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Stoiber macht´s möglich:
Leo Kirchs Milliardendesaster
Bericht: Monika Wagener,
Philip
Siegel
Sonia Mikich: "Und jetzt ein Medienthriller: die Riesenpleite
des Medien-Händlers Leo Kirch. Sechs Milliarden Euro Schulden allein
bei den Banken. So etwas hat die deutsche Wirtschaft selten erlebt.
Dass die bayrische Hypo-Vereinsbank für Kirchs Springeranteile nun
eine Milliarde zahlen will, verschafft ihm nur eine kurze Atempause.
Kirch: ein Fall für die hohe Politik. Und alle, alle wollen ihn
gerettet sehen, frei nach dem Motto: er ist ein Schurke, aber doch
unser Schurke. Besser als ausländische Medien-Riesen vom Schlage
Rupert Murdoch.
Ganz groß ist die Solidarität des Freistaates Bayern. Denn wenn Kirch
die Kurve nicht kriegt, sieht es schlecht aus für Edmund Stoiber.
Dessen Landesregierung in der Vergangenheit vieles tat für Kirchs
Konzern. Mediendämmerung in München. Ein Bericht von Monika Wagener
und Philip Siegel."

Ein triumphaler Einzug. Edmund Stoiber, gestern beim politischen
Aschermittwoch in der Passauer Nibelungenhalle. Die CSU in
Hochstimmung. Schon sieht sie ihren Vorsitzenden im Kanzleramt. Als
Bayer will er da den Deutschen zeigen, wie man eine erfolgreiche
Wirtschaftspolitik macht.
Edmund
Stoiber: "Unser Motto heißt: Innovation und Dynamik. Innovation
und Dynamik fördern. Nicht Probleme verwalten, sondern Zukunft
gestalten."
Der Kandidat in Siegerlaune. Doch was Stoiber verschweigt: Seine
Wirtschaftspolitik sorgt derzeit für eines der größten
Milliardendesaster in Deutschland: im Fall Leo Kirch.
Prof.
Mark Wahrenburg, Bankenbetriebslehre Universität Frankfurt/Main
"Leo Kirch oder die Kirch-Gruppe hat ein geschätztes Schuldenvolumen
von fünf bis sechs Milliarden Euro. Und dazu kommen noch etliche
zusätzliche Zahlungsverpflichtungen aus Optionsverträgen mit der
Springergruppe, mit Rupert Murdoch. So dass Kirch einer der größten
Kreditnehmer von Deutschland ist. Zum Vergleich: Jürgen Schneider mit
seiner Pleite hat damals ein Schuldenloch hinterlassen was nicht mal
halb so groß war."
Leo Kirch. Jahrelang hat der Mann alles an Film- und Fernsehrechten
gekauft, was gut und teuer ist: Bundesliga, Formel 1, Fußball-WM und
Spielfilmrechte. Ganz ohne Kirch läuft im deutschen Fernsehen wenig.
Still und heimlich baute sich der Filmhändler aus München in wenigen
Jahren ein fast unüberschaubares, riesiges Firmenimperium auf: aus
TV-Sendern, Pay-TV-Kanälen, Zeitungsbeteiligungen, Rechtehandel. Geld
so schien es, spielte nie eine Rolle, auch dank der Bayerischen
Landesregierung.
Prof.
Helmut Thoma, Medienberater Landesregierung NRW: "Das ist ein
Verhältnis einer Symbiose. Das heißt einer gegenseitigen so zu sagen
Abhängigkeit. Der eine braucht das Geld und die anderen brauchen
Kirch. Sprich: Die Landesregierung braucht Kirch, um den
Medienstandort zu bewahren und auszubauen. Und daher ist es ein System
der gegenseitigen Abhängigkeit und Abhängigkeiten sind meistens sehr
gefährlich."
Die Bayern und der erzkonservative Medienzar. Von Anfang an hat man
ihm geholfen, auch dann, wenn es für Leo Kirch Schwierigkeiten mit dem
Medienrecht gab. Zum Beispiel als er Anfang der 90er Jahre mit dem
Deutschen Sportfernsehen auf Sendung gehen wollte, obwohl er bereits
Anteile an Sat1 und Pro7 hatte und nur Beteiligungen an zwei Sendern
erlaubt waren.
Zuständig damals die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien. Sie
sollte eigentlich vor der Lizenzerteilung genau prüfen, ob das DSF für
Leo Kirch nicht einfach ein Sender zuviel war. Doch Kirch hatte Glück.
Der Präsident der Bayerischen Landesmedienzentrale Wolf Dieter Ring
erteilte die Lizenz, obwohl andere Medienanstalten Bedenken hatten.
Übrigens war Ring vormals Medienexperte in der Staatskanzlei von
Edmund Stoiber.
Ein
eindeutiger Verstoß gegen das Medienrecht. So sah es zum Beispiel die
Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg. Dort wollte man das Deutsche
Sportfernsehen nicht einfach akzeptieren und klagte gegen die Lizenz.
Den Bayern warf man mit der DSF-Entscheidung eine unzulässige
Standortpolitik vor.
Hans
Hege, Medienanstalt Berlin-Brandenburg: "Die bayerische
Medienanstalt wollte damit das Unternehmen Kirch fördern, dass ja auch
Arbeitsplätze schafft und investiert in Bayern und hat deswegen nicht
so genau hingeschaut, ob die Konzentrationsgrenzen eingehalten werden.
Damals durfte Herr Kirch, nach den damals geltenden Regelungen, ja
nicht so viele Fernsehprogramme veranstalten und hat sich darüber
hinweg gesetzt. Wir haben dagegen geklagt, weil wir meinen, dass
Regeln eingehalten werden müssen."
Prof.
Wolf-Dieter Ring, Bayerische Landeszentrale für neue Medien: "Wir
sind der Auffassung, dass wir das genau geprüft haben, und dass die
Forderungen auch erfüllt worden sind. Und es ist so kompliziert, diese
Vorgänge, sind auch juristisch so kompliziert, dass man das nicht auf
die schnelle einfach behaupten kann. Das muss man sich genauer
angucken."
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte genau hingeschaut und
befand: Die Begründung der bayerischen Medienwächter für die
DSF-Lizenz sei nicht nachvollziehbar. "Nichtssagend" lautete das
Urteil der Richter und:
"Mit derartigen inhaltsleeren und pauschalen Wendungen kann ein
Verwaltungsakt nicht begründet werden."
Fazit: Die bayerische Lizenz war damals rechtswidrig. Die Bayern
ließen sich nicht beirren. Entschlossen standen sie ihrem Leo Kirch
auch weiter zur Seite, vor allem immer wenn er Geld für riskante
Geschäfte brauchte. So auch im Frühjahr 1999. Leo Kirch wollte den
Pay-TV-Sender Premiere ganz übernehmen, obwohl der hohe Verluste
einfuhr. Bertelsmann, diese Verluste leid, bot Kirch seine Anteile zum
Kauf.
Aber Kirch fand keinen Geldgeber und schließlich sprang die
halbstaatliche Bayerische Landesbank in München ein. Sie bürgte für
1,5 Milliarden Mark bei Kirchs risikoreichem Deal.
Prof.
Helmut Thoma, Medienberater Landesregierung NRW: "Zu diesem
Zeitpunkt war schon ziemlich klar, dass Pay-TV so nicht läuft. Denn
seit 1995 hat sich Pay-TV viel langsamer entwickelt als Kirch es
vorausgesagt hat. Es gab viele technische Probleme und auch - Beispiel
- also Bertelsmann wollte unbedingt raus, weil man das Risiko als zu
hoch gesehen hat. Unter diesen Voraussetzungen dann da einzuspringen,
mit Milliardenbeträgen, ist natürlich schon sehr, sehr so zu sagen
riskant."
Doch wenn das Premieregeschäft schon damals so riskant war, warum hat
dann die Bayerische Landesbank Kirch eine Bankbürgschaft in
Milliardenhöhe gewährt, zumal andere Banken abgelehnt hatten?
Kontrollgremium der Bayerischen Landesbank ist der Verwaltungsrat und
dort wimmelt es nur so von Vertretern der Bayerischen Landesregierung.
Neben zahlreichen Ministerialdirigenten und Staatssekretären sitzt
dort auch mehr als das halbe Kabinett von Edmund Stoiber, darunter
Innen-, Wirtschafts- und Finanzminister.
Prof.
Mark Wahrenburg, Bankenbetriebslehre Universität Frankfurt/Main:
"Die Bayerische Landesbank ist eine Politik determinierte Bank, das
heißt, sie kann das Bankgeschäft nicht so wie eine Privatbank führen,
sondern ist den politischen Interessen ausgesetzt. Das heißt
natürlich, dass man die Interessen der Landespolitik berücksichtigen
muss. Und ohne diese Interessen wäre es sicherlich nicht erklärbar,
dass eine Bank einem einzelnen Kreditnehmer soviel Geld gibt."
Stoiber half Kirch immer wieder, wenn der für seinen riskanten
Expansionskurs keine Geldgeber mehr fand und das war immer häufiger
der Fall. So auch letztes Jahr, als Kirch die Rechte für die Formel 1
kaufen wollte. Mehr als eine Milliarde Euro sollte das kosten. Geld,
das Kirch nicht hatte und das ihm niemand geben wollte. Da half die
Bayerische Landesregierung auch mal bei der Geldsuche.
Prof.
Peter Paul Gantzer, Landtagsabgeordneter Bayern, SPD: "Der Stoiber
hat seinen Minenhund, den zuständigen Medienminister und Minister der
Staatskanzlei Erwin Huber eingeschaltet und der hat das Telefonieren
angefangen und hat dann auch unter anderem die Hypo-Vereinsbank
angerufen - unsere große Bank hier in München - und hat dabei mit
einem Vorstandsmitglied gesprochen und versucht, die Hypo-Vereinsbank
davon zu überzeugen, die Finanzierung zu übernehmen. Die haben das
ganz cool, bankmäßig abgelehnt, und daraufhin war dann die Landesbank
dran. Daraufhin wurde die Landesbank eingeschaltet und die hat das,
was die Hypo-Vereinsbank verweigert hat, dann übernommen."
Dass die Bayerische Landesbank nun auch noch ins teuer bezahlte
Formel1-Geschäft einstieg, darüber schüttelte man in Bankkreisen den
Kopf.
Prof.
Thomas Heidorn, Hochschule für Bankwirtschaft, Frankfurt/ Main:
"Dieser Kredit der Bayerischen Landesbank ist kaum noch
nachvollziehbar. Etwas so risikoreiches wie das Formel-1-Geschäft nur
durch einen Kredit zu finanzieren, kann nicht eine sinnvolle
Kreditentscheidung sein. Alle Chancen sind bei Leo Kirch, alle Risiken
sind bei der Bayerischen Landesbank. Das ist keine sinnvolle
Verteilung für einen Kredit."
Ohne seine bayerischen Helfer hätte Leo Kirch niemals so viele
Schulden anhäufen können. Sollten die Kredite platzen, hat wohl der
bayerische Steuerzahler den Schaden. Zwar haben auch andere Großbanken
Kirch Geld geliehen, doch keine für so riskante Geschäfte und keine
hat soviel Geld gegeben. Die Bayerische Landesbank mit 1,9 Milliarden
Euro absoluter Spitzenreiter.
Noch lässt sich Edmund Stoiber feiern für seine Wirtschaftskompetenz.
Doch im Juni laufen bei der Bayerischen Landesbank die ersten
Kirch-Kredite aus. Eine bayerische Lösung wird sich aber sicher wieder
finden. Wer soviel Geld gegeben hat, kann nicht mehr aufhören - schon
gar nicht in diesen Wahlkampfzeiten.

Sonia Mikich: "Klar doch: Wir haben sie alle angefragt: die
bayerische Staatskanzlei, die Bayerische Landesbank und die
Kirch-Gruppe. Was glauben Sie wohl, was dabei raus gekommen ist?
Genau!"
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