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Newsletter von Maulkorbzwang und den Dogangels

* Warum Komunen (auch) die Hundesteuern erhöhen

* Tierschützer protestieren gegen Rodeo bei Olympia in Salt Lake City

* Ex-Verfassungsrichter gegen europäisches Grundgesetz

* Die nächste K-Frage


Warum Komunen (auch) die Hundesteuern erhöhen

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,176601,00.html

KOMMUNEN

Daumenschrauben für Bürger

Städte und Gemeinden rutschen in die Pleite, sie müssen Gebühren erhöhen und Leistungen streichen. Denn Konjunktureinbruch, Arbeitslosigkeit und die letzten Steuerreformen gehen zu ihren Lasten.

 

 

Die Bürger von Wuppertal müssen sich in diesem Jahr für ihre Freizeit etwas einfallen lassen: Die Stadt wird mangels Geld mehrere Büchereien und Schwimmbäder schließen. Auch Opernhaus und Schauspielhaus stehen zur Disposition; wenn nicht bald in den Brandschutz investiert wird, sperrt die Feuerwehr die Gebäude einfach zu.

Bürgermeister andernorts wählen den entgegengesetzten Weg: Um nicht Bankrott zu gehen, erhöhen sie die Gebühren, und zwar rabiat. In Bad Soden bei Frankfurt etwa sollen Familien mit einem Kind nun 40 Prozent mehr für den Kindergartenplatz zahlen - statt 250 Mark demnächst rund 180 Euro; Gräber werden um bis zu 37 Prozent teurer, ebenso die Studenten-Saisonkarten im öffentlichen Freibad. Und vielerorts steigen die Kosten für Wasser und Müllentsorgung.

Die meisten der 14 000 Städte und Gemeinden in Deutschland müssen hart sparen, Straßen und öffentliche Gebäude verfallen, weil Geld selbst für die dringendsten Reparaturen fehlt. "Viele Kommunen sind kaum noch in der Lage, die Alltagsprobleme ihrer Bürger zu bewältigen", schimpft der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD). "Unsere Städte stehen vor dem Bankrott", sagt Petra Roth, CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt und Vizepräsidentin des Deutschen Städtetags.

"Ein Investitionsvolumen auf Nachkriegsniveau" beklagte Roland Schäfer, Präsident des Städte- und Gemeindebunds, vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin, die als Hilferuf gedacht war. Und angesichts der neuesten Meldungen über bald vier Millionen Arbeitslose warnte er: "Ohne verstärkte kommunale Investitionen wird es auf dem Arbeitsmarkt nicht aufwärts gehen."

Ein Grund für die aktuelle Zwangslage: Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, wichtige Geldquelle der Kommunen, sind im vergangenen Jahr durchschnittlich um zwölf Prozent eingebrochen, vielerorts fast bis auf Null.

Im Vergleich zum Jahr 2000 fehlten im vergangenen Jahr 3,3 Milliarden Euro in den Stadtkassen, und in diesem Jahr wird ein noch höheres Minus erwartet - Folge der abgestürzten Konjunktur, die einhergeht mit höherer Arbeitslosigkeit und steigenden Sozialausgaben der Gemeinden. Dazu greift die unternehmerfreundliche Steuerpolitik der Bundesregierung, die es Banken und Versicherungen, aber auch Großkonzernen wie E.on oder BMW erlaubt, trotz Milliardengewinnen um Gewerbesteuern herumzukommen (SPIEGEL 35/2001). Die Zeche dafür zahlen die Bürger mit steigenden Gebühren - für immer schlechtere kommunale Leistungen.

Der BMW-Konzern etwa fuhr im vergangenen Jahr mit rund 1300 Millionen Euro den höchsten Gewinn seiner Geschichte ein - München, die Stadt des Firmenhauptquartiers, wird davon keinen Cent Gewerbesteuer sehen. Grund ist der so genannte Verlustvortrag: Das Unternehmen kann das Minus aus dem Rover-Debakel so über die Jahre verteilen, dass die Stadtväter lange leer ausgehen.

Rainer Häusler, Kämmerer von Leverkusen, kann das üble V-Wort nicht mehr hören. Vergangenen Sommer machte er wie jedes Jahr seinen zehn größten Steuerzahlern persönlich die Aufwartung. Die Konjunktur lief da noch anständig, doch bei Häusler gab es schon Grund für die ersten Sorgenfalten: Ein "guter Kunde" hatte im Ausland eine verlustreiche Firma erstanden. Mit den bisher gezahlten zweistelligen Millionenbeträgen an Gewerbesteuern ist es für die nächsten Jahre vorbei; und auch der Bayer-Konzern muss nach dem Desaster mit dem Medikament Lipobay passen. Mit einer Trauerrede schwor Häusler den Rat seiner Stadt auf den Sparhaushalt 2002 ein: "Nichts wird mehr so sein, wie es war."

Düstere Stimmung ebenfalls am Wohnort der Familie von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Herbert Schmalstieg, SPD-Oberbürgermeister von Hannover, warnt schon vor dem "Ende der kommunalen Selbstverwaltung": Niedersachsens Landeshauptstadt hat inzwischen 1,4 Milliarden Euro Schulden.

Seit Anfang der neunziger Jahre, rechnet der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, vor, können die Kommunen immer weniger Geld für Investitionen ausgeben. Inzwischen sind es allein bei den Bauinvestitionen 30 Prozent weniger als noch 1993 (siehe Grafik). Aber was heute nur notdürftig repariert werden kann, wird morgen umso teurer. Das Deutsche Institut für Urbanistik hat ausgerechnet, dass die Kommunen bis 2009 eigentlich 650 Milliarden Euro in ihre Infrastruktur stecken müssten; illusorisch bei einem Investitionsvolumen von derzeit 22 Milliarden pro Jahr.

Unter dem Sparzwang leidet die örtliche Bauindustrie, die das Ausbleiben öffentlicher Aufträge für die Entlassung Tausender Mitarbeiter verantwortlich macht. Darunter leiden auch die Bürger: Weil etwa Straßen nur noch geflickt und nicht mehr gründlich saniert werden können, erlassen viele Städte notgedrungen Tempolimits. In Würzburg musste die stark befahrene Siligmüllerbrücke gleich ganz gesperrt werden; sie ist baufällig, und die zwei Millionen Euro für die Renovierung hat die Stadt nicht.

Verzweifelt bis komisch muten mancherorts die Bemühungen an, die Krise zu bewältigen. Nicht in irgendeinem Entwicklungsland, sondern mitten in der Hauptstadt Berlin mussten jüngst die Fenster einer Schule zugeschraubt werden, damit sie niemandem auf den Kopf fallen. Manche Städte sparen gar an der Sicherheit, beispielsweise bei der Feuerwehr: In Glückstadt bei Hamburg trat kurz vor Weihnachten die Hälfte der Männer aus der Freiwilligen Wehr aus, weil Geld für die Anschaffung lebensrettender Geräte nicht bewilligt wurde. Der Protest fruchtete, die Kommune lenkte notgedrungen ein.

Bei den Gebühren erschließen Bürgermeister auch versteckte Quellen: In Tangstedt bei Hamburg wurde die Hundesteuer für Zweithunde jetzt um bis zu 14 Prozent auf 70 Euro erhöht; am Fühlinger See bei Köln müssen Hobbytaucher in diesem Sommer wahrscheinlich sieben Euro pro Tag zahlen, sobald sie unter die Wasseroberfläche wollen. Die Stadt am Rhein hat fast drei Milliarden Euro Schulden, alle zwei Tage ist knapp eine Million Euro an Schuldendienst fällig.

Muss eine Kommune mehr Geld etwa für Sozialhilfe ausgeben, als sie hat, wird sie unter die Kuratel eines Verwalters meist aus einer höheren Verwaltungsebene gestellt. Dann können die Kommunalpolitiker eigentlich nach Hause gehen.

Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) gehört zu jenen Sparkommissaren, die klammen Kommunen vor die Nase gesetzt werden. 5,3 Millionen Menschen leben in seinem Zuständigkeitsbereich. Eine der wenigen Kommunen, die noch ohne seine Genehmigung wirtschaften darf, ist die Landeshauptstadt Düsseldorf. "Eigentlich müsste ich den Gemeinden die gesamten freiwilligen Leistungen zusammenstreichen", sagt Büssow, "doch damit würden die Stadt- und Gemeinderäte demotiviert und die kommunale Selbstverwaltung, die bei uns immerhin Verfassungsrang hat, ausgehebelt."

Das bergische Städtchen Remscheid beispielsweise hat 230 Millionen Euro Schulden und gibt jährlich etwa 5 Millionen für so genannte freiwillige Leistungen wie Instandhaltungen aus. Würden die gestrichen, gäbe es kaum noch etwas, was der Stadtrat beschließen könnte.

Schuld an der Misere sind vielerorts freilich auch die Sünden der Vergangenheit: Vor allem für kulturelle Prestigeobjekte verbrannten Kommunen bundesweit Milliarden. Muss sich das verschuldete Remscheid wirklich zusammen mit Solingen ein eigenes Symphonisches Orchester mit 80 Musikern leisten?

Dass prunksüchtige Bürgermeister jahrelang über die Verhältnisse lebten und heute noch viele Städte und Gemeinden Unsinniges finanzieren, beweisen alle Jahre wieder die Schwarzbücher des Bundes der Steuerzahler. Dessen Präsident Karl Heinz Däke rechnet die öffentliche Verschwendung auf jährlich 30 Milliarden Euro hoch.

Unter der derzeitigen Finanzmisere leiden aber auch Städte, die als Musterbeispiel an Sparsamkeit gelten: Das in der ganzen Bundesrepublik gepriesene Offenbacher Modell ist bedroht, weil 2002 nur die Hälfte der zunächst erwarteten Gewerbesteuer fließen dürfte.

Der Sozialdemokrat Gerhard Grandke hatte sich bundesweit einen Namen als Sparkommissar gemacht, weil er der maroden Stadt anfang der neunziger Jahre - zunächst als Kämmerer, inzwischen auch als Oberbürgermeister - ein rigides Sparprogramm verpasst hatte. Er senkte Personalkosten und Sachaufwand drastisch.

Die "Liste der Grausamkeiten" (Grandke) war lang: So schloss er drei Schwimmbäder, eine Stadtteilbibliothek, ein Jugendzentrum und - der Aufschrei der Bildungsbürger war heftiger als etwa bei dem Jugendzentrum - das städtische Theater.

Jetzt arbeiten die Offenbacher fieberhaft daran, ihr Modell zu retten. Doch Oberbürgermeister Grandke fällt außer einem erneuten Personalabbau kaum noch etwas ein.

Immer mehr Kommunen greifen auch zu illegalen Tricks, um halbwegs mit dem Dilemma fertig zu werden: Viele finanzieren beispielsweise die Personalkosten per Kredit, was verboten ist.

"Verglichen mit mir ist Hiob ein fröhlicher Mann", sagt der Verwaltungschef von Holzminden, Wolfgang Bönig. Nur mit Krediten der Bank kann der Bürgermeister der niedersächsischen 22 000-Einwohner-Stadt sich selbst und seine Mitarbeiter noch bezahlen, seit im Haushalt der Stadt über sieben Millionen Euro fehlen. Die Schulden sind nicht zu tilgen, Bönig spürt schon Kleckerbeträgen hinterher. Erstmals hat Holzminden jetzt auf die Weihnachtsbeleuchtung an der Weser verzichtet, Einsparung: rund 250 Euro.

"Mit Kassenkrediten wie in Holzminden versuchen immer mehr Kommunen, sich über die Runden zu retten", sagt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen. Aber bei den Dispo-Krediten geht es den Kommunen wie jedem Bürger - sie sind fast doppelt so teuer wie langfristige Darlehen. Doch die günstigen Kredite dürfen die Städte nicht für ihren Verwaltungshaushalt aufnehmen, das ist nur bei Investitionen erlaubt.

Schon lange wünschen sich die Bürgermeister eine Politik nach dem Motto: Wer bestellt, der bezahlt. Die Wirklichkeit ist davon weit entfernt. Seit Jahren macht die Bundesregierung Politik zu Lasten der Kommunen. "Sozialleistungen für Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge, Hilfen für Langzeitarbeitslose, Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz" - das seien die dicksten Brocken, sagt Städtetagsgeschäftsführer Articus.

Bundesfinanzminister Hans Eichel freute sich etwa, als er die UMTS-Lizenzen für über 50 Milliarden Euro versteigern konnte. Büßen müssen jene Gemeinden, in denen ein Telekommunikationsunternehmen sitzt, das die Kosten bei der Steuer abschreibt - vermutlich noch über die nächsten zehn Jahre hinweg; erst dann rechnen Experten mit Gewinnen im UMTS-Geschäft. So fordert die Telekom von der Stadt Bonn jetzt für das Jahr 2001 einen dicken Batzen an Gewerbesteuern zurück, im Gespräch sind 27 Millionen Euro.

Immerhin: Weil es in den Kommunen nun "fünf nach zwölf" ist (Roth), beginnt langsam ein Umdenken. In den SPD-geführten Bundesländern wächst inzwischen der Ärger darüber, dass die eigene Bundesregierung das Problem aussitzt.

Aus Sorge, dass die Lage in den Kommunen bei der bevorstehenden Bundestagswahl Stimmen kosten könnte, hat sogar die Bundes-SPD jüngst guten Willen demonstriert. Auf dem Parteitag in Nürnberg im November wurden "kommunalpolitische Leitsätze" beschlossen, nach denen die Pflichtaufgaben von Städten und Gemeinden auf das Notwendigste begrenzt werden sollen. Und Finanzminister Hans Eichel berief eine Reformkommission, die in den nächsten Wochen die Arbeit aufnehmen soll.

"Die Leute vor Ort merken doch langsam, dass da etwas im System nicht stimmt", sagt der Niedersachse Gabriel. Der Sozialdemokrat will die Gemeindefinanzierung zügig reformieren. Die Kommunen sollen nicht mehr die Zeche für all jene Projekte zahlen, die im Bund oder in den Ländern ausgeheckt werden.

So warnt Gabriel vor einer Kostenlawine durch das Zuwanderungsgesetz: "Es ist eine Illusion zu glauben, die Kommunen könnten mit ihren derzeitigen finanziellen Möglichkeiten und ein paar Euro Spitzenfinanzierung von Bundesseite die gewaltigen Integrationsprobleme lösen."

Gabriel will, dass auch weiterhin Betriebe über die Gewerbesteuer die Kosten für die Infrastruktur bezahlen - aber er möchte beispielsweise auch jene zur Kasse bitten, die sich bisher zurückgehalten haben: die Freiberufler. So muss der kleine Handwerksmeister Gewerbesteuer zahlen, der Architekt mit einem großen Büro aber nicht. Ein Umstand, den auch Peer Steinbrück (SPD), Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, ändern will.

Sein Kollege, Innenminister Fritz Behrens (SPD), vertritt die Länder-Innenminister in Eichels Kommission und setzt sich für die Begrenzung der Pflichtaufgaben der Kommunen ein. Eine große Rolle werden dabei die ständig steigenden Sozialausgaben spielen. "Mindestens ein Drittel der Sozialhilfeausgaben sind in Wirklichkeit Lohnersatzleistungen", meint Gabriel. "Die zu bezahlen ist keine originäre Aufgabe der Kommunen."

Für den Bund der Steuerzahler sind solche Ideen nur "Herumdoktern an einem kranken System", so Vizepräsident Dieter Lau. Denn die Hauptursache für die Misere, die schwankenden Einnahmen bei der Gewerbesteuer, würde bleiben. Sein Verband fordert darum die Abschaffung der Gewerbesteuer. Die Kommunen sollten im Gegenzug einen höheren Anteil der Einkommensteuer erhalten und an der Körperschaftsteuer beteiligt werden. Bei deren Höhe müsse die jeweilige Stadt oder Gemeinde mitbestimmen dürfen. Damit könnten Kommunalparlamente beeinflussen, wie viel Geld sie ihren Bürgern abknöpfen - und die könnten dann an der Wahlurne darüber abstimmen, ob sie mit der dafür erbrachten Leistung zufrieden sind.

Es ist aber unwahrscheinlich, dass sich der Bund auf solche Ideen ernsthaft einlässt. Darum werden bald wieder einmal Richter eine Aufgabe der Politik übernehmen müssen: Hans Kremendahl, SPD-Oberbürgermeister von Wuppertal, lässt gerade von den Juristen seines Hauses eine Klage ausarbeiten. Wenn seine Parteigenossen ihm nicht helfen, zieht er vors Verfassungsgericht des Landes.

Dann entscheiden Juristen, ob Wuppertal in Zukunft genug Geld für seine Schwimmbäder und das Opernhaus bekommt. Und ob dort weiterhin das weltberühmte Tanztheater Pina Bausch eine Heimat hat. MICHAEL FRÖHLINGSDORF,

ALMUT HIELSCHER, CONNY NEUMANN, BARBARA SCHMID


Tierschützer protestieren gegen Rodeo bei Olympia in Salt Lake City

http://www.spiegel.de/druckversion/0,1588,176686,00.html

Hals- und Beinbruch

In Salt Lake sollen im Rahmenprogramm auch fürs Bullenreiten Medaillen vergeben werden. Tierschützer protestieren gegen den Kampf zwischen Stier und Cowboy.

Um die Würde gepeinigter Tiere kämpft Mechthild Mench, 40, auf breiter Front. Ihren Hamster rettete die gelernte Dolmetscherin aus einem Versuchslabor. Die Guppys in ihrem Aquarium entführte sie bei einem Bekannten, der die Fische verhungern lassen wollte.

Zuletzt galt die Fürsorge der Münchnerin allerdings einer weniger handlichen Spezies. "Anti-Corrida", so heißt die international tätige Aktionsgruppe, die sie vor zwei Jahren gegründet hat. Corrida heißt auf Spanisch "Stierkampf".

Denn mannigfaltig ist das Leid des Paarhufers. Und so geriet jüngst gar eine Veranstaltung in Menchs Visier, bei der sich eigentlich Menschen quälen: die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City.

Weil sich beim Treffen der Weltjugend traditionsgemäß nicht nur begnadete Körper versammeln sollen, sondern auch der Geist gefordert sein möge, werden die sportlichen Wettkämpfe seit eh und je von einem Rahmenprogramm begleitet. Neben Oper und Tanz gehört, je nach Austragungsort, auch landestypische Folklore dazu. Den Veranstaltern in Utah fiel nichts Besseres ein als: Rodeo.

Geplant haben die Initiatoren einen dreitägigen Wettbewerb zwischen Matadoren aus Kanada und den USA. Denn dieser Volkssport für Provinzrambos aus dem Mittleren Westen erfreut sich nicht nur großer Beliebtheit beim Publikum - der Sender ESPN überträgt das Spektakel sogar live. Angeblich offenbart sich in dem Duell Cowboy gegen Rindvieh "Amerikas Erbe in Reinkultur".

Weltweit sind Tierschützer wie Mechthild Mench auf der Zinne. Mal abgesehen davon, dass Rodeo eine "pathetische Seite des Wilden Westens" beleuchte, die "längst in die Geschichtsbücher" gehöre, sei der Ritt auf dem Bullen auch aus ethischer Sicht "schlichtweg untragbar".

Die Argumente sind schwer von der Hand zu weisen. Die Disziplin "Kälberfangen", bei der die Cowboys ihre Kunstfertigkeit im Lassowerfen demonstrieren, endet für die gehetzen Kreaturen regelmäßig mit Frakturen an den Läufen. Beim "Stierringen" brechen die Jäger, meist gut dotierte Profis, den Tieren nicht selten sogar den Hals.

Vor allem das beliebte "Bullriding" scheint für die bevorzugten Rassen Texas Longhorn und Hereford eine einzige Tortur. Weil die zur Unterfamilie der Bovinen zählenden Tiere von Natur aus eher gemütliche Wesen sind, werden sie mittels Elektroschocks aggressiv gemacht. Nicht minder schmerzhaft ist jene Variante, bei der die Stiere mit dem so genannten Flankenschutz auf Betriebstemperatur gebracht werden: Ein Lederriemen quetscht die Genitalien und bringt die Rinder so zum erwünschten "Bocken".

Anfänglich ignorierten die Olympia-Veranstalter in Salt Lake City die Proteste. Doch allmählich droht, nach Bestechungsskandal und Immobilienaffäre, neuerlicher Imageschaden.

Dass sich in Scott Hamilton, 1984 Olympiasieger im Eiskunstlauf, eine Ikone des amerikanischen Wintersports der Bewegung anschloss, war ja abzusehen. Bereits vor den Spielen 1996 in Atlanta insistierte der sensible Kufenkünstler erfolgreich gegen das Ritual, bei der Eröffnungsfeier Tauben fliegen zu lassen. Die Vögel, so Hamiltons Einwand, könnten ins olympische Feuer geraten und geröstet werden.

Weit mehr Sorge bereiten dem Organisationskomitee die medienträchtigen Auftritte der Aktivisten. So trübt seit Wochen der so genannte Tiger Truck der US-Tierschutzgruppe Shark die Stimmung beim olympischen Fackellauf. Am Aufbau des Propagandamobils schockt eine Video-Show Besucher mit Rodeo-Grausamkeiten. Auf Anzeigentafeln leuchtet der Slogan: "Stop Olympic Rodeo!"

Mit derlei Attacken hatten die Programmgestalter am großen Salzsee nicht gerechnet. Dabei sind Tierschützer wie Mechthild Mench berüchtigt für ihre Verve. Im April düpierte sie bei der Aktionärsversammlung in Berlin die Vorstandsriege von DaimlerChrysler. Weil der Autogigant Rodeos in Amerika sponsert, enterte Mench das Podium und hielt eine Brandrede. Das Auditorium quittierte den Auftritt mit Applaus.

Die Spiele-Macher in der Mormonenstadt wollen die Sache trotzdem durchziehen. Rund 200 000 Dollar kostet die kernige Wildwest-Sause in der 2600 Zuschauer fassenden Arena. Sämtliche Eintrittskarten sind verkauft. Außerdem, sagt T. J. Walker, Sprecher des Profiverbandes PRCA, sei Sport nun mal "eine Sache der Betrachtungsweise."

Das sieht ausgerechnet das Internationale Olympische Komitee (IOC) anders. Unlängst trafen sich Mench und ihre Kampfgenossen aus den USA in Lausanne mit dem Chef der Medizinischen Kommission des IOC, Patrick Schamasch, zur Krisensitzung. Der Termin endete mit einem Teilerfolg.

Als Schamasch erfuhr, dass an die siegreichen Cowboys genauso wie an die Sportler Medaillen verliehen werden sollen, erteilte er diesem Vorhaben, besorgt um den Ruf der olympischen Symbole, schon mal eine Absage: "Das werden wir nicht mitmachen." GERHARD PFEIL


http://www.spiegel.de/politik/europa/0,1518,176190,00.html
EU

Ex-Verfassungsrichter gegen europäisches Grundgesetz

Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm hat sich gegen eine europäische Verfassung ausgesprochen. Die bislang geltenden EU-Verträge böten ausreichenden Grundrechtsschutz.

 
Braucht Europa eine Verfassung?
SPIEGEL ONLINE
Braucht Europa eine Verfassung?

Berlin - Das bestehende Vertragswerk gewährleiste bereits einen ausreichenden Grundrechtsschutz. Daher sei der Übergang von Verträgen zu einer Verfassung eher schädlich als nützlich, sagte Grimm. Abkommen wie die Verträge von Maastricht, von Amsterdam oder die Römischen Verträge verkörperten bereits die Errungenschaften der nationalstaatlichen Verfassungen.

Auf dem EU-Gipfel im belgischen Laeken im Dezember war die Einrichtung eines Verfassungskonvents beschlossen worden. Es soll ab 2004 einen Entwurf ausarbeiten. Mit einer europäische Verfassung, so hoffen die Urheber der Idee, könne die Kluft zwischen den Bürgern der EU und den Institutionen und das viel beschworene Demokratiedefizit der EU überwunden werden.

Rechtsexperten wie Dieter Grimm stehen diesem Vorhaben skeptisch gegenüber. Der Jurist sprach sich auf einer Diskussionsrunde in Berlin gemeinsam mit Uwe Wesel, Professor für öffentliches Recht an der Freien Universität Berlin, gegen eine Verfassung aus.

Demokratiedefizit durch fehlende Legitimation

Grimm hob hervor, dass es in der aktuellen politischen Diskussion nicht um die Verfassung als solche gehe, sondern um die Verfassung als Mittel für die Begeisterung der Bürger für die EU. Dies sei ein "künstlicher, instrumenteller Ansatz". Es fehle vielmehr eine europäische Gesellschaft mit einer europäischen Öffentlichkeit, europäischen Parteien und europäischen Gewerkschaften. Grimm kritisierte, dass es 15 nationale Diskurse über die EU mit spezifischen Interessen gebe, jedoch keine einheitliche europäische Politik.

 

 
 
Wie viele Staatschefs braucht Europa? Vielleicht nur einen?

Der Verfassungsrichter a.D. bezeichnete die EU dennoch neben den Vereinten Nationen als größte und erfolgreichste politische Innovation des 20. Jahrhunderts auf institutioneller Ebene. Die EU sei als Staatenverbund äußerst attraktiv und sollte nicht in einen Nationalstaat verwandelt werden. Sein Kollege Uwe Wesel wies auf die Rolle der EU zur Befriedung Europas hin, lehnte eine Verfassung jedoch ebenfalls ab.

Der Rechtsexperte Grimm definierte eine Verfassung als Beschreibung eines Staates. Die EU bezeichnete er als Teilverbund von souveränen Staaten, die wesentliche Kompetenzen abgegeben hätten. Wesel erklärte, das wichtigste Ziel sei es, das Demokratiedefizit zu bewältigen. Wichtiger als eine Verfassung sei deshalb die Gründung von europäischen Parteien und Gewerkschaften.

 


 

http://www.spiegel.de/politik/europa/0,1518,176682,00.html
EU-VERFASSUNGSKONVENT

Die nächste K-Frage

Die Kandidatenfrage der Union ist entschieden. Die nächste K-Frage drängt: Am 1. März wird der europäische Verfassungskonvent seine Arbeit aufnehmen. Doch nur drei deutsche Politiker dürfen teilnehmen. Die Frage ist: Wer?

 
Nur er steht als Vertreter von Deutschland bereits fest: Peter Glotz
DPA
Nur er steht als Vertreter von Deutschland bereits fest: Peter Glotz

Berlin/Brüssel - Nur einer der drei steht bereits fest: Die Bundesregierung nominiert ihren altgedienten Bildungspolitiker Peter Glotz als Vertreter. Auch Bundestag und Bundesrat dürfen Kandidaten entsenden, aber jeweils nur einen. Im Bundestag hat sich die SPD das Vorschlagsrecht gesichert, hat aber ein Problem: zwei Kandidaten. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE sind das der stellvertretende Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Jürgen Meyer (SPD), und Michael Roth (SPD).

Die CDU-Fraktion wird nur noch einen Stellvertreter stellen können, der bei den Beratungen in Brüssel aber kein volles Stimm- und Rederecht haben wird. Das haben die EU-Regierungschefs in Laeken so festgelegt.

Wolfgang Schäuble als Vize?

Als Bewerber für das Amt des stellvertretenden Parlamentariers wird neben Wolfgang Schäuble noch Peter Altmaier gehandelt, der in Nizza die europäische Grundrechtscharta verhandelte.

 

Auch ihm droht eine K-Frage als Vize-Vertreter aus dem Bundestag: Wolfgang Schäuble (CDU)
DPA
Auch ihm droht eine K-Frage als Vize-Vertreter aus dem Bundestag: Wolfgang Schäuble (CDU)

Schäuble legte bereits 1994 gemeinsam mit seinem Kollegen Karl Lamers das "Schäuble-Lamers"-Papier vor, in dem die beiden Politiker ein Modell für die europäische Integration entwarfen. Es sah ein "Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" vor und basierte auf der Annahme, dass die europäische Integration eines Kerneuropas bedürfe. Dieses Kerneuropa würde eine Sogwirkung auf andere Länder entfalten.

Die Union hofft nun darauf, über den Bundesrat einen eigenen stimmberechtigten Vertreter in das Konvent entsenden zu können. Die Mehrheitsverhältnisse in dem Verfassungsgremium haben sich seit der Berlin-Wahl jedoch gewandelt, eine Patt-Situation rückt die Erfüllung dieses frommen Wunsches nicht in greifbare Nähe.

Europäisches Parlament entsendet zwei Vertreter

Im Präsidium des geplanten Konvents wird ein weiterer Deutscher sitzen. Der frühere Parlamentspräsident Klaus Hänsch (SPD) wird vom Europäischen Parlament zusammen mit dem Spanier Inigo Mendez de Vigo (EVP) in das Präsidium des Konvents entsendet. Dieser Beschluss der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden des Europäischen Parlaments wurde am Freitag in Brüssel bekannt gegeben. Dem Präsidium wird in der Arbeit des Konvents eine starke Rolle zukommen.

Bundesregierung will öffentliche Kammer

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE haben sich zudem Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Johannes Rau dafür ausgesprochen, die regelmäßigen Konsultationen der Minister in Brüssel, die auch als Ministerrat bekannt sind, in eine öffentlich tagende Kammer umzuwandeln.

Neu geplant: Ein Europaminister

 

Einer der beiden Kandidaten des Bundestages: Michael Roth
Einer der beiden Kandidaten des Bundestages: Michael Roth

Dazu steht noch eine Neuerung ins Haus: Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE soll ab der nächsten Legislaturperiode im Bundeskabinett das Amt des Europaministers geschaffen werden. Dies bestätigten auf Nachfrage die beiden Bundestagskandidaten für den Konvent, Meyer und Roth. Einen solchen Posten gibt es bereits in Großbritannien und in Frankreich. Dieses Ressort soll den Staatsminister im Auswärtigen Amt für Europaangelegenheiten ersetzen. Dieses Amt hat zurzeit der SPD-Abgeordnete Christoph Zöpel inne.

Bastian Bechtle

 

 

 

 


 

 

 

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werden. Dies bestätigten auf Nachfrage die beiden Bundestagskandidaten für den Konvent, Meyer und Roth. Einen solchen Posten gibt es bereits in Großbritannien und in Frankreich. Dieses Ressort soll den Staatsminister im Auswärtigen Amt für Europaangelegenheiten ersetzen. Dieses Amt hat zurzeit der SPD-Abgeordnete Christoph Zöpel inne.

Bastian Bechtle

 

 

 

 


 

 

 

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