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Ein Musterbeispiel für altbekannte Schwächen
Nitrofen-Skandal: Kette von Versäumnissen und Fehleinschätzungen
Hannover/Berlin. (dpa) Ausgerechnet eine
"Lagerstätte der Staatsreserve an Pflanzenschutzmitteln" der DDR entpuppt
sich als Quelle des Nitrofen-Skandals, der die deutsche Öko-Branche
schüttelt. Wo sozialistische Planwirtschaft tonnenweise Gift für ihre
Produktionsgenossenschaften hortete, wurden bedenkenlos Getreidevorräte
aus biologischem Anbau eingelagert.
Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne)
fiel angesichts der eher banalen Aufklärung ein "Stein vom Herzen". Die
Affäre hat keinen kriminellen Hintergrund, um Öko-Landwirtschaft und
Agrarwende zu diskreditieren.
Doch die
Entwicklungsgeschichte des Skandals erweist sich als Musterbeispiel für
Fehler im System. Die Kette von Versäumnissen, Fehleinschätzungen
und Kommunikationsdefiziten beginnt mit dem Verkauf der Gift-Lagerhalle in
Malchin durch die Treuhand ohne Auflagen für Nutzung oder Sanierung. Zwölf
Jahre später werden im Staub der Halle zwei Gramm Nitrofen pro Kilogramm
entdeckt, der Grenzwert liegt bei 0,01 Milligramm und damit 200 000-fach
darunter.
Die Norddeutsche Saat- und
Pflanzgut AG in Neubrandenburg darf den hoch kontaminierten Bau seit
Oktober 2001 für die Lebensmittellagerung nutzen, offenbar ohne
irgendwelche Unbedenklichkeitszertifikate vorlegen zu müssen. Und
das auch noch gefördert mit Mitteln der EU, des Bundes und des Landes
Mecklenburg-Vorpommern.
Doch auch das
Kontroll-System in der Produktionskette von Öko-Lebensmitteln offenbarte
Schwächen. So testete die Futtermittelfirma GS agri erst im März
2002 Getreideproben, die bereits im November des Vorjahres gezogen worden
waren. Wären diese Proben nicht mit monatelanger Verzögerung untersucht
worden, die Vergiftung wäre wohl eher entdeckt worden.
Aber auch der Fund von Nitrofen im Futtermittel
sorgte nicht automatisch für lückenlose Aufklärung und Information der
Behörden. Dazu trug der Umstand bei, dass private Labore im Auftrag des
Futtermittelherstellers GS agri wie auch von Produzenten von Öko-Fleisch
oder -Eiern ihre Funde bisher nicht an Behörden melden müssen. Das will
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) ändern.
Wenig überzeugend
Die Reaktion von Behörden auf Nitrofen-Hinweise war wenig
überzeugend. Schon im März stellt die dem Bundesverbraucherministerium
unterstellte Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach in
Putenfleischproben eines niedersächsischen Herstellers Nitrofen fest - und
wertet dies als "lokales Problem". Im April wird die für das bayrische
Landesamt für Ernährung arbeitende Öko-Kontrollstelle Biozert in Augsburg
über belastete Putenwurst in Läden der Tagwerk-Genossenschaft informiert.
Das Verbraucherministerium in München will davon erst Ende Mai aus der
Zeitung erfahren haben.
Keine Alarmglocken
Gäbe es eine zentrale Meldestelle für
Belastungen von Lebensmitteln, wäre vermutlich schon im März, spätestens
jedoch Mitte April die Häufung von Nitrofen-Funden aufgefallen. Künast
will nun die Behörden anweisen, Informationen über brisante Stoffe sofort
weiterzugeben. Doch nicht einmal die Selbstanzeige des
Ökofleisch-Produzenten "Krusenhof" beim niedersächsischen Landkreis
Ammerland sorgte dafür, dass Alarmglocken läuteten. Der Kreis sah in
seiner Meldung an die Staatsanwaltschaft Oldenburg keine
Gesundheitsrisiken.
Künast erkennt auch ein Geflecht im
genossenschaftlichen Raiffeisenverbund am Werk, der dafür gesorgt habe,
dass die Öffentlichkeit nicht frühzeitig informiert worden sei.
Tatsächlich stecken hinter der Öko-Fassade wegen des
immer größeren Marktes zunehmend dieselben industriellen Strukturen wie in
der konventionellen Landwirtschaft.
02.06.2002
Von Hannes Boekhoff
Lernfähigkeit
= 0
Verantwortung
= 0
Sachkompetenz
= 0
____________________________________
Summe 22. September
2002: 0,00 DM/
____________________________________
Grillen statt Wählen !
http://home.t-online.de/home/muhmilch/01/hundethemen.htm#Versuchshundezucht
Versuchshundezucht in Deutschland
Hundebabys als Massenware
In der Oktober-Ausgabe der TIER-INFO berichteten wir von den
Entdeckungen
der englischen Tierversuchsgegner. Sie hatten >undercover< bei der Firma
Harlan UK ermittelt und dabei die Vernachlässigung und massenhafte
Tötung
von Beagle-Hunden dokumentiert, die für Tierversuche gezüchtet werden.
Der
Bundesverband der Tierversuchsgegner - Menschen für Tierrechte nahm dies
zum
Anlass herauszufinden, unter welchen Bedingungen hier in Deutschland
Hunde
für Tierversuche gezüchtet werden. Hier sind die erschütternden
Ergebnisse.
Die Harlan Winkelmann GmbH ist der deutsche Zweig der Harlan Sprague
Dawley
Inc. Mit Sitz in den USA. In Deutschland werden in diesem Unternehmen
vor
allem Hunde, aber auch >Nagetiere< für Versuche gezüchtet. Laut eigenen
Angaben ist Harlan Winkelmann sowohl weltweit als auch in Deutschland
der
zweitgrößte kommerzielle Anbieter von Versuchstieren (nach dem ebenfalls
weltweit tätigen Unternehmen Charles Riever). Von den ca. 4500 Hunden,
die
jährlich in Deutschland in Tierexperimenten eingesetzt werden, stammen
etwa
1500 von Harlan Winkelmann. Die Firma liefert außerdem Tiere nach
Holland,
Dänemark, Österreich und in die Schweiz.
Besichtigung bei Harlan
Nach den Entdeckungen in England wollten wir uns nicht mit einigen
Informationen per Brief abspeisen lassen, sondern die Einrichtungen bei
Harlan besichtigen. Dies war nach einigem Hin und Her auch möglich und
der
Direktor, die tierärztliche Leiter und ein Pfleger führten uns durch den
Betrieb.
Es war uns allerdings nicht gestattet, Fotos zu machen.
Die folgenden Zahlen vermitteln nicht die Empfindungen, die sich beim
Anblick der Tiere in den Zwingeranlagen einstellten, aber sie geben
einen
Eindruck über die Massenproduktion von Hunden für die Verwendung als
Versuchstiere:
· Ungefähr 500 Zuchthündinnen leben bei Harlan Winkelmann. Dabei handelt
es
sich in der Mehrzahl um Beagle-Hunde sowie um einen >Mischlings-Stamm<,
der
ursprünglich aus Foxhound, Boxer und Labrador gezüchtet wurde.
· Jeweils etwa sechs bis acht Hündinnen leben mit einem Rüden zusammen,
do
dass es insgesamt circa 60 bis 80 Zuchtrüden sind.
· Zwölf Pfleger und ein Tierarzt kümmern sich um die Zuchthündinnen und
-rüden sowie um die Welpen bis zum Alter von drei Monaten. Dann werden
die
jungen Hunde in eine andere - räumlich weiter entfernte - Anlage von
Harlan
Winkelmann verbracht, wo sie bis zum Verkauf bleiben.
· Mehrere tausend Welpen werden auf diese Weise jedes Jahr >produziert<
und
im Alter von einigen Monaten zu einem Preis von durchschnittlich 2500
bis
3000 DM an Versuchslabore verkauft.
Trostloses Dasein als Gebährmaschinen
Kurz vor dem Geburtstermin werden die tragenden Hündinnen vom Rudel
getrennt
und in Einzelabteile< verbracht. Hier werden die Welpen geboren. Nach
der
Entwöhnung mit etwa acht bis zehn Wochen hat die Mutter zwei bis drei
Wochen
Zeit, sich zu erholen. Dann kommt sie wieder zurück ins Rudel und wird
bei
der nächsten Läufigkeit wieder gedeckt. So hat jede Hündin ein bis zwei
>Würfe< pro Jahr, und dies bis ins hohe Alter.
Zum Vergleich:
Sogar nach den Richtlinien des Verbandes für das Deutsche Hundewesen
(VDH),
dem Dachverband der meisten Rassehundvereine und >Hobbyzüchter<, dürfen
Hündinnen zur Zucht nur eingesetzt werden, wenn sie mindestens 20 Monate
und
höchstens acht Jahre alt sind. Sie dürfen in der Regel pro Kalenderjahr
nur
einmal Welpen und insgesamt höchstens fünf >Würfe> bekommen.
Keinerlei Abwechslung oder Spielzeug
Alle Hunde werden bei Harlan Winkelmann auf beheizbarem Betonboden
gehalten.
Bei den Müttern mit Welpen befindet sich eine >Wurfkiste< in den
Abteilen,
die mit Hobelspänen oder mit Jutesäcken ausgelegt ist. Die Zwinger haben
einen kleinen Auslauf unter freiem Himmel, zu dem eine Klappe führt, die
von
den Hunden selbständig geöffnet werden kann. Die >Zuchtrudel< aus Rüde
und
mehreren Hündinnen haben allerdings gar keinen Freilauf. Sie werden in
einer
großen Halle gehalten, die in Abteile unterteilt ist, in denen jeweils
ein
Rudel lebt. In jedem Abteil steht etwas erhöht eine Hütte mit ebenfalls
beheizbarem Boden. Spielzeug, Beißhölzer, Röhren zum Durchkriechen oder
ähnliches gibt es nicht. Richtigen Auslauf oder Freigang bekommen die
Hunde
nicht.
Ein Hundeleben
Wir hatten Gelegenheit, durch den ganzen Betrieb zu gehen und Kontakt zu
den
Tieren aufzunehmen. Die meisten Hunde waren trotz dieser einengenden
Haltung
ohne Abwechslung und ohne jegliche Spielmöglichkeit kaum verängstigt und
schon gar nicht aggressiv. Sie zeigten sich neugierig und zutraulich,
ließen
sich streicheln und waren geradezu begierig danach, die angebotene Hand
zu
beschnüffeln und zu belecken. Dies ist sicher ein Zeichen für das auch
von
Experimentatoren immer wieder betonte freundliche Wesen der
Beagle-Hunde,
das ihnen in diesem Fall zum Verhängnis wird und sie häufig als
Versuchstiere enden lässt. Wir konnten bei Harlan Winkelmann keinen Hund
entdecken, der verletzt oder in schlechtem Pflegezustand war. Doch wer
mit
Hunden umgeht und Erfahrung hat, wer erlebt hat, wie entdeckungsfreudig
junge Hunde sind, wie gern sie Neues untersuchen und auf einer Wiese
auch
mal Löcher buddeln, wie viel Freude ihnen ein Spaziergang und im Sommer
ein
Bad im See oder Bach macht, wer ein wirklich erfülltes Hundeleben kennt,
der
weiß, dass ein Hund mehr braucht als einen gefüllten Napf und einen
sauber
ausgespritzten Zwinger.
Angeblich keine Tötung überzähliger Tiere
Laut eigenen Angaben kommt es bei Harlan Winkelmann nicht vor, dass
Hunde
aus Gründen der Überproduktion< getötet werden. Angeblich wird immer
eher
unter Bedarf <produziert<, so dass alle gezüchteten Tiere auch
<Abnehmer<
finden. Auch Tiere mit >Mängeln< wie verkürzte Unterkiefer, die nach den
Recherchen der englischen Tierversuchsgegner in England eingeschläfert
werden, werden bei Harlan Winkelmann nach eigener Aussage nicht getötet,
sondern ebenfalls an Labore verkauft. Selbst für alte Hunde, die aus der
Zucht genommen werden, hat diese >Tierverwertungs-Industrie< noch
Verwendung:
Sie werden als >Blutspender< eingesetzt. Aus dem Blut wird z.B. Serum
hergestellt, das in der pharmazeutischen Industrie vielfältig verwendet
wird, unter anderem zu diagnostischen Zwecken.
Ob diese Angaben stimmen, kann allerdings kaum überprüft werden.
Die rechtliche Situation
Für Hunde, die für Tierversuche gezüchtet werden, gibt es in Deutschland
keine gesetzlich verbindlichen Vorschriften hinsichtlich Haltung,
Zwingergröße, Auslauf oder ähnlichem. Das Tierschutzgesetz schreibt zwar
vor, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend zu
versorgen
und verhaltensgerecht unterzubringen sind. Doch dies sind sehr
allgemeine
Maßgaben. Es gibt keine genaueren Ausführungen darüber, was z.B. unter
>verhaltensgerecht< zu verstehen ist. Und auch auf europäischer Ebene
gibt es
lediglich Empfehlungen ohne rechtliche Bindung.
In jedem Buch über Hunderassen wird der Beagle als liebenswerter,
freundlicher Hund beschrieben, der ursprünglich für die Treibjagd
gezüchtet
wurde und vor allem eins im Sinn hat: laufen, laufen, laufen.
Doch trotz dieser Erkenntnisse besteht keine rechtliche Handhabe gegen
die
restriktive Hundehaltung bei Harlan Winkelmann, denn wie oben ausgeführt
gibt es keine verbindliche Regelung für die Zucht und das Halten von
Hunden
für Tierversuche.
Tierversuche mit Hunden
Doch das eintönige und trostlose Dasein der Zuchthunde ist
wahrscheinlich
das kleinere Übel im Vergleich zu dem, was auf Tausende Hundebabys
anschließend zukommt. Schließlich werden sie nur zu dem Zweck geboren,
im
Tierversuch zu enden. Hunde werden häufig in der
Herz-Kreislauf-Forschung
benutzt, wo z.B. Herzinfarkte untersucht und dazu bei den Tieren
künstlich
ausgelöst werden. Weiterhin werden etwa die Hälfte der in Deutschland in
Tierversuchen verwendeten Hunde in sogenannten Toxizitätsuntersuchungen
eingesetzt. Dies bedeutet, dass den Tieren Substanzen verabreicht
werden, um
deren Giftigkeit zu prüfen. Dabei werden die zu testenden Mittel
entweder
dem Futter beigemischt, mit einer Sonde direkt in den Magen gegeben oder
per
Spritze verabreicht. Die giftigen Wirkungen der Teststoffe sind in
vielen
Fällen sehr schmerzhaft für die Tiere. Am Ende des Versuchs, der Tage
oder
auch Wochen dauern kann, werden die Hunde getötet und ihre inneren
Organe
entnommen und untersucht.
Fazit
Dass Tierversuche unethisch und sehr oft mit großen Schmerzen für die
Tiere
verbunden sind, ist für uns Tierversuchsgegner nicht neu und leider
immer
noch Tatsache. Dass die Zucht und die Haltung dieser Tiere nur unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben wird und keine Rücksicht auf
wirkliche Bedürfnisse und das Ausleben arteigener Verhaltensweisen
nimmt,
ist in diesem Zusammenhang kein Wunder. Aber dass dies nach der
derzeitigen
rechtlichen Lage auch noch völlig legal ist, macht deutlich, dass wir
noch
viel Arbeit vor uns haben. Auch künftig wird unser Einsatz gegen
Tierversuche und für die Anerkennung und Durchsetzung von Tierrechten
notwendig sein.
Lassen Sie uns weiter für diese Ziele streiten !
Dr. Marion Selig, Tierärztin und Vorstandsmitglied im Bundesverband
der Tierversuchsgegner - Menschen für Tierrechte e. V.
http://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksArtikel&aid=1022865017679&openMenu=
987490165154&calledPageId=990103122457&listid=994406280866
Gesetze verhindern keine Katastrophen
VON JUTTA VOSSIEG, 02.06.02, 19:02h, aktualisiert 20:57h
In letzter Sekunde ist das eigentlich schon verabschiedete Waffengesetz
vom
Bundesrat gestoppt worden. Eine weitere Verschärfung, die vor dem Amoklauf
von Erfurt allenthalben abgelehnt wurde, soll jetzt verhindern, dass so
etwas in Zukunft wieder passiert.
Nun also die Schützen. Als tumbe Ballermänner³ (Der Spiegel³)
diffamiert,
sollen sie an die Kandare genommen werden, weil Verbrecher häufig
Schusswaffen benutzen. So wie ausländische Studenten unter eine
verfassungsrechtlich bedenkliche Rasterfahndung fallen, damit sich der 11.
September nicht wiederholt. So wie niemand heute mehr seinen Pudel von der
Leine lassen darf, damit keine Kinder mehr tot gebissen werden.
Im Klima allgemeiner Wut, Betroffenheit und Ratlosigkeit, das auf von
Menschen verursachte Katastrophen folgt, ist es für Politiker in einer
Mediendemokratie so gut wie unmöglich, nichts zu unternehmen; rundheraus
zuzugeben, dass es sich um singuläre Ereignisse handelt, die sich immer
und
überall wiederholen können. Gegen die es keinen unmittelbaren Schutz gibt.
Aus denen erst nach sorgfältiger Analyse Lehren und Konsequenzen gezogen
werden können.
Reflexartig werden Gesetze und noch schärfere Gesetze angekündigt - als
gäbe
es eine Möglichkeit, Kurzschlüsse in Menschenhirnen zu verbieten.
Suggestive
Umfragen in aufgeheizter Atmosphäre geben den Machern³ scheinbar
Rückenwind. Der kollektiven Illusion der Beherrschbarkeit aller
Lebensrisiken, der Sehnsucht nach einfachen, wirksamen Lösungen kann sich
kaum jemand entziehen. Dabei fällt es der Mehrheit leicht, über
Minderheiten
zu richten. Sie steht, mangels Kenntnis der Materie und Verständnis für
die
Interessen anderer, natürlich immer hinter Gesetzen, die die Freiheiten
einzelner Gruppen unter einem populären Vorwand einschränken.
Wer heute nach Auflagen für seinen Nachbarn ruft, kann aber morgen selbst
betroffen sein. Es gibt kaum ein Individualinteresse, das nicht als
Beeinträchtigung anderer ausgelegt werden kann, einen spektakulären Anlass
vorausgesetzt. Man denke nur an die brutalen Ausschreitungen im Dunstkreis
von Fußballspielen oder die grauenhaften Unfälle zu Beginn jeder
Motorradsaison. Kein Wunder ist hingegen, dass es ähnliche Bestrebungen
nach
dem Unfalltod des Sohnes des Kölner OB, verursacht durch PS-verliebte
junge
Männer, nicht gegeben hat: Autofahren ist schließlich Volkssport.
Eine Gesellschaft, die scheinbar wahllos Verbote ausspricht, deren
Gesetzgebung sich an den aktuellen Schlagzeilen orientiert, ist eine
zutiefst unfreie. Sie misst ihre Bürger an Maßstäben, die von Psychopathen
und Kriminellen gesetzt werden. Sie traut ihren Menschen
Verantwortungsbewusstsein, Augenmaß und vor allem persönliche Integrität
nicht mehr zu. Dabei gibt es niemals einen absoluten Schutz vor dem
Faktor
Mensch³.
Sämtliche Gesetzesverschärfungen gehen an den eigentlichen Ursachen der
auslösenden Ereignisse vorbei. Robert Steinhäuser wurde in Erfurt nicht
zum
Massenmörder, weil er Sportschütze war, sondern weil er, völlig
vereinsamt,
durch sämtliche Raster gefallen war - unter den Augen von Eltern, Lehrern
und Behörden. Das World Trade Center stürzte nicht ein, weil junge Leute
aus
aller Welt in Deutschland unbehelligt studieren dürfen, sondern aus
Gründen,
die so kompliziert sind, dass die Welt darüber noch lange zu diskutieren
haben wird. Der kleine Volkan wurde nicht totgebissen, weil manche Leute
Hunde mögen, sondern weil die Hamburger Behörden vor der Chuzpe eines
Kriminellen kapitulierten, der jahrelang in aller Öffentlichkeit mit
seinem
Kampfhund als Waffe protzte.
Immer feiner ziselierte Gesetze werden neue Katastrophen nicht
unterbinden,
weil sie stets nur die ohnehin Gesetzestreuen treffen. Daneben wächst
stetig
eine Parallelgesellschaft, die von Polizei und Verwaltung weitgehend in
Ruhe
gelassen wird - ob aus Bequemlichkeit oder Personalmangel spielt im
Ergebnis
keine Rolle.
Es ist einfach, billig und verkauft sich gut, registrierten Sportschützen,
eingeschriebenen Studenten oder steuerzahlenden Hundehaltern immer neue
Vorschriften zu machen. Den Kampf gegen die Flut illegaler Waffen, die
sich
jeder über ein paar Kontakte besorgen kann, aufzunehmen, Jugendlichen
rechtzeitig Hilfe und Orientierung anzubieten, die Veranstalter der
lukrativen Hundekämpfe zu verfolgen oder die Ursachen des Terrors zu
bekämpfen ist hingegen eine Sisyphos-Arbeit. Sie erfordert erheblichen
finanziellen und personellen Einsatz sowie Phantasie und Bereitschaft zum
Umdenken und zeitigt erst langfristig Erfolg - wenn überhaupt.
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