Beißvorfälle in der BRD

Antwort der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 1238 der Abgeordneten

Marie-Luise Fasse, Clemens Pick, Hermann Josef Schmitz und Anne-Hanne Siepenkothen CDU

Wirksamere Maßnahmen gegen Züchter, Händler, Ausbilder und Halter von "Kampfhunden"
Wortlaut der Kleinen Anfrage 1238 vom 22. Februar 1999:
Immer wieder wird in den Medien über Übergriffe von gefährlichen Hunden auf Menschen berichtet. Nordrhein-Westfalen hat 1995 einen "Sachkundenachweis" gemäß der Gefahrhundeverordnung für die Halter von für Menschen gefährlichen Hunden eingeführt. Nach Angaben der Landesregierung sind von 1995 bis 1997 in NRW gerade einmal 43 Sachkundeprüfungen durchgeführt worden (Antwort vom 24. Januar 1998 -  - auf die Kleine Anfrage 910 der Abgeordneten Marie-Luise Fasse).
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Wie viele Hunde, die sich gemäß Gefahrhundeverordnung den Menschen gegenüber gefährlich verhalten, gibt es in NRW? (Jährliche Auflistung von 1995 bis 1998 nach Hunderassen)
2. Wie viele Angriffe auf Menschen durch diese Hunde hat es gegeben? (Jährliche Auflistung von 1995 bis 1998 nach Hunderassen)
3. Wie viele Sachkundenachweise gemäß Gefahrhundeverordnung sind in NRW erteilt worden? (Jährliche Auflistung von 1995 bis 1998 nach Hunderassen sowie Haltern)
4. Wie viele für Menschen gefährliche Hunde sind in den vergangenen Jahren von den Behörden beschlagnahmt und in Tierheimen untergebracht worden und in welcher Weise sind die Tierheime technisch und personell auf die Unterbringung dieser Tiere eingestellt?
5. Wie bewertet die Landesregierung folgende Maßnahmen zur wirksameren Bekämpfung von für Menschen gefährlichen Hunden: Importverbot, Sterilisierung, höhere Hundesteuer sowie Einführung von strengeren Ausbildungsverordnungen bzw. eines Befähigungsnachweises für Züchter, Händler und Ausbilder von sogenannten Kampfhunde-Rassen, um das wilde Züchten in Ställen, den Mißbrauch von Hündinnen als Gebärmaschinen und unverhältnismäßig hohe Tierbestände bei Züchtern zu verhindern?
Antwort der Ministerin für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 15. April 1999 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Minister für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr:
Zu den Fragen 1 und 2
In der Zeit von 1995 bis 1998 sind insgesamt etwa 57 Hunde aufgrund der Feststellungen der zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden wegen eines Angriffsverhaltens gegenüber Menschen für gefährlich im Sinne der Gefahrhundeverordnung NRW (GefHuVO NW) eingestuft und einem Sachkundeprüfungsverfahren durch die Kooperationspartner des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Landestierschutzverband NRW e.V. und dem Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. unterzogen worden.
Die Auflistung nach Jahren und Hunderassen lautet wie folgt:
Mischlinge/Rassen 1995 1996 1997 1998 Gesamt
Mischlinge 3 6 7 2 18
Deutscher Schäferhund   5 5   10
Rottweiler   2 1 2 5
American Staffordshire Terrier 1 1 1 2 5
Bernhardiner     2   2
Bullterrier 2       2
Deutsche Dogge   2     2
Mastino Napoletano   1     1
Siberian Husky   1 1   2
Golden Retriever   1   1 2
Bouvier   1     1
Boxer     1   1
Collie       1 1
Münsterländer 1       1
Riesenschnauzer       1 1
Pitbullterrier   2   1 3
Zusammen 7 22 18 10 57
Die für die Einstufung von Hunden als gefährliche Hunde im Sinne der GefHuVO zuständigen 396 Städte und Gemeinden führen keine Statistik über Fälle, in denen Hunde unabhängig von Verfahren nach der GefHuVO Menschen bedroht, angefallen oder verletzt haben und demgemäß Anlass zu polizei- bzw. ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Halter gewesen sind.
In der Zeit von 1995 bis 1997 (Zahlen für 1998 liegen derzeit noch nicht vor) hat die Polizei in insgesamt 14 Fällen Hunde im Rahmen von ordnungsrechtlich bzw. strafrechtlich relevanten Vorfällen mit Bezug auf Menschen durch Schusswaffeneinsatz getötet.
Bezogen auf die einzelnen Jahre und beteiligten Hunde ergibt sich folgende Aufstellung:

Mischlinge/Rassen 1995 1996 1997 Gesamt
Mischlinge 2 1 1 4
Deutscher Schäferhund   1 1 2
Rottweiler 1 1 2 4
Pitbullterrier 3     3
Siberian Husky     1 1
Zusammen 6 3 5 14


Soweit Angriffe von Hunden auf Menschen nicht den Ordnungsbehörden und der Polizei bekannt geworden sind, können Angaben zu der Häufigkeit derartiger Vorfälle und der beteiligten Hunderassen nicht erfolgen.
Zur Frage 3
Die Kooperationspartner des Landes Nordrhein-Westfalen, der Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. sowie der Landestierschutzverband NRW e.V. haben in der Zeit von 1995 bis 1998 insgesamt 64 Sachkundeprüfungen abgenommen.
Die Kommunen hatten zuvor in eigener Zuständigkeit festgestellt, dass der Hund als gefährlich i.S. der GefHuVO einzustufen war und die Kooperationspartner um die förmliche Feststellung der hundebezogenen Sachkunde gebeten.
Aufgelistet nach Jahren und beteiligten Hunden ergibt sich folgende Übersicht:

Mischlinge/Rassen 1995 1996 1997 1998 Gesamt
Mischlinge 3 6 8 2 19
Deutscher Schäferhund 1 5 5   11
Rottweiler   2 1 2 5
American Staffordshire Terrier 1 1 3 2 7
Bernhardiner     2   2
Bullterrier 2       2
Deutsche Dogge   2   1 3
Mastino Napoletano   1     1
Siberian Husky   1 1   2
Golden Retriever   1   1 2
Bouvier   1     1
Boxer     1   1
Collie       1 1
Irischer Terrier       1 1
Setter       1 1
Münsterländer 1       1
Riesenschnauzer       1 1
Pitbullterrier   2   1 3
Zusammen 8 22 21 13 64


Zur Frage 4
Für die Sicherstellung und Unterbringung von Tieren aus ordnungsbehördlichen Gründen sind die Städte und Gemeinden zuständig. Die Kommunen wie auch das Land führen hierüber keine Statistiken. Von einer Datenerhebung bei allen 396 Städten und Gemeinden wurde aus Zeitgründen abgesehen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in den Jahren 1990 bis 1994 eine Initiative zur Förderung von Tierheimen durchgeführt. Ziel war es, durch gezielte Förderung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten der in aller Regel in privater Trägerschaft stehenden Tierheime ein flächendeckendes Angebot von leistungsfähigen, gut ausgestatteten Tierheimplätzen zu verwirklichen. Diese Landeszuschüsse verstanden sich als Anschubfinanzierung, um die Tierschutzvereine in ihrem Bemühen zu unterstützen, für eine gute und artgerechte Unterbringung insbesondere von Hunden und Katzen zu sorgen. Für diese Fördermassnahmen standen fast 10 Millionen DM zur Verfügung. Es wurden seinerzeit über 60 Projekte mit dem Ergebnis gefördert, dass jetzt überall in Nordrhein-Westfalen die Unterbringung auch von Hunden in Tierheimen flächendeckend und artgerecht möglich ist. Dabei wird von den Tierheimen in der Regel eine Unterbringung unabhängig von einzelnen Rassen durchgeführt.
Zunächst muss eine Eingangsüberprüfung des Hundes ggf. durch einen Tierarzt mit eventueller Unterbringung in der Quarantänestation durchgeführt werden. Danach werden die Hunde, wenn erforderlich, einzeln gehalten, um sich einen Eindruck von dem betreffenden Tier selbst zu verschaffen. Dann wird entschieden, ob eine gemeinsame Unterbringung möglich ist oder wie mit dem Hund umzugehen ist.
Auf die personelle Besetzung von Tierheimen in privater Trägerschaft haben das Land und die für Tierschutz zuständigen kommunalen Veterinärämter keinen unmittelbaren Einfluss. Die Amtstierärztin/der Amtstierarzt weist aber bei regelmäßigen Inspektionen auf eventuelle sachliche Mängel hin und steht den Tierheimträgern beratend zur Seite.
Zur Frage 5
Die Landesregierung beobachtet den Sachverhalt über die Bedeutung der gefährlichen Hunde und zieht daraus Rückschlüsse. Dieses ist zum einen durch die stringentere Anwendung der GefHuVO aus dem Jahre 1994 geschehen, aber auch durch eine Fortentwicklung des Tierschutzrechtes, das im Sommer 1998 durch den Deutschen Bundestag und den Deutschen Bundesrat geändert worden ist. Diese neuen Vorschriften enthalten Ermächtigungen, die es erlauben, in die Haltung, Ausbildung und Zucht von gefährlichen Hunden einzugreifen. Allerdings bedarf das neue Tierschutzrecht noch einer praxisreifen Interpretation, der allerdings landesseitig nicht vorgegriffen werden soll, da derzeit die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Tierschutzgesetz auf Fachebene vorbereitet und baldmöglichst vom Bundesrat verabschiedet wird.
Ob darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Erweiterung der Gefahrhundeverordnung erforderlich sind, wird weiterhin geprüft und alsbald entschieden. Zu solchen Maßnahmen können auch die in der Fragestellung aufgeführten und weiteren Maßnahmen gehören. Die nächste Innenministerkonferenz am 10. und 11. Juni 1999 wird sich ausführlich mit dieser Thematik beschäftigen.
Seit dem Erlaß des Innenministeriums vom 15. Juli 1997 werden Hundesteuersatzungen, die einen erhöhten Steuersatz für sog. "Kampfhunde" vorsehen, unter bestimmten Voraussetzungen und vorbehaltlich der nach wie vor erforderlichen Einzelfallprüfung grundsätzlich als durch die Aufsichtsbehörden genehmigungsfähig angesehen.
Vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 19. Februar 1997, in dem eine kommunale Satzung, die eine erhöhte Steuer für sog. "Kampfhunde" vorsah, für rechtlich unbedenklich erklärt worden war, hat das Innenministerium seine bis dahin - insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Gleichheits- und Bestimmtheitsgrundsatzes - geltend gemachten rechtlichen Bedenken zurückgestellt. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hatte bisher keine Gelegenheit, zu dieser Problematik Stellung zu nehmen.
Die Einführung einer erhöhten Steuer für "Kampfhunde" setzt die Möglichkeit voraus, Hunde differenziert nach Rassen zu erfassen. Die Entscheidung über die Einführung einer erhöhten Steuer für "Kampfhunde" obliegt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung den Städten und Gemeinden.

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