Die Chronik des Versagens oder ich lebe immer noch

Ein halbes Jahr nach meiner Geburt zog bei meinem Opa ein Hund ein. Der wuchs naturgemäß schneller heran als ich.

Meine Eltern, damals sehr besorgt, unterbanden jeden Kontakt zwischen dem "unsauberen" Hund und dem Kleinkind. Eines Tages war der Hund schneller und entwich in Richtung Kinderbett. Als die panische Familie am Ort des vermeintlichen Geschehens eintraf, fand sie den Hund, auf den Hinterbeinen am Gitter des Kinderbettchens stehend, und interessiert in Richtung Kind schnuppernd.

Der Familienchronik zufolge wurden die anstürmenden Zweibeiner mit einem schlicht unsäglichen Hundeblick bedacht.

Dann wurde der Bann aufgehoben und eine schöne Freundschaft konnte beginnen.

Später hatten dann unsere Vermieter 2 große Hunde. Einer "erwischte" mich mal beim Spielen, ein Ratscher mit dem Eckzahn, beim Hundewelpen wahrscheinlich ohne Folgen, aber ein Hund war ich nun immer noch nicht. Da es im Gesicht war, größere Mengen Blut, Arzt, 2 Stiche (hat sich dann schnell ausgewachsen).

Das Ende vom Lied, ein frustriertes Kind, dem gesagt wurde: Nein, mit dem Hund darfst Du nicht mehr spielen und ein ebenso frustrierter Hund, ein paar Meter entfernt sitzend mit seinem Ball in der Schnauze und mit den Worten: Hau ab! verbannt. Aber bald siegten hier Kind und Hund und der Ball flog wieder und die Welt war wieder in Ordnung.

Hier habe ich die einmalige Chance vergeben ein trendgemäßer Hundephobiker zu werden. Tja, mir ist wohl nicht zu helfen.

Ich habe eine Kindheit umgeben von reissenden Bestien und den auf ihnen wohnenden unsäglichen

Massen von ekligen Bazillen überlebt. Ich war ein recht gesundes Kind.

Ich mag immer noch Hunde.

Noch später : Mit Opa´s 2. Hund unterwegs. Wir unternahmen nach einem langen Ausflug mit Freunden und noch einem Hund des Hundes erste Busfahrt. Hund legt sich (bei Abwesenheit von Kinderwagen) stur, weil total kaputt, unter Protest des Teenagers hinten der Länge nach auf die freie Fläche. Die Mitfahrenden amüsieren sich köstlich und steigen einfach über den – nicht gerade kleinen – Hund.

Schöne heile Welt !! Lange ist´s her.

Logischerweise mag ich immer noch Hunde und leben tue ich auch noch.

Ebenfalls mit diesem Prachtexemplar unterwegs: Wenn mir im Wald einzelne Männer entgegenkamen, dann wurde der bummelnde Hund herangerufen. Sonst immer nicht gerade dienstbeflissen, trotz Schutzhund3, eilt man dann flugs heran und schiebt sich, ohne jede Aggression, dazwischen. Einfach nach dem Tenor: Ich bin da, o.k. !.

Ein normaler Hund kann Situationen sehr wohl beurteilen.

Ich mag immer noch Hunde.

Dann ein Ausflug in die Pferdewelt. Auch dort sind Hunde auf dem Hof. Die können die Leiter hoch auf den Heuboden klettern. Einen Haken hat die Sache, sie kamen nicht wieder runter.

Also, bellen ! Dann eilen die anwesenden Teenager herbei, Leiter hochklettern, Hund auf den Arm, sehr unhandlich, also, eine Hand unter den Hundehintern, Pfoten rechts und links auf die Schultern, mit der anderen Hand an die Leiter fassen und wieder runterklettern.

Wir haben alle noch unsere Nasen und Ohren – obwohl sozusagen ständig mit der Bestie Auge in Auge.

Auch hier wieder kein Grund sich dem Antihundtrend anzuschließen..

Unterwegs mit einer Bekannten die mit Pferden handelt, auf vielen verschiedenen Reiterhöfen, überall auch, oft große, Hunde.

Immer noch nichts passiert.

Ich mag immer noch Hunde.

Dann Hundeausführen im Tierheim.

Alle möglichen Rassen, auch AmStaffs, Pitbulls, Rottis, Dobermänner, Herdenschutzhunde.

Ich lebe immer noch und bin schon wieder nicht gebissen worden.

Einige Rottis kommen, aus schlechter Haltung, sehr schlechter Haltung.

Wenn man mit den brandgefährlichen Kampfmaschinen rausging, dann brauchte man für 500 m ½ Stunde, stehen, staunen – ein paar Meter weiter, stehen, staunen usw. Ganz langsam gewannen die Hunde mehr Sicherheit und Vertrauen, bloß, bissig wollten sie absolut nicht werden. Nette Familienhunde wurden sie.

Gebissen werde ich dann im Endeffekt von einer Katze !

Schließlich schaffe ich mir doch glatt selber so einen Vierbeiner an. Habe inzwischen schon den 2.

Im Hundeauslaufgebiet: AmStaffs, Pittis, Dobermänner, Rottis, Herdenschutzhunde.

Wir, mein Hund und ich, leben immer noch und sind beide nicht gebissen worden.

Ich mag immer noch Hunde.

Aber jetzt folgt die Strafe für so ein verpfuschtes Leben: Hundehalter werden kriminalisiert, diffamiert, zum Denunzieren freigegeben. Der neue Bürger II. Klasse ist entstanden, eingeschränkt in seinen Grundrechten.

Aber, da ich den Absprung in frühester Kindheit verpaßt habe, ich mag immer noch Hunde und ich lebe trotz des intensiven Kontaktes mit dieser Spezies immer noch.

Ich bekenne mich schuldig, ich passe nicht in diese Welt. Was soll ich tun ???

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