Mittmann, Angela:
Untersuchung des Verhaltens von 5 Hunderassen und einem Hundetypus
im Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen
Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000Zusammenfassung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Wesenstests von
415 Hunden der Kategorie 1 (American Staffordshire Terrier und
Bullterrier sowie Hunde vom Pitbull-Typus) und Kategorie 2
(Rottweiler, Dobermann und Staffordshire Bullterrier) ausgewertet.
In diesen Tests wurde auf Grund der Niedersächsischen
Gefahrtier-Verordnung (GefTVO) im Zeitraum von August 2000 bis Mai
2001 das Verhalten der Hunde im Hund-Mensch- und
Hund-Umwelt-Kontakt überprüft. Es wurde untersucht, ob es einen
signifikanten Unterschied im Verhalten zwischen den Tieren der
Kategorie 1 und 2 gibt, der eine Aufteilung der Hunde in zwei
Kategorien und die daraus resultierende, unterschiedliche
Behandlung in rechtlicher Hinsicht rechtfertigte. Ferner wurde
untersucht, ob es Hinweise auf eine Rassedisposition für gestört
oder inadäquat aggressives Verhalten bei den getesteten Rassen und
Hunden vom Pitbull-Typus gab.
Das Verhalten der Hunde wurde Kategorien (Skalierungen)
zugeordnet. Dabei steht die Skalierung 1 für jedes Verhalten, bei
dem keinerlei aggressive Signale beobachtet werden konnten. Die
Skalierungen 2-7 stehen für aggressives Verhalten verschiedener
Eskalationsstufen. Das Verhalten der Hunde wurde in 35
unterschiedlichen Situationen erfasst.
158 der 415 Hunde zeigten im Wesenstest in keiner der 35
Testsituation aggressives Verhalten (höchste erreichte Skalierung
1). Weitere 201 Hunde drohten in einer oder mehreren Situationen
optisch und/oder akustisch (höchste erreichte Skalierung 2). Nur
wenige Tiere zeigten als höchten Wert 3 (Schnappen mit stationärem
Körper; zwölf Hunde) und 4 (Schnappen mit unvollständiger
Annäherung; sechs Hunde). 37 Hunde reagierten mit der höchsten
Skalierung 5 (Beißen oder Angreifen mit vorangegangenem
Drohverhalten). Ein Tier reagierte mit der Skalierung 6 (Beißen
ohne vorangegangenes Drohverhalten) und kein Tier mit der
Skalierung 7 (Beruhigung nach Eskalation erst nach über 10
Minuten).
395 der getesteten Hunde reagierten nach dem Bewertungssystem
den Situationen angemessen. Für diese 95 % der 415 getesteten
Tiere gab es demzufolge keine Hinweise für gestört oder inadäquat
aggressives Verhalten. 19 Tiere wurden als inadäquat aggressiv und
ein Hund als gestört aggressiv beurteilt (zusammen 5 %). Die
Situationen, in denen diese 20 Hunde vermehrt gestört oder
inadäquat aggressives Verhalten zeigten, waren gekennzeichnet
durch ungewöhnliche, schnelle oder abrupte Bewegungen.
Im Vergleich der einzelnen Rassen sowie der Hunde vom
Pitbull-Typus ergab diese Untersuchung keinen signifikanten
Unterschied hinsichtlich des gezeigten aggressiven Verhaltens der
Skalierungen 3, 4, 5 und 6. Die Aufteilung der Hunde in zwei
Kategorien und die daraus folgende unterschiedliche Behandlung ist
infolgedessen nicht gerechtfertigt.
Aufgrund dieser Ergebnisse ist der Wesenstest nach der GefTVO
als Pflicht für alle Hunde der fünf getesteten Rassen und der
Hunde vom Pitbull-Typus nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet dessen
ist der Wesenstest geeignet, um inadäquat und/oder gestört
aggressive Hunde zu selektieren, und damit ein Werkzeug, um das
Verhalten auffällig gewordener Hunde gleich welcher Rasse zu
überprüfen. Darüber hinaus sind eine verantwortliche Hundezucht,
eine gute Sozialisation der Welpen und eine sachkundige und
verantwortungsbewusste Haltung aller Hunde unverzichtbar, um der
Entstehung inadäquat und gestört aggressiven Verhaltens
vorzubeugen und ein entspanntes Zusammenleben von Mensch und Hund
zu gewährleisten.