TIERHEIME IN NRW
MACHEN MOBIL
NRW-Landespolitikern wurden Anforderungen an ein menschen- und
tiergerechtes Landeshundegesetz vorgelegt. Offener Brief mit Fragen an
Bärbel Höhn. Mit
Online-Petition
und
Webmasteraktion
für ein besseres Landeshundegesetz NRW.
Stellungnahme von Dr. Dorit Urd
Feddersen-Petersen
19. März 2002
Ad Anforderungen an ein Landeshundegesetz
Von Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen
§2 Ziffer 1, TSchG:
Wer ein Tier hält oder betreut, muss "das Tier seiner Art und seinen
Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und
verhaltensgerecht unterbringen".
Diese MAGNA CHARTA der Tierhaltung besagt:
NORMALVERHALTEN muss vom Tier ausgeführt werden können, in bezug
auf jeden Funktionskreis. Die Lebensbedingungen müssen den aus
Verhaltensbesonderheiten erwachsenen Bedürfnissen angepasst werden (nicht
umgekehrt).
Kenntnisse zu Hundeverhalten (Verhaltensbesonderheiten bei Hunderassen /
-populationen inklusive) sind die Voraussetzung dafür, dass Hunde ihr
motivationales Gleichgewicht mit "normalem" Verhalten erreichen,
angeborenes Appetenzverhalten führt zum Erreichen des angestrebten Ziels
- Vermeidung von Unterbindung der Motivation und der angestrebten
Handlung, somit von der Entwicklung von Verhaltensstörungen, die mit
Leiden verbunden sind.
Der Forderungen des Tierschutzvereins für Siegen und Umgebung e.V. , dass
Züchter wie Hundehalter die erforderliche Sachkunde nachzuweisen haben,
ist voll zuzustimmen. Wissen und Kenntnisse vermögen Tiere zu schützen
und Tierschutz und Menschenschutz gehen Hand in Hand.
Ethologische Gemeinsamkeiten von Haushunden bezüglich der Entwicklung
resp. des Erhalts eines Normalverhaltens sind:
Alle Hunde sind hochsozial, müssen in Sozialverbänden (Gruppen) gesellig
leben, die hierarchisch strukturiert sind, was die obligatorische
Statusbestimmung eines Hundes in der Familie impliziert. Hunde übernehmen
sozialen Rollen, sollten Kooperationsmöglichkeiten mit ihren Menschen
haben, um physisch, psychisch und intellektuell ausgelastet zu sein, sie
zeigen ein ausgeprägtes Lernvermögen, dieses auch und gerade im sozialen
Bereich. Hundetraining sollte sich dieser Fähigkeiten bedienen. Positive
Verstärkung von Verhaltensweisen oder Reaktionen über Futter,
Sozialspiele, Zuwendung u.a. müssen dabei eine herausragende Rolle
spielen. Hunde verfügen über ein ausgeprägtes Ausdrucksverhalten, die
Fähigkeit zur Gestaltwahrnehmung - entsprechen damit dem
Ausdrucksvermögen des Menschen sehr. Diese Fähigkeiten sollten genutzt
werden. Hunde vermögen über die Etablierung von Beziehungen hinaus
Bindungen einzugehen. Auch diesem Verhalten und den daraus resultierenden
Bedürfnissen muss vom Sozialpartner Mensch Rechnung getragen werden.
Menschen sind wichtige Sozialkumpane, unverzichtbare "Bestandteile" der
ökologischen Nische des Hausstandes, die Hunden Normalverhalten
ermöglicht - in von Rasse zu Rasse m.o.w. abgewandelter Form.
"Stumme Aufzucht" von Hundewelpen wie isolierte Haltung von Hunden
sind hochgradig tierschutzrelevant!
Kundiger und artgerechter Umgang mit Hunden ist obligatorisch für deren
eingepasst sein in das Zusammenleben mit Menschen. Sicherheit setzt
Wissen voraus, ist niemals das Ergebnis restriktiver Haltungen (eine jede
Hundeleine kann reißen; ein gut sozialisierter und trainierter Hund mit
Menschenbindung ist im Verhalten beeinflussbar. DAS IST SICHERHEIT FÜR
MITBÜRGER!)
Verhaltensentwicklung:
In der Sozialisierungsphase (SCOTT & FULLER, 1965) erfolgt eine äußerst
ausgeprägte Entwicklung neuer Verhaltensweisen, deren normale
Ausgestaltung im sozialen Bereich ausgeprägter Kontakte (Artgenossen,
Mensch) sowie ein "Angebot" flexibler Umweltreize bedarf. Die
Interaktionen von Welpen, die reizarm gehalten werden, nehmen sukzessive
ab, Deprivationsschäden treten zwangsläufig auf.
Angst und Aggression aufgrund mangelhafter Sozialisation kann sich später
gegen den Besitzer, gegen fremde Menschen sowie Artgenossen richten.
Die besten Prophylaxe in bezug auf "gefährliche Hunde" ist eine
hundegerechte Sozialisation an Artgenossen und Menschen (Kinder und alte
Menschen) sowie eine ebensolche Habituation (Gewöhnung an Umweltreize).
Sozial und umweltsichere Hunde zeigen kaum eine schnelle Eskalation
aggressiver Kommunikationen. Unsichere Hunde jedoch, beißen, weil sie
vermeintlich "alles zu verlieren haben", sie beißen aus Angst.
Diese Forderung wird gleichsam vertreten.
Eine Landeshundeverordnungen mit Rasselisten, die Hunde qua
"Abstammung" der Gefährlichkeit bezichtigen und ihnen
tierschutz-relevante Lebensbedingungen auferlegt, ist als hochgradig
tierschutzwidrig einzustufen. Ständiger Maulkorb- und Leinenzwang sind
eindeutige Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht (§§ 1 und 2),
ebenso die "Kasernierung" eingezogener Hunde in viel zu kleinen Ställen /
Ausläufen. Verhaltensstörungen sind zu erwarten, verhaltensgestörte Hunde
werden getötet.
Ständiges Anleinen des Hundes ist tierschutzrelevant, da dem Hund
nicht allein die Möglichkeit genommen wird, seinem Bewegungsbedürfnis
nachzukommen, vielmehr die Möglichkeit der Aufnahme der für einen Hund
bedeutsamen Reizqualitäten verringert oder ganz verhindert wird und sich
schließlich durch das Unterbinden arttypischer Kommunikation mit anderen
Hunden Verhaltensfehlentwicklungen ausbilden können. Die juristischen
Grenzen eines generellen Leinen und Maulkorbzwangs ergeben sich aus dem
Deutschen Tierschutzgesetz i.d.F. von 1998 (§§ 1 und 2).
Der vernünftige Grund oder die Rechtfertigung für diese Maßnahmen am
Hund, ist selbst dann, wenn er auffällig wurde, etwa gebissen hat, oft
zweifelhaft. Möglicherweise ergibt sich erst aus dem Maulkorbzwang eine
soziale Schädigung, die in Form schwerer Verhaltensstörungen auftreten
kann. Hunde mit Maulkorbzwang, die soziale Kontakte zu Artgenossen nur
bedingt unter starken Einschränkungen führen können, die ihre Distanz zu
Sozialpartnern nicht regulieren und ihr Bedürfnis zur
Informationsaufnahme nicht befriedigen können, stellen möglicherweise für
manchen Menschen in bestimmten Situationen sogar ein erhöhtes
Unfallrisiko dar (FEDDERSENPETERSEN, in Vorb.).
Sind Hunde unkontrollierbar bissig geworden, verfügen sie also über eine
hohe und untypische Aggressivität, kann diese Restriktion zum
Menschenschutz unumgänglich werden, jedoch vom Tierschutzgedanken her
nicht befriedigen. Hunde müssen leiden, weil Menschen sie ohne
vernünftigen Grund zu einer Umweltgefährdung machten.
Und hier ist anzusetzen. Es gilt, Menschen wirksam daran zu hindern,
Hunde zu verhaltensgestörten oder verhaltensuntypischen und
menschengefährdenden Individuen zu züchten und auszubilden.
Merkmale, die auf Gefährlichkeit und Tierschutzrelevanz bzw. auf deren
zwangsläufig zu erwartende Genese hinweisen, sind in den Verordnungen zu
benennen, da Gefährlichkeit interpretiert werden muss.
So unsinnig und nicht belegbar die "gefährliche" Rasse ist, so unmöglich
ist insbesondere die Zuordnung von Kreuzungen der aufgeführten Rassen,
die gleichfalls als "gefährlich" gelten. Wir müssen als Tiermediziner
Fakten vertreten - und uns gegen die gesetzlich geforderten Verstöße
gegen den Tierschutz stellen.
In Großstädten gibt es offenkundig ein wachsendes Konfliktpotential
zwischen Menschen, die Angst vor Hunden haben, und Hundehaltern.
Hier gilt es, aufklärend und vorbeugend tätig zu sein, ohne gegen den
Tierschutz zu verstoßen.
Allen Punkten der
Anforderungen an ein Landeshundegesetz
(Tierschutzverein für Siegen und Umgebung e.V.) stimme ich
uneingeschränkt zu.
Kiel, den 19.03.2002
Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen
Ethologin, Fachtierärztin für Verhaltenskunde,
Zusatzbezeichnung Tierschutzkunde
Institut für Haustierkunde
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
20. März 2002
Anforderungen an ein
Landeshundegesetz
Von Tierheimen in NRW
Zum
Schutz von Mensch und Tier muss verhindert werden, dass Hunde durch
fehlende Sachkenntnis, Unverantwortlichkeit oder Profitgier von Züchter,
Halter und Händler ihr angeborenes Wesen derart verändern, dass eine
unmittelbare oder potentielle Gefahr von ihnen ausgeht. Es ist von einer
rasse- gewichts- oder größespezifischen Einteilung in gefährlich,
potentiell gefährlich oder ungefährlich abzukommen und statt dessen eine
individuelle, fachkompetente Beurteilung vorzunehmen. Es muss ferner
gewährleistet werden, dass die durch fehlende Regelungen der
Vergangenheit derzeit noch existierenden, als tatsächlich gefährlich
anzusehenden Halter-Hund-Beziehungen angemessen kontrolliert, mit
Auflagen versehen, oder aufgelöst werden.
Folgende Anforderungen sollte ein Landeshundegesetz
aufweisen, um den genannten Ansprüchen zu genügen:
1. Es muss verhindert werden, dass
ein Jeder, also auch ein Mensch ohne Fachkenntnis und Verantwortung,
sowie einer, der nur am Hund verdienen will, züchten darf. Jede Zucht
muss behördlich genehmigt und überwacht werden. Lediglich eine
Mitgliedschaft des Züchters in einem Dachverband ist hier keinesfalls
ausreichend.
2. Es muss verhindert werden, dass
ein Jeder, also auch ein Mensch ohne Fachkenntnis und Verantwortung,
sowie einer, der nur am Hund verdienen will, Hunde an Dritte abgeben
darf. Jede Weitergabe von Hunden an Dritte muss behördlich genehmigt und
überwacht werden. Hierbei sollten insbesondere die diesbezüglich
erfahrenen, behördlich anerkannten Tierheime des Landes berücksichtigt
werden. Lediglich eine Mitgliedschaft des Händlers in einem Dachverband
ist hier keinesfalls ausreichend.
3. Es müssen alle
Halter-Hund-Beziehungen, unabhängig von Rasse und Größe des Hundes,
behördlich genehmigt und gemeldet sein. Die Hunde müssen ferner mit einem
Mikrochip gekennzeichnet und in einem der anerkannten Zentralregister
registriert werden. Jemand, der einen Hund, gleich welcher Rasse und
Größe, halten möchte, hat die notwendige Sachkunde nachzuweisen. Zum
Nachweis der Sachkunde sollten insbesondere behördlich überwachte
Tierheime und anerkannte, behördlich zu überwachende Hundeschulen
hinzugezogen werden. Die Beantwortung öffentlich bekannter Fragebögen,
oder Dialoge der Halter mit Tierärzten, sind hierfür nicht ausreichend
geeignet. Diese Sachkunde sollte bei der Vermittlung von
Halter-Hund-Beziehungen, welche aus den nach Punkt 2 stammenden Quellen
zusammen geführt werden, direkt von den behördlich anerkannten
Vermittlungsquellen vorgenommen werden können und insbesondere die
individuelle Halter-Hund-Kombination berücksichtigen.
4. Es ist darauf zu achten, dass
Tierschutzgesichtspunkte insgesamt stärker berücksichtigt werden, da nur
durch sachkundigen und artgerechten Umgang mit Hunden ein ausgeglichenes,
für Mensch und Tier ungefährliches Wesen der Tiere gewährleistet werden
kann.
5. Eine Beurteilung der
Gefährlichkeit einer Halter-Hund-Beziehung ist individuell zu erstellen
und darf nicht auf rasse- gewichts- oder größespezifischen Vorgaben
beruhen.
6. Ein Landeshundegesetz sollte,
unter Berücksichtigung der Punkte 1 bis 5, auf der ordnungsbehördlichen
Verordnung über die Zucht, die Ausbildung, das Abrichten und das Halten
gefährlicher Hunde (GefHuVO NW) vom 21 September 1994 aufbauen.
Diese Anforderungen
werden in einem Schreiben von der Ethologin Frau Dr. Dorit Urd
Feddersen-Petersen unterstützt.
Lesen Sie hier.
19. März 2002
Offener Brief an Frau Ministerin Bärbel Höhn
Folgenden offenen Brief erhielt Frau Ministerin
Höhn. Alle Lantagsabgeordneten und Fraktionen erhielten ein
vergleichbares Schreiben:
Sehr geehrte Frau Höhn,
die unterzeichnenden Tierheime aus NRW sehen weder durch die derzeit
gültige LHV-NRW noch durch das angestrebte Landeshundegesetz (LHundG)
zwei wesentliche Punkte gelöst:
a. Der Schutz der Menschen durch gefährliche Hunde und
unverantwortlich handelnde Halter wird nicht gewährleistet.
b. Tierschutzrelevante Missstände werden durch LHV / LHundG
hervorgerufen.
Da die Tierheime in NRW unmittelbar durch diese zwei offenen Fragen
und die Folgen der Ausführung von LHV / LHundG betroffen sind, werden in
Zukunft Tierheime in NRW versu-chen, gemeinsam Lösungen der Problematiken
zu finden. Die Tierheime sind unserer Meinung nach die kompetentesten
Ansprechpartner in Sachen verantwortungsvoller Hundevermittlung und
wurden in dem bisherigen Verfahren zu wenig oder gar nicht einbezogen.
Wir möchten Ihnen daher hiermit wissenschaftlich fundierte Anforderungen
an ein Landeshundegesetz zukommen lassen. Hierbei wurden die
reichhaltigen Erfahrungen der Tierheime einbezogen. Diese Anforderungen
werden unter anderem von der bekannten Ethologin Frau Dr. Dorit Urd
Feddersen-Petersen unterstützt. Wir erwarten, dass Sie diese
Anforderungen in ein Landeshundegesetz einfließen lassen.
In diesem Zusammenhang bitten wir Sie die von uns zusammengestellten
Fragen zur LHV / LHundG zu beantworten, damit wir Ihre bisherigen Ansätze
besser verstehen. Wir bitten Sie höfflichst um rasche Antwort, da die
derzeitige Situation für die Tierheime in NRW nicht länger hinnehmbar
sein wird.
Mit freundliche Grüßen
Die unterzeichnenden Tierheime
Anlagen:
Anforderungen an ein Landeshundegesetz
Stellungnahme von Frau Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen
Fragen zur LHV und zum LHundG
Liste der beteiligten Tierheime
20. März 2002
Fragen zur LHV und zum Gesetzentwurf
LHundG
Von Tierheimen in NRW
1.)
Es liegen zahlreiche Stellungnahmen und Gutachten fachkompetenter
Ethologen vor, welche den Ansatz einer rassespezifischen Einteilung nach
gefährlichem oder harmlosem Hund als falsch und unbrauchbar erachten
(dazu zählen unter anderem Frau Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Uni Kiel
und Univ. Prof. Dr. Irene Stur, Uni Wien). Unsere Frage ist nun, wie Sie
diese Gutachten bewerten, bzw. in den neuen Gesetzentwurf LHundG
einge-bracht haben (eine kleine Auswahl an Gutachten ist angefügt).
Ferner interessiert uns, wie Sie die Fachkompetenz der aufgeführten
Wissenschaftler bewerten.
2.) Welche Fachgremien legten die
bisherigen Rasselisten aus LHV und Entwurf LHundG fest und welche
Argumente führten zur Einteilung der Rassen?
3.) Sie gaben in mehreren
Stellungnahmen zu verstehen, dass die LHV-NRW einen Rück-gang der
Beißvorfälle erbracht habe. Wir interessieren uns für die zugehörigen
Erhebun-gen und bitten Sie, uns diese zukommen zu lassen. Wurden diese
Statistiken auf die Tat-sache normiert, dass eine Vielzahl von Hunden in
den überfüllten Tierheimen gehalten wurden? Wäre ein Rückgang der
Beißunfälle nicht auch eingetreten, wenn Hunde anderer Rassen aus dem
Verkehr gezogen worden wären?
4.) Aus welchem Grund wurde eine
20/40-Regelung eingeführt? Wie beurteilen Sie in die-sem Zusammenhang
beispielsweise die Gefahr eines nicht sozialisierten Jagdterriers
(kleiner 40 cm, leichter als 20 Kg), welcher unbeaufsichtigt mit einem
Kleinkind zusam-men ist? Falls Ihre Antwort diesbezüglich auf §2 des
Entwurfs LHundG oder ähnliche Pa-ragraphen abzielt, wo allgemeine
Pflichten des Halters angesprochen werden: Warum sind diese allgemeinen
Pflichten nicht bei 20/40-Hunden oder Anlagehunden ausreichend?
5.) Wie wird praktisch verhindert,
dass durch Zucht und Weitergabe von Hunden durch kommerziell
ausgerichtete Züchter, Hinterhofzüchter und Händler nicht weitere
gefährli-che Hunde in Umlauf gebracht werden, welche durch fehlende
Fachkompetenz bei Zucht und Haltung bleibende Schäden davontragen?
6.) Warum müssen Hunde, welche einer
Leinenpflicht unterliegen und zudem nach LHV / LHundG ausschließlich von
integren, sachkundigen Haltern geführt werden dürfen, zu-sätzlich einen
Maulkorb tragen (die Möglichkeit der Maulkorb-Befreiung ist hierbei nicht
von belang, da zuerst einmal die Maulkorbpflicht angeordnet ist)?
7.) Die derzeitigen Regelungen zur
Bestätigung einer Sachkunde sind unzureichend. Der Fragenkatalog der
Kreisveterinäre ist mehrfach veröffentlicht; niedergelassene Tierärzte
haben in der Regel keine fundierten kynologischen Kenntnisse. Wie
garantieren Sie die Sachkunde der Halter? Wäre eine Beurteilung der
individuellen Halter-Hund-Beziehung nicht sinnvoller?
8.) Tierheime vermitteln seit je her
in großer Verantwortung Hunde an Menschen und neh-men in diesem
Zusammenhang Beurteilungen der individuellen Halter-Hund-Beziehung vor.
Tierheime tragen auch seit je her die Verantwortung, wann ein Tier zur
Vermittlung frei gegeben wird und wann es aufgrund erhöhter Gefährdung
für Mensch und Tier aus der Vermittlung genommen wird. Warum wird dieses
große Potential in keiner Weise in LHV / LHundG berücksichtigt? Warum
werden Halter-Hund-Kombinationen, welche durch dieses bewährte Verfahren
zusammenkommen, mit Halter-Hund-Beziehungen aus Hinterhofzüchtungen
gleichgesetzt, zumal eine Kontrolle der Tierheime durch amtliche
Tierärzte vorliegt und problemlos diesbezüglich erweitert werden könnte?
9.) Der Entwurf zum LHundG regelt in
§11 Abs. 6 und §5 Abs. 2 die Anleinpflicht für große Hunde und Hunde
bestimmter Rassen. Im Gegensatz zur LHV wird nun auch eine An-leinpflicht
auf allen öffentlichen Wegen, also auch Feldwegen oder ähnlichem,
festge-schrieben. Uns ist nicht ganz klar, wo Hunde neben ausgewiesenen
Auslaufflächen noch unangeleint laufen dürfen und bitten daher um nähere
Erläuterung. Zudem fragen wir uns, auf welche Art und Weise ausreichend
Auslaufflächen geschaffen werden sollen, da diese flächendeckend
verfügbar und genügend groß gestaltet sein müssten. Dieser Punkt könnte
in Konflikt zu geltendem Bundesrecht (Tierschutzgesetz) stehen. Für die
Haltung von Hunden legt die Tierschutz Hundeverordnung (THV) vom 02. Mai
2001 des Bundes das Tierschutzgesetz näher aus: §2 THV: "Einem Hund ist
ausreichend Auslauf im Freien außerhalb eines Zwingers oder einer
Anbindehaltung ... zu gewähren". Kann und soll das zu beschließende
Hundegesetz über der Tierschutz-Hundeverordnung stehen?
10.) Sichergestellte Hunde müssen von
den Kommunen untergebracht werden. Viele Tier-heime sehen sich nicht mehr
in der Lage, für eine artgerechte Unterbringung der sicherge-stellten
Langzeitinsassen im Sinne der Tierschutz-Hundeverordnung zu sorgen. Die
Tier-schutzhundeverordnung ist seit September 2001 in Kraft und sieht für
die Behörden ledig-lich eine befristete Ausnahmemöglichkeit für
vorübergehendes Halten (§9 THV) vor. Die Haltung von Anlagehunden in
Tierheimen ist allerdings meist nicht als befristet anzuse-hen. Zudem ist
eine Ausnahmemöglichkeit für den oben bereits erwähnten §2 THV (Aus-lauf
im Freien) nicht, auch nicht befristet, vorgesehen! Dieser Verstoß gegen
die Tier-schutz-Hundeverordnung des Bundes ist bereits tägliche Praxis
der Kommunen - mit An-zeigen gegen die Kommunen ist in Kürze zu rechnen.
Wir bitten Sie uns mitzuteilen, wie die Kommunen vor diesem Hintergrund
sichergestellte Hunde unterbringen sollen.
20. März 2002
Tierheime in NRW im Schulterschluss
gegen das geplante Hundegesetz
Pressemitteilung vom 20.03.2002
Dieser Tage steht im Landtag NRW die erste Lesung zum Entwurf des
neuen Hundegesetzes an. Damit wollen SPD und Grüne eine verschärfte
Version der bisher gültigen Landeshundeverordnung auf den Weg bringen.
Die Tierheime in NRW fühlen sich übergangen und machen nun mobil. In
einem offenen Brief an Ministerpräsident Clement, Ministerin Bärbel Höhn
und alle Landtagsabgeordneten stellen die Tierheime aus NRW nun ihre
Anforderungen an ein Landeshundegesetz vor und bringen ihren Unmut über
die bisherigen Regelungen zum Ausdruck.
Der Vereinsvorsitzende des Siegener
Tierschutzvereins meint dazu: "Weder der Schutz des Menschen noch der
Schutz des Tieres werden durch den neuen Gesetzentwurf oder die gültige
Landeshundeverordnung gewährleistet. Es liegt kein wirklicher Schutz vor
gefährlichen Halter-Hund-Kombinationen vor, weder die Hundeverordnung
noch das Gesetz sind praktisch durchführbar, es werden jährlich viele
Millionen Steuergelder ohne tatsächlichen Sinn verschwendet und die
Tierheime bleiben überfüllt."
Anerkannte Verhaltensforscher und Tierschützer
sehen in dem bisherigen Ansatz, bestimmte Rassen grundsätzlich als
gefährlich einzustufen, keine Lösung. Vielmehr müsse, nach Meinung
führender Etholgen, bei der Zucht, der Haltung und dem Handel mit Hunden
angesetzt werden. Die Anforderun-gen an ein Hundegesetz, welche den
Landtagspolitikern von den Tierheimen nun vorgelegt wurden, fasst Jürgen
Foß, der Geschäftsführer des Tierschutzvereins, zusammen: "Es muss
verhindert werden, dass ein Jeder, also auch ein Mensch ohne Fachkenntnis
und Verantwortung, sowie einer, der nur am Hund verdienen will, züchten
oder mit Hunden handeln darf. Jemand, der einen Hund, gleich welcher
Rasse und Größe, halten möchte, hat die notwendige Sachkunde nachzuweisen
und zwar nicht nur durch einfaches Auswendiglernen bekannter Fragen. Zum
Nachweis der Sachkunde sollten insbesondere behördlich überwachte
Tierheime und anerkannte, behördlich zu überwachende Hundeschulen
hinzugezogen werden. Nur so kann dauerhaft der Schutz der Bevölkerung und
der Tiere gewährleistet werden. Eine Beurteilung anhand von Rasse,
Gewicht oder Größe ist wissenschaftlich unhaltbar und täuscht der
Bevölkerung lediglich einen Schutz vor, der damit aber keinesfalls
erreicht wird."
Die bekannte Ethologin Dr. Dorit Urd
Feddersen-Petersen, UNI Kiel, unterstützt in einem Schreiben an die
Tierheime deren Initiative und stimmt den erhobenen Anforderungen an ein
Landeshundegesetz zu. Ihrer Meinung nach sind Landeshundeverordnungen mit
Rasselisten, die Hunde nach Abstammung der Gefährlichkeit bezichtigen und
ihnen tierschutz-relevante Lebensbedingungen auferlegen, als hochgradig
tierschutzwidrig einzustufen. Ständiger Maulkorb- und Leinenzwang seinen
eindeutige Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht. In diesem
Zusammenhang weisen die Tierheime darauf hin, dass nach dem Entwurf der
Landesregierung nun kein großer Hund mehr ohne Leine laufen dürfe, nicht
einmal außerhalb der Ortschaften. Dies sei nach dem Willen der
Landesregierung demnächst nur noch auf ausgewiesenen und befriedeten
Hundeauslaufflächen möglich.
Jürgen Foß erläutert den Unmut der Tierheime in
NRW: "Der Steuerzahler und die Tierheime zahlen Unsummen für ein
nutzloses Gesetz. Die Verantwortlichen gaukeln angebliche Erfolge vor, um
den Bürgern eine Scheinsicherheit zu suggerieren. Aber die Tierheime sind
es, die seit je her in großer Verantwortung Hunde an Menschen vermitteln
und Beurteilungen der individuellen Halter-Hund-Beziehungen vornehmen
müssen. Solange allerdings weiterhin Jedem ohne besondere Sachkenntnis
gestattet wird Hunde zu züchten, zu handeln oder zu halten wird es
gefährliche Halter-Hund-Kombinationen geben. Wie lange die Kommunen
dieses Spiel noch mitmachen bleibt abzuwarten."
Die Tierheime fordern nun gemeinsam die
Landesregierung auf, den Gesetzentwurf drastisch anzu-passen. Frau
Ministerin Höhn wird überdies aufgefordert, einen Fragebogen zu
beantworten, welcher die Missstände der alten und neuen Regelung der
Landesregierung aufzeigen soll. Jürgen Foß meint abschließend: "Wir
denken nicht, dass ein solches Vorgehen der Landesregierung politisch ein
zweites Mal akzeptiert wird. Die Tierheime in NRW werden gemeinsam an
weiteren Maßnahmen überlegen, um nun endlich die Erfahrungen der Basis
und der Wissenschaftler berücksichtigt zu wissen und politische
Entscheidungen wieder von Sachverstand und nicht von Aktionismus lenken
zu lassen. Wir möchten nicht nur kritisieren, sondern bieten der
Landesregierung unsere Hilfe an."
Der vollständige offene Brief und weitere Details
sind auf der Homepage der Siegener Tierschützer unter
www.tierheim-siegen.de zu finden. Dort ist auch eine Online-Petition
installiert, mit welcher die Bevölkerung die Forderungen der Tierheime
unterstützen kann.
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