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HUNDE ALS SÜNDENBÖCKE FÜR SOZIALE PROBLEME

 

von Judy Mann

WashingtonPost 7. Juli 2000

  Der Tod eines sechs Jahre alten Jungen durch zwei Kampfhund hat einen Feuersturm der Hysterie in Deutschland ausgelöst, der symptomatisch ist, für die wachsenen Probleme zwischen Deutschen, eingewanderten türkischen Arbeitern und der deutschen Unterwelt.

Innerhalb weniger Tage nach dem Angriff des 26. Juni auf das türkische Kind durch einen Pitbull und einen Staffordshire Terrier, erlies die deutsche Regierung Gesetze, die drei Rassen verbietet:

Pitbulls, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier. Viele der 16 Bundesländer Deutschlands erliessen daraufhin ihre eigenen Gesetze, die verschiedene Rassen von Kampfhunden verbietet und die Haltung von bis zu 30 anderen Rassen einschränkt. Besitzer dieser Rassen, deren Haltung nur noch beschränkt möglich ist, müssen eine Genehmigung haben und ihre Hunde anleinen und mit Maulkorb versehen. Auch mit hohen Gebühren [Anmerkung des Übersetzers: Steuern?] werden sie konfrontiert, und Verstöße gegen die Hundeverordnungen sind Gegenstand empfindlicher Geld- und Haftstrafen.

Daraufhin haben Halter ihre Hunde in Tierheime überall in Deutschland abgeschoben, ein Land das Hunde liebt. In Hamburg, wo der Angriff stattfand, sind die Tierheimkapazitäten mit mehr als 300 Hunden erschöpft. 90 wurden eingeschläfert, laut Max-Klaus Frey, einem Anwalt, der einen türkischen Herdenschutzhund, einen sogenannten Kangal besitzt und die Internet-Mailingliste „Freunde des Herdenschutzhundes“ betreibt.

Kampfhunde sind in Deutschland ein wachsendes Problem geworden. Bevorzugt werden die Tiere von türkischen Arbeitern, jungen Halbstarken, Drogendealern, Zuhältern und Skinheads; und es gab eine Reihe von Angriffen auf Menschen. Frankfurt verschärfte seine Gesetze 1997 nachdem ein Kampfhund eine ältere Frau getötet hatte. Bayern hat seit 1994 eine geringe Anzahl von Rassen verboten, sagte Frey in einem telefonischen Interview, und „wenn ein Kampfhund entdeckt wird, sieht er die geballte Macht der Bayerischen Behörden gegen sich gerichtet.“ In anderen Teilen Deutschlands dagegen, sagte Frey, haben die Behörden das Problem der Kampfhund-Angriffe ignoriert, die in überfüllten städtischen Problemzonen zahlreich angestiegen sind. In Hamburg, sagte er, „haben sie das Problem seit Jahren nicht beachtet jetzt muss der erste die drastischsten Gesetze haben?“

Der Pitbull, der am Tod des Jungen beteiligt war, hatte im April drei Hunde angegriffen, und der Ordner hatte die Anordnung, ihn an der Leine zu lassen und ihm einen Maulkorb anzulegen. Der Mann, eine Türke, und eine Frau in seiner Begleitung, wurden nach dem Angriff verhaftet, wegen des des Nichtbefolgens der Anlein- und Maulkorb-Anordnung für den Pitbull. Der Halter muss mit einer Anklage wegen Totschlag rechnen. Hamburg hat eine der umfangreichsten Listen an verbotenen und mit Auflagen versehenen Rassen.

Die Hunde auf der Liste der mit Auflagen belegten Tiere beinhalten die drei Gruppen der Owtscharki und den Kangal, große Hunde, gezüchtet, um Herden auf vielen Quadratkilometern großen Gebieten zu bewachen.

Leser dieser Kolumne wissen, dass mein Mann und ich einen Mittelasiatischen Owtscharka besitzen, die hübsche etwa 47 Kilo schwere Norma. Über eine Internet-Mailingliste, auf der mich wegen ihr eingeschrieben hatte, erfuhr ich was in Deutschland vor sich ging. Berichte der Liste beschreiben eine Atmosphäre der Hysterie und Angst in Deutschland, die Frey bestätigt. „Wenn ich 10 Kilometer fahre, muss ich völlig andere Gesetze befolgen“, sagt er. Zudem wurden die Gesetze so rasch erlassen, dass es nicht genügend Experten gibt – Leute, die die unterschiedlichen Rassen und ihre Mischlinge erkennen könnten - um sie durchzusetzen.

Diese Gesetze betreffen auch Hunde, die größer als 40 cm sind und mehr als 20 Kilo wiegen, und das bedeutet erstmalig, dass auch der verehrte Deutsche Schäferhund betroffen ist. Das rief die machtvolle Schäferhund-Liga in die Kontroverse. Es gibt bereits schwebende Verfahren zu den Gesetzen.

Die Politiker, sagt Frey, schießen aus der Hüfte. Was hinter dem Gesetzes-Wahn steht, sind ernsthafte soziale Probleme, die Slums, Gangs und Ausländers involvieren. „Es ist sehr schwierig eine Genehmigung zum Tragen einer Waffe zu bekommen. Also sind all diese Gruppen mit diesen speziellen Hunden bewaffnet“, sagte er.

Der Angriff fand in einem Problemviertel statt, das eine hohe Dichte dieser Hunde hat, sagte Frey. Das Problem hat sich noch verschlimmert, sagte er, weil während der letzten 10 Jahre, Türken Kangals aus der Türkei geschmuggelt  haben und nach Deutschland gebracht, in der Hoffnung, sie für viel Geld verkaufen zu können, um dann herauszufinden, dass Leute mit Geld, diese großen Hunde nicht wollen. „Ich habe ein Poster gesehen, dass Kampfhunde zeigt, darauf steht, ’Ihr könnt uns töten, aber Eure sozialen Probleme werden weiterbestehen.’ Man kann unsere sozialen Probleme nicht auf dem Rücken dieser Hunde austragen.“

Die Medien schüren diese Anti-Hunde-Hysterie. Leute, die mit ihren Hunden spazieren gehen, werden auf der Strasse angepöbelt. Ein Tier, das als Bullterrier oder Bordeaux Dogge erkannt wurde, war mit Benzin übergossen und getötet worden, zwei andere wurden erstochen. Es gibt auch Berichte von Leuten, die Hundehalter angegriffen haben.

Im Moment, sagte Frey, ist keine verständige Diskussion möglich. Er warnte, dass wenn bestimmte Rassen verboten werden, andere Rassen als Kampfhunde abgerichtet werden, und dass Unterschiede zwischen Rassen und gefährlichen Rassen, die von verantwortungsbewussten Haltern und Züchtern vernünftig sozialisiert werden, verschwinden werden.

Deutschland ist nicht allein im Versuch, mit gefährlichen Hunden umgehen zu können. Italien, Frankreich und Großbritannien haben bestimmte Rassen verboten, und es gibt Unterstützung für standardisierte Verordnungen für die Europäische Union. Aber was Deutschland jetzt hat, ist ein Chaos, das Ergebnis jahrelanger Untätigkeit. Das ist nicht sehr viel anders als die Situation in den Vereinigten Staaten, wo es weiterhin schlimmste Verletzungen und Tötungen gibt, aber immer noch keine verständige Diskussion darüber, wie Menschen beschützt und Hunde vor gefährlichen Hunden sicher sein können.

Das Verbot bestimmter Rassen könnte ein Teil der Antwort sein. Gesetze gegen Hundekämpfe zu erlassen wäre ein anderer. Wir sollten Gesetze überlegen, die es zur Voraussetzung machen, dass Halter demonstrieren, dass sie wissen, wie man mit einem Hund umgeht, genau so, wie wir es mit Autofahrern handhaben. Wir müssen verstehen, dass Herdenschutzhunde Farmen brauchen, auf denen sie leben, nicht Zwei-Zimmer-Wohnungen. Wir können aus dem deutschen Debakel lernen und durchführbare Schritte unternehmen, die von Intelligenz und Wissen geprägt sind und sicherstellen, dass des Menschen bester Freund dabei nicht im Kreuzfeuer steht und den Sündenbock spielen muss für soziale Probleme und menschliche Verantwortungslosigkeit.

                                                       © 2000 The Washington Post                                               

non-profession translation by Gabi Woiwode, Ottobrunn, 2000-07-09

                                                                                                                                               

 

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