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Newsletter von Maulkorbzwang und den Dogangels

Politisch

* RASTERFAHNDUNG RECHTSWIDRIG

* BOUFFIER ERWÄGT RECHTSMITTEL

* Erneute Blamage für die Ermittler

* HAMBURGER AUS FALSCH GETESTETEM FLEISCH

* Nach BASF-Explosion erstatten Umweltschutzinitiativen Anzeige

* SPD und Grüne bei NPD-Verfahren möglicherweise bald allein

* V-Leute abschalten!

* Die Tricks der Vermittler


Politiker unschlüssig:
Bürger erst rastern oder direkt vergiften?

 
[ 07.02.02 17:25 ]

 

RASTERFAHNDUNG RECHTSWIDRIG

Die Rasterfahndung unter den ausländischen Studenten an hessischen Hochschulen ist rechtswidrig.

Nach einer Entscheidung des Wiesbadener Landgerichts fehlen dafür rechtliche Voraussetzungen. Weil die Rasterfahndung auch eine Vielzahl von Unbeteiligten treffe, müsse eine konkrete Gefahr bestehen. Trotz monatelanger Fahndung sei es aber bei bloßen Vermutungen des Landeskriminalamts geblieben, heißt es in dem Urteil.

Geklagt hatte ein in Gießen studierender Sudanese, der seine Grundrechte durch die Datenweitergabe verletzt sah.

 


 

[ 07.02.02 17:25 ]

 

BOUFFIER ERWÄGT RECHTSMITTEL

Als völlig lebensfremd kritisierte Hessens Innenminister Bouffier die Argumentation des Wiesbadener Landgerichts.

Die Rasterfahndung sei für die erfolgreiche Abwehr des islamischen Terrorismus unabdingbar. Die Bedingung, dass ein Anschlag bereits stattgefunden haben oder unmittelbar bevorstehen müsse, mache eine wirksame Vorbeugung praktisch unmöglich und führe den Präventionsgedanken ad absurdum.

Der Staat müsse dem Terrorismus im Vorfeld mit allen gebotenen Mitteln entgegentreten, betonte Bouffier. Er kündigte Rechtsmittel gegen das Urteil an.

 


 

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,181231,00.html

RASTERFAHNDUNG GESTOPPT

Erneute Blamage für die Ermittler

Von Jochen Leffers

Nachdem schon der Berliner Innensenator eine schwere juristische Schlappe kassierte, ist die Rasterfahndung nun auch in Hessen gekippt. Ein sudanesischer Student hatte sich gegen die Weitergabe seiner Daten gewehrt - zu Recht, wie das Landgericht Wiesbaden jetzt entschied.
 

Richter an Polizei: Erst Gefahr beweisen, dann Daten speichern
AP
Richter an Polizei: Erst Gefahr beweisen, dann Daten speichern

Am Donnerstagvormittag erklärten die Wiesbadener Richter die Rasterfahndung unter ausländischen Studenten hessischer Hochschulen für rechtswidrig. Durch die Weitergabe persönlicher Daten an das Landeskriminalamt hatte ein sudanesischer Student aus Gießen sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt gesehen. Nach Auffassung der Richter fehlten die rechtlichen Voraussetzungen für die Rasterfahndung. "Trotz monatelanger intensiver Fahndungen" sei das hessische Landeskriminalamt "über das Stadium von Mutmaßungen nicht hinausgekommen", heißt es im sechsseitigen Urteil, das UniSPIEGEL ONLINE vorliegt.

Das ist deutlich - ein krasser Rüffel für die Ermittler. Weil bei der Rasterfahndung "eine Vielzahl von Unbeteiligten betroffen" sei, lasse das Gesetz sie nur unter engen tatbestandlichen Voraussetzungen zu, begründeten die Richter ihren Beschluss. Die Hürden liegen hoch: eine gegenwärtige Gefahr, die "in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bevorstehe und zu "sofortigem Einschreiten" nötige.

Die Wiesbadener Richter gehen noch mehr ins Detail: In Deutschland seien weder so genannte Schläfer entdeckt worden, noch gebe es Milzbrandanschläge mit terroristischem Hintergrund - dabei habe es sich lediglich um "Trittbrettfahreraktionen" gehandelt. Auch terroristische Netzwerke, die binnen kurzem Attentate verüben könnten, seien nicht entdeckt worden.

Ansage der Richter: Bitte Hausaufgaben erledigen

Die klare Wortwahl des Beschlusses ist umso erstaunlicher, als das Landgericht Wiesbaden die Beschwerde des sudanesischen Studenten zunächst abgewiesen hatte. Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) als übergeordnete Instanz jedoch hielt den Beschluss für "nicht frei von Rechtsfehlern" und schickte die Akten am 8. Januar zurück nach Wiesbaden. Und nun hielten sich die Richter an die Kriterien, die das OLG mitgeliefert hatte.

 

Das Landeskriminalamt könnte nun zwar Beschwerde einlegen, doch die würde vor dem Frankfurter OLG landen - mit schlechten Erfolgsaussichten. Denn das juristische Votum scheint eindeutig und legt Polizei und Innenpolitikern nahe, vor Einleitung massiver Fahndungen zunächst ihre Hausaufgaben zu erledigen.

Die Richtungsvorgabe: Wenn es keine eindeutige Bedrohung gibt, schießt der Staat mit der Rasterfahndung deutlich übers Ziel hinaus. Sind Staat und Bürger tatsächlich durch Terrorakte akut gefährdet, muss dies nachvollziehbar begründet werden - und vage Bedrohungsszenarien reichen nicht aus, um das Schleppnetz auszuwerfen und zum Beispiel bundesweit Hunderttausende von Studenten zu durchleuchten.

Dies hatte bereits das Landgericht Berlin vor zwei Wochen in einem ähnlich klaren Urteil begründet, auf das sich die Wiesbadener Richter ausdrücklich berufen. In Berlin hatten zwei sudanesische und ein algerischer Student geklagt. Die Bundesregierung habe ausdrücklich und wiederholt erklärt, es gebe nach den Anschlägen in den USA keine Hinweise auf bevorstehende Terrorakte in Deutschland. Zudem habe Bundesinnenminister Otto Schily am 15. Januar von einer Entspannung der Sicherheitslage gesprochen, heißt es im Urteil.

"Grassierender Sicherheitswahn"?

Der Gießener AStA, der die Beschwerde des sudanesischen Studenten unterstützt hatte, fordert nun, die Rasterfahndung in Hessen sofort zu stoppen und alle gespeicherten Daten zu löschen. "Angesichts des grassierenden Sicherheitswahns waren wir von der Klarheit des Urteils schon überrascht und sehen uns bestätigt", sagte der Gießener Studentenvertreter Tjark Sauer gegenüber UniSPIEGEL ONLINE, "nun muss mit der Diskriminierung ausländischer Studenten auf der Basis diffuser Gefahrenprognosen endlich Schluss sein."

Auch der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) begrüßte die Wiesbadener Entscheidung. Staatliche Ermittlungsbehörden dürften eben nicht ohne Prüfung der rechtlichen Grundlagen willkürlich die Daten von Tausenden von Studenten einsammeln, erklärte fzs-Sprecherin Carmen Ludwig. An sieben weiteren deutschen Hochschulen laufen derzeit noch Verfahren gegen die Rasterfahndung.

Ob Hessen jetzt tatsächlich die Daten bei der Polizei löscht oder auf Verzögerungstaktik setzt, ist noch unklar. In Berlin hatte Innensenator Ehrhart Körting zunächst erklärt, der Gerichtsbeschluss betreffe nur die drei Studenten, die Beschwerde eingelegt hätten. Rechtsanwalt Wilhelm Achenpöhler, der den Gießener Sudanesen vertritt, hält das für ein durchsichtiges Manöver und fordert den gänzlichen Stopp der Rasterfahndung in Hessen: "Nach der an Hysterie grenzenden innenpolitischen Stimmung nach dem 11. September kehrt jetzt hoffentlich auch in der rechtspolitischen Diskussion wieder die Vernunft ein."

 


 

[ 07.02.02 17:30 ]

 

HAMBURGER AUS FALSCH GETESTETEM FLEISCH

In Hessen ist erneut fehlerhaft auf BSE getestetes Fleisch aus Bayern entdeckt worden. Das berichtete das zuständige Sozialministerium am Donnerstag.

Es handelt sich um 308 Kilo Fleisch, das zu Hamburgern verarbeitet und schon Anfang Dezember ausgeliefert wurde. Das Unternehmen wurde angewiesen, die Ware soweit noch möglich zurückzurufen.

Die Firma habe alle belieferten Betriebe angeschrieben und die Produkte sperren lassen, hieß es weiter.Gesundheitsgefahren gingen von dem Fleisch nach Einschätzung des Bundes-Verbraucherschutzministeriums nicht aus.

 


 

 
 

Ludwigshafen (dpa) - Nach der Explosion im BASF-Chemiewerk hat der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Strafanzeige gestellt. In einem Fax forderte der Verband die zuständige Staatsanwaltschaft in Frankenthal auf, unter anderem wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung gegen die Verantwortlichen der BASF zu ermitteln. Gestern waren bei der BASF in Ludwigshafen zwei Menschen schwer und neun leicht verletzt worden, als ein Kessel explodierte.

 



 

http://dpa.azm.zet.net/tickeriptc-onl-20020207-46-dpa_1583978.html

SPD und Grüne bei NPD-Verfahren möglicherweise bald allein
NPD-Plakat

Berlin (dpa) - Beim NPD-Verbotsverfahren sind SPD und Grüne im Bundestag möglicherweise bald auf sich allein gestellt. Weder Union noch PDS und FDP wollen nach Informationen des Berliner «Tagesspiegels» (Freitag) die Stellungnahme des Bundestages an das Bundesverfassungsgericht zur V-Mann-Affäre in der geplanten Fassung mittragen. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung als Antragsteller im NPD-Verfahren haben noch bis kommenden Montag Zeit, sich zur V- Mann Affäre zu äußern. Dann läuft die von den Karlsruher Richtern gesetzte Frist ab.

Die Union sehe sich wie die PDS von Innenminister Otto Schily (SPD) nur unzureichend informiert und wolle die Erwiderung «nach derzeitigem Stand der Absprachen» nicht mittragen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Fraktionskreise der CDU/CSU. Die PDS- Innenpolitikerin Petra Pau sagte dem Blatt, wenn weiter nur darüber philosophiert werde, warum V-Leute gut und richtig sind, werde sie die Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht nicht unterschreiben. «Wir lassen uns nicht am Nasenring von Otto Schily (SPD) durch die Gegend führen.»

Der frühere Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig verlangte für die FDP, die gegen das Verbotsverfahren war, einen ganz neuen Antrag an das Verfassungsgericht zu stellen. «Es ist reichlich blauäugig zu glauben, dass der vorliegende Antrag repariert werden kann», sagte er dem «Tagesspiegel». Es sei nicht auszuschließen, dass das Verfahren zusammenbreche und zu einem «großen Publicity-Erfolg für die NPD» werde.

Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ute Vogt (SPD), warnte hingegen davor, den NPD-Verbotsantrag von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zurückzunehmen. Er sei im derzeitigen Stadium bereits so weit vorangebracht, dass ein Aussetzen ein verheerendes Signal wäre, sagte Vogt am Donnerstag im DeutschlandRadio Berlin. «Ich fände es jetzt fatal, wenn man ihn zurückzieht. Das würde dann das Signal geben, so verfassungswidrig seid ihr ja vielleicht gar nicht. Dass wäre nicht wahr und wäre auch eine falsche Botschaft.» Eine von der Opposition geforderte Sondersitzung des Innenausschusses nach der Enttarnung neuer V-Männer bei der NPD hält Vogt nicht für notwendig.

Der innenpolitische Sprecher der FDP, Jürgen Möllemann, legte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber die Entlassung der Innenminister Schily und Günther Beckstein (CSU) nahe. Beide Minister hätten sich als «Ober-Sheriffs» bei dem Verfahren «wechselseitig überboten» und dabei «offenbar nicht das notwendige Maß an Sorgfalt walten lassen», meinte Möllemann im FDP-Pressedienst. Er plädiere dafür, «das Verfahren sofort zurückzuziehen».

 

07.02.2002 17:10 MEZ
 

 
Diese Forderung können wir nach 19 Monaten nur unterstützen, wenn auch aus anderen Gründen:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,180706,00.html
 
NPD-VERBOT

V-Leute abschalten!

Die V-Mann-Affäre belastet das NPD-Verbotsverfahren schwer und wirft die Frage auf, ob der Verfassungsschutz die Rechtsextremisten regelrecht alimentiert hat. In einem Beitrag für SPIEGEL ONLINE fordert der NPD-Aussteiger Jörg Fischer darum den Verzicht auf V-Leute aus der rechtsextremen Szene und die stärkere Mobilisierung der Zivilgesellschaft.

 


Von Jörg Fischer

 

 Jörg Fischer; 32, NPD-Aussteiger. Er trat 1983 den jungen Nationaldemokraten in Nürnberg bei, machte Karriere in der mittelfränkischen NPD und schrieb für die NPD-Parteizeitung ''Deutsche Stimme''. Später gehörte er außerdem zum Gründungskreis der Deutschen Volks-Union (DVU). Ab 1991 begann er sich aus der rechten Szene zu lösen. Seit 1996 engagiert sich Fischer öffentlich gegen den Rechtsextremismus und veröffentlichte vergangenen Monat im Espresso-Verlag das Buch ''Das NPD-Verbot''.
Jörg Fischer; 32, NPD-Aussteiger. Er trat 1983 den jungen Nationaldemokraten in Nürnberg bei, machte Karriere in der mittelfränkischen NPD und schrieb für die NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme". Später gehörte er außerdem zum Gründungskreis der Deutschen Volks-Union (DVU). Ab 1991 begann er sich aus der rechten Szene zu lösen. Seit 1996 engagiert sich Fischer öffentlich gegen den Rechtsextremismus und veröffentlichte vergangenen Monat im Espresso-Verlag das Buch "Das NPD-Verbot".

Allen gegenteiligen Beteuerungen des Bundesinnenministers zum Trotz - das NPD-Verbotsverfahren ist in eine Sackgasse geraten und entwickelt sich zu einem der größten innenpolitischen Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Trotz fortgesetzter Beteuerungen aus dem Schily-Ministerium, es gebe keine weiteren V-Männer, die im Verbotsverfahren eine Rolle spielen würden, wurden inzwischen V-Mann Nummer vier und Nummer fünf enttarnt, die keine unwichtige Rolle im Verbotsantrag spielen. Ob ihre in den Akten angeführten Zitate vor oder erst nach ihrer V-Mann-Tätigkeit fielen, ist im Grunde unerheblich. Letztlich wuchsen sie mit der Sicherheit, den Verfassungsschutz in ihrem Rücken zu haben, in ihre Positionen hinein.

Den politischen Flurschaden will Otto Schily zwar immer noch nicht wahrhaben, aber Experten bis hin zum früheren Verfassungsgerichtspräsidenten Ernst Benda bezweifeln immer mehr, ob mit diesen Verbotsanträgen und mit diesen Beweismitteln und "Zeugen" das NPD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht noch erreichbar ist. Die Anträge und ihre Begründungen müssen von Grund auf überarbeitet und diesmal mit seriösen Material unterfüttert werden.

Und dass man hierzu eben keine Geheimdienstquellen benötigt, beweisen Blicke in die zahlreichen Dokumentationen antifaschistischer Gruppen und Autoren, die allgemein zugänglich sind und aus allgemein zugänglichen Quellen nachweisen, dass die NPD die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt.

 

Nachwuchs aus der rechten Jugendkultur: Teilnehmer einer NPD-Demonstration in Berlin
REUTERS
Nachwuchs aus der rechten Jugendkultur: Teilnehmer einer NPD-Demonstration in Berlin

Hierbei spielt die Frage der Feindschaft der Partei gegen die Demokratie noch nicht einmal die wichtigste Rolle, wie Bayerns Innenminister Günther Beckstein und sein Bundeskollege Schily immer behaupten, um den Einsatz von V-Männern zu rechtfertigen. Anscheinend kennen unsere Minister das Grundgesetz nicht ausreichend - andernfalls würden sie den Artikel 139 der Verfassung stärker ins Feld führen. Die Bestimmung stellt ausdrücklich die anhaltende Gültigkeit des Potsdamer Abkommens und der Alliierten Kontrollratsbeschlüsse fest, nach denen die NSDAP und ihre Untergliederungen für aufgelöst und alle Versuche, Nachfolgeorganisationen zu gründen, für illegal erklärt sind.

Dass die NPD - und nicht nur sie alleine - als Nachfolgeorganisation der NSDAP und damit als illegal anzusehen ist, ist beweisbar. Dazu braucht man keine V-Männer, die die zu observierende Organisation mit Geld versorgen und an ihrem organisatorischen Aufbau nicht unmaßgeblich beteiligt sind, sondern Personen die des Schreibens und insbesondere des Lesens kundig sind. Die Gründungspersonen der NPD, ihre Spitzenfunktionäre, Artikel in der Parteizeitung und nicht zuletzt das Parteiprogramm geben mehr als genug Auskunft über die ideologische Ausrichtung und die Tradition dieser Partei.

Zugleich darf man aber nicht, unter dem Deckmantel der an sich berechtigten Forderung nach der konsequenten Durchführung des Verbotsverfahrens, der anderen nicht minder wichtigen Frage ausweichen, welche Rolle der Verfassungsschutz und der zwischenzeitlich auch schon ins Gerede gekommene Militärische Abschirmdienst in der rechtsextremen Szene spielen.

Weil die Verbotsanträge sich in Begründungen an wesentlichen Stellen auf V-Leute beziehen, droht ja nicht nur das Verfahren zum Verbot einer neonazistischen Partei zu scheitern. Die bisher enttarnten V-Leute haben offensichtlich auch noch mit Wissen der NPD-Spitze für den Verfassungsschutz gearbeitet und das dafür vom Staat erhaltene Geld ihrer Partei gespendet. Also stellt sich die Frage, wer hier wen beobachtet hat, und ob der Verfassungsschutz nicht selbst die neonazistischen Szene alimentiert hat. Diese Debatte steht noch aus.

 

Buchtitel des NPD-Aussteigers Jörg Fischer: ''Das NPD-Verbot''
Buchtitel des NPD-Aussteigers Jörg Fischer: "Das NPD-Verbot"

Die Bandbreite der möglichen Konsequenzen sind denkbar weit - von einem "Augen zu und weiter so!" wie es sich die Innenminister vorstellen, bis zur Forderung der PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, die Tätigkeit von V-Leuten gesetzlich zu verbieten und den Verfassungsschutz aufzulösen. Auch ehemalige DDR-Bürgerrechtler sehen sich in ihrem Argwohn gegenüber Geheimdiensten bestätigt, zumal sie auf immer mehr Ähnlichkeiten mit der Arbeit der DDR-Staatssicherheit stoßen: Die Stasi schleuste gar nicht selten spätere Macher in Organisationen ein und bezahlte sie.

Welcher Weg führt aus der Sackgasse? Diese Suche sollte die Politik nicht dem Bundesverfassungsgericht überlassen, dessen Richter wohl herzlich wenig Lust verspüren, sich weiterhin auf den Arm nehmen zu lassen. Um Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen, müssen die Fakten rückhaltlos auf den Tisch, muss endlich geklärt werden, welche Verfassungsschutzbehörden wen als V-Mann führen, und ob auch andere Nachrichtendienste in welchem Umfang hier ebenfalls betroffen sind.

Vor allem aber muss die Tätigkeit dieser V-Leute generell beendet werden, weil sie nachweislich nicht zu kontrollieren sind. Zu groß ist die Gefahr, das aus Beobachtern Akteure und auch noch Finanziers der neonazistischen Szene werden. Zur Glaubwürdigkeit gehört daneben auch, das die politisch Verantwortlichen sich nicht hinter Untergebenen verstecken, sondern selbst die Konsequenzen ziehen. Zusammengefasst heißt das: Die NPD auf der Grundlage eines neu formulierten Antrags verbieten, den Verfassungsschutz bei der Beobachtung des Rechtsextremismus auf eine Arbeit ohne V-Leute verpflichten und Herrn Schily baldmöglichst verrenten - denn er war dieser Aufgabe ganz offensichtlich nicht mehr gewachsen.

 

Zu selbstsicher in der V-Mann-Frage? Innenminister Otto Schily
DDP
Zu selbstsicher in der V-Mann-Frage? Innenminister Otto Schily

Vor allem aber gilt es nun die eigentlich notwendige Debatte zu führen: Nämlich darüber, ob Geheimdienste überhaupt das richtige Mittel sind, um Rechtsextremismus und rassistische Gewalt zu bekämpfen, oder ob nicht der eigentlich Mangel das Fehlen einer demokratischen, antifaschistischen Kultur ist.

Zwar wird nun intensiv über die NPD debattiert. Die immer stabiler werdende rechte Jugendkultur in "national befreiten Zonen" ist dagegen kaum noch Thema und Rezepte dagegen noch weniger. Verbote von Organisationen oder einer Partei haben für diese jungen Leuten ohnehin keine Bedeutung, das rechtsextreme Netz von Ausweichorganisationen ist groß. Und jetzt schafft ihnen die Schily-Panne sogar neue Heroen.

 

 


ARBEITSAMTS-SKANDAL

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,181126,00.html
Die Tricks der Vermittler


Von Michael Kröger

Immer mehr Details kommen über die Manipulationen der Vermittlungszahlen in den Arbeitsämtern ans Licht. Unterdessen gerät der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernard Jagoda, im Skandal um die Luftbuchungen seiner Außenstellen immer stärker in die Defensive.

 

Mannigfaltige Möglichkeiten für Manipulationen: Jobnetzwerk das Arbeitsamtes
DPA
Mannigfaltige Möglichkeiten für Manipulationen: Jobnetzwerk das Arbeitsamtes

Nürnberg - Die für die Aufklärung der Vorwürfe des Bundesrechnungshofes zuständige Innenrevision der Bundesanstalt werde nicht mehr allein Jagoda, sondern auch dem Vorstand berichten, sagte BA-Vorstandschef Christoph Kannengießer am Mittwochabend nach einer Sondersitzung des Gremiums in Nürnberg. Zudem sollen die Kontrollen der Vermittlungen stark ausgeweitet werden.

 

  Zu viel Inkompetenz beim Arbeitsamt? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Usern!

Der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Werner Tegtmeier, sagte in Nürnberg: "Wir haben deutliche Anhaltspunkte dafür, dass an den Vorwürfen mehr als einer als zutreffend bezeichnet werden muss." Eine Arbeitsgruppe solle Vorschläge für eine Reform der Behörde machen.

Der Bundesrechnungshof war bei einer Kontrolle von fünf Arbeitsämtern zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht wie behauptet jeden zweiten, sondern nur jeden fünften Arbeitslosen vermittelt hätten. Der Behördenchef ist auch in die Kritik geraten, weil die BA-Spitze nach Angaben von Arbeitsminister Riester über die Missstände länger informiert war, ohne jedoch zu handeln.

Inzwischen wurden neue Details bekannt, wie die Manipulationen vorgenommen worden sein könnten. Ein Mitarbeiter eines Arbeitsamts berichtete gegenüber SPIEGEL ONLINE, dass jeder Vermittler unbeschränkt Zugang zum internen Statistik-Programm habe. Eintragungen könnten dort ohne Absegnung durch Vorgesetzte vorgenommen werden. Verschiebungen in der Erfolgsquote ergäben sich aber auch dadurch, dass etwa ein Betrieb ein Stellenangebot gleichzeitig beim Arbeitsamt und bei einer Leiharbeitsfirma abgebe, und die Leiharbeitsfirma sich wiederum an das Arbeitsamt wende. Eine erfolgreiche Vermittlung führe dann regelmäßig zu zwei Erfolgen in der Statistik. Der Mann, der anonym bleiben möchte, berichtete außerdem, dass mitunter auch frei erfundene Stellenanzeigen im hauseigenen Stellennetz auftauchten.

Erst am Mittwoch hatte eine ehemalige Mitarbeiterin über ähnliche Tricks berichtet. Für die Manipulation böten sich einige wohlfeile Tricks an. So würden zum Beispiel die Stellenanzeigen im hauseigenen Netzwerk zwischendurch immer einmal wieder mit neuen Texten versehen. Im Netz stehe dann dieselbe Stelle, aber eine zusätzliche Vermittlung würde gebucht. Die Gefahr, bei Manipulationen erwischt zu werden, sei im Übrigen nicht sehr groß, denn sie könnten nicht zu dem einzelnen Verursacher zurückverfolgt werden. Ein Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.

Der Vorstand der Bundesanstalt stellt sich trotz der Vorwürfe vor Jagoda, der einen Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen hat. "Ich habe nicht den Eindruck, dass Jagoda seine Verantwortung nicht wahrnimmt", sagte Kannengießer, der als Geschäftsführer bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände derzeit Vorstandschef der BA ist.

Auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer betonte, mehrere Personen seien für die Missstände verantwortlich. Eine Rücktrittsforderung an Jagoda oder ein Rücktrittsangebot des BA-Präsidenten habe es nicht gegeben. "Das ist überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Man sollte das Kind auch nicht mit dem Bade ausschütten", sagte Engelen-Kefer der Agentur Reuters. Der Vorstand habe allerdings seine "Verärgerung ausgedrückt über den Mangel an Kommunikation" zwischen Jagoda und dem Vorstand.

Der je zu einem Drittel aus Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und der öffentlichen Hand besetzte Vorstand der Behörde forderte eine rückhaltlose Aufklärung und sprach sich für eine Reform der Behörde aus. Künftig müsse der Vorstand sofort aufgeklärt werden, sagte Kannengießer, der nach eigenen Worten erst vor drei Tagen von den Vorwürfen erfahren hatte. Fünf Prozent der monatlichen Vermittlungen der Landesarbeitsämter sollten künftig kontrolliert werden, beschloss der Vorstand weiter. Eine Arbeitsgruppe mit externen Experten soll Vorschläge machen, wie die Behörde reformiert und die Stellenvermittlung verbessert werden könne.

Im April will der Rechnungshof weitere 20 Arbeitsämter überprüfen. Die BA hat ihre Revisionsabteilung ebenfalls mit Nachforschungen in zehn Arbeitsämtern beauftragt. Riester hatte am Mittwochnachmittag in Berlin gesagt, bereits im September 1998 habe das ARD-Fernsehmagazin "Panorama" auf umfangreiche Missstände bei der Arbeitsvermittlung hingewiesen. Die BA habe damals nicht im von ihm gewünschten Ausmaß auf die Vorwürfe reagiert. Ein Mitarbeiter der BA hatte sich zudem unabhängig vom Rechnungshof mit der Frage der Zuverlässigkeit der Vermittlungsstatistik befasst und direkt an Riester gewandt. Jagoda lehnte bei der Vorlage der Arbeitslosenzahlen für Januar einen Rücktritt ab: "Ein Kapitän geht nicht, wenn Sturm ist, von der Brücke."

Den Rücktritt von Jagoda und Riester forderte der FDP-Sozialexperte Otto Solms. "Als logische Konsequenz sollten Riester und Jagoda zurücktreten", sagte er der "Bild"-Zeitung. Den Rücktritt des Arbeitsministers verlangte auch der CSU-Sozialexperte Johannes Singhammer. "Riester kann sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen", sagte er der Zeitung.

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ungsstatistik befasst und direkt an Riester gewandt. Jagoda lehnte bei der Vorlage der Arbeitslosenzahlen für Januar einen Rücktritt ab: "Ein Kapitän geht nicht, wenn Sturm ist, von der Brücke."

Den Rücktritt von Jagoda und Riester forderte der FDP-Sozialexperte Otto Solms. "Als logische Konsequenz sollten Riester und Jagoda zurücktreten", sagte er der "Bild"-Zeitung. Den Rücktritt des Arbeitsministers verlangte auch der CSU-Sozialexperte Johannes Singhammer. "Riester kann sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen", sagte er der Zeitung.

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