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beim VDH
Bundesgesetz
zur Bekämpfung gefährlicher Hunde (Tierschutzgesetz /
Tierschutz-Hundeverordnung)
von Bernhard Meyer, VDH-Hauptgeschäftsführer
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1.
Vorbemerkung
Mit der Verabschiedung des Bundesgesetzes zur Bekämpfung gefährlicher
Hunde erreicht die Hundefeindlichkeit in Deutschland einen vorläufigen
Höhepunkt. Jeder Hundehalter sollte sich mit der neuen
Situation und den Folgen auseinandersetzen - es betrifft alle.
Aufgrund der Verfahrens- und Zeitabläufe kann an dieser Stelle
nur eine erste vorläufige Darstellung und Erläuterung des
neuen Bundesgesetzes erfolgen. |
Das
Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde beinhaltet im
wesentlichen drei Bereiche: |
Artikel 1: |
Gesetz zur
Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher
Hunde in das Inland |
Artikel 2: |
Änderung des
Tierschutzgesetzes |
Artikel 3: |
Änderung des
Strafgesetzbuches |
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2.
Verfahrensstand
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines
Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde" (Drucksache
147-4451 vom 01.11.2000) wurde zwar am 08.12.2000 vom Bundestag
verabschiedet, aber vom Bundesrat nicht mitgetragen. Der
Bundesrat hat sich am 21.12.2000 mit Mehrheit für die Anrufung
des Vermittlungsausschusses ausgesprochen. Im Anschluß daran
hat sich eine Länderarbeitsgruppe mehrfach mit der Materie befaßt.
Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung am 07.02.2001
die Vorschläge der Länderkammer beraten und einen
Vermittlungsvorschlag vorgelegt. Der Gesetzentwurf auf der
Grundlage der Vorschläge des Vermittlungsausschusses wurde am
09.02.2001 im Bundestag gegen die Stimmen der FDP-Fraktion und
am 16.02.2001 vom Bundesrat ebenfalls gebilligt, so daß dieser
Gesetzentwurf nach Unterschrift des Bundespräsidenten im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht und in Kraft gesetzt werden
kann. Der endgültige Gesetzestext liegt noch nicht vor.
Wenige Stunden nach Bekanntwerden des Vermittlungsvorschlages
des Vermittlungsausschusses am 07.02.2001 hat der VDH erste
juristische Wertungen dieser Vorschläge und Änderungen
eingeholt; eine vollständige juristische und verbandspolitische
Wertung des neuen Bundesgesetzes ist in Arbeit, aber aufgrund
der Komplexität und der kurzfristigen Änderungen durch den
Vermittlungsausschuß noch nicht abgeschlossen.
Insofern sind nachfolgende Darstellungen der Inhalte und Folgen
des neuen Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde noch
nicht abschließend und ergänzungsbedürftig. |
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3.
Zuchtverbot für bestimmte Rassen
(Artikel 2 - Änderung des Tierschutzgesetzes)
Das Tierschutzgesetz soll dahingehend geändert werden, daß das
Bundesministerium mit Zustimmung des Bundesrates ermächtigt
werden soll, per Verordnung das Züchten mit Wirbeltieren
bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken
(wenn erblich bedingte Verhaltensstörungen oder erblich
bedingte Aggressionssteigerungen auftreten).
Der Entwurf der Tierschutz-Hundeverordnung, die in den nächsten
Monaten verkündet werden soll, sieht ein entsprechendes
Zuchtverbot für Pitbull-Terrier (keine "anerkannte"
Rasse), Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire
Terrier und Bullterrier sowie Kreuzungen mit diesen Tieren vor.
Mit dieser Ermächtigung kann das Bundesministerium mit
Zustimmung des Bundesrates per Verordnung weitere Rassen zu
Aggressionszüchtungen erklären und damit ein Zuchtverbot
regeln. Die Ermächtigungsgrundlage ist so weit gefaßt, daß
theoretisch die gesamte Hundezucht verboten werden könnte. Dies
dürfte verfassungsrechtlich bedenklich sein, da damit
Grundrechtseinschränkungen im Verordnungswege geregelt und der
Parlamentsvorbehalt verletzt werden. Selbstverständlich steht
auch nach wie vor die Problematik im Raum, inwieweit ein
Zuchtverbot für ganze Rassen fachlich und wissenschaftlich
fundiert begründet werden kann und rechtlich haltbar ist.
Alle Hundehalter sollten sich darüber im klaren sein, daß mit
dieser Ermächtigung jederzeit das geplante bundesweite
Zuchtverbot für die vier Rassen auf weitere Rassen per
Verordnung ausgedehnt werden kann.
Der VDH wird auch zukünftig alles in seiner Macht stehende
unternehmen, um gegen jedes Zuchtverbot für anerkannte Rassen -
unabhängig davon, welche Rassen auf dem Index stehen -
vorzugehen. |
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4.
Importverbot
(Artikel 1 - Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der
Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland)
Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire
Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier sowie Kreuzungen
untereinander oder mit anderen Hunden dürfen nicht in das
Inland eingeführt oder verbracht werden. Hunde weiterer Rassen
sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden, für
die nach den Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig
gehalten werden soll, eine Gefährlichkeit vermutet wird, dürfen
aus dem Ausland nicht in dieses Land eingeführt oder verbracht
werden.
Somit wird ein bundesweites Importverbot für die vier Rassen
geregelt. Darüber hinaus ist der Import eines Hundes in ein
bestimmtes Bundesland verboten, wenn folgende Voraussetzungen
vorliegen: Der Hund gehört zu einer Rasse, die in der
jeweiligen Hundeverordnung des betreffenden Bundeslandes als
"gefährlich" oder "vermutet gefährlich"
eingestuft wird.
Beispielhaft dürfte das bedeuten, daß ein Dobermann oder
Rottweiler in Brandenburg nicht aus dem Ausland eingeführt oder
verbracht werden darf, wohl aber nach Thüringen. Nach dem
jetzigen Erkenntnisstand wäre es aber möglich, einen Dobermann
oder Rottweiler aus dem Ausland zunächst nach Thüringen zu
importieren und später von Thüringen nach Brandenburg zu
verbringen (Haltungsgenehmigung wäre dann in diesem Fall zu
beantragen). An diesem Beispiel wird deutlich, daß aufgrund der
unterschiedlichen Länderregelungen die Verwaltungen völlig überfordert
sein werden und ein "Chaos" vorprogrammiert ist.
Die Unübersichtlichkeit der Importbeschränkungen ist weiterhin
beispielhaft daran festzumachen, daß in Nordrhein-Westfalen
alle Hunde der Rassen Anlage 2 keinen Importbeschränkungen
unterliegen dürften, weil diese nicht als "gefährlich"
oder "vermutet gefährlich" eingestuft sind.
Auch für diese neue gesetzliche Bestimmung gilt, daß der VDH
alle rechtlichen Möglichkeiten eruieren und ausschöpfen wird,
um Importbeschränkungen, die sich auf ganze anerkannte Rassen
beziehen, zu kippen. Siehe hierzu auch Punkt 9. |
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5.
Haltung eines Hundes, die nach Landesrecht verboten ist, wird
unter Strafe gestellt
(Artikel 3 - Änderung des Strafgesetzbuches)
Nicht nur das widerrechtliche Handeln oder Züchten, sondern
auch das unerlaubte Halten gefährlicher Hunde soll unter Strafe
gestellt werden. Wer einen gefährlichen Hund ohne erforderliche
Genehmigung hält, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei
Jahren oder eine Geldstrafe. |
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6.
Kennzeichnungspflicht
(Artikel 2 - Änderung des Tierschutzgesetzes)
Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Verordnung mit
Zustimmung des Bundesrates eine Pflicht zur Kennzeichnung von
Tieren, insbesondere von Hunden oder Katzen, zu erlassen.
Solch eine Regelung wäre sicherlich sinnvoll. Der Verband für
das Deutsche Hundewesen (VDH) e.V. hat stets eine
Kennzeichnungspflicht (Tätowierung / Mikrochip) für alle Hunde
gefordert. Der VDH wird seine Vorstellungen zur
Kennzeichnungspflicht in eine entsprechende Sachverständigengruppe
des Bundesministeriums einbringen. |
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7.
Sachkundenachweise
(Artikel 2 - Änderung des Tierschutzgesetzes)
Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Verordnung mit
Zustimmung des Bundesrates einen Sachkundenachweis unter anderem
auch von privaten Hundehaltern verlangen zu können. Die
bisherige Regelung im Tierschutzgesetz erstreckt sich nur auf
die gewerbsmäßige Tierhaltung.
Es ist aber noch völlig offen, ob es entsprechende bundesweite
Regelungen für bestimmte Hundehalter oder gar für alle
Hundehalter geben wird. Dies dürfte verfassungsrechtlich
bedenklich sein, da damit dann Grundrechtseinschränkungen im
Verordnungswege geregelt und der Parlamentsvorbehalt verletzt
werden. Der VDH wird seine Vorstellungen über sinnvolle
Regelungen zur Sachkunde in eine entsprechende Sachverständigengruppe
des Bundesministeriums einbringen. |
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8.
Einschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung
(Artikel 1 - Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der
Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland)
Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wird im Rahmen
der Durchführung des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens
oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland weiter
eingeschränkt, obgleich Wohnungsdurchsuchungen sowieso aufgrund
strafprozessualer Vorschriften vorgenommen werden können, wenn
die Hundehaltung unter Strafe gestellt ist. Juristische
Auseinandersetzungen zur Einschränkung des Grundrechts auf
Unverletzlichkeit der Wohnung sind absehbar. |
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9.
Bedenken der EU-Kommission
Die EU-Kommission hat Bedenken wegen des geplanten deutschen
Bundesgesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde. Eine
Sprecherin des EU-Verbraucherschutzkommissars David Byrne bestätigte
am 29.01.2001, daß die EU-Kommission am 08.01.2001 einen Brief
an die deutsche Regierung geschickt habe, in dem um eine Erklärung
gebeten wird, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage das
vorgesehene Einfuhrverbot für einige Rassen erlassen werden
soll. Bei dem Importverbot für bestimmte Hunderassen könnte es
sich um einen Eingriff in den freien Warenverkehr innerhalb der
EU handeln. In dem aus Byrnes Abteilung in Brüssel stammenden
Brief wurde Berlin außerdem vorgeschlagen, das Gesetz nach
französischem oder britischem Vorbild weniger drastisch zu
gestalten.
Damit wird deutlich, daß juristische Auseinandersetzungen über
eine evtl. Verletzung des EU-Rechts anstehen werden und müssen. |
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10.
Tierschutz-Hundeverordnung
Am 01.06.1998 ist das neue Tierschutzgesetz in Kraft
getreten. Die Tierschutz-Hundeverordnung basiert auf den Ermächtigungen
in den §§ 2 a, 11 b, 12 und 16 b des Tierschutzgesetzes und
wird voraussichtlich in den nächsten Monaten verkündet.
Voraussetzung für die Verkündung ist die vorherige Änderung
des Tierschutzgesetzes in § 11.
Die neue Tierschutz-Hundeverordnung wird in den zuständigen
Gremien des VDH behandelt, um die notwendigen Maßnahmen
herauszuarbeiten. Weiterhin werden rechtsgutachterliche
Stellungnahmen zu § 10 (Ausstellungsverbot) eingeholt, um zu
eindeutigen Interpretationen zu gelangen.
Im Referentenentwurf war neben dem Ausstellungsverbot für
illegal kupierte Hunde (nach deutschen Bestimmungen) auch ein
Haltungsverbot für solche Hunde vorgesehen. Das Plenum des
Bundesrates hat am 01.12.2000 ein Haltungsverbot abgelehnt, weil
man keine in der Praxis durchsetzbaren wirksamen Ahndungsmöglichkeiten
bei Verstößen gesehen hat. Damit können solche Hunde auch zukünftig
im Rahmen der gültigen Bestimmungen importiert und gehalten,
aber nicht ausgestellt werden.
Das Ausstellungsverbot wird 12 Monate nach Verkündung der
Tierschutz-Hundeverordnung in Kraft treten. Im Referentenentwurf
war eine Übergangszeit von nur 3 Monaten vorgesehen. |
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11.
Entschließungen des Bundesrates
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 01.12.2000 folgende
Entschließungen gefaßt:
1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, nach Abschluß
eines alsbald einzuholenden Gutachtens zur Hundeausbildung, das
auch die Anwendung von Elektroreizgeräten beinhaltet, die
Tierschutz-Hundeverordnung entsprechend zu ergänzen.
Dies bedeutet: Die Bundesregierung kann - wenn das entsprechende
Gutachten klare umsetzbare Vorgaben liefert - Regelungen zur
Hundeausbildung in der Tierschutz-Hundeverordnung aufnehmen. Der
VDH wird seine Vorstellungen über sinnvolle Regelungen zur
Sachkunde in eine entsprechende Sachverständigengruppe des
Bundesministeriums einbringen.
2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner, so
kurzfristig wie möglich in § 11 der Tierschutz-Hundeverordnung
auch die erblich bedingten körperlichen Defekte und Krankheiten
im Sinne des § 11 b Abs. 1 Tierschutzgesetz näher zu bestimmen
und dabei bestimmte Zuchtformen und Rassemerkmale zu verbieten
oder zu beschränken.
Dies bedeutet: Die Bundesregierung kann auf der Grundlage des
bereits vorliegenden sog. "Qualzucht-Gutachtens" eine
Ergänzung der Tierschutz-Hundeverordnung vornehmen, in der züchterische
Maßnahmen bei bestimmten körperlichen Veränderungen (Defekte)
geregelt werden.
Der Wissenschaftliche Beirat des VDH hat in Zusammenarbeit mit
dem VDH-Zucht-Ausschuß mehrfach und ausführlich zum sog.
"Qualzucht"-Gutachten Stellung genommen und
umsetzbare, wissenschaftlich fundierte Lösungen erarbeitet, die
Mindestanforderungen für die Zucht aller Hunde und für alle Züchter
(Vermehrer) beinhalten. Im VDH erarbeitete und praktizierte
Verfahren zur Bekämpfung erblicher Defekte müssen auch für
die Zucht von Hunden außerhalb des VDH - zumindest in
wesentlichen Anforderungen - Anwendung finden und entsprechend
kontrolliert werden. In diesem Sinne wird der VDH seine
Kompetenz in dieser Thematik sowohl auf Bundes- wie auch auf Länderebene
weiter einbringen. |
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12.
Ausblick
Obgleich noch keine umfassende Wertung dieses neuen
Bundesgesetzes vorgenommen werden kann, ist schon jetzt
festzuhalten:
a) Die Hundehaltung in Deutschland wird massiv reglementiert und
eingeschränkt. Das Bundesgesetz schafft keine Vereinheitlichung
und Vereinfachung der derzeit unterschiedlichen Regelungen auf Länder-
und Kommunalebene, sondern manifestiert diese. In der
Verwaltungspraxis wird das "Chaos" nicht beseitigt,
sondern noch verstärkt. Auf der Grundlage dieses Bundesgesetzes
können weitere Restriktionen auf dem Verordnungswege geregelt
werden.
b) Zucht- und Importverbote für bestimmte Rassen können per
Verordnung auf weitere Rassen ausgedehnt werden.
c) Alle Hundehalter sind betroffen. Es müßte jedem Hundehalter
klar sein, daß die ursprüngliche "Kampfhunde"-Problematik
inzwischen zu Restriktionen für alle Hundehalter und zu Einschränkungen
der Hundehaltung insgesamt geführt hat, die nur im Zuge einer
allgemein zunehmenden Hundefeindlichkeit möglich waren.
d) Die Solidarität aller Vereine und Halter aller Hunde ist
notwendiger denn je. Alle betroffenen Verbände, Vereine,
Gruppen und Hundehalter müssen ihren Beitrag leisten, um auch
zukünftig eine artgerechte Hundehaltung in Deutschland wieder
zu ermöglichen bzw. zu sichern. Hierbei kommt es darauf an, daß
jeder das tut, was er tun kann und seine Aktivitäten nicht
darauf konzentriert, zu beklagen, was andere angeblich nicht
tun.
e) Der VDH wird im Rahmen seiner Möglichkeiten alle in Frage
kommenden Rechtswege ausschöpfen, um unhaltbare und sinnlose
Einschränkungen der Hundehaltung zu verhindern bzw. rückgängig
zu machen.
f) Wir müssen unsachgemäße und überzogene Gesetze und
Verordnungen nicht nur bekämpfen, sondern effektive Lösungsansätze
für real existierenden Probleme bieten. In diesem Zusammenhang
ist auch die Einführung des VDH-Hundeführerscheins von
zentraler Bedeutung.
g) Jeder einzelne Hundehalter ist mehr denn je gefordert, durch
rücksichtsvolles Auftreten mit seinem gut erzogenen Hund seinen
Beitrag zum Abbau der Hundefeindlichkeit zu leisten.
h) Der VDH als Interessenvertretung aller verantwortungsvollen
Hundehalter muß gestärkt werden. Eine entsprechende Forderung
reicht nicht - man muß den VDH tatsächlich stärken -
in jeder Beziehung. Solidarität ist das Gebot der Stunde. |
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