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Newsletter von Maulkorbzwang und den Dogangels


Hundegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeshundegesetz - LhundG

       NRW)

       Gesetzentwurf

       der Fraktion der SPD und

       der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

       Drucksache 13/2387

       erste Lesung

 

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die antragstellenden Fraktionen Herrn Kollegen Körfges von der SPD das Wort. - Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, bei Verlassen des Saales etwas ruhiger vorzugehen, damit wir den Ausführungen des Kollegen Körfges auch folgen können.

Hans-Willi Körfges*) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

          (Unruhe)

- Weil die Hintergrundgeräusche im Augenblick überwiegen, lasse ich mir noch etwas Zeit.

 

Vizepräsident Jan Söffing: Meine Damen und Herren, ich darf Sie - wenn Sie den Plenarsaal verlassen - darum bitten, das ruhig zu tun, damit der Kollege Körfges nicht nur das Wort hat, sondern auch gehört wird. - Herr Körfges, ich glaube, jetzt können wir loslegen.

 

Hans-Willi Körfges*) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir treten heute in die Beratungen zum Landeshundegesetz NRW ein. Erlauben Sie mir - bevor ich mich mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen im Detail beschäftige - bitte einige Bemerkungen zur Vorgeschichte:

          (Unruhe - Glocke)

Allgemein bekannt ist, dass bis Mitte 2000 die Gefahrenhundeverordnung galt. Klaus Matthiesen hat seinerzeit als der zuständige Fachminister eine zum damaligen Zeitpunkt als vorbildlich anerkannte Regelung geschaffen. Die Wirksamkeit dieser Regelung ist allerdings nach zahlreichen schrecklichen Vorfällen von der Öffentlichkeit zu Recht hinterfragt worden. Ohne auf die Vorfälle im Einzelnen eingehen zu wollen, erinnere ich an die schrecklichen Vorgänge, bei denen insbesondere Kinder und ältere Menschen Opfer wurden. Meine Damen und Herren, die Ursachen - meine Fraktion hat das immer so artikuliert - liegen sicherlich weniger in den typischen Eigenschaften der Tiere begründet. Nach meinem persönlichen Eindruck, den viele Kolleginnen und Kollegen teilen, liegt die Ursache in Tendenzen in Teilen unserer Gesellschaft, Hunde zu Zwecken zu halten, die einem vernünftigen Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier geradezu widersprechen.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle nicht über die Wesensmerkmale einzelner Hunderassen spekulieren; aber etwas ließ sich objektiv feststellen, nämlich die verstärkte Nachfrage nach Rassen, die aufgrund ihrer Körperkraft und weiterer Merkmale in falschen Händen zu gefährlichen Werkzeugen unzuverlässiger Halterinnen und Halter werden können und leider auch geworden sind. Diese allgemein als "Kampfhunde" bezeichneten Tiere sind zum zentralen Gegenstand einer öffentlich geführten Diskussion geworden. Nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in allen Bundesländern haben die zuständigen Ministerinnen und Minister entsprechend über Verordnungen reagiert, die - und das macht den Unterschied aus - präventiv Verhaltensregeln für den Umgang mit gefährlichen Tieren vorsahen.

Die Landeshundeverordnung vom 30. Juni 2000 ist eine solche Regelung. Sofort nach der Veröffentlichung des Erlasses gab es - auch in meiner Fraktion - erhebliche Kritik: zum einen an dem Umfang der dort in zwei Listen aufgeführten Hunderassen und zum anderen an der Tatsache, dass es in den einzelnen Bundesländern zu sehr unterschiedlichen Auflistungen hinsichtlich dieser im engeren Sinne als gefährliche Hunde bezeichneten Tiere gekommen ist.

Ein weiterer Punkt - nämlich der Sachkundenachweis - hat für Aufregung gesorgt und wird auch wohl noch weiter für Aufregung sorgen. Ich gehe davon aus, dass die Mehrzahl der verantwortlichen Hundehalterinnen und Hundehalter gerade dann, wenn große Tiere gehalten werden, akzeptiert hat, dass Sachkunde im Umgang mit solchen Tieren eine vernünftige und unabdingbare Voraussetzung ist.

Anders verhält es sich beim Nachweis der Zuverlässigkeit. Dort ist auch von Teilen meiner Fraktion die Kritik an der Forderung getragen worden, dass der bei einem großen Hund unerlässliche Nachweis, ein zuverlässiger Halter oder eine zuverlässige Halterin zu sein, regelmäßig an die Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse geknüpft war. Gerade erfahrene Halterinnen und Halter, deren Tiere über 40 cm groß sind und mehr als 20 kg wiegen, haben Widerspruch artikuliert. Für eine solchen Widerspruch räume ich durchaus Verständnis ein.

Selbstverständlich ist die Umkehr der Beweislast - zu diesem Thema ereilen uns derzeit wieder Zuschriften - ein zugegebenermaßen schwieriges Thema. Allerdings ist das nicht eo ipso etwas, das man nicht leisten könnte. Es gibt andere Gesetze, nach denen so etwas eindeutig vorgesehen ist. Bezogen auf Einschränkungen bei der Tierhaltung - ich denke dabei an den Maulkorb- und Leinenzwang - ist das unter juristischen Aspekten sicherlich nicht unproblematisch. Allerdings vermag ich - anders als zahlreiche Kritikerinnen und Kritiker - keinen Verstoß beispielsweise gegen Verhältnismäßigkeit und Gleichheitsgebot aus der Verfassung abzuleiten. Dem folgen wir mit unserem Entwurf. Alle, die sich mit der Materie näher beschäftigen, wissen, dass Art. 3 unseres Grundgesetzes ganz deutlich Gleiches gleich behandelt sehen will und überall dort, wo eine Differenzierung geboten ist, eben auch Ungleichheit zur Differenzierung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geradezu einfordert.

Meine Damen und Herren, die frühere Regelung - ich meine unsere alte Gefahrenhundeverordnung - stellte in der Regel auf konkrete Vorgänge und Anlässe ab. Dem ist von weiten Teilen der Öffentlichkeit - zu Recht wie ich meine - entgegengehalten worden, dass es oft erst eines tragischen Ereignisses bedurfte, um ordnungsbehördlich tätig werden zu können.

Meine Damen und Herren, bei der Betrachtung von Regelungen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht wird regelmäßig intensiv hinterfragt, ob der beabsichtigte Schutzzweck - hier der Schutz von Leib und Leben - mit einer Vorschrift erzielt wird. Bei aller Kritik, die meine Fraktion zum Teil mitträgt und hinter der ich zum Teil persönlich gestanden habe, kann niemand ernsthaft in Abrede stellen, dass die Zahl schwerer Beißvorfälle in Nordrhein-Westfalen deutlich zurückgegangen ist. Ebenso deutlich wird niemand bestreiten können, dass selbst die vollkommenste gesetzliche oder ordnungsbehördliche Regelung den absoluten Schutz nicht geben kann.

Unsere Landtagsfraktion hat sehr sorgfältig abgewogen, wo es zwingend einer gesetzlichen Regelung bedarf und wo wir auch hinsichtlich der Korrektur der bisherigen Landeshundeverordnung Handlungsbedarf gesehen haben. Damit der Gesetzgebungsvorgang zügig eingeleitet werden konnte, haben es die Koalitionsfraktionen übernommen, diesen Gesetzentwurf vorzulegen und zu vertreten.

Ich bin mir aber - lassen Sie mich das sagen, bevor ich auf Details eingehe - im Klaren darüber, dass es im Verlauf der Beratungen in einigen Punkten zu Ergänzungen, Umformulierungen und Änderungen kommen wird, ja zwingend kommen muss.

Wir sind uns - ich kann mich beim Kollegen Priggen bedanken, darüber haben wir sehr sorgsam diskutiert - in einigen Punkten, zu denen ich im Detail jetzt Stellung nehmen werde, einig darüber, dass der öffentlichen Anhörung und der Einbeziehung von Sachverstand bei den weiteren Beratungen eine hohe Bedeutung zukommt. Wir wollen diese Stellungnahmen in das weitere Gesetzgebungsverfahren einbeziehen und gegebenenfalls hierauf reagieren.

Es gibt auch juristisch eine Stelle - ich verhehle das nicht -, an der die Frage der Rasselisten wieder eine Rolle spielt. Wir haben es mit der Zulassung der Revision gegen die Verordnung des Landes Schleswig-Holstein zu tun, die jetzt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorliegt. Es gibt ja auch in anderen Bereichen höchstrichterliche Rechtsprechung. Aus der Tatsache, dass eine Revision zugelassen worden ist, den Rückschluss zu ziehen, dass die Rasselisten, um die es im Wesentlichen geht, rechtlich nicht zulässig sind, halte ich für zu weit gehend. Ich bin gespannt, wie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausfallen wird. Ich hoffe, dass wir diese Entscheidung noch in das Gesetzgebungsverfahren einbeziehen können.

Unser Entwurf ist bereits im Vorfeld kritisch gewürdigt worden. Dabei spielen erneut die so genannten Rasselisten eine wesentliche Rolle. Die SDP-Landtagsfraktion wollte, dass es bezogen auf die gelisteten Rassen eine bundeseinheitliche Regelung gibt. Dank der Innenministerkonferenz, die dazu einen einheitlichen Vorschlag vorgelegt hat, der auch in unionsregierten Ländern durchaus respektiert wird, haben wir jetzt einen Maßstab, den wir auch zum Inhalt unseres Gesetzentwurfs gemacht haben. Ich finde, es ist vernünftig, diese Liste auf insgesamt 14 - vier als ausgesprochen gefährlich eingestufte Rassen und zehn weitere - zu reduzieren.

Darüber hinaus sind im Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Punkten vorhanden, die sich an alle Hundehalterinnen und Hundehalter wenden. Auch das halten wir für vernünftig. Nur: Gerade in diesen Bereichen ereilt uns jetzt aber eine Kritik, die ich an einigen Stellen nicht nachvollziehen kann. Vernünftig und sachgerecht handelnde Halterinnen und Halter von Tieren sollten ein hohes Interesse daran haben, dass diejenigen, die nicht ordentlich mit den Tieren umgehen, entsprechend mit Strafen und Bußgeldern belegt werden können. Insoweit stehe ich eindeutig zu dem verstärkten Straf- und Ordnungswidrigkeitenrahmen, den wir vorgesehen haben.

          (Zustimmung von Reiner Priggen [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wer durch fahrlässigen oder sogar vorsätzlichen Umgang sein Tier zur Gefahr für andere macht, der muss künftig mit härteren Strafen rechnen. Ich denke, das dient auch denjenigen, die vernünftig mit ihren Tieren umgehen.

Bei den großen Hunden - das ist einer der Punkte, die sicherlich noch vertieft diskutiert werden müssen - sind nach § 11 des Entwurfes Kennzeichnung, Versicherung und Sachkunde obligatorisch vorgesehen. Die Zuverlässigkeit - dazu habe ich schon etwas gesagt - ist ebenfalls angesprochen und dort als Voraussetzung angesehen worden.

     (Vorsitz: Vizepräsidentin Edith Müller)

Viele Hinweise aus dem Kreis von Hundeverbänden gingen in die Richtung, Versicherungspflicht und Kennzeichnung für alle Hunde vorzusehen. Ich kann diesem Gedanken etwas abgewinnen. Auf der anderen Seite haben wir auch wegen der zusätzlichen materiellen Aufwendungen für weite Teile der Bevölkerung davon abgesehen, das obligatorisch zu machen. Ich denke, es ist vertretbar und nachvollziehbar, für Hunde mit besonderer Körperkraft oder besonderer Größe solche Verpflichtungen dennoch obligatorisch vorzusehen.

Die Frage nach der Zuverlässigkeit sollte unseres Erachtens vor Ort entschieden werden. Wir erwarten, dass die kommunale Familie uns Hinweise darauf gibt, wie am praktikabelsten vorgegangen werden kann. Die SPD will nicht, dass Menschen nur deshalb pauschal unter Verdacht geraten, weil sie einen Hund von einer Größe von mehr als 40 cm Schulterhöhe oder mit mehr als 20 kg Gewicht halten.

Auch bei uns ist die Diskussion kontrovers geführt worden. An einigen Stellen ist sicherlich eine vertiefte Diskussion erforderlich.

Zum Abschluss meiner Ausführungen will ich noch einen Punkt vertiefen: die Anleinpflicht. Wir wollten gemeinsam ausschließen, dass Hunde in Bereichen und Situationen mit ganz erheblichem Publikumsverkehr zur Gefahr werden können. Wir wollen auf der anderen Seite artgerechte Haltung von Tieren nicht dadurch verhindern, dass wir gerade größeren und stärkeren Tieren, die nicht auffällig geworden sind, den Auslauf unmöglich machen. Das würde nachgerade einer artgerechten Haltung widersprechen.

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Herr Körfges, Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

 

Hans-Willi Körfges*) (SPD): Ja, ich komme jetzt auch zum Schluss. - Deshalb ist an diesem Punkt noch einmal ein verstärktes Nachdenken nötig.

Insgesamt hoffe ich, dass wir der Versuchung widerstehen, das Thema populistisch auszunutzen und nach der Art der beiden Herren aus der "Muppet-Show" Stadler und Waldolf nur zu sagen, was uns nicht passt und mit eigenen Vorschläge zurückhaltend umzugehen. Ich denke, wir können gerade bei einem Gesetzgebungsverfahren, das durch das Parlament eingeleitet worden ist, mit einem hohen Konsensgrad arbeiten. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. - Vielen Dank.

          (Beifall bei SPD und GRÜNEN)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Körfges. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Priggen das Wort.

 

Reiner Priggen*) (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Körfges hat schon viele Punkte aufgeführt. Ich will noch einige Ergänzungen bringen.

Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit einem Landeshundegesetz? Wir haben eine Landeshundeverordnung, die sehr vernünftig und schnell das geregelt hat, was notwendig war.

Ich möchte noch einmal den Ablauf in Erinnerung rufen. Ich habe mir die alten Presseberichte herausgesucht, wie nach den tödlichen Unfällen in Gladbeck und in Hamburg alle - ich könnte auch reihenweise Kollegen von der FDP-Fraktion auf-

führen - nach ganz harten Konsequenzen gerufen haben.

Das Schicksal derjenigen, die regieren und handeln müssen, besteht darin, Konsequenzen ziehen zu müssen. Sechs Wochen später, wenn die Medienwelt nicht mehr so scharf auf ein Thema schaut, können die anderen aus den Ecken kommen und die Regierenden dafür geißeln, dass sie eingegriffen haben.

          (Dr. Friedrich Wilke [FDP]: Aber nicht mit Leinenzwang!)

Das ist das Privileg der Opposition; man muss es nur klar wissen und benennen.

Für uns bedeutet es eine Bestätigung, dass die Innenministerkonferenz die Systematik der Hundeverordnung aus Nordrhein-Westfalen mit den Rasselisten für besonders gefährliche Hunde, die so genannten Kampfhunde, und für andere Rassen übernommen hat. Insofern ist das, was wir im Hinblick auf die Umsetzung immer gesagt haben, vernünftig: Wenn es auf Bundesebene zu einer Vereinheitlichung kommt, dann schließen wir uns ihr an, weil es unvernünftig wäre, in 16 Ländern 16 verschiedene Verordnungen zu haben. Das heißt, die Eckpunkte, auf die sich die Innenministerkonferenz im November verständigt hat, sollen bei uns übernommen werden. Das ist ein richtiger Schritt.

Es ist auch richtig, dies in einem Gesetz zu regeln, weil darin der Strafrahmen deutlich härter gestaltet werden kann; das ist ein wichtiger Punkt. In dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass diejenigen, die Hunde auf Menschen oder auf andere Tiere hetzen und damit die Absicht verfolgen, sie zu verletzen, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft werden können. Eine solche Regelung kann in einer Verordnung nicht getroffen werden. Das ist gerade für Personen, die mit den Hunden sehr böswillig umgehen und schwere Schäden verursachen, ein angemessener Strafrahmen.

          (Beifall bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt, der dafür spricht, diesen Sachverhalt gesetzlich zu regeln, wurde auch von der Opposition immer gefordert: Die Debatte hierüber sollte in einem parlamentarischen Verfahren geführt werden. Ich bin auf die ganz konkreten Änderungsvorschläge und Anregungen vor allen Dingen der Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion gespannt, die in der Front der Kritiker immer weit vorn zu finden waren.

          (Dr. Stefan Grüll [FDP]: Sind, nicht waren! Und sein werden!)

- Ich nehme zur Kenntnis: sind und sein werden.

          (Dr. Stefan Grüll [FDP]: So ist das richtig!)

Ich bin gespannt, ob Sie sich sachlich mit den Rasselisten und den Vereinheitlichungen der Innenministerkonferenz auseinander setzen oder weiter ihre populistische Linie verfolgen werden. - So viel zur Innenministerkonferenz.

Die Abstufung in zwei verschiedene Rasselisten ist richtig und vernünftig. Es handelt sich dabei zum einen um die Liste mit den vier besonders gefährlichen Hunderassen und zum anderen um die zweite Liste mit zehn weiteren Hunderassen.

Auf einen weiteren Punkt werden wir als Grüne nicht verzichten, weil wir ihn für wichtig halten. Das ist die Regelung für die so genannten 20/40-Hunde, d. h. Hunde, die aufgrund ihrer Größe und ihrer Beißkraft gefährlich sein können. Die Regelungen, die im Hinblick auf die Menschen gefordert werden, die diese Hunde halten wollen, sind aus unserer Sicht absolut vernünftig und vertretbar. Niemand kann etwas gegen eine obligatorische Haftpflichtversicherung haben. Ebenso habe ich keine Kritiken an der vorgesehenen Kennzeichnung über Chip gehört; dagegen kann ebenfalls niemand etwas haben. Niemand kann vernünftigerweise ablehnen, dass jemand seine Sachkunde nachweisen muss, wenn er einen solch großen Hund halten will, weil natürlich ein Schäferhund, ein Dobermann oder andere große Hunde ein gewisses Gefährdungspotenzial darstellen. In diesem Zusammenhang ist die der Verordnung entsprechende Regelung praktikabel, dass die Sachkunde derjenigen, die über Jahre hinweg einen Hund ohne Beanstandung gehalten haben, anerkannt wird.

Wie Herr Körfges richtig darstellte, sind dies alles Punkte, bezüglich derer wir auf sachkundige und vernünftige Vorschläge und Anregungen in der Anhörung einzugehen bereit sind.

          (Zuruf von der CDU)

Wir waren uns unsicher, ob wir die Frage der Haftpflichtversicherung und die Frage des Chippens für alle Hunde vorschreiben sollten. Es gibt Leute, die vernünftigerweise sagen: Auch die kleinen Hunde können auf die Straße laufen und erhebliche Schäden verursachen; lasst uns eine Haftpflichtversicherung vorschreiben, damit diejenigen, die bei einem so verursachten Autounfall schwere Schäden erleiden, geschützt sind. Wir hatten zunächst darauf verzichtet. Das ist ein Punkt, der in der Anhörung noch angesprochen werden wird. Wir hätten den Kreis der Betroffenen sonst sehr stark erweitert. Darüber kann man vernünftig reden.

Leider hat die Präsidentin Herrn Körfges ganz zum Schluss etwas ausgebremst.

          (Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

- Das ist schade, denn Sie hätten es sonst noch klarer gesagt.

Wir haben eine Regelung zur Leinenpflicht für größere Hunde vorgesehen; damit wurde über den Vorschlag, den wir Grüne eingebracht haben, hinausgegangen. Wir hatten vorgeschlagen, die Anleinpflicht nur innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile aufzunehmen, so, wie es in der Verordnung bereits geregelt ist.

          (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Auf Wunsch der SPD-Fraktion wurde diese Regelung weiter ausgedehnt; d. h. die Einschränkung wurde gestrichen. Wir hören jetzt sehr deutliche Kritik. Wir als Grüne kehrten gern zu der Regelung, die vorher in der Verordnung enthalten war, zurück. Damit bestünde eine Anleinpflicht nur innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile, während derjenige, der mit seinem Hund auf Feld- und Waldwege geht und mit ihm vernünftig umgeht, den Hund dort laufen lassen kann, weil anderenfalls aus unserer Sicht die Einschränkung sehr stark wäre.

Ich habe Herrn Körfges auch so verstanden, dass die SPD bereit ist, darüber nachzudenken. Als Signal an dieser Stelle sage ich: Das lösen wir dann vernünftig nach der Anhörung.

Meiner Meinung nach haben wir damit ein vernünftiges Stück Arbeit geleistet. Ich bedanke mich auch bei den Kollegen der CDU und der FDP dafür, dass sie bereit waren, die Anhörung sehr schnell zu terminieren; das hätten wir sonst nicht machen können. Das war ein Entgegenkommen. Das heißt, am 19. April findet die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf hier im Landtag mit einem breiten Kreis von Sachverständigen statt, auf die wir uns geeinigt haben. Anschließend können wir schnell in das formale Gesetzgebungsverfahren im Ausschuss eintreten und relativ zügig entsprechende Beschlüsse fassen. Dafür schönen Dank. Wir stimmen der Überweisung natürlich zu.

          (Beifall bei GRÜNEN und SPD)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Priggen. - Herr Körfges, Sie wissen, dass ich nicht ausbremse, sondern dass ich als Vizepräsidentin dafür zu sorgen habe, dass die Redezeiten eingehalten werden. Durch den letzten Redebeitrag hat sich dieser Punkt wohl erledigt. - Für die Fraktion der CDU rufe ich Herrn Uhlenberg auf. Bitte schön, Herr Uhlenberg, Sie haben das Wort.

 

Eckhard Uhlenberg (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Priggen, Sie wissen, dass das zügige Umsetzen von Gesetzentwürfen - vor allem dann, wenn sie den Menschen in Nordrhein-Westfalen dienen - noch nie an der CDU-Fraktion gescheitert ist. Von daher war es völlig klar, dass wir dazu beigetragen haben, schnell zu einer Anhörung zu kommen, damit dieses Hundegesetz in Nordrhein-Westfalen endlich auf den Weg gebracht wird, sofern es denn sinnvoll ist.

Meine Damen und Herren, wir können jedoch heute schon feststellen, dass das Ende der fachlich völlig verfehlten Landeshundeverordnung Nordrhein-Westfalen absehbar ist. Das ist die gute Nachricht, über die wir heute schon debattieren können.

Bis auf einige uneinsichtige grüne Kollegen und natürlich Frau Ministerin Höhn sind wir alle hier im Plenum uns heute einig, dass die Landeshundeverordnung ein Schuss in den Ofen war.

          (Dr. Ingo Wolf [FDP]: Natürlich, wie immer!)

Die Landeshundeverordnung hat die Menschen in Nordrhein-Westfalen in Hundehalter und Hundehasser gespalten. Sie wurde zulasten von Menschen und Tieren in unserem Land fast ohne jeglichen fachlichen Sachverstand schnell zusammen geschustert. Die völlig überzogenen, ja exzessiven Rasselisten, die 42 Hunderassen auf den Index setzen, haben national und international Kopfschütteln hervorgerufen.

          (Dr. Ingo Wolf [FDP]: Ein grünes Machwerk!)

Die Kommunen wurden von der Landesregierung mit den finanziellen Auswirkungen des bürokratischen Molochs Landeshundeverordnung sowie den Ausführungsbestimmungen dazu allein gelassen, die überfüllten Tierheime in Nordrhein-Westfalen ebenfalls. Aber - so sind sie, unsere Kollegen von SPD und Grünen -: Einerseits nehmen sie begeistert die Initiative der CDU zur Aufnahme des Tierschutzes in die nordrhein-westfälische Landesverfassung auf, andererseits machen sie eine Politik in Nordrhein-Westfalen, die zu katastrophalen Bedingungen für die Tiere in den Tierheimen führt. Wie in einigen, die davon besonders betroffen sind, Hunde als Mitgeschöpfe gehalten werden und dahin vegetieren müssen, das hat in einigen Fällen in Nordrhein-Westfalen nichts mehr mit der Bewahrung der Schöpfung und mit dem Tierschutz zu tun.

Für diesen Skandal tragen Sie, Frau Höhn, auch der Innenminister, aber auch der Ministerpräsident selbst die Verantwortung. Denn er hat schließlich im Kabinett dafür gesorgt, dass diese Landeshundeverordnung verabschiedet wurde. So weit ein kurzer Blick zurück im Zorn.

Und nun zu dem, Frau Höhn, was Sie heute dem Landtag zur Beratung vorlegen. Formal steht nämlich auf dem Gesetzentwurf SPD und Grüne auf der ersten Seite. Aber tatsächlich hat Frau Höhn die Feder geführt. Es ist wie bei der Ankündigung der Koalitionsfraktionen für die Pressekonferenz zur Vorstellung des Gesetzentwurfs: An erster Stelle steht Frau Höhn. Danach reihen sich brav die Sprecher von SPD und Grünen ein. Das ist schon ein tolles Selbstverständnis von parlamentarischer Arbeit, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der Grünen. Wir haben in einem anderen Zusammenhang in den letzten Tagen das Thema schon einmal hier diskutiert.

Ich werde an dieser Stelle nicht in eine Detaildiskussion zum Höhnschen Gesetzentwurf einsteigen. Stattdessen möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen machen. Die grundsätzliche Debatte führen wir dann nach der Anhörung.

Erstens. Dieser Gesetzentwurf kommt anderthalb Jahre zu spät. Die unselige Zeit seit Inkrafttreten der Landehundeverordnung bis heute ist eine verlorene Zeit für den Schutz von Menschen und Tieren vor tatsächlich gefährlichen Hundezüchtern und Hundehaltern.

Zweitens. Das Argument von Frau Höhn, sie habe mit dem Gesetzentwurf so lange gewartet, um eine mit den anderen Bundesländern abgestimmte Lösung zu finden, ist vorgeschoben. Zwar werden jetzt die zwei Rasselisten mit insgesamt 14 Hunden aus der Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz übernommen, damit sind die von der Regierung Clement/Höhn/Behrens auf den Index gesetzten insgesamt 42 Hunderassen in diesem fachlichen Wahnsinn vom Tisch.

Man stelle sich einmal vor, meine Damen und Herren, mindestens eine Hunderasse der 42 von Rot/Grün gelisteten könnten nur noch unsere Urururahnen, die inzwischen verstorben sind, nachvollziehen. So unrealistisch waren die Rasselisten, die uns bisher vorgeführt worden sind. Und mit fachlich sauberer Arbeit hatte das auch nichts mehr zu tun. Trotzdem weichen Frau Höhn und Herr Behrens bewusst vom Ergebnis der Innenminister-Arbeitsgruppe ab, indem sie auch heute weitreichende Regelungen für große Hunde im Gesetzentwurf vorsehen. Betroffen sind die so genannten 20/40er-Hunde, also Tiere, die mindestens 20  kg wiegen und 40 cm Schulterhöhe haben. Was kann aus diesem Vorgehen geschlossen werden?

Die Landesregierung nimmt sich aus dem Kompromiss der Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz, der übrigens von drei Bundesländern nicht mitgetragen wird, das heraus, was ihr passt. Oder anders gesagt: Wenn das Ergebnis der Innenministerkonferenz-Arbeitsgruppe für die Regierung Clement/Höhn sowieso nur ein mehr oder weniger unverbindlicher Warenhauskatalog ist, hätten SPD und Grüne mit dem Gesetzentwurf nicht so lange warten brauchen, da das Argument der Harmonisierung mit den anderen Bundesländern offensichtlich nur vorgeschoben ist.

Drittens. Meine Damen und Herren, die CDU erwartet, dass die Expertenanhörung zur Landeshundeverordnung ergebnisoffen ist. Das ist diesmal ein ganz wichtiger Punkt. Wir wollen keine Alibi-Veranstaltung, wie sie SPD und Grüne im September 2000 zur Landeshundeverordnung

durchgeführt haben. Das war damals ein ganz unwürdiges Schauspiel, verehrte Kollegen von SPD und Grünen: Während Sie noch tagten und die Experten meinten, sie mit guten Argumenten überzeugen zu können, verkündete Frau Höhn schon vor laufenden Kameras, es werde an der Landeshundeverordnung nichts geändert. So ein Skandal, meine Damen und Herren, darf sich bei diesem Gesetzentwurf nicht wiederholen.

Was heißt ergebnisoffen für die CDU? Der gesamte Gesetzentwurf kommt damit für uns auf den Prüfstand. Wie könnte es denn auch anders sein? Frau Höhn hat bei diesem Gesetzentwurf die einschlägigen Sachverständigen wieder nur unzureichend oder gar nicht beteiligt. Uns wurde von vielen Seiten gesagt: Da gab es ein unverbindliches Gespräch, oft nur telefonisch. Da gab es bei konkreten Nachfragen von Fachverbänden und Experten ein ziemliches Mauern seitens des Ministeriums.

Deshalb ist es nur konsequent, dass auch die Wirkung von Rasselisten auf den Schutz von Menschen vor tatsächlich gefährlichen Hunden und deren verantwortungslosen Züchtern und Haltern in der Anhörung diskutiert wird.

Sie, liebe Frau Kollegin Schmid - ich weiß gar nicht, ob sie im Moment da ist, Kollege Körfges hat die Rede gehalten; doch, sie ist da -, haben für die SPD auf der Pressekonferenz zum Gesetzentwurf am 5. März 2002 gesagt - ich zitiere -: "Es ist nicht eine Hunderasse, die gefährlich ist, sondern es ist der einzelne Hund." Gleichzeitig haben Sie zwei Tage später in der Agrarausschusssitzung auf meine Frage erklärt, dass sich die Ergebnisoffenheit der Anhörung aus Ihrer Sicht nicht auf die Rasselisten beziehen könne. Dieser Widerspruch, meine Damen und Herren, muss geklärt werden, ob also diese Anhörung wirklich ergebnisoffen ist.

          (Irmgard Schmid [SPD]: Es gibt Ratsbeschlüsse und Innenministerkonferenzbeschlüsse!)

Herr Kollege, zu dem Thema, das auch gerade von den Grünen angesprochen worden ist, wann die Hunde angeleint werden müssen und wann nicht, gibt es eine unterschiedliche Sichtweise der beiden Koalitionsfraktionen. Ich glaube, auch dieser Punkt muss noch einmal offen diskutiert werden. Ich hatte übrigens gerade den Eindruck, dass sich die Grünen in dieser Frage, was den Leinenhaltungserlass angeht, von diesem gemeinsamen Gesetzentwurf schon ein Stück distanzieren, sodass diese Frage von vornherein noch einmal diskutiert werden muss. Widersprüchliches sind wir von der SPD in den letzten Wochen und Monaten haufenweise gewöhnt. Ich nenne nur die Stichworte Schweinehaltungserlass und Windkraft.

Ich kann die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen nur davor warnen: Missbrauchen Sie die Anhörung des Fachausschusses zum Landeshundegesetz am 19. April 2002 nicht wieder zu einer Alibi-Veranstaltung! Denn wenn wir die Meinung der Experten nicht ernst nehmen, nehmen wir unsere eigene Arbeit als Gesetzgeber auch nicht ernst.

Lassen Sie mich abschließend für die CDU feststellen: Wir werden in den weiteren parlamentarischen Beratungen unseren Beitrag dazu leisten, dass wir in Nordrhein-Westfalen ein Hundegesetz bekommen, das umsetzbar ist und das die Menschen in unserem Land vor tatsächlich gefährlichen Hunden sowie deren verantwortungslosen Züchtern und Haltern schützt. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

          (Beifall bei CDU und FDP)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Uhlenberg. - Für die Fraktion der FDP hat Herr Dr. Grüll das Wort. Bitte schön.

 

Dr. Stefan Grüll (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin Höhn, meine Erwartungen, die ich in Sie gesetzt hatte, sind übertroffen worden - aber das ist leider kein Kompliment; das will ich vorweg sagen -, nachdem ich mir noch einmal vor Augen geführt habe, welche Erfahrungen ich in den knapp zwei Jahren gemacht habe, die uns die Landeshundeverordnung nun begleitet. Die Erfahrungen bestehen erstens darin, dass zwei Jahre lang der Protest Hundertausender von Hundehaltern ignoriert wurde, die sich schlicht verunglimpft fühlen, die stigmatisiert sind.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Die jetzt alle vor dem Landtag stehen!)

- Nein, die gehen gewöhnlich einer ordentlichen Arbeit nach. Das ist für Sie vielleicht schwer nachvollziehbar. Es handelt sich um verantwortliche, seriöse, ordentliche Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie gehen freitags um diese Zeit noch einer ordentlichen Arbeit nach. Die Hundehalter sind nicht alle so, wie Sie glauben. Deswegen stehen sie im Moment auch nicht vor dem Landtag.

Sie haben zwei Jahre lang den Protest unbescholtener Hundehalter ignoriert. Sie geben mit Ihrem Zwischenruf zu erkennen, dass Sie das auch weiterhin zu tun beabsichtigen. Zwei Jahre lang haben Sie den Protest der Ordnungsämter in den Städten und Gemeinden ignoriert, die unter der Last einer nicht umsetzbaren Verordnung gestöhnt haben. Die Liste lässt sich fortsetzen. Seit zwei Jahren ignorieren Sie die Hilferufe der Tierheime in Nordrhein-Westfalen, die nicht mehr wissen, wo sie die Hunde unterbringen können, weil sie nicht mehr vermittelbar sind.

Zwei Jahre lang hat die Landesregierung die einhellig ablehnenden Stellungnahmen renommierter Wissenschaftler ignoriert, die nicht müde wurden, die Unsinnigkeit von Rasselisten zu thematisieren.

Schließlich gibt es seit zwei Jahren auch schwerwiegende rechtsstaatliche Bedenken u. a. die der Landesdatenschutzbeauftragten. Diese Bedenken wurden ignoriert. Die Landesdatenschutzbeauftragte hat wiederholt und sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass grundrechtseinschränkende Eingriffe durch die Landeshundeverordnung nicht gedeckt waren. Das war also Verfassungsbruch.

Ich hatte die Illusion, dass wir mit der Erarbeitung des Landeshundegesetzes zu einer sachlichen, im Ergebnis sachgerechten Diskussion zurückfinden, um wirklich ein Regelwerk zu schaffen, das die Menschen vor den tatsächlich gefährlichen Hunden schützt. Wo Frau Schmid Recht hat, hat sie Recht. Wir haben es heute Morgen an anderer Stelle auch schon einmal erlebt, als sie mit Sachkompetenz eine sehr präzise Position vorgetragen hat, die sich aber leider von der der Ministerin - oder Gott sei Dank; jedenfalls hat Frau Schmid eine sachgerechte Position - unterscheidet. Sie hat ebenso wie Herr Uhlenberg und die Fraktion der FDP Recht.

Wir werden auch weiterhin nicht müde werden, Widerstand zu leisten. Herr Priggen, das ist kein Protest und kein Widerstand, der nur bisher galt, sondern er wird weiter gelten. Wir werden den Protest gegen Rasselisten nicht aufgeben, weil Rasselisten nicht in der Lage sind, die Menschen vor wirklich gefährlichen Hunden zu schützen. So einfach ist das.

Wenn Sie nicht mir glauben wollen, dann glauben Sie doch ganz einfach denen, die sich in der Wissenschaft dazu wiederholt geäußert haben. Ich zitiere nur auszugsweise aus einem Schreiben von Frau Feddersen-Petersen, Fachtierärztin für Verhaltenskunde am Institut für Haustierkunde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, verfasst am 23. Dezember 2001:

     "Aggressivität ist viel ursächlicher gebunden an das Individuum, entstanden stets in differenzierter Wechselwirkung von genetischen Dispositionen und Umwelterfahrung."

An anderer Stelle desselben Schreibens heißt es:

     "Auch Hunde der benannten Rassen bestechen eben durch eine große Varianz züchterischen Ursprungs, variieren bezüglich ihrer Herkunft, ihres Verwendungszwecks sowie damit verbundener Verhaltensbesonderheiten."

Wem das noch nicht reicht, dem bringe ich ein drittes Zitat:

     "Hunderassen und insbesondere deren Kreuzungen untereinander können zudem weder phänotypisch noch genetisch bestimmt werden."

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Herr Dr. Grüll, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Priggen zu?

 

Dr. Stefan Grüll (FDP): Na ja. Nach Ihrem Beitrag macht es mich schon neugierig, was Sie jetzt zu sagen haben.

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Bitte schön, Herr Priggen.

 

Reiner Priggen*) (GRÜNE): Schönen Dank, Herr Dr. Grüll. Ich habe nur eine Frage. 13 von 16 Innenministern empfehlen uns Rasselisten - die Rassen sind Ihnen ja bekannt -: vier plus zehn Hunde. Empfehlen Sie uns jetzt, von diesem weitreichen-

den Konsens abzuweichen und darauf zu verzichten?

 

Dr. Stefan Grüll (FDP): Ich empfehle unabhängig von möglicherweise zufälligen Mehrheiten - das erleben wir jeden Tag in diesem Landtag -, Entscheidungen der Sachkompetenz folgend zu treffen und sich nicht an reinen Quantitäten zu orientieren. Im Übrigen ist es in der Tat so, dass 13 von 16 Innenministern so empfohlen haben. Aber wer sagt Ihnen denn, dass die drei anderen Unrecht haben? Vielleicht haben die sich nur intensiver beraten lassen. Wir erwarten von der Ausschussberatung, dass Sie sich endlich sachgerecht unterrichten lassen und dann vielleicht zu einer anderen Entscheidung kommen.

Nein, es gehört zu den ernüchternden Erlebnissen der ersten beiden Jahre, die ich bisher hier sein durfte, erkennen zu müssen, dass die vermeintliche Angst, durch Einsicht und Umkehr ein Gesicht zu verlieren, offenbar größer ist als die Verantwortung gegenüber den Menschen in diesem Land, zu denen eben auch die über 500.000 Hundehalter gehören.

Was ist eigentlich aus den vollmundigen Ankündigungen des Kollegen Moron für die SPD-Fraktion geworden, die Landeshundeverordnung zu korrigieren und den mahnenden Empfehlungen der Experten Rechnung zu tragen, den Experten, Herr Körfges, die Sie jetzt endlich einmal zu Wort kommen lassen und von denen Sie sagen: Wir wollen sie in den Ausschussberatungen anhören, um Sachverstand einfließen zu lassen. Ich habe die herzliche Bitte, es demnächst doch andersherum zu machen: Hören Sie diese Leute doch zuerst! Lassen Sie zuerst den Sachverstand einfließen, um danach einen Gesetzentwurf zu präsentieren. Warum wollen Sie wie schon bei der Verordnung erneut den falschen Weg gehen?

Was ist also aus diesen Ankündigungen geworden? Im Gesetzentwurf findet sich sogar eine Verschärfung gegenüber der Landeshundeverordnung, weil zukünftig Leinenzwang für bestimmte Hunde auch außerhalb bebauter Gebiete gelten soll. Ich frage mich: Ist das das Ergebnis sozialdemokratischer Handschrift? Aus meiner Sicht ist es viel mehr: der rote Kniefall vor einer grünen Ministerin.

Sie mögen sich darüber freuen, Frau Höhn. Aber in der Sache habe ich das anders zu bewerten. Denn eines ist den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern klar, Herr Körfges, Frau Schmid: Ab heute haftet auch die sozialdemokratische Fraktion für die Hundepolitik von Frau Höhn. Das ist nicht mehr nur die Verordnung der grünen Ministerin, sondern jetzt ein Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen.

Daran werden Sie sich messen lassen müssen, beispielsweise auch mit Blick auf die rechtsstaatlichen Problematiken, die in dem Gesetzentwurf enthalten sind: mit einem Federstrich das Grundrecht auf freie Berufsausübung einzuschränken, mit einem Federstrich das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, das Grundrecht auf Eigentum einzuschränken. Das ist schon mutig. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD haften mit, dass die Beweislast umgekehrt wird. Damit machen Sie sich an den Wurzeln rechtsstaatlicher Prinzipien zu schaffen. Dass von den grünen Bürgerrechtlern dazu nichts zu hören ist, verwundert mich da nur noch sehr eingeschränkt.

Rasselisten - noch ein Wort dazu - sind das Kernproblem. Es ist nicht nur so, dass sie nicht wirksam schützen, sondern Sie werden sich eines Tages mit der zynischen Frage beschäftigen müssen, wann Sie die Rasselisten fortschreiben. Denn auch das ist klar: Sie werden die Listen fortschreiben müssen, weil sich die, die wir greifen wollen, an den Listen nur insoweit orientieren werden, als sie andere Rassen missbrauchen, abrichten und quälen, damit sie Menschen mit diesen Hunden bedrohen und verletzen können. Das ist die zynische Konsequenz von Rasselisten, die ebenso untauglich sind wie die schlichte Gleichung: großer Hund gleich böser Hund.

Beides reicht der Landesregierung, die Grundrechte von Hundehaltern in diesem Land hunderttausendfach massiv einzuschränken. Der FDP-Fraktion reicht das nicht - im Gegenteil.

Das Gesetz sieht sogar Verschlimmbesserungen vor. Es bietet nach aktuellem Stand keine Grundlage für eine zielführende Diskussion mit sachgerechter Lösung.

Auf der anderen Seite haben Sie, Herr Körfges, zu erkennen gegeben, dass Sie möglicherweise unabhängig davon, was jetzt im Gesetzentwurf steht, die Diskussion im Ausschuss so führen wollen, dass noch Veränderungen - ich hoffe: substanzielle Veränderungen - möglich sein werden.

Auch deswegen - nicht nur, weil es der guten parlamentarischen Tradition entspricht - stimmen wir der Überweisung zu. Damit verbindet sich für uns ein wenig die Hoffnung, in den Ausschussberatungen das, was Sie uns heute hier präsentiert haben, jedenfalls in den schlimmsten Ausprägungen zu korrigieren.

Um Ihnen, Herr Kollege Körfges, die Mühe zu ersparen, weiterhin nach den Vorstellungen der FDP zu fahnden, werde ich veranlassen, dass Sie die von der Kollegin Dr. Dreckmann und mir verfasste Broschüre der FDP-Fraktion "Landeshundeverordnung" bekommen. Darin steht sehr präzise, was wir schon im Juli 2000 mit dem 10-Punkte-Programm vorgelegt haben, und was wir hier wollen.

Übrigens sind durchaus ein paar Übereinstimmungen erkennbar - das will ich abschließend nicht schuldig bleiben zu erwähnen -, beispielsweise in der Schwere der Bestrafung von wirklich unverantwortlichen Haltern. Da gibt es kein Pardon. Das ist nicht zum Spaßen. In diesen Fällen ist eine schwere Bestrafung angebracht. Wir stimmen durchaus auch überein, was Sachpunkte wie die Chippflicht und Haftpflichtversicherungspflicht angeht. In puncto Rasselisten hingegen wird es aus den dargestellten Gründen nicht zu einer Übereinstimmung kommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

          (Beifall bei der FDP)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Dr. Grüll. - Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Höhn das Wort.

 

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Meine Damen und Herren, ich stelle mir vor, wir hätten vor zwei Jahren, als wir über die Landeshundeverordnung geredet haben, in einem so leeren Plenarsaal gesessen.

          (Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Ich stelle mir vor, wir hätten zum Fenster herausgeguckt und festgestellt: Draußen steht überhaupt keiner, es gibt überhaupt keine Demonstration! - Wir sehen daran, dass sich Wesentliches verändert hat.

Herr Grüll: Die Vernunft hat sich durchgesetzt. Die Landeshundeverordnung ist in diesem Land etabliert, Protest ist nicht mehr sichtbar. Sie selbst haben sogar die Gelegenheit wahrgenommen, während der Debatte den Plenarsaal zu verlassen. Offensichtlich ist es selbst für die Fachleute nicht mehr spannend, über dieses Thema zu reden.

Das bedeutet, dass wir in wesentlichen Punkten doch etwas erreicht haben. Ihrer Einlassung, man könne die Menschen durch die Landeshundeverordnung nicht wirksam schützen, widerspreche ich eindeutig. Richtig ist vielmehr das Gegenteil: Seit In-Kraft-Treten der Landeshundeverordnung - was noch nicht ganz zwei Jahre her ist - verzeichnen wir einen massiven Rückgang der dramatischen Beißvorfälle. Die Menschen in diesem Land sind also vor denjenigen Menschen, die ihre Hunde missbrauchen und sie durchaus gefährlich für andere Menschen machen, stärker geschützt als vor der Landeshundeverordnung.

Mehr Sicherheit zu schaffen, haben wir erreicht. Wenn wir in Ihrem Sinne nichts unternommen hätten - etwa nicht die Umkehr der Beweislast eingeführt -, hätten wir das nicht erreicht. Es wäre so weitergegangen wie vorher.

Natürlich haben Sie Recht, dass das Problem nicht nur bei dem Hund, sondern auch oder sogar in erster Linie bei den Haltern liegt. Das wissen wir auch. Wir haben oft genug miteinander darüber gesprochen. Da teile ich vollständig Ihre Meinung. Ein Hund ist nicht per se aggressiv, sondern er wird durch seinen Halter aggressiv gemacht.

Dennoch müssen wir eines sehen: Es ist etwas völlig anderes, einen Rehpinscher aggressiv zu machen als z. B. einen Pitbull. Auch ein aggressiv gemachter Rehpinscher würde nicht die gleiche Gefahr für den Menschen darstellen wie große, schwere Hunde, die, werden sie missbraucht, gefährlicher für den Menschen sein können, als uns allen lieb ist.

Darauf haben wir mit einer Systematik reagiert, die sich durchgesetzt hat; denn genau die Systematik von Nordrhein-Westfalen ist auf Bundesebene aufgegriffen worden.

Wir haben in der Tat die von Ihnen immer noch kritisierte Umkehr der Beweislast eingeführt. Aus der Umkehr der Beweislast folgt nämlich, dass ein Hund nicht die Berechtigung hat, zweimal zuzubeißen, und Auflagen erst aufgrund eines danach erteilten Urteils erfolgen. Das aber sah die alte Landeshundeverordnung vor.

Jetzt erhalten Hunde, die gefährlich gemacht werden können, weil sie das genetische Potenzial dafür besitzen,

          (Dr. Stefan Grüll [FDP]: Sie wissen es doch besser!)

Auflagen. Wenn der Besitzer mit diesem Hund nachweist, dass der Hund ungefährlich ist, kann er sich von diesen Auflagen befreien. Das ist Umkehr der Beweislast: Der Besitzer muss nachweisen, dass der Hund ungefährlich ist, und nicht die Behörden müssen nachweisen, dass der Hund gefährlich ist. Das ist der konkrete Unterschied.

Im Übrigen hat genau unser Ansatz die in Nordrhein-Westfalen inzwischen gelaufenen Gerichtsprozesse überstanden. Denn anders als andere Länder haben wir formuliert: Man kann sich von Auflagen befreien. Der Besitzer hat die Möglichkeit, diesen Auflagen zu entgehen, wenn er nachweist, dass sein Hund ungefährlich ist.

Und anders als in anderen Ländern folgte bei uns aus der Tatsache, dass der Hund einer bestimmten Rasse angehört und einen bestimmten Test nicht bestanden hat, nicht, dass er automatisch getötet wird. Das galt bei uns nicht. Deshalb haben wir die Gerichtsprozesse hier mit Erfolg führen können.

Der entscheidende Punkt ist immer wieder: Wie schaffen wir es, zuverlässige von nicht zuverlässigen Hundehaltern zu unterscheiden? Wie können wir sie trennen?

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Grüll zu?

 

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ja sicher.

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Bitte sehr, Herr Dr. Grüll.

 

Dr. Stefan Grüll (FDP): Frau Ministerin Höhn, stimmen Sie mir darin zu, dass wir möglicherweise auch deswegen keine abweichenden Urteile haben, weil wir hier in Nordrhein-Westfalen den Instanzenweg einzuhalten haben, weil wir nicht unmittelbar an die Obergerichte gehen können und insbesondere auch nicht den Verfassungsgerichtshof bemühen können - wie in anderen Ländern geschehen -, weil wir keine abstrakte Normenkontrolle haben? Stimmen Sie zu, dass das also keine zulässigen Rückschlüsse möglich macht?

 

Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Grüll, Sie diskutieren aus der Defensive. Das merken Sie schon. Da kein einziges Urteil gegen die Landeshundeverordnung spricht, versuchen Sie jetzt, formale Argumente vorzuschieben.

Ausschlaggebend für diese Bilanz ist der bei uns andere Ansatz. Deshalb sind die in anderen Ländern ergangenen Urteile auch aus inhaltlichem Grund nicht auf uns übertragbar. In anderen Ländern haben die Gerichte zugunsten der Kläger deshalb entschieden, weil diese argumentieren konnten: Mein Hund ist ungefährlich, und ich kann mich trotzdem dieser Auflagen nicht erwehren. - Das können sie aber bei uns. Es gibt also einen materiellen Grund, warum bei uns die Urteile anders lauten als in anderen Bundesländern.

Wir haben uns immer, auch schon zum Zeitpunkt der Verkündigung der Landeshundeverordnung, für eine möglichst bundeseinheitliche Regelung eingesetzt. Es macht nämlich überhaupt keinen Sinn, wenn ein Hundebesitzer, der in Hessen wohnt und über Nordrhein-Westfalen nach Niedersachsen fährt, überall unterschiedliche Regelungen vorfindet. Deshalb haben wir immer erklärt: Wenn die Innenministerkonferenz - übrigens gemeinsam mit den Tierschutzexperten - zu einer Lösung gekommen ist, werden wir daraufhin einen Gesetzentwurf vorlegen. Das tun wir jetzt. Und das tun wir auch gemeinsam mit der Fraktion und nicht gegen sie, Herr Grüll, weil Sie versuchen, das Ministerium gegen die Fraktionen auszuspielen.

Zum Leinenzwang für große Hunde außerhalb bebauter Bereiche! Ich kann mir gut vorstellen, dass man da zu einer Änderung kommt. Die Formulierung, die hier im Gesetzentwurf steht, stammt nicht vom Ministerium. Im weiteren Verlauf des Verfahrens ist es Sache der Parlamentarier, zu gucken, ob sie zu einer Veränderung kommen. Ich persönlich fände es gut, wenn man über diese Formulierung noch einmal nachdenken würde.

Ansonsten lautet - wie gesagt - der entscheidende Punkt: Wie können wir die zuverlässigen von den nicht zuverlässigen Haltern trennen? Wir haben zum einen die Umkehr der Beweislast, zum anderen gilt, dass jeder, der einen solchen Hund besitzt, seine Zuverlässigkeit nachweisen muss - in welcher Form auch immer. Da sind wir offen. Da soll es umgekehrt keine Diskriminierung geben. Aber es ist wichtig, die Zuverlässigen von den Unzuverlässigen zu trennen. Es sind nur wenige, die die Freiheit missbrauchen, doch das führt in der Regel dazu, dass viele Einschränkungen auf sich nehmen müssen. Der Nachweis der Zuverlässigkeit ist ein entscheidender Punkt.

Neben dem Nachweis der Zuverlässigkeit ist der zweite Punkt - ganz wichtig - die Vergrößerung des Strafrahmens. Natürlich ist es so, dass man in einem Gesetz höhere Strafrahmen festschreiben kann, und das wollen wir auch. Wenn wir denjenigen, der dieses Gesetz übertritt, überführen, hat er mit saftigen Strafen zu rechnen. Auch der Strafrahmen als Abschreckung dient einem verbesserten Schutz der Bevölkerung.

Dass wir jetzt mehr Zeit haben, dieses Gesetz zu beraten und eine Anhörung durchführen können, ist gut so. Ich hätte mir damals bei der Landeshundeverordnung auch mehr Zeit gewünscht. Sie wissen, dass wir dieses Mehr an Zeit nicht hatten, aber umso besser ist, dass wir mit unserem gesamten Ansatz damals offensichtlich dennoch richtig gelegen haben und dass sich dieser Ansatz mittlerweile in den Kommunen durchgesetzt hat.

Den von Ihnen als so furchtbar kritisierten Gesetzentwurf, gegen den die Kommunen Ihres Erachtens massiv protestieren müssten, haben wir natürlich informell mit den Kommunen besprochen. Es gibt vor Ort keine Bedenken größeren Stils, die berücksichtigt werden müssten.

Zu dem Punkt Tierheime müssen sich die Kommunen an die eigene Nase fassen.

          (Zuruf von Clemens Pick [CDU])

Die Kommunen haben, da fast alle ihre diesbezüglichen Hundesteuern erhöht haben, über die Landeshundeverordnung höhere Einnahmen.

          (Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Sie hätten damit die Ordnungsämter besser ausstatten können, damit sie es den Ämtern möglich ist, die Vorgaben zu vollziehen. Und Sie hätten vor allen Dingen den Tierheimen mehr Geld geben können.

Wir haben eine kleine Summe für die Tierheime im Landeshaushalt eingestellt, obwohl wir gar nicht zuständig sind, da Tierheime in die Zuständigkeit der Kommunen gehören. Wir kennen das Problem. Es ist ein Problem - das ist keine Frage -, aber die Lösung liegt in der Verantwortung der Kommunen.

Ich wünsche diesem Gesetzentwurf viel Erfolg. Ihnen gemeinsam wünsche ich in den Beratungen ein ähnlich ruhiges Klima, wie wir es heute vorgefunden haben, denn das kann der sachlichen Diskussion nur gut tun. - Vielen Dank.

          (Beifall bei den GRÜNEN)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die Fraktion der CDU hat jetzt Herr Pick das Wort. Bitte schön, Herr Pick.

 

Clemens Pick*) (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir diesen Gesetzentwurf diskutieren, dann haben wir im Hinterkopf, was vor zwei Jahren hier diskutiert worden ist.

Wir sind uns über eines im Klaren - das war immer der Fall, das ist nichts Neues und der eine muss den anderen nicht übertreffen -: Der Schutz des Menschen und der Schutz von Tieren stehen im Vordergrund. Hier müssen wir über ein Gesetz Möglichkeiten finden, wie das unter Rücksichtnahme auf den Tierschutz und unter Rücksichtnahme auf die finanziellen Belastungen, die sich daraus ergeben, sichergestellt werden kann.

Was vor knapp zwei Jahren als Landeshundeverordnung vorgelegt worden ist, war eine unselige Geschichte, die sehr viel Unruhe ins Land gebracht, sehr viele Kosten nach sich gezogen und dazu geführt hat, dass Tiere tierschutzunwürdig gehalten wurden. Sie hat auch dazu geführt, dass es zu einer Diskriminierung von Hundebesitzern und Hundehaltern in unserem Lande gekommen ist.

          (Beifall von Eckhard Uhlenberg [CDU])

Jetzt zu behaupten, man ließe sich auf Bundesebene auf das ein, was die nordrhein-westfälischen Grüne oder die nordrhein-westfälische SPD wollten, entspricht nicht den Tatsachen. Ganz im Gegenteil erfolgt ein Rückzug von den seinerzeit bezogenen Positionen: Von 42 Hunderassen auf den Listen bleiben noch 14 übrig. Über die Listen kann man sich selbstverständlich unterhalten, aber in Gesetzen muss man, wenn es sein muss, Kompromisse finden.

Wesentlich ist auch, dass wir zu einer Eins-zu-eins-Umsetzung der Innenministerkonferenzergebnisse kommen. Hier schert das Land Nordrhein-Westfalen aus. Das ist wieder einmal so, weil Sie, Frau Ministerin, vorhaben, das Land Nordrhein-Westfalen als Musterland vorneweg zu stellen. Deshalb preschen Sie ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne. Dann werden natürlich Kompromisse geschlossen, mit denen die dritte Rasseliste de facto eingeführt wird. Die 20/40-er Regelung ist de facto die dritte Liste.

Lassen Sie mich diesbezüglich an wirklich großmundige Äußerungen nach Ankündigung des Landeshundegesetzes vonseiten der SPD erinnern. In der Presseschau des Landtages vom 13.12.2001 steht: "Große Hunde sind nicht automatisch gefährlich!"

Dort heißt es weiter: "Die so genannte 20/40-er Regelung in der jetzt noch gültigen Landeshundeverordnung soll nicht in das Landeshundegesetz übernommen werden. Das ist ein großer bürokratischer Aufwand, sagt Dr. Georg Scholz, SPD, stellvertretender Vorsitzender im Agrarausschuss.

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Herr Pick, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

 

Clemens Pick*) (CDU): Nein, meine Redezeit ist sehr knapp, ich kann keine Zwischenfrage zulassen. Das machen wir alles im Ausschuss.

Nach Vorstellung der SPD soll das Gesetz bis Ende 2000 im Entwurf vorliegen. Dort sollen nur noch die Rasselisten 1 und 2 enthalten sein, die 20/40-er Regelung soll dort nicht mehr aufgenommen werden.

Meine Damen und Herren von der SPD, jetzt sind Sie wieder einmal eingeknickt. Sie kommen mit der 20/40-er Regelung und verbinden das natürlich mit dem Hinweis Haft- und Chippflicht.

Wir haben seitens der CDU sehr früh gefordert: Schutz des Menschen und der Tiere. Die Tiere gehören auch dazu, denn Hunde beißen sich auch untereinander. Wir wollen eine Chippflicht für alle Hunde. Das ist nach wie vor Bestandteil. Das haben wir im Juli 2000 schon angemahnt. Wir wollen auch die Haftpflicht für alle Hunde, weil Schäden auch von kleineren Hunden ausgehen können. Hier wollen wir die Menschen nachhaltiger schützen. Dieses Vehikel nur einzubauen, um die 20/40-er Regelung, von der sich die Ministerin nicht verabschieden wollte, einzubringen, halten wir nicht für sachgerecht.

Das Elend in unseren Tierheimen ist riesig. Wenn sich jetzt eine Landesinitiative gegen das Landeshundegesetz gegründet hat und die Initiatoren die Leiter und Vorstände der Tierschutzvereine sind, dann sollte man aufmerksam zuhören. Denn das Unheil in den Tierheimen ist groß. Und wie eben schon gesagt wurde: Tierschutz in der Landesverfassung nützt uns nichts, sondern Tierschutz muss auch praktiziert werden.

Ich habe heute Morgen einmal die Liste des Tierheims in Bochum ausgedruckt. Sie enthält 45 Hunde, die vermittelt werden müssen. Diese Hunde fallen alle unter diese alte Rasseliste des Landes Nordrhein-Westfalen und der Landeshundeverordnung. Das ist auch ein Stück weit ein Elend, das mit der Verordnung herbeigeführt worden ist - auf Kosten der Kommunen.

Frau Ministerin, das kann man nicht einfach mit dem Verweis auf höhere Einnahmen abtun. Damit kann man das Problem nicht lösen. Denn eine höhere Hundesteuer impliziert nicht, dass keine Hunde mehr gehalten werden.

Im "Kölner Stadt-Anzeiger" war am 26. Februar 2002 nachzulesen, dass die Stadt Köln 500.000 Euro für die Unterbringung von Tieren und 380.000 Euro für Personalkosten aufbringen muss. Das zeigt, dass hier auch an den Interessen der Kommunen vorbeigegangen wird, dass der Tierschutz nicht hochgehalten wird und vor allen Dingen, dass dies nicht abgestimmt ist. Und deswegen freuen wir uns auf die Diskussionen und hoffen wirklich, dass das wahr gemacht wird, was hier von allen Fraktionen verkündet worden ist: dass die Diskussion im Ausschuss und die zweite Lesung ergebnisoffen sind.

Wir haben die Chance, noch etwas Vernünftiges zu machen. Nur mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs sind schon wieder einige Chancen vertan worden. Wir stimmen natürlich der Überweisung zu und freuen uns auf die Beratungen.

          (Beifall bei der CDU)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Pick. - Für die Fraktion der FDP hat jetzt Frau Dr. Dreckmann das Wort.

 

Dr. Ute Dreckmann*) (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich lebe jetzt seit 50 Jahren mit Hunden zusammen. Dabei reicht die Rasseliste vom Dobermann über den Dalmatiner bis zum Dackel oder umgekehrt. Alle diese Hunde waren ausgesprochen friedlich zu Mensch und Tier. Sie waren friedlich in jeder Art von Zusammenleben. Sie waren einfach lieb. Und jeder Experte hat uns Recht gegeben: Die Gefährlichkeit eines Hundes hängt weder mit der Rasse zusammen noch mit seiner Größe noch mit seinem Gewicht. Das ist so, Frau Höhn.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Nein!)

Die 20/40er sind die Hunde, die normale Familienhunde sind. Es ist die normale Größe des Hundes. Es sind ja keine Riesen, es sind ja keine Doggen gemeint. Es sind Münsterländer, Dalmatiner, alle Jagdhunde - das sind die 20/40er.

In Ihrem Gesetzentwurf heißt es in § 3 - Gefährliche Hunde -; es geht dort um Mischlinge: "In Zweifelsfällen hat die Halterin oder der Halter nachzuweisen, dass eine Kreuzung nach Satz 1 nicht vorliegt." Liebe Frau Höhn, wie soll das funktionieren? Das ist unmöglich. Sie können einem Hund seine Mischung gar nicht ansehen, können nicht erkennen, wer Vater und Mutter sind, ob vielleicht eine Mischung aus Dobermann und Setter vorliegt.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Darum geht es gar nicht!)

- Darum geht es.

          (Ministerin Bärbel Höhn: Nein, nein!)

Und Sie können auch nicht nachweisen, ob es eine Mischung ist aus American Pittbull und Setter oder aus Boxer und Setter. Auch das können Sie nicht nachweisen, weil sie sich nämlich äußerlich relativ ähnlich sind.

Wenn Sie behaupten, man könnte Wesensmerkmale durch äußere Merkmale identifizieren - z. B. nach dem Motto: wenn ein Hund ähnlich aussieht wie ein Pittbull, dann muss er auch aggressiv sein -, dann sage ich Ihnen: Dann müssten wir dies beim Menschen ganz genauso können. Denn genetisch liegen wir Menschen und die Hunde nicht so weit auseinander. Denken Sie daran.

          (Beifall bei der FDP)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Frau Dr. Dreckmann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Priggen das Wort.

 

Reiner Priggen*) (GRÜNE): Meine Damen und Herren! Dass ich genetisch nahe beim Hund bin, wusste ich noch nicht, aber man lernt hier ja dazu.

Herr Dr. Grüll, Sie können nicht von zufälligen Mehrheiten sprechen, wenn sich 13 von 16 Innenministern auf eine einheitliche Regelung verständigen. Man kann die Argumentation nicht beliebig biegen.

CDU und auch FDP haben auf eine einheitliche Regelung auf Bundesebene gedrängt. Sie wollten kein Chaos von 16 unterschiedlichen Landesverordnungen. Jetzt gehen wir den Weg mit. Und jetzt kommt wieder die ganz klare Ansage: Das wollen wir nicht. Wir wollen etwas ganz ohne Rasselisten. - So können wir nicht arbeiten. Ich habe deswegen extra bei Ihnen nachgefragt. Und bei der CDU habe ich es auch so verstanden.

Wenn Sie dann noch hinzufügen, mit der Vorlage des Gesetzentwurfs würden wieder Chancen vertan, verstehe ich das gar nicht mehr. Jetzt bringen wir entsprechend Ihren Forderungen einen Gesetzentwurf ein, und auch das ist wieder nicht recht.

          (Zuruf von Dr. Stefan Grüll [FDP])

- Sie können ja eine vernünftige Lösung vorschlagen, aber Sie drücken sich. Sie machen Lobbyarbeit. Sie organisieren den Widerstand. Das ist völlig legitim. Aber Sie drücken sich darum, daran mitzuwirken, dass das, was die Innenminister vernünftigerweise entschieden haben, umgesetzt wird. Mit einer solchen Linie von Ihnen können wir nicht klarkommen.

          (Zuruf von Dr. Stefan Grüll [FDP])

- Ich bin ja nicht nur böse mit Ihnen. Positiv ist: Sie akzeptieren den Strafrahmen. Das ist sehr gut. Sie akzeptieren das Chippen und die Haftpflicht. Sie akzeptieren den Sachkundenachweis. Und Sie akzeptieren grundsätzlich Anleinpflichten. Da haben wir eine Menge Ansätze, für die wir gemeinsam eine vernünftige Regelung finden können.

Die Frage, ob wir die Haftpflicht und das Chippen für als für alle verpflichtend erklären, haben wir unter den Koalitionspartnern vernünftig und sachlich diskutiert und entschieden: Dazu hören wir uns die Meinungen der Experten an. Das regeln wir nach der Anhörung sachgemäß und ganz vernünftig, so wie wir auch diesen Gesetzentwurf zusammen vernünftig eingebracht haben.

Sie sind offensichtlich nicht bereit, das, was Sie über zwei Jahre angekündigt haben, auch zu tun. Herr Uhlenberg, ich fand das außerordentlich schwach. Ich habe ja richtig darauf gewartet. Zwei Jahre lang ist von der CDU immer kritisiert worden. Dann haben Sie die Gelegenheit, zu dem Gesetzentwurf etwas Konkretes zu sagen. Und es kommt nichts. Vielleicht hören wir es im Ausschuss. Ich meine, über weite Teile müssten wir doch einen Konsens erreichen können. Ich glaube, dass wir zusammen ein vernünftiges Gesetz formulieren können. - Danke.

          (Beifall bei GRÜNEN und SPD)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Priggen. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


Hier noch mal zur Erinnerung dazu: Der Küngel trifft sich

 

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ind offensichtlich nicht bereit, das, was Sie über zwei Jahre angekündigt haben, auch zu tun. Herr Uhlenberg, ich fand das außerordentlich schwach. Ich habe ja richtig darauf gewartet. Zwei Jahre lang ist von der CDU immer kritisiert worden. Dann haben Sie die Gelegenheit, zu dem Gesetzentwurf etwas Konkretes zu sagen. Und es kommt nichts. Vielleicht hören wir es im Ausschuss. Ich meine, über weite Teile müssten wir doch einen Konsens erreichen können. Ich glaube, dass wir zusammen ein vernünftiges Gesetz formulieren können. - Danke.

          (Beifall bei GRÜNEN und SPD)

 

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Priggen. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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