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Newsletter von Maulkorbzwang und den Dogangels

Heute mit diesem:

* Neues vom Bundesverfassungsgericht (Parteispendenuntersuchungsausschuß)

* Neues vom Bundesverwaltungsgericht (Ausweisung)

* Demnächst beim Bundesverfassungsgericht (Wehrpflicht)

* Der letzte Versuch (Zuwanderungsgesetz)

* Rau begnadigt Ex-RAF-Terroristin

* Rot-Grünes Info-Desaster

* Der Geist flieht links - Rot-Grün verprellt Wissenschaftler und Intellektuelle


 
 
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 24/2002 vom 26. Februar 2002


Mündliche Verhandlung über die Anträge im Verfahren
"Parteispendenuntersuchungsausschuss"
 
 
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wird über die Anträge
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und fünf einzelner Mitglieder des
Untersuchungsausschusses zur Parteispendenaffäre am

    M o n t a g, 18. März 2002
    um 10.00 Uhr,
    im Sitzungssaal des BVerfG,
    Schloßbezirk 3, Karlsruhe

eine mündliche Verhandlung durchführen.

Die Anträge sind darauf gerichtet festzustellen, dass der
Untersuchungsausschuss verpflichtet ist, die Beweisaufnahme
unverzüglich fortzusetzen und diverse, im einzelnen benannte Beweise zu
erheben.

Weitere Informationen zum Hintergrund des Verfahrens und
Akkreditierungshinweise für Pressevertreter werden etwa zwei Wochen vor
der Verhandlung bekanntgegeben.

Az. 2 BvE 2/01

 

http://www.bverwg.de/presse/2002/pr-2002-10.htm

Bundesverwaltungsgericht

Nr. 10/2002 vom 26. Februar 2002

Assoziationsabkommen und Ausweisung türkischer Staatsangehöriger

Die Klägerin, eine seit 1983 im Bundesgebiet lebende türkische Staatsangehörige, wurde 1996 wegen Handels mit Heroin zur Deckung ihres Suchtbedarfs zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt und deshalb aus Deutschland ausgewiesen. Die Ausländerbehörde stützte sich dabei auf Vorschriften des Ausländergesetzes 1990, nach denen ein zu einer solchen Freiheitsstrafe verurteilter Ausländer ohne Ermessensbetätigung zwingend oder in der Regel auszuweisen ist.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vertrat die Auffassung, die von der Ausländerbehörde herangezogenen Ausweisungsbestimmungen seien nach dem Zusatzprotokoll zum Assoziationsabkommen EG/Türkei von 1972 nicht anwendbar. Das darin enthaltene sogenannte "Stillhaltegebot" verbiete es der Bundesrepublik Deutschland, das Ausweisungsrecht für türkische Staatsangehörige zu verschärfen. Eine Ausweisung ohne Ermessensbetätigung stelle aber eine unzulässige neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, da das frühere deutsche Ausländerrecht eine Ermessensentscheidung erfordert habe.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt und hat das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs auf die Revision des Freistaats Bayern aufgehoben. Es steht nicht fest, ob sich die Klägerin überhaupt auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann. Denn diese setzt eine selbständige Tätigkeit voraus. Außerdem hat das Bundesverwaltungsgericht einen Verstoß gegen die "Stillhalteklausel" verneint. Die hier anzuwendenden Vorschriften, die eine Ausweisung im Regelfall vorsehen und nur für Ausnahmefälle eine Ermessensentscheidung gebieten, wirken sich für die Klägerin und in ähnlichen Fällen tatsächlich nicht als Verschlechterung aus. Die frühere Praxis ist insoweit nur typisierend festgeschrieben worden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Dieser wird die fehlenden Tatsachenfeststellungen nachholen und ggf. prüfen müssen, ob sich die Klägerin auf das Assoziationsrecht berufen kann und die Ausweisung danach aufrechtzuerhalten ist.



VERFASSUNGSKLAGE

Wann fällt die Wehrpflicht?

Von Jan Lehmann

Dieses Urteil wird von vielen jungen Männern in Deutschland ungeduldig erwartet: In Kürze entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Wehrpflicht wegen gesunkener Rekruten-Zahlen noch gerecht und verfassungsgemäß ist. Ein weiterer Baustein von Scharpings Bundeswehrreform droht zu fallen.

 
Fall für das Verfassungsgericht: Volker Wiedersberg hat mit seiner Totalverweigerung die Wehrpflicht in Frage gestellt
DPA
Fall für das Verfassungsgericht: Volker Wiedersberg hat mit seiner Totalverweigerung die Wehrpflicht in Frage gestellt
Berlin - Volker Wiedersberg ist kein idealistischer Einzelkämpfer, niemand, der unbedingt den Staat in die Knie zwingen will. Er hat sein erstes Jura-Staatsexamen geschafft, arbeitet gerade als Referendar in einer Berliner Kanzlei und wohnt mit seiner Lebensgefährtin und zwei Kindern auf dem Land. Ein anscheinend harmloser Zeitgenosse also.

Aber Wiedersberg ist ein so genannter Totalverweiger und damit ein Gesetzesbrecher. Und nicht nur das. Er behauptet, dass die Wehrpflicht verfassungswidrig ist, und besteht auf seinem Recht. Damit hat er eine Prozesslawine ins Rollen gebracht, die jetzt beim Verfassungsgericht in Karlsruhe angelangt ist und deren Ausläufer bald die Militärpolitik der Bundesregierung erschüttern könnten. Denn Wiederbergs Klage hat Aussicht auf Erfolg.

 

  Lieber eine Berufsarmee? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Usern!

Eigentlich wollte der angehende Jurist vor dem Potsdamer Landgericht nur seine Totalverweigerung rechtfertigen. Doch sein Anwalt Wolfgang Kaleck wollte es grundsätzlich wissen: Immer weniger Rekruten eines Jahrganges werden eingezogen. Damit sei das Prinzip der Wehrgerechtigkeit verletzt. Eine Interpretation, der sich die Potsdamer Richter anschlossen. Seit dem Fall der Mauer sei Deutschland nicht mehr bedroht. Folglich sei die allgemeine Wehrpflicht "ein unverhältnismäßiger, weil nicht länger erforderlicher Eingriff in die Grundrechte," entschieden sie und riefen das Karlsruher Bundesverfassungsgericht für eine Grundsatzentscheidung an.

Seit drei Jahren sitzt nun der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Präsidentin Jutta Limbach am Potsdamer Vorlagebeschluss. Bestätigt Karlsruhe die Vorlage, dann wäre die Wehrpflicht vermutlich nicht mehr zu halten.

Und Rudolf Scharping, angeschlagener Verteidigungsminister, hätte ein weiteres Problem. Seine Bundeswehrreform, die eine Verkleinerung der Truppe von rund 338.000 auf 277.000 Soldaten im Jahr 2006 anstrebt, sieht die Wehrpflicht weiter vor. Aber auch Kanzlerkandidat Edmund Stoiber müsste sich erklären. Auch er ist gegen eine Abschaffung der Wehrpflicht, erklärte er zur Münchener Sicherheitskonferenz. Doch so eindeutig, wie Minister und Kanzlerkandidat argumentieren, ist die Gefechtslage in den Parteien keineswegs.

Neue Front gegen die Wehrpflicht

So fragt etwa die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt inzwischen offen nach dem Sinn der Wehrpflicht. Jüngere Sozialdemokraten wie der saarländische Landeschef Heiko Maas sprechen sich direkt für deren Abschaffung aus. Bei der CDU/CSU kursiert derzeit das so genannte Miliz-Modell. Demnach solle sich die Bundeswehr in eine reine Einsatzarmee aus Berufs- und Zeitsoldaten wandeln. Wehrpflichtige würden nur noch zu einem kurzen Dienst in einer milizartigen Gebietsverteidigung herangezogen. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble gelten als Unterstützer dieser Idee.

FDP, Bündnis 90/Die Grünen und PDS fordern hingegen schon lange unverholen das Ende der Wehrpflicht. Die siegessicheren Liberalen wollen mit diesem Programmpunkt in die Koalitionsgespräche nach der Wahl gehen, die Grünen setzten Scharping schon jetzt unter Druck. Haushalts-Experte Oswald Metzger verband die Zustimmung zum Airbus 400 M direkt mit dem Aus für die Wehrpflicht.

 

Rudolf Scharping bangt: Muss er auf die Rekruten verzichten?
DPA
Rudolf Scharping bangt: Muss er auf die Rekruten verzichten?

Außerdem steht die Wehrpflicht auf der Streichliste von Finanzminister Hans Eichel ziemlich weit oben. Neuesten Meldungen zufolge lässt der Finanzminister gerade die Umwandlung in eine Berufsarmee für den Haushalt 2003 durchrechnen. Will Eichel bis 2004 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorlegen, dann muss er Verteidigungsminister Scharping noch mehr zum Sparen zwingen.

"Wehrpflicht ist kein ewiges Prinzip"

Trotz Scharpings öffentlicher Beteuerung, er wolle an der Wehrpflicht festhalten, werden schon seit Jahren immer weniger Rekruten verpflichtet. So wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums noch 1999 1,51 Milliarden Euro allein an Personalkosten für 138.000 Wehrpflichtige ausgegeben. 2001 waren es nur noch 1,15 Milliarden für 117.000 eingezogene Soldaten. Für dieses Jahr sind rund 1,1 Milliarden für 107.000 Wehrpflichtige eingeplant. Von Wehrgerechtigkeit ist dabei keine Spur mehr. Auch wenn knapp die Hälfte der rund 400.000 möglichen Wehrpflichtigen Zivildienst leisten werden (derzeit knapp 150.000), kommen immer noch mehr als 100.000 junge Männer um den Einberufungsbescheid herum.

Selbst der Bundeswehrverband, Interessensorganisation der Soldaten, bezweifelt mittlerweile, ob die Wehrpflicht in ihrer jetzigen Form sinnvoll ist. Ihr Vorsitzender Oberst Bernhard Gertz plädiert für eine Verkürzung auf vier Monate. So könnten immerhin 150.000 Rekruten im Jahr zum Dienst gezogen und die Wehrgerechtgkeit damit gesichert werden, meinte er kürzlich auf einer Diskussionsveranstaltung der Berliner Anwaltskammer.

 

Teil 2: Die Praxis ist, glaubt man den Gegnern der Wehrpflicht, ohnehin von Willkür geprägt. Christian Herz, Sprecher der "Kampagne gegen Wehrpflicht", spricht gar von illegalen Methoden der Kreiswehrersatzämter:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,183719-2,00.html

 


25.02.2002    18:36

 

SZ-Kommentar
 

Der letzte Versuch

 

   
   
(SZ vom 26.2.2002) - Die rot-grüne Koalition hat sich zu einem letzten Versuch aufgerafft, das Zuwanderungsgesetz doch noch vor der Wahl zustande zu bringen. Nach nächtelangen, aufreibenden Verhandlungen sind die Grünen mit ihren Zugeständnissen bis an die Grenze dessen gegangen, was ihnen möglich ist.

Das Kompromissangebot ist der Versuch, aus dem Kreis ein Quadrat zu machen: Einerseits wollte die rot-grüne Koalition das Gesetz in seiner Substanz nicht verändern, andererseits war sie gezwungen, den Forderungen der Union sowie der PDS soweit wie möglich entgegen zu kommen. Mit eine Reihe von Ausnahme- und Härtefallregelungen haben SPD und Grüne versucht, die widerstreitenden Wünsche doch noch unter einen Hut zu bekommen.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller müssten nun, gemessen an den früheren Äußerungen der beiden CDU-Politiker, dem Gesetz eigentlich zustimmen. Doch längst steht nicht mehr die ursprünglich von allen Parteien gewollte Modernisierung des Zuwanderungsrechts im Mittelpunkt.

An ihre Stelle ist das politische Taktieren in Zeiten des Wahlkampfes getreten. Die Union und ihr Kanzlerkandidat Edmund Stoiber haben den Streit um das Zuwanderungsrecht zu einer Machtfrage erhoben. Sie setzen darauf, dass die Ablehnungsfront im Bundesrat dieses Mal halten wird. Sollte sie durchbrochen werden, wäre wenige Monate vor der Wahl auch Stoiber beschädigt.

Man kann also davon ausgehen, dass die Union alles daran setzen wird, eine Niederlage zu verhindern. SPD und Grünen bleibt das Verdienst, wenigstens einen Einigungsversuch unternommen zu haben.
 

 
 
Rau begnadigt Ex-RAF-Terroristin Adelheid Schulz
 
Die Ex-RAF-Terroristin Adelheid Schulz (Archivbild vom 25.5.1994): Bundespräsident Johannes Rau hat die frühere Terroristin begnadigt.

Berlin - Bundespräsident Johannes Rau hat die frühere RAF- Terroristin Adelheid Schulz begnadigt. Das teilte das Präsidialamt am Dienstag in Berlin mit. Die heute 46 Jahre alte Schulz gehörte jahrelang zum harten Kern der Roten Armee Fraktion (RAF). Aus Gesundheitsgründen kam sie nach knapp 16 Jahren Gefängnis im Oktober 1998 auf freien Fuß.

Die ehemalige Schwesternhelferin Schulz war 1976 in den Untergrund gegangen und hatte sich der Führungsriege der zweiten RAF-Generation angeschlossen. Nach den Attentaten auf den Bankier Jürgen Ponto sowie der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer 1977 und vier seiner Begleiter wurde sie mit Haftbefehl gesucht. Ihre Festnahme gelang im November 1982. Schulz wurde in einem Waldstück bei Frankfurt/Main gemeinsam mit der RAF- Topterroristin Brigitte Mohnhaupt gefasst.

In einem ersten Prozess verurteilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht Schulz im März 1985 wegen Mordes, erpresserischen Menschenraubes und Nötigung von Verfassungsorganen zu drei Mal lebenslanger Haft. Die Richter sahen die Beteiligung von Schulz an den Verbrechen an Ponto und Schleyer als erwiesen an. Wie das Gericht damals feststellte, war Schulz die «Quartiermacherin» der Terrorbande.

Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte Schulz in einem zweiten Prozess im September 1994 nochmals zu lebenslanger Haft wegen einer Schießerei mit vier niederländischen Zollbeamten in Kerkrade. Zwei der Beamten waren dabei getötet worden.

In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter 1994, Schulz zähle noch immer zu den «Hardlinern» der Gefangenen aus der RAF. Sie hatte immer wieder gegen ihre Haftbedingungen protestiert, auch mit Hungerstreiks. Im Oktober 1998 wurde Schulz wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit - zunächst vorübergehend - aus der Haft entlassen. Sechs Monate zuvor hatte die RAF in einer Erklärung ihre Selbstauflösung bekannt gegeben.

Die Entscheidung Raus für die Begnadigung erging bereits am 1. Februar, wie das Präsidialamt berichtete. Ihr hätten Stellungnahmen der Bundesjustizministerin, des Generalbundesanwalts, des zuständigen Gerichts und der für Schulz verantwortlichen Justizvollzugsanstalt zu Grunde gelegen.

26.02.2002


http://www.taz.de/pt/2002/02/26/a0084.nf/text

Rot-grünes Info-Desaster

Die Bundesregierung weist den Vorwurf der Geheimniskrämerei über den Einsatz deutscher Spezialkräfte in Afghanistan zurück. Sie räumt aber Unzulänglichkeiten in der Informationspolitik ein

aus Berlin JENS KÖNIG

Vielleicht liegt darin ja ein Fortschritt: Diesmal reichte nur ein einziger Tag Aufregung und Durcheinander, um die Bundesregierung zu einem Eingeständnis zu bewegen. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye räumte in der Bundespressekonferenz in Berlin, wenn auch nur zähneknirschend, Unzulänglichkeiten der Bundesregierung bei der Information über den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan ein. "Die Informationsarbeit ist offensichtlich verbesserungswürdig", sagte Heye.

Er meinte damit jedoch nicht die grundsätzliche Entscheidung zur Geheimhaltung über den Einsatz des Kommandos Spezialkräfte (KSK) bei Aktionen gegen die Terrororganisation al-Qaida. Heye bezog sich vielmehr auf unterschiedliche Angaben, wie viele KSK-Kämpfer genau in Afghanistan im Einsatz seien. Aber auch über grundsätzliche Verbesserungen der Informationspolitik müsse die Bundesregierung "sehr entschieden nachdenken", so Heye. Er bat bei den Journalisten fast schon um Verständnis, als er sagte, immerhin sei es das erste Mal, dass sich Deutschland in einer derartigen Situation befinde. Aber, rechtfertigte er weiter, die Amerikaner und die Briten hätten schließlich auch nicht über Details des Einsatzes ihrer Spezialkräfte informiert.

Den Vorwurf, der Öffentlichkeit absichtlich den Einsatz der Elitesoldaten verschwiegen zu haben, wies der Regierungssprecher zurück. Niemals habe die Bundesregierung erklärt, dass es solche Einsätze nicht geben werde. Jedem hätte das nach dem Beschluss des Bundestags am 16. November vorigen Jahres klar sein müssen, so Heye. Die zuständigen Bundestagsausschüsse und die Fraktionen seien laufend informiert worden.

Das Parlament hatte damals die Bereitstellung von 3.900 deutschen Soldaten für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus gebilligt. Das schließt auch 100 Spezialkräfte ein. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte vor dem Bundestagsbeschluss von fünf Anforderungen der USA an Deutschland berichtet. Zu denen gehörte auch der Wunsch nach "Spezialkräften mit bis zu 100 Soldaten". Damals beantwortete Schröder die Frage nicht, ob es sich dabei um das Kommando Spezialkräfte handelt.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums von gestern sind rund 100 KSK-Soldaten an der Jagd auf Al-Qaida-Terroristen beteiligt. Diese Zahl sei "ganz eindeutig" vom Bundestagsmandat gedeckt, meinte Heye. Zu der rot-grünen Informationspanne hatte ganz entschieden ein Politiker des größeren Koalitionspartners beigetragen. Der SPD-Politiker Helmut Wieczorek hatte als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags am Sonntagabend von mehr als 200 Elitesoldaten in Afghanistan gesprochen.

Über Art, Umfang, Zeit und Ort des Einsatzes wollte die Bundesregierung auch gestern nichts sagen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte nur, dass die deutschen Elitesoldaten mit anderen Streitkräften zusammenarbeiten. Die Befehlsstränge zu den deutschen Einheiten seien jedoch "national bestimmt". Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte die restriktive Informationspolitik noch am Sonntagabend verteidigt. "Wir sind für die Sicherheit unserer Leute im Einsatz verantwortlich", sagte Fischer. "Das ist es, was uns zuerst interessiert - und nicht, ob die Medien darüber informiert sind."

taz Nr. 6686 vom 26.2.2002, Seite 7, 113 Zeilen (TAZ-Bericht), JENS KÖNIG


 
Der Geist flieht links
 
Rot-Grün verprellt Wissenschaftler und Intellektuelle

 
Neulich am Telefon. Nachdem ein Konferenzbeitrag besprochen, ein Buchprojekt erörtert worden ist, kommt die Rede auf ganz andere Dinge: "Wen wählen wir im Herbst?" Die deutschen Akademiker zumal an den Hochschulen sind verunsichert, die Intellektuellen werden ratlos. Eigentlich war Rot-Grün ja selbstverständlich, über das Ende der Ära Kohl hat man erleichtert aufgeatmet. Jetzt sollte ein neues Projekt beginnen, dem man die tatkräftige, jedenfalls verbale und häufig öffentlichkeitswirksame Unterstützung der Republik des Geistes gerne zukommen lassen wollte. Die neue Regierung würde zuhören, das Gespräch mit den Universitäten und den Intellektuellen suchen, und zwar schon deshalb, weil ihre Politiker selbst im kritischen Geist, dem diskursiven Grundklima von 1968 und danach sozialisiert worden waren.
 
Anmerkung: ...der kritische 1968er Geist von Mahler, Schröder, Schily?


Wen wählen wir im Herbst? In den vergangenen Monaten hat sich an den Universitäten eine massive Enttäuschung ausgebreitet. Wenn die rot-grüne Berliner Regierungsmaschinerie das Ausmaß dieser Enttäuschung immer noch nicht erkennt, ist das nur ein weiterer Beleg dafür, wie gering ihre Dialogfähigkeit in die akademische Welt, besonders in die Sozial- und Kulturwissenschaften hinein, inzwischen ausgeprägt ist. Oder immer schon war? Die Enttäuschung geht über vordergründige tagespolitische Irritationen weit hinaus und betrifft die SPD zweifellos noch stärker als die Grünen: Wenn die Sozialdemokraten nicht aufpassen, verspielen sie in diesem Jahr und auf lange Sicht die Unterstützung ganzer Kohorten von Akademikern und Intellektuellen in der jüngeren und mittleren Generation.

"Der Geist steht links" - so hieß es. Jedenfalls in Deutschland und während der letzten zehn bis fünfzehn Jahre hat die ganz überwiegend linksliberale Intelligenz der Geisteswissenschaften tatsächlich immer an der Seite von Rot-Grün gestanden. Und hat zumal die SPD nicht davon enorm profitiert? Man muß nur einmal die geschichts- und kulturpolitischen Debatten seit den achtziger Jahren, zwischen dem Historikerstreit und der Wehrmachtsausstellung, Revue passieren lassen, um zu erkennen, welchen beträchtlichen argumentativen und öffentlichen Gewinn die linken Parteien aus der Wirksamkeit der Mommsen und Wehler, Habermas und Herbert gezogen haben. Oder: Was wäre das neue Staatsbürgerschaftsrecht ohne die von Historikern und Juristen, Philosophen und Soziologen in Gang gesetzte kritische Vergewisserung über Geschichte und Prinzipien ethnischer Exklusion in Deutschland? Und jetzt sollen ausgerechnet diese Fächer so schlecht, so demütigend behandelt werden?

Natürlich spielt bei dieser Enttäuschung die Wissenschafts- und Hochschulpolitik eine entscheidende Rolle. Auch den Wissenschaftlern ist das Hemd bisweilen näher als der Rock. Warum sollten sie nicht auch einmal so interessenpolitisch denken - oder gar wählen - wie der Handwerker oder der Zahnarzt? Statt die zweifellos an vielen Stellen reformbedürftigen Institutionen wissenschaftlicher Lehre und Forschung zu öffnen und zu flexibilisieren, statt ihnen Autonomie zu geben und damit Neuerungsimpulse zu ermöglichen, ist ein weiterer Zuwachs an Bürokratisierung fast das einzige konstante Merkmal der Hochschulpolitik in der Ära Bulmahn. Die Tendenz, aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine verlängerte Bundesbehörde zu machen, war schon lange vor 1998 im Gange, hat sich seitdem aber noch einmal spürbar beschleunigt. Und jetzt sollen mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes ganze Generationen hochqualifizierter Wissenschaftler in die Arbeitslosigkeit getrieben und die Universitäten eines enormen - und unverzichtbaren - Forschungs- und Lehrpotentials beraubt werden.

Man muß wohl sagen: Wir haben uns getäuscht. Diese Bundesregierung atmet kein Diskursklima.

Anmerkung: Diskutiert doch mal mit Joschkas "Putztruppe"...

In ihr herrscht vielmehr die Mentalität einer völlig unakademischen, ja unbürgerlichen technischen Intelligenz von Sozialaufsteigern vor, denen alles Intellektuelle im Grunde immer schon fremd, suspekt und weltfern erschien.
Übrigens: Besonders viele der jetzt von Frau Bulmahn in das Berufsverbot geschickten Nachwuchswissenschaftler kommen aus "einfachen" Elternhäusern, ohne die Selbstverständlichkeit des bildungsbürgerlichen Hintergrunds, mit der man in vier oder fünf Jahren zur Habilitation stürmt. Sie sind die Gewinner der Bildungspolitik der siebziger Jahre gewesen und werden jetzt doppelt und auf besonders perfide Weise verraten. Und apropos technische Intelligenz: Diese Mentalität erklärt auch die neuartige, fast möchte man sagen: neumodische Geringschätzung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften in einer Zeit, die deren Erklärungen und Analysen mindestens so dringend braucht wie jemals zuvor. Schon breitet sich in politischer Rede und öffentlichem Wort eine neue Semantik aus, nach der "Wissenschaft" eigentlich nur noch die Naturwissenschaften, am besten die Genforschung, bezeichnet.

Nein, das ist nicht die "Berliner Republik", die vielen aus der jüngeren Generation vorschwebte, mit einer Politik des urbanen Dialogs und Diskurses; die autistische Politik, die im Moment betrieben wird, hätte auch sehr gut von Bonn aus gemacht werden können. Nicht, daß man sich nach der "geistig-moralischen Führung" Helmut Kohls von 1982 zurücksehnte. Aber das Fehlen eines intellektuellen Konzepts der Regierung Schröder, das auf einer vorbehaltlosen Analyse unserer sozialen Wirklichkeiten beruht, darf man schon beklagen. Statt dessen folgt die Mehrheit, wie jüngst in der Stammzelldebatte, einer Ethik der puren Opportunität.

Es wäre falsch, an dieser Stelle eigene Versäumnisse zu verschweigen. Haben sich die Kulturwissenschaften in den letzten Jahren vielleicht zu sehr auf die Erforschung und Bewältigung von Erinnerung fixiert - und darüber die wirklich drängenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme vernachlässigt? Die Massenarbeitslosigkeit und die daraus resultierende "neue soziale Frage" ist von den Intellektuellen nie wirklich als Herausforderung begriffen worden, wie überhaupt zu der ökonomisch-sozialen Innovationsschwelle, vor der Deutschland verharrt wie das Kaninchen vor der Schlange, vor allem betretenes Schweigen zu vernehmen ist - man möchte ja nicht neoliberal klingen!

Immerhin, manche früheren Tabus sind in den vergangenen Jahren gebrochen worden. Von Familie und Erziehung als Aufgaben der Gesellschaft darf wieder gesprochen werden, nicht erst seit der Pisa-Studie, sondern dank junger Sozialwissenschaftler und Journalisten. Dabei ist aber auch deutlich geworden: Die ideologischen Lager, welche die Achtundsechziger-Generation so maßgeblich geprägt haben, werden brüchig. Es geht um die Ziele und um gute Argumente: Dann kann man unbefangen prüfen, welche politische Kraft sich diesen Argumenten öffnet und für diese Ziele einzutreten bereit ist. Entweder Habermas oder Luhmann: Solche Alternativen sind für die meisten schon lange passé.

Die Rechnung nach dem Motto "Mit denen kann man es machen, die sind ja sowieso auf unserer Seite, unsere Kumpel im Geiste von 1968" könnte also diesmal nicht aufgehen, schon weil sich die generationellen Erfahrungen verschoben haben. Die alten Schlachtrösser der linken Intelligenz aus den Nachkriegsgenerationen werden sich in den kommenden Monaten fraglos noch einmal in klassischer Weise für Rot-Grün, für Schröder, notfalls auch für Rot-Rot einsetzen. Aber bei den Jüngeren ist das inzwischen nicht mehr so sicher.

Freilich, Edmund Stoiber ist ein harter Brocken für alle, die mit dem Protest gegen Franz-Josef Strauß, den Ziehvater dieses Musterschülers, sozialisiert worden sind. Doch daß Stoiber nicht zum ultrarechten Buhmann taugt, dürfte inzwischen allen klar sein. Mit demokratischem Wechsel muß man leben - warum soll das politische Pendel in der Bundesrepublik immer nur in Zwölf- bis Sechzehn-Jahres-Rhythmen schwingen? Man hat das lange und für die Frühphase der Bundesrepublik zu Recht als Stabilitätsvoraussetzung gelobt, aber seit einiger Zeit ist aus dieser Art der Stabilität Lähmung geworden. Wenn eine Regierung nichts taugt, gehört sie abgewählt.

Lohnt der Appell an die SPD und an die derzeitige Bundesregierung überhaupt noch, die jüngeren Wissenschaftler und Intellektuellen doch noch für sich zu gewinnen? Lohnt sich der Appell an die CDU, an Stoiber, auch an die FDP, sich der kritischen Intelligenz zu öffnen und das im Wahlkampf auch klarzumachen? Mit dumpfen Einwanderungsressentiments oder mit der spätburschenschaftlerischen Selbstgefälligkeit eines Roland Koch wird vermutlich nicht so viel zu ernten sein. Aber man könnte sich auch ein Kabinett Stoiber vorstellen - warum nicht mit Annette Schavan? -, das der Reformpolitik erneut ein klares Profil verleiht und dabei bereit ist, in die intellektuellen Milieus an den Universitäten wieder hineinzuhören. Auf ein paar Wählerstimmen frustrierter Journalisten, Historiker oder Soziologen kommt es wahrscheinlich nicht an. Aber vielleicht können die Intellektuellen vor dem Wahltag doch eine öffentliche Wirkung entfalten, das Meinungsklima beeinflussen, Multiplikator spielen? Zu wessen Gunsten sie das tun, werden sie sich in diesem Jahr ganz besonders genau überlegen.

PAUL NOLTE

Der Verfasser lehrt Neuere Geschichte an der International University in Bremen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.02.2002, Nr. 48 / Seite 49
 
Anmerkung: Man muß nicht unbedingt Intellektueller oder Wissenschaftler sein, um diese Regierung abzuwählen.
Eine leidgeprüfte Identität als Hundehalter, Student, Alleinerziehender, Arbeitsloser, Patient, Tierschützer - oder einfach: STAATSBÜRGER - genügt völlig.

 

 

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.02.2002, Nr. 48 / Seite 49
 
Anmerkung: Man muß nicht unbedingt Intellektueller oder Wissenschaftler sein, um diese Regierung abzuwählen.
Eine leidgeprüfte Identität als Hundehalter, Student, Alleinerziehender, Arbeitsloser, Patient, Tierschützer - oder einfach: STAATSBÜRGER - genügt völlig.

 

 

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