Vier Städte, vier Systeme. Seit
einem Jahr ist die Kampfhundeverordnung in Kraft. Wie wird
sie eigentlich kontrolliert? OZ hat recherchiert: In
Rostock, Stralsund, Hamburg und Tribsees.
Rostock (OZ) Pech gehabt. Dina und Marcel
Schwarz sind mit ihrer Cora zur falschen Zeit am
falschen Ort. Ein roter Kastenwagen der Feuerwehr hält am
Einkaufszentrum im Rostocker Stadtteil Dierkow. Jürgen
Rohde (60) steigt aus, stellt sich vor:
Tierkontrollgruppe, guten Tag. Sein Blick geht zu
Cora. Braunes kurzes Fell. Kräftige Statur. Bulliger
Kopf. Cora wedelt mit dem Schwanz. Herrchen Marcel (21)
kriegt große Augen, bei dem, was Rohde erklärt: Es
muss festgestellt werden, ob da Kampfhund drin ist, sagt
er. Morphologie und Statur sprechen dafür.
Eine Kommission aus Fachleuten wird den Hund
begutachten. Kosten trägt der Halter. Fällt der
Test positiv aus, bittet die Hansestadt noch mal zur
Kasse: Kampfhundesteuer, Sachkundeprüfung, polizeiliches
Führungszeugnis, Wesenstest für den Hund. Das sieht die
Kampfhundeverordnung vor, die Innenminister Gottfried Timm
(SPD) vor einem Jahr verabschiedet hat. Cora, das
Hochzeitsgeschenk, leckt Herrchen die Hand.
Dreimal täglich ist die Kontrollgruppe unterwegs.
Bestens ausgerüstet: Allein der Einsatzwagen mit
Käfigen, Narkosegewehr, Pistole hat vor einem Jahr 100 000
Mark gekostet. 6910 Hunde sind in Rostock gemeldet.
336 gefährliche. Rohde schätzt 20 Prozent dazu. Schwarz
gehalten.
Nach denen fahndet er. Aber die Jungs kennen unser
Auto und hauen ab. Einige konnte er melden. Das
Betäubungsgewehr kommt oft zum Einsatz. Bei freilaufenden
Hunden kennt Rohde kein Pardon. Die laufen noch 300
Meter, wenn sie getroffen sind. Dann schlafen sie eine
Stunde. Und wachen im Tierheim auf.
Die Tierheime hängen am Ende der Verordnung. Von 60
Hunden im Rostocker Tierheim sind 20 Kampfhunde. Ein
Drittel. Wir quellen von Kampfhunden über, sagt Anja
Ninnemann (24).
Auf dem Land sieht es nicht so eng aus. In Schlage
bei Dummerstorf sind vier Kampfhunde. Die Tierpension Pohl
in Müggenhall hat nur einen Boxer-Stafford-Mix. Seit vier
Jahren.
Katastrophal ist es in Hamburg. 37 000 gemeldete
Hunde. 2000 Kampfhunde. Und eine extrem hohe Dunkelziffer.
600 Kampfhunde laufen jährlich durchs Tierheim. 100 wurden
eingeschläfert. Zu aggressiv. Rostock ist ja nicht so
verkommen wie Hamburg, sagt Wolfgang Poggendorf (64).
Er ordnet die Kategorie Kampfhund einer bestimmten
sozialen Schicht zu. Das würde Rohde so nicht sagen.
Aber viele von denen seien doch eher Nachtgestalten. Er
sieht aber seit der Verordnung ein anderes Problem. Die
Mischlinge. Wer soll erkennen, welche Rassen in welchem
Mix sind? Nicht alle, die die Verordnung auf der Straße
durchsetzen, kennen sich aus wie Rohde, der Stadtjäger in
Rostock war.
In Stralsund zum Beispiel wird die Verordnung so
nebenbei erledigt. Von der Polizei. Die Beamten haben die
Umsetzung von Timms Vorstellungen im Vorbeigehen von der
Kommune aufs Auge gedrückt bekommen. Passiert ist zwar
seitdem nichts am Sund. Geändert hat sich aber auch
nichts.
In einem Städtchen mit 3000 Einwohnern wie Tribsees
kümmert sich das Ordnungsamt darum. Dessen Chef
Klaus-Dieter Wandke ist ein ruhiger Mensch. Eher mit dem
Gemüt eines Golden Retrievers. Seit 1990 leitet er das
Ordnungsamt. Ruhiger Job. Seit einem Jahr hat der
62-Jährige auch die Kampfhunde am Hals. Wer soll es
machen?, fragt er. Einer muss ja. Er ist ein bisschen
vom Fach, hatte einen Schäferhund. Der ist an
Altersschwäche gestorben.
Als die Verordnung beschlossen wurde, ist Wandke in
die Buchhandlung gegangen. Seitdem steht ein Hundebuch im
Ordnungsamt von Tribsees. Mit allen Rassen. Zum
Nachschlagen.
Zwölf Kampfhunde sind an der Trebel erfasst.
American Stafford, Mastiffs, Bandog. Was das jetzt genau
ist? Tja, so ein Kampfhund halt. Warum nun welche Rasse
auf der Liste steht, fragen sich viele, meint er.
Wandke macht oft Rundgänge. Unten am Ufer der Trebel
steckt ein Schäferhund seine Schnauze über einen Zaun.
Wandke streichelt ihm den Kopf: Ja, bist ein braver. Der
tut nix, sagt er. Der tut nix das meinen ja alle
Hundebesitzer. Will nur spielen, der Racker. Das gilt auch
für Pudel, Bernersennenhund, Airedale Terrier, Spitz und
Dackel, die Wandke trifft. Wollen alle nur spielen. Und
man glaubt ihnen das auch.
Nur Scottie, dem glaubt man es irgendwie gar
nicht. So, wie er aussieht. Braunes Kurzhaarfell, schwere
Leine, Maulkorb und Muskelpakete wie Mike Tyson. Der
Maulkorb juckt, und er reißt ihn sich runter. Dann
schimpft Herrchen Silvio Böhnisch (35). Philipp, dessen
Sohn, hämmert dem Staffordshire mit den Fäusten auf dem
Kopf herum. Scottie erträgt das. Der tut wirklich nix.
Da muss ich Philipp eher eine Leine umlegen, sagt
Böhnisch und ruft seinen Dreijährigen. Der rennt mal
wieder im Sprint vom Marktplatz zur Straße.
Böhnisch und Wandke kennen sich, haben keine
Probleme. Der Chef des Ordnungsamtes meint: Es trifft
sowieso nicht die, die es treffen sollte, sondern die
Vernünftigen. Die schwarzen Schafe melden ihre Hunde doch
gar nicht erst an.
MICHAEL MEYER
http://www.ostsee-zeitung.de/po/start_139540.html |
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Ein Herz und eine Seele. Klaus
Böhnisch (li.) mit Sohn Philipp und Staffordshire Terrier
auf dem Marktplatz von Tribsees.
Kampfhund oder was? Diethard
Hoffmann (li.) und Jürgen Rohde von der Rostocker
Tierkontrollgruppe ordnen an, dass Mischling Cora von
Marcel und Dina Schwarz überprüft werden muss.
Das Kontrollgewehr mit den
Betäubungspfeilen benutzt Diethard Hoffmann oft.
OZ-Fotos: S. Klement und G. Dehn
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