Die Annonce im Fachmagazin
"Reiter Revue" klang viel versprechend: Ein "imposanter vierjähriger
Oldenburger Fuchswallach" wurde angepriesen, "turniererprobt, gesund,
Röntgenbilder o. k."
Für Bianca Meyer, 26, war es Liebe auf den
ersten Blick. Als sie das Dressurpferd bei der Züchterin ausprobierte,
spürte sie sofort, "was für ein lieber Kerl das ist". Noch am gleichen
Januartag kaufte die Hotelfachfrau aus dem bayerischen Kötzting das Tier
für 12 270 Euro in bar.
Doch kaum hatte sie den Fuchswallach daheim ein
paar Mal geritten, fiel der Frau auf, dass er mit seinem linken
Hinterbein nicht mehr richtig auftreten mochte. Aufgeregt ließ sie ihn
in einer Tierklinik untersuchen. Litt er an einer unerkannten
Nervenkrankheit? War sein Rücken bereits verschlissen? Oder hatte er
sich einfach nur in der Reitbahn vertreten? Die Veterinäre konnten keine
eindeutige Ursache für die rätselhafte Macke finden.
"Nach einer durchheulten Nacht" wollte Bianca
Meyer ihr Dressurpferd nun ganz schnell wieder loswerden. Sie nahm sich
einen Rechtsanwalt; dieser verlangte von der Züchterin in der Nähe von
Bremen, den Wallach zurückzunehmen.
Die Züchterin reagierte empört. Bei der Übergabe
sei das Pferd schließlich noch völlig gesund gewesen. Dennoch gab sie am
Ende nach und nahm das Pferd auf halber Strecke wieder entgegen - ihr
blieb auch kaum eine andere Wahl. Denn für den Kauf von Pferden, Kühen
oder Schafen gilt seit Anfang des Jahres nichts anderes mehr als für den
Kauf von Kaffeemaschinen oder Fahrrädern. Auch Tiere können von nun an
noch bis zu zwei Jahre nach dem Kaufdatum umgetauscht werden.
Für Hühner oder Schweine, die ohnehin
geschlachtet werden sollen, dürfte das neue Umtauschrecht kaum eine
Rolle spielen. Weit reichende Folgen wird die Neuregelung hingegen für
den Pferdehandel haben: Die edlen Rösser sollen möglichst lange leben -
und im Unterschied zu Meerschweinchen oder Goldfischen kosten sie viel
Geld.
Bislang genoss der Pferdehandel im deutschen
Kaufrecht einen Sonderstatus. Seit über 100 Jahren gab es im
Bürgerlichen Gesetzbuch eigens eine "Kaiserliche Verordnung", in der
berücksichtigt wurde, dass sich der gesundheitliche Zustand eines
lebenden Tieres von heute auf morgen ändern kann. Aus diesem Grund war
die problemlose Rückgabe eines Pferdes nur möglich, wenn sich in den
ersten 14 Tagen eine schwere Erkrankung oder Verhaltensauffälligkeit
("Hauptmangel") zeigte.
Mit dieser juristischen Extrawurst für den
Viehhandel ist es nun vorbei: Als das deutsche Kaufrecht jüngst an die
neue "Verbrauchsgüterkaufrichtlinie der EU" angepasst werden musste,
wurde die Kaiserliche Verordnung ersatzlos gestrichen. "Wir hielten das
für eine gute Gelegenheit, die Rechte des Käufers auch im Tierhandel zu
stärken", argumentiert Andrea Boehnke, Sprecherin des
Bundesjustizministeriums. "Dadurch entstehende Unsicherheiten werden
sich mit der Zeit schon legen."
Vorerst aber sind Landwirte, Züchter und
Pferdehändler in heller Aufregung. "Das ist wirklich ein Irrsinn, der
Gesetzgeber macht Pferde damit zu Maschinen, die fehlerfrei
funktionieren müssen", kritisiert Tiermediziner Peter Thein von der
Universität München. "Für den gesamten Tierschutz ist das ein
Rückschlag."
Auch Thomas Hartwig, Sprecher der Deutschen
Reiterlichen Vereinigung (FN) in Warendorf, hält die Gesetzesänderung
für groben Unfug: "Leider wollten die Beamten im Justizministerium
einfach nicht erkennen, worin sich ein Pferd von einer Waschmaschine
unterscheidet."
Dass sämtliche gesetzlichen Regeln für den Kauf
und Verkauf von Fernsehern oder Videorecordern ab sofort auch für
Reitpferde gelten, führt zu absurden Konsequenzen. Ähnlich wie bei Autos
muss jetzt zum Beispiel zwischen neuen und gebrauchten Tieren
unterschieden werden.
Doch ab wann ist ein Pferd gebraucht? Allein
schon über diese Frage ist unter den Fachjuristen ein heftiger
Gelehrtenstreit entbrannt: Direkt nach der Geburt? Nach dem Trennen des
Fohlens von der Mutter? Oder erst nach dem Anreiten? FN-Sprecher
Hartwig: "Wir schwimmen in einem riesigen rechtsfreien Raum." Endgültig
vorbei
sein wird es wohl auch mit der Tradition, einen
Pferdekauf per Handschlag zu besiegeln. Bei der Übergabe muss ein Pferd
von nun an die "vereinbarte Beschaffenheit" haben; nur dann gilt es als
"frei von Sachmängeln". Verzichtet der Verkäufer auf einen schriftlichen
Vertrag, dann muss das Pferd nach der Logik der Juristen für alle
irgendwie denkbaren Einsatzzwecke geeignet sein. Fachanwalt Burkart
Fischer: "Und das ist natürlich praktisch unmöglich."
In die Klemme bringt das neue Gesetz zugleich
die Tierärzte. Auf Grund der ausgeweiteten Haftungsregeln im Kaufrecht
wird jeder Verkäufer jetzt tunlichst darauf achten, sein Pferd vorher
untersuchen zu lassen. Kommt es später dennoch zu einem gesundheitlichen
Schaden, wächst für die Tierärzte das Risiko, auf Schadensersatz
verklagt zu werden. Möglicher Vorwurf: Der Pferde-TÜV sei nicht
hinreichend gründlich abgelaufen. Die Versicherungen haben auf die
veränderte Lage bereits mit drastisch erhöhten Prämien für Veterinäre
reagiert.
"Als Tierarzt muss man sich fragen, ob man
überhaupt noch Ankaufsuntersuchungen durchführen sollte. Oder man muss
sicherheitshalber jeden noch so winzigen Mangel bekannt geben, den man
dabei entdeckt", erläutert Veterinär Thein. "Und da es auf Erden keine
perfekten Lebewesen gibt, findet ein Tierarzt mit den heutigen
Diagnosetechniken immer irgendeine anatomische oder physiologische
Besonderheit. Das könnte viele von einem geplanten Pferdekauf
abschrecken."
Besonders weltfremd ist eine weitere
Neuregelung, die beim Handel mit technischen Geräten durchaus sinnvoll
erscheint. Geht etwa ein Videorecorder innerhalb der ersten sechs Monate
kaputt, wird davon ausgegangen, dass dieser schon von Anfang an einen
Defekt hatte; der Kunde darf deshalb automatisch die Reparatur, einen
Preisnachlass oder eben die Rückgabe verlangen - es sei denn, der
Händler kann beweisen, dass beim Verkauf noch alles mit dem Gerät in
Ordnung war.
Genau diese "Beweislastumkehr" haben die
staatlichen Juristen einfach auf den Handel mit Tieren übertragen. Nur
lässt sich ein Lebewesen nun einmal nicht so leicht bedienen wie ein
Kühlschrank - speziell beim Reiten von Pferden unterlaufen unweigerlich
Fehler.
"Als Verkäufer habe ich doch gar keinen Einfluss
darauf, ob der Käufer das erworbene Tier auch ordentlich behandelt",
sagt Pferdehändler Paul Schockemöhle. "Und in einem halben Jahr kann man
jedes Pferd kaputtreiten."
Selbst ein talentiertes Springpferd verliert die
Lust, wenn es von einem schlechten Reiter immer wieder mitten in die
Sprünge gelenkt wird. Schockemöhle: "Und nun muss ich auf einmal
beweisen, dass es bei mir noch munter gesprungen ist."
Manche kleinere Händler wollen sich damit
behelfen, dass sie ihre Pferde fortan über die Ehefrau verkaufen: Bei
Geschäften zwischen Privatleuten gelten nämlich weniger strenge Regeln.
Züchter sind derweil verunsichert, was sie ihren
Kunden überhaupt noch versprechen dürfen. "Ich kann doch niemandem mehr
zusagen, dass meine Fohlen verladefromm sind", ärgert sich Jürgen
Stuhtmann, der im niedersächsischen Bahlburg Hannoveraner züchtet. "Wenn
ich Pech habe, gerate ich an einen, der mit seinem Pferdeanhänger wild
durch die Kurven brettert - und am anderen Tag bringt er mir das Fohlen
zurück, weil es sich vor Angst nicht mehr verladen lässt."
Aber selbst wenn der Reiter alles richtig macht,
kann ein Tier aus heiterem Himmel krank werden. Was dann? Wie soll etwa
ein Züchter oder Händler beweisen, dass ein Pferd, das im Frühjahr
allergisch auf Blütenpollen reagiert, im Jahr davor noch nicht gehustet
hat? Und wer hat Schuld daran, wenn ein Reiter einfach nicht mit seinem
erworbenen Traumpferd klarkommt?
"Die Leute wollen heute für alles eine möglichst
lebenslange Garantie haben", sagt Tiermediziner Thein. "Aber bei einem
Lebewesen geht das nun mal nicht."
Um all diese komplizierten Zusammenhänge werden
sich wohl zunehmend die Gerichte kümmern müssen. Fachleute rechnen
damit, dass weit mehr Pferdekäufe als bisher mit einem Rechtsstreit
enden werden. Schon in den nächsten Monaten erwartet Joachim Wann,
Justiziar der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, "eine wahre
Prozesswelle, darauf sind die Richter noch überhaupt nicht vorbereitet".
"In der juristischen Praxis wird die
Beweislastumkehr sicher bei manchen Krankheiten wieder aufgehoben",
versucht Ministeriumssprecherin Boehnke zu beschwichtigen. "Aber am Ende
müssen das natürlich die Gerichte entscheiden."
"Wegen der schwierigen Materie wird es dann
sicher viele Fehlurteile geben, kleineren Pferdehändlern oder Züchtern
drohen dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile", prophezeit
FN-Sprecher Hartwig. Und er fügt sarkastisch hinzu: "Aber zum Ausgleich
werden durch das neue Gesetz ja auch Tausende neuer Jobs geschaffen -
für Fachanwälte und Prozessgutachter."