Niedersachsen - Nachrichten
Studie soll Kampfhundeverordnung kippen
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Hannover. Mit einer neuen Studie über die Gefährlichkeit bestimmter
Hunderassen hoffen Tierhalter, die Kampfhundeverordnung gerichtlich
zu Fall zu bringen. Die Kläger wollen sich an diesem Mittwoch in
einem Musterprozess vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin auf
die Ergebnisse der für einige Rassen amtlich vorgeschriebenen
Wesenstests berufen.
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Bundesgerichtshof verhandelt / Tierhalter berufen sich auf
Verhaltensforscherin / Maulkorb auch für Schäferhunde?
Das Gericht befasst sich in einem Normenkontrollverfahren
mit der Verordnung des Landes.
Vor rund einem Jahr hatte das Lüneburger Oberverwaltungsgericht Teile
der Gefahrtierverordnung des Landes gekippt. Einige Regelungen seien
unverhältnismäßig, dadurch werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt,
entschieden die Lüneburger Richter. Das Gericht rügte unter anderem die
vorgesehene Tötung von Hunden. Gefährliche Rassen, wie Bullterrier,
American Staffordshire-Terrier, Pittbull-Terrier und Kreuzungen dieser
Hunde, die den Wesenstest nicht bestehen, mussten laut Verordnung
getötet werden. Unverhältnismäßig sei auch, dass Kampfhunde, die den
Wesenstest bestanden haben, unfruchtbar gemacht werden sollten. Die
Ausrottung ganzer Hunderrassen ging den Richtern zu weit. Gegen die
niedersächsische Verordnung hatten ein Hundehalter, zwei Betreiber von
Tierheimen und vier Rottweiler-Züchter geklagt.
Die Kläger wollen in dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine
Studie vorlegen, nach der bei Tests von als gefährlich eingestuften
Rassen und von deren Kreuzungen von 219 Hunden lediglich ein
verhaltensauffälliger Hund festgestellt wurde. Der Charakter fast aller
anderen untersuchten Tiere sei dagegen mit mit exzellent bis gut
bewertet worden. Die Studie wurde von der Kieler Verhaltensforscherin
Dorit Feddersen-Petersen vorgelegt. Diese gehörte vor zwei Jahren zum
Expertenteam, das die niedersächsische Kampfhundeverordnung
ausgearbeitet hatte.
Die Wissenschaftlerin erhält Unterstützung aus Hannover: Auch an der
Tierärztlichen Hochschule durchgeführte Prüfungen zeigten eindeutig,
dass diese Rassen nicht das große Gefahrenpotenzial darstellen. Das
sagte der Leiter des Instituts für Tierschutz und Verhalten, Hansjoachim
Hackbarth. Deutlich größere Probleme würden Tiere bereiten, die nicht in
der gefährlichsten Kategorie geführt werden, wie Dobermann und
Rottweiler. Wirksamer als pauschale Verbotslisten aufzustellen, sei es
allemal, genetisch zu selektieren: Hunde, die in die Zucht gehen,
sollten grundsätzlich auf ihre Aggressivität getestet werden, forderte
Hackbarth.
Gegen das Lüneburger Urteil hatten sowohl Hundehalter als auch das
Landwirtschaftsministerium in Hannover Einspruch eingelegt. Das Gericht
soll nach Angaben des Sprechers des Landwirtschaftsministeriums in
Hannover, Hanns-Dieter Rosinke, auch klären, ob außer Dobermann
und Rottweiler weitere Rassen in der Kategorie zwei aufgeführt werden.
Die Lüneburger Richter mahnten einen Maulkorbzwang für Schäferhunde,
Doggen und Boxer an.
mak
Halter wollen Kampfhunde-Verordnung kippen
Musterprozess vor dem Bundesverwaltungsgericht. Kieler
Verhaltensforscherin: Tiere haben guten Charakter
Von Ira von Mellenthin
Kiel/Hamburg - Mit neuen
Untersuchungsergebnissen über die Gefährlichkeit bestimmter Rassen
wollen Hundehalter-Organisationen am Mittwoch in Berlin im Rahmen eines
Musterprozesses die bundesweit eingeführten Kampfhunde-Verordnungen zu
Fall bringen. Wie der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe berichtet,
berufen sich die Halter dabei auf die Ergebnisse der für Kampfhunde
amtlich vorgeschriebenen Aggressions- und Wesenstests, denen sich Rassen
wie etwa American Staffordshire und Pitbull Terrier sowie Kreuzungen
daraus stellen müssen.
Als Beleg für die
Ungefährlichkeit dieser Rassen führen die Hundehalter dem "Spiegel"
zufolge auch Untersuchungen der Kieler Verhaltensforscherin Dorit
Feddersen-Petersen an, die die maßgeblich von ihr entwickelten
Wesenstest an 219 gefährlichen Hunden der Kategorie 1 durchführte.
Danach sei bei fast allen der untersuchten Tiere der Charakter mit
"exzellent bis gut" bewertet worden. Lediglich ein Hund wurde als
"verhaltensauffällig" eingestuft.
Ebenfalls als Beispiel gegen die
Gefährlichkeit von so genannten Kampfhunden wollten die Prozessführer
das Ergebnis der Untersuchung mehrerer hundert als gefährlich geltender
Hunde an der Tierärztlichen Hochschule Hannover nennen. Aus diesen
Prüfungen geht nach Angaben des Leiters des Instituts für Tierschutz und
Verhalten, Hansjoachim Hackbarth, hervor, dass die Kampfhunderassen
"eindeutig nicht das große Gefahrenpotenzial darstellen". So bereiteten
Tiere, die nicht als so genannte Kampfhunde geführt würden, etwa
Rottweiler und Dobermänner, deutlich größere Probleme.
Dies bestätigt auch Wolfgang
Poggendorf, Geschäftsführer des Hamburger Tierheims in der Süderstraße.
Schäferhunde, Rottweiler, Dobermänner wie auch Riesenschnauzer und
Kreuzungen aus diesen Rassen müssten künftig wie die Kampfhunde
Wesenstests unterzogen werden, forderte er am Sonntag gegenüber der
WELT. Weiter sollten auch Halter dieser Rassen wegen der
potenziellen Gefährlichkeit und massiven Folgen von Beißunfällen
Sachkundenachweise erbringen sowie eine Zwangshaftpflicht ablegen
müssen.
Eine Katalogisierung zusätzlicher Rassen
lehnt Poggendorf jedoch ab. "Ich bin überzeugt, dass sich Rasselisten
auf Dauer nicht halten lassen und vor Gericht keinen Bestand haben
werden", sagte er. Dennoch hätten die nach der tödlichen
Kampfhundattacke auf den damals siebenjährigen türkischen Volkan im
Sommer 2000 eingeführten Hundeverordnungen ihren Sinn gehabt. So hätten
sich auf Grund der Verordnung in Hamburg rund 600 Kampfhunde dem
Wesenstest stellen müssen. 90 davon hätten die Tests nicht bestanden.
"Das hat die Sicherheit auf Hamburgs Straßen und Plätzen in jedem Fall
verbessert", so der Tierheim-Chef. Umso erforderlicher seien jedoch neue
Vorschriften, die die potenzielle Gefahr, die von Rottweilern,
Schäferhunden, Dobermännern und Riesenschnauzern ausgehe, zu minimieren.
Nach der Auflösung der Harburger
Hundehalle warten unterdessen im Tierheim Süderstraße und einer Pension
vor den Toren der Stadt 57 Kategorie-I-Kampfhunde auf eine Entscheidung
über ihre Zukunft. Diese Tiere seien ihren Haltern entzogen worden, so
Poggendorf. Einem Wesenstest sollten diese Tiere jedoch erst unterzogen
werden, wenn die Rechtsverfahren abgeschlossen seien.
Die Hamburger Regierungskoalition hat
derweil ihren Streit um den künftigen Umgang mit Kampfhunden auf den
Spätsommer vertagt. Die Kampfhundeexperten von CDU, Partei
Rechtsstaatlicher Offensive und FDP hätten sich jetzt auf ein erneutes
Treffen des überfraktionellen Arbeitskreises Tierschutz Mitte August
geeinigt. Dann solle erneut versucht werden, eine einheitliche Linie zu
finden, erklärte der CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke am Sonntag gegenüber
der WELT.
Wie berichtet erwägen CDU und
Schill-Partei derzeit mehrheitlich, die Hamburger Kampfhundeverordnung
zu erweitern und auf potenziell gefährliche Rassen wie etwa Rottweiler,
Dobermänner, Schäferhunde und Kreuzungen aus diesen Rassen unter
Einstufung nach Größe, Gewicht und Auswirkung von Bissen zu erweitern.
Die FDP und einzelne Mitglieder der Schill-Fraktion fordern dagegen
die Abschaffung der Rasselisten zu Gunsten einer Einstufung nach
individueller Gefährlichkeit.
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Wie Martin Pietralla Kampfhunden die Aggressivität nimmt
Ulm/B.-W., 1.7.02
Das mittägliche Waldidyll am Ulmer Stadtrand wirkt mit einem Schlag
bedrohlich. Ängstlich blicken die beiden jungen Frauen hoch zu Pferde
auf Bruno, das Muskelpaket, hinab: Vor ihnen steht ein Kampfhund. Um
Hunde wie Bruno geht es in einem Musterprozess, der morgen vor dem
Bundesverwaltungsgericht in Berlin beginnt. Mehrere Tierhalter aus
Niedersachsen wollen die Kampfhunde-Verordnung, deren Regelung
Ländersache ist, zu Fall bringen. Dabei verweisen sie auf das Ergebnis
einer Studie der Kieler Verhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen.
Demnach war gerade mal einer von 216 untersuchten Tieren
verhaltensauffällig.
Für Bruno, einen sechs Jahre alten American Staffordshire Terrier, ist
dies die erste Begegnung mit Pferden. Und der Rüde, ohne Leine und
Maulkorb unterwegs, verhält sich vorbildlich. Er hört Begleiter Martin
Pietralla leise seinen Namen rufen. Dann ertönt ein kurzes Klicken aus
einem Spielzeugfrosch. Und Bruno weiß, für ihn gibt es jetzt ein
dickes Lob und einen Hundekuchen: Brav Bruno. Martin Pietralla hat
ein ungewöhnliches Hobby: Er erzieht schwierige Hunde. Auch
Kampfhunde. Das sind Rassen wie Pitbull, Bandog, American
Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Tosa-Inu, deren
Züchtung in Deutschland inzwischen verboten ist. Sie zu halten ist
ebenfalls generell untersagt. Allerdings lassen einige Bundesländer
Ausnahmen zu, wenn auch mit strengen Auflagen.
Nicht, dass Pietralla über Nacht einen Pitbull oder Staffordshire
Terrier in ein Schoßhündchen verwandeln würde. Aber immerhin gelingt
es dem 59- Jährigen, ihnen ihre unberechenbare, unkontrollierte
Aggressivität abzutrainieren. Auch die gemeinhin als Kampfmaschinen
verschrienen Vierbeiner lernen bei ihm, sich vernünftig zu verhalten,
sagt Pietralla. Etwa, wenn sich ein Rad- oder Moped-Fahrer nähert oder
ein Betrunkener scheinbar bedrohlich auf sie zukommt. Etliche von
Pietrallas vierbeinigen Schützlingen haben inzwischen den Wesenstest
quasi den Hunde-TÜV bestanden. Damit dürfen sie in einem Bundesland
wie Baden-Württemberg von Privatleuten gehalten werden. Ganz im
Gegensatz zu Bayern. Je nach Einzelfall verzichten Behörden im
Nachbarland auf Leinenzwang und Maulkorb.
Pietralla dressiert Hunde ohne jegliche Gewalt. Leise und sanft kommen
die Kommandos. Der Hund muss begreifen, dass ich ihn nicht bezwingen
will, sondern dass es sich lohnt mit mir zu kooperieren. Strafen
bringen nichts, nur Lob. Es hätte nicht viel gefehlt, und Bruno wäre
eingeschläfert worden. Vor einem Jahr wagte es im Ulmer Tierheim kein
Pfleger, sich ihm zu nähern. Denn Bruno, der namenlos ins Tierheim
kam, ist ein Fundhund. Passanten wurden auf ihn aufmerksam.
Angsteinflößend stand er da, angeleint an einem Laternenpfahl,
abgemagert und am Hinterbein verletzt.
Er wurde ein Fall für Pietralla. Der Wissenschaftler, der an der Ulmer
Universität Experimentalphysik lehrt, hatte ein Schlüsselerlebnis mit
Mirko, einem Doberman-Rüden. Der war bereits neun Jahre alt, als ihn
die Familie aus dem Tierheim holte. Aber Mirko erwies sich als
ausgesprochen gelehrig. Der Wissenschaftler, der inzwischen ein Buch
über seine Erfahrungen im Umgang mit Problemhunden geschrieben hat,
bringt seine Methode auf die einfache Formel Lernen durch Erfolg.
Die Formel basiert auf Erkenntnissen, die der russische Forscher Iwan
Pawlow entdeckte. Der Medizinnobelpreisträger wies vor rund 100 Jahren
an Tieren die Zusammenhänge von Signal und Reflex nach. 100 Jahre
später lässt Pietralla den Spielzeugfrosch knacken. Noch ist Pietralla
mit seiner Art der Hundeerziehung, die viel Mühe und
Einfühlungsvermögen verlangt, ein Einzelkämpfer. Und so kann er nicht
verhindern, dass die meisten Kampfhunde als Dauergäste in Tierheimen
leben. Bundesweit sollen es rund 20000 sein; auch in Bayern sind die
Tierheime mittlerweile voll.
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