kükensterblichkeit ist hoch.
Literatur :
BARTELS, T u. W. WEGNER : Fehlentwicklungen in der
Haustierzucht (1998), Encke-Verlag Stuttgart.
BOSSELMANN (1987) : Natur und Recht 1, Nr. 3
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DOBERSTEIN , J., G. PALASCHKE u. H. STÜNZI HRSG., (1969) :
Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere,
3. Auflage, Band 5 : Digestitionsapparat, 1. Teil, hrsg. v.
J.DOBERSTEIN. Parey, Berlin, Hamburg.
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und Schadensvermeidungskonzept. Verlag DVD, Gießen.
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HERRE, W. u. M. RÖHRS (1990) : Haustiere - zoologisch gesehen.
Fischer, Stttgart.
13-
HOFFMANN, B. (1994) : Aspekte und Fragen der Tiergesundheit
und Tierhaltung. Schweiz. Arch. Tierheilk. 136, Nr. 11/12.
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Pathologie der Laboratoriumstiere, hrsg. v. P. COHRS, R. JAFFE
u. H. MEESEN. Band 2. Springer, Göttingen, Berlin, Heidelberg,
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NACHTSHEIM, H. u. H. STENGEL (1977) : Vom Wildtier zum
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STARCK, J.M. (1989) : Zeitmuster der Ontogenesen bei
nestflüchtenden und nesthockenden ******.
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Pathogenetik. VEB Gustav Fischer, Jena.
WIESNER, E. u. S. WILLER ( 1983) : Genetik der
Hundekrankheiten. VEB Bibliographisches Institut, Leipzig.
-14-
2 Spezieller Teil
In diesem Teil des Gutachtens werden Merkmale berücksichtigt,
mit denen direkt oder indirekt gezüchtet wird und die bei der
Nachzucht zu schmerzen, Leiden oder Schäden führen
können.Merkmale, mit denen nicht gezüchtet wird, die jedoch in
verschiedenen Rassen mehr oder weniger gehäuft auftreten,
werden aufgelistet.
I. Zuchtverbote werden empfohlen für Tiere, die Träger von
Genen bzw. eindeutig erblich bedingten Merkmalen sind, welche
für den Züchter direkt erkennbar oder diagnostisch zugänglich
sind und die bei der Nachzucht zu mit Schmerzen, Leiden oder
Schäden verbundenen merkmalen führen können. Dabei ist
unerheblich, ob mit solchen Genen oder Merkmalen direkt oder
indirekt gezüchtet wird.
II. Darüber hinaus werden den Zuchtverbänden folgende
Maßnahmen empfohlen:a) die Festlegung von Grenzen der
Merkmalsausprägung zur Vermeidung von Übertypisierungen, die
mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sei können;b) die
Überwachung der Zuchtpopulation und Einleitung notwendiger
Untersuchungen bei Auftreten potentiell erblicher Merkmale,
die zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen können.Zur
Überwachung der zuchtpopulationen gehört auch, die eindeutige
Kennzeichnung der Zuchttiere und das Führen von Zuchtbüchern (
siehe auch Anhang, Zuchtdokumentation, Seite 135).
-15-
2.1 Säugetiere
2.1.1 Hunde
2.1.1.1 Monogen vererbte Merkmale
2.1.1.1.1 Blue-dog-Syndrom (Blauer-Dobermann-Syndrom)
Definition :
Es handelt sich um eine blaugraue Farbaufhellung mit
Disposition zu Alopezie und Hautentzündungen. Die Krankheit
gehört in die Gruppe der Pigmentmangel-Syndrome.
Vorkommen :
Sporadisch und familiär gehäuft besonders beim Dobermann
(BARTHA, 1963), aber auch in anderen Rassen wie Dogge,
Greyhound, Irish Setter, Pudel, Teckel und Yorkshire-Terrier
(AUSTIN, 1975; BRIGGS und BOTHA, 1986; FERRER et al., 1988;
LANGEBACK 1986).
Genetik :
Das Merkmal wird von einem autosomal unvollkommenen dominanten
Gen bestimmt.
Symptomatik :
Durch eine gestörte Verhornung des Haarfollikel-Epithels kommt
es schon bei jungen Tieren mit blaugrauer Farbverblassung zu
Haarausfall (Tiere sehen wie "mottenzerfressen" aus) mit
vermehrter Schuppenbildung (Hyperkeratose), Papeln und Pusteln
(papilläre Dermatitis) sowie sekundärer follikulärer Pyodermie
(MÜLLER u. KIRK, 1976). Weiterhin besteht eine unterschiedlich
ausgeprägte Lymphadenopathie (Veränderungen im Lymphsystem),
Ödeme sowie Nebennierenrinden-Dysplasie. Der Basisdefekt ist
eine erbliche Nebennierenrinden-Insuffizienz mit
Immunkomplexstörung (PLECHNER u. SHANNON, 1977), wobei Tiere,
die homozygot für die Farbaufhellung sind, scheinbar stärker
betroffen sind als Heterozygote.
Empfehlung :
Zuchtverbot für Tiere mit blaugrauer Farbaufhellung (s. Seite
14, Nr. I), da in ihrer Nachkommenschaft immer Tiere mit
Farbaufhellung und Disposition zu Hautentzündungen auftreten
und dies regelmäßig zuSchmerzen und Leeiden führt (Anteil
unterschiedlich je nach Genotyp der Elterntiere).
-16-
Literatur:
AUSTIN, V.H. (1975) : Blue dog disease. Mod. vet. pract. 56,
34.
BARTHA, F. H. (1963) : Pigmentationsformen im Haar des
Dobermanns. Wien. Tierärztl. Mschr. 50, 440-448.
BRIGGS, O.M. u. W.S. BOTHA (1986) : Color mutant alopecia in a
blue Italian greyhound. J. am. an. hosp. ass. 22, 611-614.
FERRER, L., I. DURALL, J. CLOSA u. J. MASCORT (1988) : Color
mutant alopecia in Yorkshire-Terriers. Vet. rec. 122, 360-361.
LANGEBACK, R. (1986) : Variation in hair coat and skin texture
in blue dogs. Nord. vet. med. 38, 387-387.
MÜLLER, G.H. u. R.W. KIRK ( 1976) : Small animal dermatology.
W.B. Saunders Co., Philadelphia.
PLECHNER, A.J. u. M.S. SHANNON ( 1977) : Genetic transfer of
immunologic disorders in dogs. Mod. vet. pract. 58, 341-346.
2.1.1.1.2. Brachy- und Anurien sowie Verkrüppelung der
Schwanzwirbelsäule
Definition :
Unterschiedlich ausgeprägte Verkürzungen der
Schwanzwirbelsäule bis zur Stummelschwänzigkeit, mit oder ohne
Verkrüppelung des Schwanzes ( Korkenzieherschwanz,
Knickschwanz).
Vorkommen :
Knick- und Korkenzieherschwanz treten sporadisch oder familiär
gehäuft bei Franz.-Bulldogge, Engl.-Bulldog, Mops, Teckel u.
a. auf, Stummelschwänze bei Bobtail, Cocker Spaniel,
Entlebucher Sennhund, Rottweiler u. a. (WEGNER 1995).
Genetik :
Knick- und Korkenzieherschwänze werden autosomal rezessiv
vererbt (FRITSCH u. OST, 1983; FRITSCH et al., 1985); Brachy-
und Anurien sollen nach PULLIG (1953, 1957) ebenfalls
autosomal rezessiv vererbt werden (Cocker Spaniel). Die
auffällige phänotypische Variabilität spricht bei manchen
Rassen jedoch für eine Modifikation der Merkmalsausprägung
durch weitere Gene (KLODNITZKY u. SPETT, 1925), kann aber auch
umweltbedingt sein (REETZ u. WEGNER, 1973).
Symptomatik:
Knick- und Korkenzieherschwänze (Keilwirbelbildung), aber auch
Verkürzungen der Schwanzwirbelsäule - insbesondere Anurie -
sind häufig vergesellschaftet mit Missbildungen an weiteren
Abschnitten der Wirbelsäule (Block-, Schmetterlings- und
Keilwirbelbildung) bis hin zu spina bifida (CURTIS et al.,
2979; WILSON et al., 1979).
- 17 -
Empfehlung :
Röntgendiagnostik : Zuchtverbot für Tiere (siehe Seite 14, Nr.
I), die neben Knick- und Korkenzieherschwanz bzw. Brachy- oder
Anurie auch Wirbeldefekte an weiteren Abschnitten der
Wirbelsäule aufweisen, weil bei den Nachkommen mit Schmerzen
und Leiden gerechnet werden muß. Verzicht auf Korkenzieherrute
im Rassestandard.
Literatur:
CURTIS, R.L., D. ENGLISH u. Y.J. KIM(1964) : Spina bifida in a
stab dog stock selectively bred for short tails. Anat. rec.
148, 365.
FRITSCH, R. u. P. OST (1983) : Untersuchungen üer Rutenfehler
beim Dachshund. Berl.Münch. tierärztl.Wschr. 96, 444-450.
FRITSCH, R., A. HERZOG, P. OST u. B. TELLHEIM (1985) : Zum
Problem der Rutenfehler beim Dachshund. Kleintierprax. 30,
81-86.
KOLODNIKTZKY, I. u. G. SPETT (1925) : Kurzschwänzige und
schwanzlose Varianten bei Hunden. Z. ind. Abst.
Vererbungslehre 38, 72-74.
KNECHT, C.D., W.E.BLEVINS u. M.R.RAFFE (1979): Stenosis of the
Thoracic Spinal Canal in English Bulldogs. J. am. hosp. ass.
15, 181-183.
PULLIT, T. (1953) : Anurie in Cocker Spaniels. J. hered. 44,
105-107.
PULLIT, T. (1957) : Brachyurie in Cocker Spaniels. J. hered.
48, 75-76.
REETZ, I. u. W. WEGNER (1973) : Angeborene
Mehrfach-Missbildung des Skeletts in einem Wurf Deutscher
Schäferhunde - ein Zuchtexperiment. Dtsch. tierärztl. Wschr.
80, 524-528.
WEGNER, W. (1995) : Kleine Kynologie. 4. Aufl., Terra-Verlag.
Konstanz.
WILSON, J.W., H.J.KURTZ, H.W. LEIPOLD u. G.E. LEES(1979) :
Spina bifida in the dog. Vet. path. 16, 165-179.
2.1.1.1.3. Chondrodysplasie
Definition :
Disproprtionierter Zwergwuchs mit Verkürzung der langen
Röhrenknochen ( oft auch der Gesichtsknochen) durch Störung
der endochondralen Ossifikation mit vorzeitigem
Wachstumsstillstand in den Epiphysenfugen (DÄMMRICH, 1976),
für den möglicherweise eine hormonelle Fehlsteuerung
ursächlich ist, die sich auf den Ca- und P- Stoffwechsel
auswirkt (EIGENMANN et al., 1988; STOCKARD, 1941).
Vorkommen:
Basset Hound, Franz.-Bulldogge, Pekinese, Scottisch Terrier,
Teckel, Welsh Corgis u. a. (JOSHUA, 1963).
- 18 -Genetik :
Erblichkeit und familiäre Häufung der Chondrodysplasie wurde
in mehreren Rassen nachgewiesen (BALL et al., 1982; VERHEIJEN
u. BOUW, 1982). Das Merkmal scheint von einem autosomal
unvollkommen dominanten Gen bestimmt zu sein, wie die Kreuzung
disproportionierter Zwerge (siehe S. 8, Nr. 1.4.3.) mit
Normalwüchsigen zeigt, obwohl der klassische Zuchtversuch von
STOCKARD (1928) zunächst auf eine polygene Basis hindeutet.
Symptomatik:
Chondrodysplastische Rassen (insbesondere Teckel) zeigen eine
starke Disposition zu frühzeitigen Fehlbildungen - mit oder
ohne Verkalkung - im Bereich der Zwischenwirbelscheiben (KING,
1956; VERHEIJEN u. BOUW, 1982). Diese frühe Degeneration im
Nucleus pulposus und besonders im Anulus fibrosus machen
letzteren brüchig (GHOSH et al., 1975; GRIFFITHS, 1972), was
selbst bei physiologischen Belastungen zum Riss und damit zum
Vorfall des Nucleus pulposus führen kann (Bandscheibenvorfall
= Diskopathie). Je nach Lokalisation, Grad und Ausmaß des
Vorfalls führt dies zu meist schlaffen oder spastischen
Lähmungen und Hyperästhesien, häufig verbunden mit
intestinalen Komplikationen (MOORE u. WITHROW, 1982; ROBIN,
2984; SORJONEN u. KNECHT, 1985).Viele chondrodysplastische
Rassen zeigen außerdem eine ausgeprägte Brachyzephalie mit den
damit verbundenen Defekten (siehe 2.1.1.2.1).
Empfehlung :
Tiere mit sehr langem und geradem Rücken und ausgeprägter
Kurzbeinigkeit neigen besonders zur Diskopathie. Eine Zucht
gegen diese Merkmalsausprägung ist daher anzustreben (siehe S.
14, Nr. Iia), um einer Übertypisierung entgegenzuwirken. Es
besteht noch Forschungsbedarf nach geeigneten
Selektionskriterien.
Literatur:
BALL, M. U., J.A. McGUIRE, S.F. SWALM u. B:F. HOERLEIN (1982)
: Patterns of occurrence od disk disease among registered
Dachshunds. J.A.V.M.A. 180, 519-522.
DÄMMRICH, K. (1967) : Ein Beitrag zur Chondrodystrophia
fetalis bei Tieren. Berl.Münch. tierärztl. Wschr. 80, 101-105.
EIGENMANN, J.E., A. AMADOR u. D.F. PATTERSON (1988) :
Insulin-like growth factor I levels in proportionate dogs,
chondrodystropicdogs, and in giant dogs. Act. endocr. 118,
105-108.
GHOSH, P., T.K. TAYLOR u. J.M. YARROL (1975) : Genetic factors
in the maturation of the canine intervertebral disc. Res. vet.
sci. 19, 304-311.
GRIFFITHS, I.R. (2972) : Some aspects of the pathogenesis and
diagnosis of lumbar disc protrusion in the dog. J. sm. anim.
pract. 13, 439-447.
- 19 -
JOSHUA, J.O. (1963) : The canine spine. J. sm. anim. pract. 4,
173-182.
KING, A.S. (1956) : The anatomie of disc protrusion in the
dog. Vet. rec. 68, 939-944.
MOORE, R.W. u. S.J. WITHROW (1982) : Gastrointestinal
hemmorage and pankreatitis associated with intervertebral disk
disease in the dog. J.A.V.M.A. 180, 1443-1447.
ROBIN; Y. (1984) : Essay de classification de la maldie
discale du chien, Prat. med. chir, an. comp. 19, 379-384.
SORJONEN, D.C. u. C.D. KNECHT ( 1985) : Electroencephalografic
abnormalities associated with cervical intervertebral disk
extrusion in four dogs. J. am. an. hosp. ass. 21, 275-278.
STOCKARD, C.R. (1928) : Inheritance of lacalisated dwarfism
and achondroplasia in dogs. Anat. rec. 38, 29.
STOCKARD, C.R. (1941) : The genetic and endocrine basis for
differences in form and behavior. Am. anat. mem. 19, Wistar
inst,. anat. biol., Philadelphia.
VERHEIJEN, J. u. J. BOUW (1982) . Canine intervertebral disk
disease. Vet. quart. 4, 125-134.
2.1.1.1.4 Dermoid/Dermoidzysten
Definition:
Hauteinstülpungen am Rücken, die bis in den Wirbelkanal
hineireichen können.
Vorkommen :
Rhodesian Ridgeback.
Genetik :
Das Merkmal wird wahrscheinlich von einem autosomal
unvollkommen dominanten Gen bestimmt, das möglicherweise mit
dem Gen für das Merkmal "Ridge" gekoppelt ist.
Symptomatik :
Die Dermoidzysten treten am Rücken vor und hinter dem "Ridge"
(Haarstrich mit gegenläufigem Wuchs) auf. Sie entwickeln sich
embryonal aus einer unvollkommenen oder ausbleibenden Trennung
von Haut und Rückenmark (HOFMEYER, 1963; MANN u. STRATTON,
1966). Bleibt die Verbindung zum Wirbelkanal und Rückenmark
bestehen, kann dies zu Nachhandparalysen und Hyperästhesien
(Überempfindlichkeiten) führen (DYCE et al., 1991; LORD et
al., 1957), außerdem treten durch Infektionen Veränderungen
(Meningitis, Myelitis) auf.
Empfehlung :
Zuchtverbot für Tiere (siehe S. 14, Nr. I), die mit
Dermoidzysten behaftet sind, weil bei den Nachkommen mit
Schmerzen und Leiden gerechnet werden muß.
- 20 -
Literatur:
DYCE, J., M.E. HERRTAGE, J.E. HOULTON u. A.C. PLAMER (1991) :
Canine spinal arachnoid cysts.J. sm. anim. pract. 32, 433-437.
HOFMEYER, C.F.B. (1963) : Dermoid sinus in the Ridgeback dog.
J. sm. anim. pract. 4, suppl. 5-8.
LORD, L.H., A.J. CAWLEY u. J. GILROY (1957) : Middorsal
dermoid sinuses in the Rhodesian Ridgeback.J.A.V.M.A. 131,
515-518.
MANN, G.E. u. J. STRATTON (1966) : Dermoid sinus in the
Rhodesian Ridgeback. J. sm. anim. pract. 7, 631-642
2.1.1.1.5. Grey-Collie-Syndrom
Definition :
Silbergraue Farbaufhellung (Depigmentierung) verbunden mit
schweren Störungen der Hämatopoese (Blutbildung), insbesondere
der Granulozyten, Leitsymptom : Zyklische Neutropenie.
Vorkommen :
In verschiedenen Collie-Zuchtlinien.
Genetik:
Das Merkmal wird von einem autosomal rezessiven Gen bestimmt (
Semiletalfaktor).
Symptomatik:
Bedingt durch die Störungen der Hämatopoese und des
Immunsystems - neben dem zyklischen Abfall der neutrophilen
Granulozyten (LUND et al., 1967) tritt auch Erythro- und
Thrombopenie mit mangelhafter Blutgerinnung (JONES et al.,
1975) auf - besitzen silbergraue Tiere eine starke Disposition
zu Infektionen (HAMMOND u. DALE, 1981; TRAIL et al., 1984)
insbesondere der Schleimhäute - Gingivitis, Diarrhoe -
(CHEVILLE, 1975; LUND et al., 1970) und können meist nur unter
Antibiotikaschutz aufgezogen werden. Die mangelnde
Infektionsabwehr führt häufig zum Tode vor Erreichen der
Geschlechtsreife.
Empfehlung :
Zuchtverbot für Tiere mit silbergrauer Farbaufhellung und
bekannte Defektgenträger ( siehe Seite 14, Nr. I).
Literatur:
CHEVILLE, N.F. (1975) : The grey collie syndrom. J. am. an.
hosp. ass. 11, 350-352.
HAMMOND, W.P. u. D.C. DALE (1981) : Cyclic haematopoisis in
grey collie dogs. In : Immunological laboratory animals I,
Plenum Press N.Y.
LUND, E.A., G.A. PADGETT u. R.L. Ott (1967) : Cyclic
neuropenia in grey collie dogs. Blood 29, 452-461.
LUND, E.A., G.A. PADGETT u. J.R. GORHAM (1979) : Additional
evidence on the inheritance of cyclic neuropenia in the dog.
J. hered. 61, 47-49.
LUND, E.A., J.R. GORHAM u. G.A. PADGETT (1979) : Zyklisch
Neuropenie beim Hund. Vet. med. Nachr. 33-42.
TRAIL, P.A., T.J. Yang a. J.A. CAMERON ( 1984) : Increase in
the haemolytic complement activity of dogs affected with
cyclic haematopeisis. Vet. immun. immunopath. 41, 359-368.
2.1.1.1.6 Haarlosigkeit (Nackt)
Definition :
Haarlose Defektmutante.
Vorkommen :
In Nackthunderassen unterschiedlicher Herkunft ( Chinesischer
Nackthund, Mexikanischer Nackthund etc.).
Genetik:
Das Merkmal wird von einem autosomalunvollkommen dominanten
Gen bestimmt (Letal-/Semiletalfaktor).
Symptomatik:
Nackthunde sind für das Nacktgen heterozygot. Sie zeigen
regelmäßig schwerwiegende Gebissanomalien (BODINGBAUER, 1974)
: Meist fehlen die Prämolaren, häufig auch Canini oder
Incisivi (LEMMERT, 1971). Weiterhin weisen sie ähnlich wie
thymuslose Nacktmäuse eine gewisse immundefizienz auf (GOTO et
al., 1978). Die Hunde haben eine sehr empfindliche Haut
(Sonnenbrand, Verletzungen, Fliegenbefall im Sommer,
Allergien) und zeigen klimatische Adaptionsstörungen. Für das
Nacktgen heterozygote Tiere sind nicht lebensfähig und sterben
perinatal (HUTT, 1934; ROBINSON, 1985; YANKELL et al., 1970).
Empfehlung :
Zuchtverbot für alle Defektgenträger (siehe Seite 14, Nr. I)
- 22 -
Literatur:
BODINGBAUER, J. (1974) : Hochgradige Zahnunterzahl (Aplasie)
beim Hund. Wien. tieräztl. Mschr. 61, 301-303.
GOTO, N., K. IMAMURA, Y. MIURA, T. OGAWA u. H. HAMADA (1987) :
The Mexican hairless dog, its morphology and inheritance.
Exper. anim. 36, 87-90.
HUTT, F.B. (1934) : Inherited lethal characters in domestic
animals. Corn. vet. 24, 1-25.
LEMMERT, C. (1971) : Einiges über Nackthund. Zool. Gart. 40,
71-79.
ROBINSON, R. (1985) : Chinese crested Dog. J. hered. 76,
217-218.
YANKELL, S.L., R.M. SCHWARZMANN u. B. RESNIK (1970) : Care and
breeding of the Mexican hair-less dog. Lab. anim. care 20,
940-945.
2.1.1.1.7 Merlesyndrom
Definition :
Depigmentierungssyndrom, bei dem neben der Depigmentierung
regelmäßig variabel ausgeprägte Sinnesorgandefekte auftreten.
Vorkommen :
In Zuchtlinien verschiedener Rassen wie Bobtail, Collie, Dt.
Dogge, Dunkerhunden, Sheltie, Teckel, Welsh Corgies u. a.
Genetik:
Das Merkmal wird von einem autosomal unvollkommen dominanten
Gen bestimmt - Subvitalgen (NACHTDSHEIM, 1935; WEGNER, 1972 u.
REETZ, 1975).
Symptomatik:Für das Merle-Gen heterozygote Tiere zeigen die
von den Züchtern gewünschte disperse Pigment-aufhellung
(Tigerung), während bei homozygoten Merle-Tieren (sog.
Weißtiger) mehr als 50 % bis 100 % der Körperoberfläche
unpigmentiert sind. Die Depigmentierung ist mit multiplen,
variabel ausgeprägten Anomalien an Auge (u.a. Mikrophthalmus,
Katarkte, Iriskolobome, fehlendes Tapetum lucidum (DAUSCH et
al., 1977; HERRMANN u. WEGNER, 1988; KELLNER u. LEON, 1986;
SAUNDERS, 1952; SORSBY u. DAVEY, 1954)) und Ohr (Degeneration
im Innenohr (FOSS, 1968)) verbunden. Diese
pathologisch-anatomischen Veränderungen treten ein- oder
beidseitig auf und finden ihr Korrelat in einer mehr oder
weniger starken Einschränkung der Hör- (REETZ et al., 1977)
und Sehfähigkeit (RIX et al., 1977). Außerdem können Störungen
des Gleichgewichtsorgans (WEGNWER u. REETZ, 1977) und der
Reproduktion (TREU et al., 1976)
- 23 -
sowie bei Weißtigerneine perinatale Sterblichkeit von bis zu
47 % (MEYER, 1977) festgestellt werden. Bezüglich Grad und
Umfang der Anomalien ist ein deutlicher Gen-Dosis-Effekt
vorhanden : Weißtiger sind immer stärker betroffen als
heterozygote Tiger. Im Gegensatz zu oben zitierten
Publikationen konnten in einer jüngst abgeschlossenen
Untersuchung (NEUMANN, 1998) nur bei vermutlich homozygoten
Merle-Tieren Sinnesorganschäden gefunden werden.
Empfehlung :Homozygote Merle-Weißtiger (MM) weisen regelmäßig
Sinnesorganstörungen auf und sind somit Leiden ausgesetzt.
Daher muß für Weißtiger sowie für den Paarungstyp Tiger x
Tiger (Mm x Mm) ein Zuchtverbot (siehe Seite 14, Nr. I)
empfohlen werden. Da auch bei heterozygoten Merle-Tigern (Mm),
wenngleich weniger häufig und mit geringerem Schweregrad als
bei Weißtigern, Veränderungen der Sinnesorgane beschrieben
worden sind (s. zitierte Literatur), die Ursache für Leiden
sein Könnten, sollte generell auf die Zucht mit dem Merlegen
verzichtet werden.Literatur:
DAUSCH, D., W. WEGNER, W. MICHAELIS u. I. REETZ (1977) :
Ophthalmologische Befunde in einer Merlezucht. Dtsch.
tierärztl. Wschr. 84, 468-475.
FOSS, I. (1968) : Stria vascularis and Reissner´s membrane of
the hereditary deaf white Norwegian Dunkerhound. J. ultrastr.
res. 25, 162-163.
HERRMANN, A. u. W. WEGNER ( 1988) : Augenveränderungen bei
älteren Tigerteckeln mit essentieller Iris-Attrophie als
zusätzlichem Befund. Prakt. tierarzt. 69, 33-36.
KELLNER, S. u. A. LEON (1986) : Augenanomalie bei Collies in
der Schweiz. Kleintierprax. 31, 63-65.
MEYER, W. (1977) : Untersuchungen zur Morphometrie und zur
Reproduktion in einer Merle-Zucht. Dis. vet. med., Hannover.
NACHTSHEIM, H. (1935) : Die Tigerscheckung und ihre Vererbung.
Hund 36, 206-210.
NEUMANN, W. (1988) : Unveröffentlichte Daten.
REETZ, I., M. STECKER u. W. WEGNER (1977) : Audiometrische
Befunde in einer Merle-Zucht. Dtsch. tierärztl. Wschr. 84,
273-277.
RIX, R., D. DAUSCH u. I. REETZ ( 1977) : Elektrophysiologische
Befunde bei vergleichenden untersuchungen über
Pigmentstörungen. Ber. dtsch. ophthal. Ges. 1977, S. 552.
SAUNDERS, L.Z. (1952) : Congenital optic nerve hypoplasia in
Collie dogs. Corn. vet. 42, 67-80.
SORSBY, A. u. J.B. DAVEY (1954) : Ocular associations of
dappling (or merling) in the coat colour of dogs. J. genet.
52, 425-440.
TREU, H., I. REETZ, W. WEGNER u. D. KRAUSE (1976) :
Andrologische Befunde in einer Merle-Zucht. Zuchthyg. 11,
49-61.
WEGNER, W. (1972) : Synopsis erblicher
Depigmentierungsanomalien. Dtsch. tierärztl. Wschr. 79, 64-68.
- 24 -
WEGNER, W. u. I. REETZ (1975) : Aufbau einer Merle-Zucht.
Tierärztl. Prax. 3, 455-459.
WEGNER, W. u. I. REETZ (1977) : Störungen der Schwimmfähigkeit
bei Tigerteckeln. Dtsch. tierärztl. Wschr. 84, 29-30.
2.1.1.1.8 Weiter monogen vererbte Einzeldefekt und
Erkrankungen
Name, Definition und Symptomatik :
a. Albinismus - durch Tyrosinase-Mangel wird kein Pigment
ausgebildet : Tiere sind empfindlich gegenSonneneinstrahlung
(Sonnenbrand) und zeigen erhöhte Neigung zu Hautkarzinomen.
b. Albinismus oculi - Depigmentierung von Augenfundus und
Iris, meist verbunden mit anderen Pigment-mangelstörungen
:Tiere sind lichtempfindlich.
c. Augenlidkolobom - Spaltbildungen im Augenlid : Defekt kann
zu Hornhaut- oder Bindhautirritationen führen.
d. Brachygnathia inferior - Verkürzung des Unterkiefers :Je
nach Ausmaß der Verkürzung kann die Nahrungsaufnahme und
Kautätigkeit beeinträchtigt sein.
e. Gesichtsspalten - Entwicklungshemmung, die zu mangelhaften
medialen Verbindungen im Lippen- und Oberkieferbereich führt,
so daß nachgeburtlich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte
Spalte bestehen bleibt, die mit entsprechenden
Funktionseinschränkungen einhergeht. solche Spaltbildungen
sind nicht nur erblich bedingt, sondern können auch teratogen
verursacht sein.
f. Hämophilie A / Hämophilie B - Bei bertoffenen Tieren ist
die Blutgerinnung durch einen Faktor VIII- bzw.
Faktor-IX-Mangel gestört. Dies führt schon bei kleinen
Traumata (z.B. Injektionen oder Zahn-wechsel) zu Hämatomen und
( evtl unstillbaren) Blutungen.
g. Hörschäden* (monogen rezessiv, z.B. gekoppelt mit Weiß wie
beim Dalmatiner : Tiere sind je nach Grad des Hörverlustes
beeinträchtigt.
h. Keratitis nigricans : Pathologische Pigmenteinlagerung in
die Hornhaut, die zu punktförmiger bis totalerTrübung der
Hornhaut und damit zu Seheinschränkungen bis zur Blindheit
führt.i. Linsenluxation* : Verlagerung der Augenlinse durch
Schwäche des Aufhängungsapparates, verbunden mit Schmerz,
Lichtempfindlichkeit und Tränenfluß. Sekundär kann die
Hornhaut getrübt werden oderein Glaukom entstehen.
- 25 -
j. Lipodystrophie (GM1-Gangliosidose, GM2-Gangliosidose -
Amaurosis) : Störung des Lipidstoff-wechselsmit
Lipideinlagerungen und Schwellung in Ganglien und Neuronen.
Defekte Tiere zeigen bereitsfrühzeitig Ataxien, Sehstörungen,
Spasmen, Taubheit und Verblödung und erreichen meist nicht das
2. Lebensjahr.
k. Myoklonie, idiophatische : Zentral-nervös bedingte
klonische Muskelkrämpfe mit anfallartigen unwill-kürlichen
Zuckungen einzelner oder mehrerer Muskeln. die zu
Versteifungen und klammen Gang biszur völligen
Bewegungsunfähigkeit führen können.
l. Pankreas-Atrophie, juvenile - Reduktion exokriner
Pankreassekrete : Dieser Defekt führt zu mangel-hafter
Verdauung von Fetten, Kohlenhydraten und Eiweißen ( in dieser
Reihenfolge). Als Folge trittAbmagerung und chronischer
Durchfall bei unstillbarem Hunger ein.
m. Progressive Retina-Atrophie*(PRA, generalisiert) / Centrale
Progressive Retina-Atrophie (CPRA) :Fundusdegeneration mit
Beeinträchtigung des Sehvermögens in Dämmerung und Nacht bzw.
Degen-erationmit zentralem Visusverlust.
n. Retinadysplasie (RD) : Faltenbildung der Netzhaut mit
Fehlsichtigkeit.
m. Zahnfehler : Zahnunterzahl (Hypo-, Oligo- Anodontie) sowie
Ausbleiben des Zahndurchbruches (Pseudoanodontie).
Vorkommen :
Diese Defekte und Erkrankungen kommen in vielen Rassen
sporadisch vor, treten jedoch in bestimmten Rassen - bei den
einzelnen Defekten und Erkrankungen unterschiedlich - gehäuft
auf.
Genetik :
Diese Defekte und Erkrankungen werden nach heutigem
Kenntnisstand in der Regel autosomal rezessiv vererbt (
Ausnahme: Hämophilie = X-chromosonal rezessiv). Sie können bei
Heterozygoten (Analgeträgern) nicht diagnostiziert werden und
treten erst bei den für das Defektgen Homozygoten
(Merkmalsträgern) in Erscheinung.
- 26 -
Empfehlung .
Zuchtverbot für Tiere, die den Defekt zeigen, und für bekannte
heterozygote Defektgenträger ( siehe Seite14, Nr. I). Da die
Wahrscheinlichkeit, daß unbekannte Defektgenträger miteinander
verpaart und und so die Tiere mit dem entsprechenden Defekt
geboren werden, mit dem Verwandschaftsgrad wächst, muß die
Verpaarung von Verwandten, zumindest aber von engen Verwandten
vermieden werden.
Für mit * gekennzeichnete Defekte gilt zusätzlich : Wenn in
Rassen diese Defekte gehäuft auftreten, muß für Zuchttiere das
Freisein von dem Defekt nachgewiesen werden.
2.1.1.2.Oligo- oder polygen vererbte Merkmale
2.1.1.2.1 Brachyzephalie / Brachygnathie
Definition :
Breite, runde Ausformung des Schädels (ausgeprägte Jochbögen
und größere Wölbung des Schädeldaches) bis hin zum
primatenähnlichen Rundkopf ( z.B. bei Pekinesen) und/oder
Verkürzung der Kiefer- und Nasenknochen.
Vorkommen : Boxer, Bulldogs, Chiahuahua, Mops, Pekinese,
Prince-Charles-Spaniel, Shi-Tzu, Toy-Spaniel,
Yorkshire-Terrier u.a.. (WEGNER, 1995).
Genetik :
Polygen determinierter Merkmalskomplex.
Symptomatik :
Schwergeburten in Rassen mit extremen Rundköpfen;
brachyzephale Rassen, insbesondere verzwergte
chondroplastische, neigen zu Gehirntumoren (DAHME u. SCHIEFER,
1960; HAYES u. SCHIEFER, 1969) und Hydrozephalus (CHEW-LIM,
1976; YASHON et al., 1965); mit dem Grad der Verzwergung nimmt
auch die Dicke des Schädeldaches ab, häufig verbunden mit
persisitierender Fontanelle (HAHN, 1988), was zu
Schädelverletzungen prädispositioniert.Das diproportionierte
Wachstum der Schädelknochen bedingt eine Verkleinerung der
Nebenhöhlen (KOMEYLI, 1984), Stenosen in den Nasenöffnungen
und -gängen sowie einen elativ zu langen weichen Gaumen. Die
Folge sind Atembeschwerden bis zu Atemnot, Störung der
Thermoregulation (Tiere sind hitzschlaggefährdet) und
Schluckbeschwerden (HARVEY, 1983; NUSS-)
- 27 -
BAUMER, 1978; Robinson, 1988). Diese Defekt werden deshalb
auch "brachycephalic airway obstruction syndrom" bezeichnet
(HARVEY, 1989). Bei extrem rundköpfigen Tieren ( z.B.
Chiahuahua, Mops) treten zudem die Augen weit hervor - eine
Prädisposition für traumatische Augenerkrankungen.Weiterhin
kann der Zahnschluß durch einen ausgeprägten Vorbiß
(Prognathia inferior, z.B. bei Boxer, Bulldogs) so mangelhaft
sein, daß die Gebissfunktion ungenügend ist.
Empfehlung :
Extreme Rundköpfigkeit, insbesondere disproportionierte
Verkürzung der Gesichtsknochen muß ausge-schlossen werden
(siehe Seite 14, Nr. IIa, darüber hinaus Funktionsprüfung bei
der Zuchtbewertung und Zuchtausschluß nach dem 2.
Kaiserschnitt). Zuchtverbot für Tiere, die den vom
Zuchtverband festzulegenden Grenzwert überschreiten.
Literatur :
CHEW-LIM, M. (1976) : Hydrocephalus and anasarca in a Pekinese
litter. Vet. rec. 99, 424-425.
DAHME, E. u. B. SCHIEFER (1969) : Intracranielle Geschwülste
bei Tieren. Zbl. Vet. med. 7, 341-363.
HAHN, S. (1988) : Untersuchung zur Variation einiger
Schädelmerkmale und zur Zuchtsituation in Kleinhundrassen.
Diss. vet. med., Hannover.
HARVEY, C.E. (1983) : Review of results of airway obstruction
surgery in the dog. J. sm. anim. pract. 24, 555-559.HARVEY,
C.E. (1989) : Inherited and congenital airway conditions. J.
sm. anim. pract. 30, 184-187.
HAYES, K.C. u. B. SCHIEFER (1969) : Primary tumors in the CNS
of carnivores. Path. vet. 6, 94-116.
KOMEYLI, H. (1984) : Nasennebenhöhlen bei dolicho-, meso- und
brachycephalen Hunden unter besonderer Berücksichtigung
rassespezifischer Schädelformen. Diss. vet. med., Gießen.
NUSSBAUMER, M. (1978) : Biometrischer Vergleich der
Topogenesemuster an der Schädelbasis kleiner und mittelgroßer
Hunde. Z. Tierz. Züchtungsbiol. 95, 1-14.
ROBINSON, N.E. (1988) : Pathogenesis of airway disease. Proc.
6th ann. vet. med. for. 391-393.
WEGNER, W. (1995) : Kleine Kynologie. 4. Aufl., Terra-Verlag,
Konstanz.
YASHON, D., E. SMALL u. J.A. JANE (1965) : Congenital
hydrocephalus and chronic subdural hematoma in a dog.
J.A.V.M.A. 147, 832-836. |
2.1.1.2.2 Ektropium
Definition :
Auswärtsrollen des unteren Augenlidrandes.
- 28 -
Vorkommen :
Tritt gehäuft bei Basset Hound, Bernhardiner, Bluthund,
Bulldoggen, Cocker Spaniel, Neufundländer und Shar Pei auf, kommt
aber auch bei anderen Rassen vor.
Genetik :
Erbgang ist polygen determiniert; Rassen mit faltenreicher Haut
sind besonders disponiert (WEGNER, 1995).
Symptomatik :
Durch das Auswärtsrollen des unteren Lidrandes bleibt der
Lidschluß unvollständig. Dies führt zu Tränen-fluß und evtl.
Veränderungen an der Hornhaut (KUTTENKEULER, 1986; RUBIN, 1989)
Empfehlung :
Zuchtverbot für Tiere mit Ektropium (siehe Seite 14, Nr. I). Auf
Ektropium als Rassecharakteristikum muß grundsätzlich verzichtet
werden. Gleichzeitig muß sich die Zuchtarbeit gegen eine
Übertypisierung zu schlaffer und faltiger Haut richten.
Literatur :
KUTTENKEULER, O. (1986) : Mitt. St. Bernh. Kl. 5, 11.
RUBIN, L.F. (1989) : Inherited eye disease in purebred dogs.
Williams a. Wilkins Co, Baltimore.
WEGNER, W. (1995) : Kleine Kynologie. 4. Aufl., Terra-Verlag,
Konstanz.
2.1.1.2.3 Entropium
Definition :
Einwärtsrollen des Augenlidrandes.
Vorkommen :
Kommt bei vielen Rassen, insbesondere Bullterrier, Chow-Chow,
Pudel, Rottweiler, Sennenhund und Shar Pei, vor (LEWIS, 1985;
WEGNER, 1995).
Genetik :
Erbgang ist unklar, wahrscheinlich polygen determiniert; familiär
gehäuft, insbesondere bei Zucht auf tiefliegende und/oder kleine
Augen.
- 29 -
Symptomatik :
Das Einwärtsrollen des oberen oder unteren Augenlidrandes führt zu
sekundärer Trichiasis mit Hornhaut- und Bindehautirritationen bis
hin zu Konjunktivitis und Keratitis (RUBIN, 1989).
Empfehlung :
Zuchtverbot für Tiere mit Entropium (siehe Seite 14, Nr. I).
Literatur :
LEWIS, D.G. (1985) : Entrpion in shar peis. Vet. rec. 16, 222.
RUBIN, L.F. (1989) : Inherited eye disease in purebred dogs.
Williams a. Wilkins Co, Baltimore.
WEGNER, W. (1995) : Kleine Kynologie. 4. Aufl., Terra-Verlag,
Konstanz.
2.1.1.2.4 Hautfaltenbildung, übermäßige, permanente
Definition :
Hautfalten, die permanent partitiell oder generalisiert in
Erscheinung treten.
Vorkommen :
Partitielle Faltenbildung zeigt sich besonders im Kopfbereich bei
Brachycephalen mit ausgeprägtem Stirnabsatz (Pekinese,
Toy-Spaniel). Generalisierte Faltenbildung weisen z.B. Basset
Hound, Bluthund und besonders extrem Shar Pei auf (HODGMAN, 1964;
TARMAN, 1990).
Genetik :
Erbgang nicht geklärt, polygene Determination wahrscheinlich
(WEGNER, 1995).
Symptomatik :
Die permanente Flatenbildung disponiert zu Mucinosen und
Dermatitiden (DILLBERGER u. ALTMANN, 1986MASON, 1991), darüber
hinaus kommt es bei brachycephalen Rassen (Pekinesen etc.) zur
mech-anischen Reizung der Cornea durch Haare mit Keratitis als
Folge.
Empfehlung :
Züchterische Maßnahmen sind notwendig (siehe Seite 14, Nr. IIa),
um der Übertypisierung zu schlaffer, faltiger Haut
entgegenzuwirken ( Hautfaltenbildung darf nicht zu Störungen der
Funktion führen). Zuchtverbot für Tiere, die die festgelegten
Grenzwerte überschreiten.
- 30 -
Literatur :
DILLBERGER, J.E. u. N.H. ALTAMAN (1986) : Focal mucinosis in dogs.
Vet. path. 23, 132-139.HODGMAN, S.F. (1964) : Abnormalities and
defects in pedigree dogs. Adv. sm. anim. pract. 5, 35-44.
MASON, I.S. (1991) : Canine pyoderma. J. sm. anim. pract.-132,
381-386.
TARMAN, M.E: (1990) : Chinese Shar Pei. Pet. foc. 2, 1-15.
WEGNER, W. (1995) : Kleine Kynologie. 4. Aufl., Terra-Verlag,
Konstanz.
2.1.1.2.5 Hüftgelenksdysplasie (HD)
Definition :
Mangelhafte Artikulation des Hüftgelenkes.
Vorkommen :
In großen, schweren Rassen wie Bernhardiner, Boxer, Dt. Doggen,
Dt. Schäferhun, Leonberger, Mastiff, Neufundländer,
Retriever,Rottweiler, Sennenhunde. Aber auch in kleinen Rassen
kann HD auftreten (PRIEUR et al., 1994).
Genetik :
Polygen vererbtes Merkmal, Erblichkeitsschätzungen weisen auf eine
mittlere Erblichkeit mit h² = 0,55 hin (HEDHAMMER et al., 1979;
WEGNER, 1995).
Symptomatik :
Die knöchernen Gelenkanteile, Acetabulum und/oder Caput femoris,
werden nur ungenügend ausgebildet (BADOUX u. HOOGEVEEN, 1976).
Dies führt, insbesondere wenn Gelenkkapsel und -bänder erschlaffen
(SCHMIDT, 1963), zur Insuffizienz des Gelenkes mit loser
Artikulation bis hin zur Luxation (MORGAN, 1987; NIEDERMEYER,
1984). Die Folgen dieser Gelenkinstabilität können, je nach
Schweregrad, Ver-formung des Caput femoris, Osteoarthrose und
Kapselfibrose mit schmerzhafter spontaner Lahmheit sein. Die
Schmerzen gehen insbesondere von den periartikulären Musskeln aus,
die, im Bestreben das Gelenk zu stabilisieren, sich kontrahieren
und verdicken (PRIEUR et al., 1994).Hüftgelenksdysplasie kann ein-
und beidseitig auftreten. Besonders betroffen sind große, schwere
und schnellwüchsige Rassen (JOHNSTON, 1966; RISER et al., 1964).
Bei etwa 30 % der HD-positiven Hunde bestehen gleichzeitig
Veränderungen im Knie- und Schultergelenk (PRIEUR et al., 1994).
- 31 -
Empfehlung :
Zuchtverbot für Merkmalsträger (ab leichter HD, (siehe Seite 14,
Nr. I). Wie Selektionsergebnisse zeigen, kann hierdurch die
Frequenz von HD-positiven Tieren deutlich gesenkt werden.
Allerdings reicht es nicht aus, nur gegen das Merkmal HD zu
selektieren. Es muß z.B. auch gegen Schnellwüchsigkeit selektiert
werden. Eine Selektion im Rahmen einer Zuchtwertschätzung wird
empfohlen.
Literatur :
BADOUX, D.M. u. P. HOOGEVEEN (1976) : Some notes on the
biomechanics of the normal and dysplastc canine acetabulum. Proc.
Kon. Ned. Wet. C79, 97-111.
HEDHAMMAR, A., S.E. OLSSON, S.A. ANDERSSON, I. PERSSON, L.
PETTERSSON, A. OLAUSSON u. P.E. SUNDGREN (1979) : Canine hip
dysplasia. J.A.V.M.A. 174, 1012-1016.
JOHNSTON, D.E. (1979) : Hip dysplasia in the dog. Austr. vet. J
42, 154-159.
LUNDGREN (1979) : Canine hip dysplasia. J.A.V.M.A. 174, 1012-1016.
MORGAN, J.P. (1987) : Canine hip dysplasia. Vet. radiol. 28, 2-5.
NIEDERMEYER,R. (1984) : Röntgenologische Untersuchungen über die
Entwicklung arthrotischer Verän-derungen bei verschiedenen Graden
der Hüftgeleksdysplasie des Hundes. Diss. vet. med.,
Hannover.PRIEUR, W.D., F. KÁSA u. G. KÁSA (1994) :
Hüftgelenksdysplasie. In : H.G. NIEMAND u. P.F. SUTER, Praktikum
der Hundeklinik (7.Aufl.). ed. P.F. SUTER,Parey, Berlin, Hamburg.
RISER, W.H., D. COHEN, S. LINDQUIST, J. MANSSON u. S. CHEN (1964)
: Influence of early rapid growth and weight gain on hip dysplasia
in the German Shepherd dog. J.A.V.M.A. 145, 661-668.
SCHMIDT, W. (1963) : Ligamentum teres und Gelenkkapsel im gesunden
und arthritischen Hüftgelenk des Hundes mit einem Beitrag zur
Kenntnis der subchondralen Zysten. Berl. Münch. tierärztl. Wschr.
76, 245-250.
WEGNER, W. (1995) : Kleine Kynologie. 4. Aufl., Terra-Verlag,
Konstanz.
2.1.1.2.6 Verhaltensstörung : Hypertrophie des
Aggressionsverhaltens
Definition :
Übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten, das leicht auslösbar
und biologisch weder bezüglich Zweck noch Ziel sinnvoll ist.
Vorkommen :
Kann grundsätzlich in vielen Rassen oder Zuchtlinien auftreten,
zeigt sich jedoch besonders ausgeprägt in be-stimmten Zuchtlinien
der Bullterrier, American Staffordshire Terrier und Pit Bull
Terrier.
- 32 -
Genetik :
Erbgang ist nicht geklärt, jedoch sind Art und Ausmaß aggressiven
Verhaltens zu einem erheblichen Teil auch genetisch determiniert,
eine Tatsache, die im Rahmen der Selektion auf oder gegen
Aggressions-verhalten immer schon mehr oder weniger konkret
berücksichtigt wurde (LOCKWOOD, 1995).
Symptomatik : Im Gegensatz zu normalem, kontrolliertem
Aggressionsverhalöten, das schnell durch geeignete Signale beendet
werden kann, (FOX, 1971; SCHENKEL, 1967), zeigt sich hypertrophes
Aggressionsverhalten augefällig farin, daß jeder Sozialkontakt mit
Aggression und Beschädigungsbeißen beantwortet wird. Die
Beißhemmung gegenüber Sozialpartnern ( insbesondere gegen
Artgenossen) kann sich nicht entwickeln. Biologisch notwendige
Verhaltensweisen wie Welpenpflege oder Sexualverhalten werden
durch die Aggression überdeckt und ausgeschaltet. Welpen zeigen
bereits im Alter von 4 Wochen Kampf- und Beißspiele mit
Beschädigungsbeißen (FEDDERSEN-PETERSEN, 1996).
Empfehlung : Da hypertrophes Aggressionsverhalten artgemäßes
sozialverhalten verhindert, worin sich eine Form des Leidens
manifestiert, sind züchterische Maßnahmen zwingend (siehe Seite
14, Nr. IIa). Für potentielle Zuchttiere ist ein Wesenstest zu
fordern, in dem die Fähigkeiten zu sozielem Verhalten gegenüber
Artgenossen nachzuweisen ist. Zuchtverbot für Tiere, die den
Wesenstest nicht bestehen.
Literatur :
FEDDERSEN-PETERSEN, D (1996) : pers. Mitt.
FOX, M.W. (1971) : Socio-infantile and socio-sexual signals in
canids: a comparative and ontogenetic study. Zschr. Tierpsychol.
28, 185-210.
LOOKWOOD, R. (1995) : The ethology and epidemology of canine
aggression. In : The domestic dog its evolution, behaviour and
interaction with people. ed. : J. SERPELL, Univ. Press, Cambridge.
SCHENKEL, R. (1967) : Submission : its features and functions in
the wolf and dog. Am. Zoologist 7, 319-329.
- 33 -
2.1.1.2.7 Weitere oligo- oder polygen vererbte Einzeldefekte und
Erkrankungen
Name, Definition und Symptomatik :
a. Brachygnathia superior : Verkürzung des Oberkiefers,
insbesondere bei brachyzephalen Rassen (siehe unter 2.1.1.2.1),
die in extremen Fällen zu Funktionseinschränkungen
führt.Empfehlung : selektive Zuchtmaßnahmen (siehe Seite 14, Nr.
IIa).
b. Cauda-equina-Syndrom (CES) : Kompression des Rückenmarkes im
Bereich des letzten Lenden- und ersten Kreuzbeinwirbels und dort
abgehender Nervenwurzeln; tritt insbesondere bei allen großen
Rassen auf. Dies führt unter anderem zu Hyperalgesie und
Druckschmerz im betroffenen Bereich, Stützbeinlahmheit,
Rutenlähmung sowie zu Harn- und Kotabsatzstörungen.Empfehlung :
selektive Zuchtmaßnahmen (siehe Seite 14, Nr. IIa).
c. Collie-Augen-Anomalie (C.E.A.) : Verschiedene ein- oder
beidseitig auftretende Fehlentwicklungen im Auge (Leitsymptome :
Chorioretinale Hypoplasie und Kolobom) beim Collie und Sheltie,
die zur teilweisen oder vollständigen Ablösung der Netzhaut mit
Erblinden führen können.Empfehlung : Zuchtverbot für Tiere, bei
denen der Defekt nachgewiesen ist (siehe Seite 14, Nr. I).
d. Ellbogengelenkdysplasie : Fehlbildungen des Ellbogengelenks,
die eine mangelhafte Artikulation des Gelenks bedingen und zur
Arthrose führen können. Tritt vorwiegend bei großen, schweren
Rassen auf.Die betroffene Gliedmaße kann dann nur noch unter
Schmerzen begrenzt belastet werden.Empfehlung : selektive
Zuchtmaßnahmen (siehe Seite 14, Nr. IIa).
e. Kiefergelenkdysplasie : Mangelhafte Ausbildung von Gelenkpfanne
und Gelenkfortsätzen (z.B. beiBasset, Cocker Spaniel), die eine
Lockerung des Gelenks bedingt und zur Gelenkluxation führen
kann.Empfehlung : Zuchtverbot für Tiere, bei denen der Defekt
nachgewiesen ist (siehe Seite 14, Nr. I).
f. Kraniomandibuläre Osteopathie : Sklerotische, schmerzhafte
Knochenablagerungen um das Kiefergelenk (besonders beim West
Highland White Terrier), die das Gelenk zunehmend blockieren, so
daß das Öffnen des Fanges nur noch eingeschränkt und unter
Schmerzen möglich ist.Empfehlung : selektive Zuchtmaßnahmen (siehe
Seite 14, Nr. IIa).
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g. Megaösophagus . Angeborene Erweiterung des Ösophagus bei Welpen
und Junghunden (abzugrenzen : erworbener Megaösophagus der meist
erwachsenen Hunde), die infolge Parese oder Paralyse mit
Motilitätsstörungen verbunden ist, welche je nach Schweregrad
leichte bis schwere Schluckstörungen verursachen und schließlich
jede geordnete Nahrungsaufnahme verhindern können.Empfehlung :
selektive Zuchtmaßnahmen (siehe Seite 14, Nr. IIb).
h. Patellakuxation : Durch Fehlbildungen an verschiedenen Teilen
des Kniegelenks kann es zur Verlager-ung der Patella nach innen
(mediale Luxation, vorwiegend bei kleinen Rassen) oder nach außen
(vorwie-gend bei großen, schweren Rassen) kommen.Hierdurch wird
die Funktion der Gleidmaße eingeschränkt und ist mit Schmerzen
verbunden. die Patellaluxation kann ein- oder beidseitig
auftreten.Empfehlung : selektive Zuchtmaßnahmen (siehe Seite 14,
Nr. IIa).
i. Perthes-Krankheit : Degenerationen am Oberschenkelkopf
(insbesondere bei proportionierten Zwergrassen, siehe Seite 8, Nr.
1.4.3), die zu lahmheitsbedingten Knochennekrosen
führen.Empfehlung : Zuchtverbot für Tiere, bei denen der Defekt
nachgewiesen ist (siehe Seite 14, Nr. I).
j. Spondylosen : Knöcherne Zubildungen an der Wirbelsäule bei
allen, vermehrt jedoch bei großen Rassen, die zur Versteifung der
Wirbelsäule und/oder Druck auf seitklich austretende Nerven führen
können. Letzteres ist in der Regel mit Schmerzen
verbunden.Empfehlung : selektive Zuchtmaßnahmen (siehe Seite 14,
Nr. IIa).
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Hunde - Kurze Orientierungshilfe
Rasse Merkmal Zucht (Verbot bei Verstoß nach § 11b des
Tierschutzgesetzes) Dobermann, Dogge, Greyhound, irish Setter,
Pudel, Teckel, Yorkshire Terrier Blue-dog-Syndrom Verbot für Tiere
mit blaugrauer Farbaufhellung
Bobtail, Cocker Spaniel, Engl.-Bulldog, Entlebucher Sennenhund,
Franz.- Bulldogge, Mops, Rottweiler, Teckel u. a. Brachy- und
Anurien Verbot für Tiere, die neben Schwanz-veränderungen auch
Wirbeldefekt an weiteren Abschnitten der Wirbelsäule aufweisen.
Rhodesian Ridgeback Dermoid/Dermoidzysten Verbot für Tiere mit
Dermoidzysten
Verschiedene Colliezuchtlinien Grey-Collie-Syndrom Verbot für
sibergraue Tiere und bekannte Defektgenträger
Nackthundrassen (z.B. Chin., Mex. Nackthund) Haarlosigkeit (Nackt)
Verbot für Nacktiere
Bobtail, Collie, Dt. Dogge, Dunkerhund, Sheltie, Teckel, Welsh
Corgie u. a. Merlesyndrom Verbot für Merle-Weißtiger und den
Paarungstyp TigerxTiger (MmxMm)
Boxer, Bulldogs, Chiahuahua, Mops, Pekinese, Shi-Tzu, Toy-Spaniel,
Yorkshire Terrier Brachyzephalie Verbot für Tiere mit extremer
Rundköpfigkeit, insbesondere dispro-portionierter Verkürzung der
Gesichts-knochen Basset Hound, Bernhardiner, Bluthund, Bulldogs,
Cocker Spaniel, Neufundländer, Shar Pei u.a. Ektropium Verbot für
Tiere mit auswärtsgerolltem unterem Augenlid
Bullterrier, Chow-Chow, Pudel, Rottweiler, Sennenhunde, Shar Pei
u.a. Entropium Verbot für Tiere mit einwärtsgerolltem Augenlidrand
Bernhardiner, Boxer, Dt. Dogge, Dt. Schäferhund, Leonberger,
Mastiff, Neufundländer, Retriever, Rottweiler, Sennenhunde u. a.
Hüftkelenksdysplasie Verbot für Tiere mit Hüftgelenksdysplasie
Die Seiten 36 - 111 werden hier weggelassen, da nicht über Hunde
3 Weitere Hinweise und Empfehlungen für die Begrenzung von
Erbfehlern und Erbkrankheiten in der Heimtierzucht
3.1 Allgemeines
Heimtierzucht ist, abgesehen von der Gebrauchshundezucht,
vorwiegend Rassen- und Erhaltungszucht und keine Leistungszucht.
Den Züchtern wird oft vorgeworfen, durch ihre z. T. einseitig auf
extreme morphologische Merkmale ausgerichteten Zuchtziele oder
durch bestimmte Zuchtmethoden (z.B. Inzucht) Tiere zu züchten, die
Schmerzen und Leiden erdulden müssen, eine reduzierte
Lebenserwartung haben, teilweise wichtige Organe nicht mehr normal
gebrauchen können oder für diverse Erkrankungen disponiert sind.
dies muß alle Züchter alarmieren und anspornen, sich mit den
Vorwürfen ernsthaft auseinander zu setzen, um die angewandten
Ziele und Methoden transparent zu machen, kritisch zu überprüfen
und - falls nötig - zu ändern. Nur so kann das zum Teil
berechtigte Mißtrauen in der Öffentlichkeit abgebaut und der
Tierschutz verbessert werden.Die nachfolgenden Empfehlungen und
Hinweise wenden sich deshalb in erster Linie an die Züchter und
die für die Zucht und Zuchtprogramme verantwortlichen
Organisationen, an Zuchtwarte, Preisrichter sowie beratende
Veterinärgenetiker und Tierärzte. Ihnen sollen Anregungen und
Maßstäbe für die Verbesserung der derzeitigen Situation gegeben
werden.Adressaten sind aber auch die zuständigen Behörden und die
mit der Rechtsetzung befassten Gremien, die hiermit über die
wissenschaftlich gesicherten fachlichen Grundlagen und
Zusammenhänge informiert werden sollen.Es wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, daß die folgenden Ausführungen (Teil 3 des
Gutachtens) als all-gemeine Empfehlungen für die zukünftige
züchterische Arbeit diennen sollen. Die im Teil 3 formulierten
Vorschläge dürfen auf keinen Fall zur Relativierung der Aussagen
in Teil 1 und 2 des Gutachtens heran-gezogen werden. Die in Teil 3
behandelte Problematik geht über die in Teil 2 behandelten Fälle
hinaus.
3.2 Das Tierschutzgesetz und das Europäische Übereinkommen zum
Schutz von Heimtieren legen Bedingungen für die Züchtung fest
Schmerzen, Leiden und Schäden müssen mit allen zu Gebote stehenden
Möglichkeiten von Tieren ferngehalten werden. Artgemäßheit ist das
oberste Bewertungskriterium
Von Heimtierzüchtern wird in diesem Zudsammenhang immer wieder
angeführt, daß Artgemäßheit kein geeignetes Bewertungskriterium,
sondern der alleinige Maßstab die "Rassegemäßheit" sei.
- 113 -Als Begründung wird angeführt, daß Tierarten heute in
zahlreichen genetisch sehr differenzierten Unter-populationen
auftreten, die ihrerseits Gegenstand der Züchtung sind. dieses
Argument ist zu berücksichtigen, dennoch muß die Artgemäßheit
Grundlage der Bewertung bleiben. Schmerzen, Leiden oder Schäden,
die Tieren durch züchterische Maßnahmen zugefügt werden, stehen in
Widerspruch zu einer auf Tierliebe und weitgehend immateriellen
Nutzen basierenden Zucht, bei der der Umgang mit Tieren ein
wichtiges Motiv darstellt.Forschungsarbeiten zur frühzeitigen
Erkennung und Eliminierung pathogener Gene in den verschiedenen
Populationen können nur durchgeführt werden, wenn sie auch durch
die Zuchtorganisationen unterstützt und gefördert werden.
Auch für die Heimtierzüchtung gilt das Grundprizip, daß das
Erschweinungsbild (der Phänotyp) des Tieres, also auch seine
Gesundheit sowie das Freisein von Schmerzen, Leiden oder Schäden,
sowohl durch den Genotyp, durch den Genotyp-Umwelt-Interaktionen
als auch durch die Umwelt bestimmt werden.
Züchtungsbedingte Schmerzen, Leiden und Schäden können bei Tieren
vor allem auf drei Ursachen zurückgeführt werden :
1. Die Tiere sind durch extreme (einseitige) Zuchtziele in Ihrer
Gesundheitund Widerstandskraft oder ihrem Verhalten so
beeinträchtigt, daß sie Schmerzen, Leiden oder Schäden ertragen
müssen.
2. In der population sind Defektgene vorhanden, die zu
unterschiedlichen morphologischen oder funktionellen Störungen und
dadurch zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen.
3. Es werden bestimmte Zuchtmethoden falsch eingesetzt (z.B.
Inzucht), so daß die in der Population vorhandenen unerwünschten
Allele homozygot werden.
Defektgene und genetisch bedingte Anomalien sind in der Züchtung
(Selektion) so zu berücksichtigen, daß möglichst keine Nachkommen
(Merkmalsträger) entstehen, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden
behaftet sind
Mutationen als Ursache von Genveränderungen, so auch Defektgenen,
lassen sich grundsätzlich nicht verhindern, deshalb muß auch in
Heimtierpopulationen stets mit einer mehr oder weniger großen
Anzahl von Defektgenträgern gerechnet werden. Die Züchtung muß
aber darauf ausgerichtet sein, die Frequenz von Defektgenen in
Populationen möglichst niedrig zu halten.
- 114 -
Um dieser Situation in der Heimtierzucht gerecht zu werden, muß
die Zucht mit Tieren, die Träger wichtiger bekannter Defektgene
sind, verhindert werden. Eine solche Zucht kann zu mit Leiden
verbundenem fetalem Tod, Totgeburten oder zu Nachkommen führendie
in ihrere Lebensfähigkeiteingeschränkt sind oder infolge
körperlicher bzw. funktioneller Mängel Schmerzen, Leiden oder
Schäden erdulde (Zuchtausschluß von Merkmalsträgern und, soweit
möglich, von bekannten Anlageträgern).Derartige Maßnahmen müssen
zum Bestandteil von Zuchtbemühungen und vor allem von
Zuchtprogrammen werden.
Erbfehler (Mißbildungen), Erbkrankheiten und erbliche
Funktionsstörungen sind Abweichungen von der Norm in Körperbau,
Körperfunktion und Verhalten mit nachteiligen Wirkungen für das
betroffene Tier oder die Population (Rasse).
Abweichungen von der Norm können durch genetische Ursachen,
Umweltfaktoren oder durch eine Kombination aus beiden bedingt
sein. Erbfehler oder Erbkrankheiten sind vor allem solch Defekte,
denen ein monogener oder digener Erbgang oder eine
Chromosomenanomalie zugrunde liegt oder bei denen eine begründete
Annhame für einen solchen Erbgang vorliegt.Soweit Erbfehler durch
ein dominantes Gen verursacht werden, sind Anlageträger zugleich
Merkmalsträger. Dies vereinfacht die Selektion gegen solche
Merkmale, so daß im Allgemeinen keine besonderen diagnostischen,
jedoch züchterische Maßnahmen erforderlich sind.Rezessive
Schadgene dagegen führen nur in homozygotem Zustand, bei zwei
beteiligten Genorten erst bei deren Kombination, zur Manifestation
des Erbfehlers und damit zum Auftreten erkennbarer Merkmalsträger.
In Abhängigkeit von der Frequenz des Schadgens is die Häufigkeit
der phänotypisch gesunden (normalen) Anlagenträger in der
Population um ein Vielfaches größer als die der erkennbaren
Merkmalsträger. Zuchtmaßnahmen gegen Träger rezessiver Schadgene
sind notwendig, erfordern aber ein abwägendes Vorgehen.
Erbfehler, Erbkrankheiten und genetisch bedingte
Funktionsstörungen sowie Leistungsmerkmale müssen auch unter
Tierschutzaspekten bewertet werden.
Die Beurteilung der Wirkung deletärer Gene ist abhängig von der
Häufigkeit der phänotypischen Auswirkung, vom Grad der
Funktionsstörungen, vom Auftreten von Schmerzen, Leiden oder
Schäden bei den betroffenen Tieren sowie von indirekten
Folgewirkungen, z.B. Beeinträchtigung des Muttertieres.
- 115 -
Ist die genetische Ursache eines Defektes geklärt, können
Zuchtmaßnahmen zur Schadensvermeidung ergriffen werden. Der
Nachweis einer genetischen Abhängigkeit wird oft erschwert durch
die relative Seltenheit der Defekte, unvollständige Penetranz,
Umweltfaktoren mit ähnlicher Wirkung sowie durch Befürchtungen des
Züchters vor Diskriminierung seiner Zucht. Eine vollständige
wahrheitsgetreue Erfassung und Dokumentation aller auftretenden
Defekte und Erbkrankheiten ist Voraussetzung für die Erkennung von
Ursachen, für de Aussagewert genetischer Untersuchungen sowie für
die zu ergreifenden Maßnahmen. Derzeit ist ein zuverlässiges
Erfassungssystem noch nicht überall vorhanden.Merkmalsträger und
soweit möglich, auch Anlageträger sollten vom Züchter, der
Zuchtorganisation, insbesondere vom Zuchtwart, erfasst und
dokumentiert werden. Da verschiedene Organisationen an der
Erhebung der Daten beteiligt sind, ist eine Abstimmung zwischen
ihnen erforderlich. Die Zusammenführung aller Daten über die
einzelnen Zuchttiere und die Population ist für eine züchterische
Auswertung notwendig.
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