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* Politisch - die 2. |
Waterloo im NPD-Verbotsverfahren
Deutscher Polit-Slapstick: Schily und die IM sind mal wieder über die eigenen Füße gestolpert und lang hingeschlagen http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,196477,00.html
Operation Hose runter
Das Verfassungsgericht bringt die Politik in Bedrängnis: Erst wenn die Dienste ihre V-Männer offenbaren, kann die NPD verboten werden. Zu den notwendigen Eigenschaften des Politikers gehört die Kunst der Verstellung. Und die, Haltung zu wahren, wenn man am liebsten laut losschreien würde - vor allem im Wahljahr. Anmerkung: Er "begrüße" die Entscheidung der Richter, ließ Schily daraufhin verlauten. "Damit hat das NPD-Verfahren wieder eine klare Perspektive." Dabei ist das Papier des Gerichtsvizepräsidenten Winfried Hassemer nicht weniger als ein Misstrauensvotum eines Verfassungsorgans gegenüber den anderen. Die Richter zweifeln daran, dass ihnen Bundesrat und Bundesregierung im NPD-Verbotsverfahren die ganze Wahrheit gesagt haben. Und sie verlangen, was ihnen der Staat nicht wird liefern können: die weitgehende Offenbarung all jener NPD-Mitglieder, die den Geheimdiensten als V-Männer Informationen über die braune Truppe geliefert haben - darunter die aller Quellen in der Bundesspitze und den Landesvorständen. "Das ist die Operation Hose runter", stöhnt ein Verfassungsschützer. Und der Bremer Innensenator Kuno Böse (CDU) sagt: "Wir haben ein richtiges Problem am Hals." Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), der mit Schily am Dienstag zunächst die erste Jubelmeldung verfasst hatte, schränkt inzwischen ein: "Es kann natürlich nicht Sinn der Sache sein, dass man der NPD sagt, wer die Leute waren, die bereit waren, dem Staat Informationen zu geben." Sein niedersächsischer Kollege Heiner Bartling (SPD) sekundiert: "Wir wollen nichts verschleiern, aber wir werden nicht jede Quelle offen legen können." Selbst in der FDP, die schon immer gegen das Verbotsverfahren war, macht sich angesichts dieser Situation fast schon Mitleid breit: "Es gibt wenige Gelegenheiten, wo man so ungern Recht behält wie in dieser", sagt FDP-Rechtsexperte Jörg van Essen. Auch Hans-Christian Ströbele, Innenexperte der Grünen, ist ratlos: "Ich weiß nicht, wie man diese Dinge jetzt noch reparieren will." In den Verfassungsschutzämtern
herrscht Panik. Die ersten Spitzel haben bereits bei ihren
V-Mann-Führern angefragt, ob die Politik sie wirklich auffliegen lassen
wolle. "Wenn das geschieht", mahnt ein Beamter,
"dann können wir den Laden dichtmachen." Tatsächlich hätte es aus Karlsruhe kaum schlimmer kommen können. Denn nachdem im Januar aufgeflogen war, dass einige der übelsten rechten Krakeeler in den Verbotsanträgen in Wahrheit auch für den Staat arbeiten, formulierten die Richter umfassende Fragen. "Das Verfassungsgericht will wissen", so der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein, "ob die NPD ein Geschöpf des Verfassungsschutzes ist, welchen Umfang das mögliche ,Unternehmen Unterwanderung' hatte." Durch "die Ungeschicklichkeit der Antragsteller ist der Verdacht entstanden, dass die NPD vom Verfassungsschutz gesteuert wird", so Klein. "Dieser Verdacht muss wirklich ausgeräumt werden." Anmerkung: Jetzt aber sieht es so aus, als hätte
die 37-seitige Stellungnahme vom Februar beim Gericht praktisch keine
Wirkung gezeigt. Und was eine große rechtsstaatliche Offensive gegen den
braunen Rand des Parteienstaats werden sollte, wird so zum prozessualen
Stellungskrieg. Anders als es sich die Regierung gewünscht hat, hat das
Gericht keinerlei "Wege der Offenbarung" aufgezeigt,
sondern die angeschlagenen Antragsteller im Schlamassel sitzen lassen.
Bisher dachten manche Regierungsvertreter, sie könnten mit Angaben zur Zahl der V-Leute in den Anträgen davonkommen. Jetzt fragt das Gericht aber erstmals gezielt nicht nur nach V-Leuten der Geheimdienste, sondern auch nach Informanten der Polizei - ein lange ignoriertes Gebiet: Ein ostdeutsches Amt etwa schleuste einen ehemaligen Polizisten in die NPD. "Es wird deutlich mehr offenbart werden müssen als bisher", meint Ex-Verfassungsrichter Klein. "Die Namen wird man wohl nennen müssen." Die Richter, so Klein, würden sich kaum "mit dem allgemeinen Verweis auf Geheimhaltungsinteressen zufrieden geben. Zu jedem Punkt, der verschwiegen wird, muss prinzipiell der genaue Grund des Geheimhaltungsbedürfnisses offen gelegt werden - und die Gegenseite muss auch von diesen Gründen Kenntnis bekommen, weil sie das Recht hat, Gegenargumente vorzutragen". Doch auf eine Quelle hinzuweisen und belegen zu müssen, warum man sie nicht enttarnen kann, kann ihrer Enttarnung gleichkommen: "Je konkreter das wird, desto mehr läuft es auf Enttarnung hinaus", fürchtet ein am Verfahren beteiligter Jurist. Der wehrhafte Staat stecke in einem "rechtsstaatlichen Dilemma", so der Düsseldorfer Parteienrechtsexperte Martin Morlok, "und das Verfassungsgericht lässt derzeit keinen Weg erkennen, der aus diesem Dilemma führt". Letztlich, klagt ein Insider, "stehen wir vor der Alternative ,Beobachten' oder ,Verbieten': Wollen wir die NPD ausforschen, können wir sie nicht verbieten, wollen wir sie verbieten, dürfen wir sie vorher nicht ausspionieren". Selbst das von den Prozessbevollmächtigten bisher erwogene "In-camera-Verfahren" - man legt heikle Informationen nur dem Gericht, nicht aber der NPD oder deren Anwälten vor - hat kaum noch eine Chance. "Auch der Partei, deren Existenz auf dem Spiel steht, gebühren alle rechtsstaatlichen Verteidigungsmittel", meint der ehemalige Verfassungsrichter Di eter Grimm. "Zweifel über die Tragfähigkeit des Beweismaterials wirken zu Gunsten der Partei." So ist nur die NPD mit der Karlsruher Entscheidung zufrieden: "Wir haben das mit großer Freude aufgenommen", sagt Parteichef Udo Voigt, dessen radikale Truppe nun zur Bundestagswahl antreten kann. "Wir machen jetzt mit vollem Schwung Wahlkampf." Genau diese Aussicht wird zumindest verhindern, dass
sich die anderen Parteien bis zum 22. September über das vergurkte
NPD-Verbotsverfahren streiten. Diesen letzten Triumph gönnt den Rechten
als Wahlkampf-Gag niemand. DIETMAR HIPP, GEORG MASCOLO
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