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Kritik der »Kampfhunde« - Verordnungen

 

Zur Rechtslage und zu den möglichen Rechtsmitteln

Dramatische Einzelfälle von Hundebißverletzungen, insbesondere der Tod des 6 jährigen Jungen Volkan aus Hamburg, haben eine pauschale Hysterie, eine öffentliche Hetzkampagne und einen politischen Aktionismus gegen »Kampfhunde« hervorgerufen. Nicht die gesteigerte Aggressivität unverantwortlicher Tierhalter als Täter und nicht Versäumnisse von Aufsichtsbehörden, sondern deren Opfer, die Hunde, sollen in einem »rassespezifischen Rundumschlag« beseitigt werden. 

Auf der Tagesordnung stehen unverhältnismäßige Zwangsmaßnahmen gegen Hundehalter und ihre Tiere. Als Folge davon ist es bereits zu massiven Übergriffen der Einschläferung ungefährlicher Tiere und zu üblen Beschimpfungen von Hundehaltern gekommen, die sich kaum noch auf die Straße wagen können. 

Das Thema aggressiver »Kampfhunde« scheint wie ein Flächenbrand eine Hundefeindlichkeit zu provozieren, die an den eigentlichen Ursachen vorbei geht. Statt im Rahmen der Gefahrenabwehr die im Einzelfall vorhandenen Eingriffsmöglichkeiten ausschöpfen und bei mangelnder Zuverlässigkeit des Tierhalters auch ein Haltungsverbot aussprechen, sollen nun offenbar bloße Verdächtigungen genügen, um gegen »Kampfhunde« einzuschreiten. 

Den jetzt vorliegenden Verordnungen der Bundesländer ist entgegenzuhalten:

1. Die Gefährlichkeit eines Hundes läßt sich entgegen den Verordnungen der Länder nicht rassespezifisch, sondern nur am Einzeltier feststellen. Die pauschale Stigmatisierung von Hunderassen ist wissenschaftlich unhaltbar, weil sich jedes individuelle Hundeverhalten stets aus dem kombinierten Einfluß von genetischer Disposition und verschiedensten Umwelterfahrungen entwickelt. Bestimmte Hunderassen in jedem Falle als gefährlich einzustufen, wird von führenden Sachverständigen als unzulässig beurteilt

(Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Universität Kiel, Dr. Helga Eichelberg, Universität Bonn, Prof. Dr. J. Unshelm, Universität München).

Dementsprechend haben der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (NVwZ 1992, S. 1105 sowie Urteil vom 26.04.1999, 1 S 2214/98) und das Oberverwaltungsgericht Bremen (DÖV 1993, S. 576) Regelungen für gleichheitswidrig und nichtig erklärt, die bestimmte Hunderassen wegen ihrer Größe und Kampfkraft (z. B. durchschnittliche Beiß-und Muskelkraft) als gefährlich einstufen, obwohl gleichartige Merkmale auch für andereHunderassen zutreffen. Die Grundsätze der Gleichbehandlung (Willkürverbot, Art. 3 GG) und rechtsstaatlicher Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) sind in jedem Falle gegenüber den Hundehaltern zu beachten. Auch ein »Kampfhundeimage« rechtfertigt eine Ungleichbehandlung der Halter von Hunden nicht. 

Die obersten bayerischen Gerichte halten dagegen die »rassespezifische« Verordnung wegen des dem Verordnungsgeber zustehenden Gestaltungsspielraums für zulässig, (vgl. Bayer.VerfGH in NVwZ-RR 1995, S.265). Mit dem Abstellen auf die Rasse des Hundes werden die eigentlichen Probleme, nämlich der jeweilige Hundehalter, sein Verhalten, seine Fähigkeiten und mißbräuchlichen Absichten gänzlich ausgeblendet.

2. Zahlreiche Verordnungsbestimmungen der Länder verletzen die Tiere und ihre Halter unverhältnismäßig. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gerade im Bereich des Tierschutzes auch vom Bundesverfassungsgericht mehrfach anerkannt worden (vgl. BVerfGE 36, 47; 61, 291). Zu diesem Grundsatz gehört es, dass der Eingriff geeignet und erforderlich ist, also auch das mildeste Mittel darstellt (Übermaßverbot) und im Sinne der Güterabwägung angemessen ist. 

Diesen Anforderungen genügen die »Kampfhunde« - Verordnungen der Länder nicht, weil grundlos und in einem Übermaß bürokratische Regelungen zu Lasten »gefährlicher Hunderassen« getroffen werden, die frei von hundespezifischem Sachverstand sind. Die VerhaltensforscherinFeddersen-Petersen stellt fest, dass der Leinen- und sogar Maulkorbzwang und das anketten von Hunden auf nicht ausreichend »gesicherten« Grundstücken das genaue Gegenteil des Gewollten bewirken: »Hunde, die sich mit Sozialpartnern nicht mehr auseinandersetzen dürfen, deren Verhalten zunehmend beschnitten wird, müssen sozial unsicher, wenn nicht sogar sozial depriviert werden - und dann sind sie wirklich unter bestimmten Umständen gefährlich. 

Ein Teufelskreis, der unbedingt durch bedachtes Handeln aller Beteiligen durchbrochen werden muß.« (Feddersen-Petersen, Hunde und ihre Menschen, 1992 , S. 180).

Weitreichende Zwangsfolgen, insbesondere des stetigen, offenbar unumkehrbaren Leinen- und Maulkorbzwangs bei einmal angenommener »Gefährlichkeit« des Hundes sind tierwidrig, unangemessen und diskriminierend.

3. Soweit in Rechtsverordnungen der Länder tierschutzrechtliche Fragen behandelt werden, darf dies nicht im Widerspruch zum Tierschutzgesetz stehen. Einschränkungen des Tierschutzes, die nicht wegen des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens von Menschen »erforderlich« sind, müssen auch deshalb aufgehoben werden.

Das gewerbliche Zucht- und Kreuzungsverbot bestimmter Hunderassen ist zugleich unvereinbar mit § 35 Gewerbeordnung. Die Berufsausübung Gewerbetreibender darf nur nach den dort bestehenden Anforderungen, nicht von einer Ordnungsbehörde verfügt werden, wie es Hundehaltungsverordnungen bestimmen.

4. Es erscheint hiernach dringend angebracht, gegen die »Kampfhunde«- Verordnungen und gegen die auf ihrer Grundlage ergehenden Verfügungen alle geeigneten Rechtsmittel einzulegen. 

- Generell geht es um Normenkontrollklagen zu den Oberverwaltungsgerichten der jeweiligen Länder gem. § 47 Verwaltungsgerichtsordnung. Klagebefugt ist jede Person, die geltend macht, »durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden«. Um solche Klagen zu erheben, sind geeignete Schritte zu unternehmen, wie dies bereits am 30. April 1999 durch unseren Verband in Brandenburg gegenüber dem Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder geschehen ist. 

Die Normenkontrollklage zielt auf die Feststellung der vollständigen oder teilweisen Nichtigkeit der Verordnung durch das zuständige Gericht des Landes, ähnlich wie es bezüglich der Hennenhaltungsverordnung auf Bundesebene durch das Bundesverfassungsgericht geschehen ist.

- Daneben steht es jedem betroffenen Tierhalter zu, sich gegen jede einzelne Verfügung oder Maßnahme der Behörde durch Widerspruch und Klage, insoweit auch durch Eilverfahren gegen einen Sofortvollzug, zur Wehr zu setzen. Das gilt z. B. für Anordnungen des Leinen- und Maulkorbzwangs, der Kastration oder auch des Haltungsverbots oder für Verfügungen, mit denen eine Erlaubnispflicht oder gar die Einschläferung des Hundes angeordnet werden.

- Für die Erhebung der Normenkontrollklage gegen eine Hundehaltungsverordnung des Landes gilt eine Frist von zwei Jahren, für die Anfechtung einer Einzelverfügung der Behörde eine Monatsfrist. 

- Unser Bundesverband ist entschlossen, allen Mitgliedern, die als Tierhalter betroffen sind, in geeigneter Weise beratend und unterstützendzur Seite zu stehen und sich auch in entsprechenden Musterprozessen zu engagieren.

Ist Ihr Hund aufgrund einer »Kampfhunde«-Verordnung gefährdet und sind Sie deshalb auf Unterstützung angewiesen, wenden Sie sich an unsere Geschäftsstelle in Aachen, Frau Romy Liessem, 

Fon : 0241-157214, eMail

liessem@tierrechte.de

Wir helfen Ihnen gerne weiter.

Dr. Eisenhart von Loeper

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