Nicht nur Hundefreunde und Hundefeinde, auch
Historiker sollten sich dieses Datum merken: Am 19.1.2000 hat das
Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich entschieden, dass die
von der kleinen sachsen-anhaltischen Stadt Roßlau erhöhte Steuer
für sogenannte Kampfhunde rechtens sei. Damit erreichte der schon
seit Jahren und Jahrzehnten tobende Streit über Hunde im
allgemeinen, "Kampfhunde" im besonderen einen neuen Höhepunkt.
Nahezu alle Medien kamen auf den Hund, bzw.
auf den "Kampfhund". Das alternative "Berlin
Magazin tip" widmete dem Thema sogar eine Titelgeschichte.
Als `Aufmacher´ diente ein ziemlich verfremdetes Bild eines
Bullterriers auf der Titelseite. Im Blatt selber fand man neben
einigen -ziemlich schlecht recherchierten - Artikeln über die
Berliner und ihre Hunde auch einige "Hunderezepte",
womit Vorschläge gemeinte waren, wie man Hundefleisch zu
schmackhaften Speisen (für Menschen!) verarbeiten könne.
Der fälschlich, aber häufig als
linksradikal eingestuften Zeitschrift "Jungle World" war
dieser Vorschlag nicht radikal genug. Der "Hot-dog"
Artikel des "tips" wurde mit dem Vorschlag getopt, dem
"Terrier-Terror" mit Giftanschlägen auf Hunde zu
begegnen. So und nur so sei das "Köterproblem" zu lösen.
Eine nicht ganz so radikale Lösung hatte der Autor dagegen für
das `Kapitalismusproblem´ parat. Statt wie sonst auf die
"Revolution" verwies er schlicht und einfach auf das
"Geld". Und um Geld, genauer gesagt um das Schwarzgeld
der CDU ging es dann auch in den anderen Artikeln dieser und auch
der anderen Zeitungen. Die Diskussion um Kohls
"Ehrenwort" verdrängte den "Kampfhund"-
Diskurs. Die "Kampfhunde" sollten Kohl dankbar sein.
Davon gekommen sind sie jedoch nicht. In
verschiedenen deutschen und europäischen Ländern wird über neue
und noch radikalere Vorschläge diskutiert, wie dem "Kampfhund"-
Problem zu begegnen sei. Dabei geraten immer mehr und immer neue
Hunderassen in den Verdacht, eigentlich "Kampfhunde" zu
sein, denen der bürgerliche Staat den Kampf ansagt oder ansagen
soll. Doch bevor auch dem letzten Dackel und Zwergpinscher der
"Kampfhund"- Krieg erklärt wird, sollte man erst mal klären,
was "Kampfhunde" überhaupt sind, bzw. sein sollen. Und
dies möchte ich als Historiker und, wie ich
selbst-ideologiekritisch einräume, auch als Besitzer eines Hundes
(Jagdhund namens "Timmy") hier versuchen.
"Kampfhunde" soll es schon in der
Antike, und zwar vor allem bei den alten Griechen gegeben haben.
In diesen Verdacht sind vor allem die Vorfahren der heutigen
Mastinos und Mastiffs geraten. Allerdings beruhen alle Nachrichten
über den Einsatz derartiger "Kampfhunde" auf
ungesicherten Quellenzeugnissen. Ob sie wirklich im Kampf gegen
Menschen und keineswegs nur gegen große Tiere wie z.B. Löwen
Verwendung fanden, ist zudem nicht nur nicht belegt, sondern auch
mehr als unwahrscheinlich. Schließlich waren schon die Krieger
der Antike schwer bewaffnet. Von Beinschienen, Brustpanzern und
Helmen bis hin zu Angriffs- und Verteidigungswaffen wie Schwertern
und Speeren. Ein derart gewappneter Krieger konnte sich schon
allein und mit Sicherheit mit Hilfe eines oder mehrerer seiner
Kameraden gegen den Angriff eines noch so großen Mastinos oder
Mastiffs wehren. Da hätte man schon ganze "Kampfhund"-
Rudel einsetzen müssen. Doch auch sie hätten gegen eine
Hopliten-Phalanx keine Chance gehabt.
Die römischen Legionäre sind ja selbst mit
den Elefanten Hannibals fertig geworden. Und danach, d.h. nach den
Kriegen gegen Hannibal und Karthago sind weder Elefanten noch gar
"Kampfhunde" von den römischen Kriegs- und sonstigen
Geschichtsschreibern mehr erwähnt worden. Caesar - und dies
wissen wir noch aus der erzwungenen Schullektüre seines
Bestsellers über den "Gallischen Krieg"- verfügte zwar
über einen Koch, benötigte aber keinerlei
"Kampfhunde", um mit den Galliern fertig zu werden. Auch
Varus wurde von "Hermann" und seinen wilden Cheruskern
ohne den Einsatz von "Kampfhunden" geschlagen, weshalb
Augustus von eben diesem Varus nur die Rückgabe der Legionen und
keineswegs der "Kampfhunde" gefordert haben soll.
In der Zeit des Mittelalters sollen die auch
sonst übel beleumdeten Byzantiner "Kampfhunde"
eingesetzt haben. Dabei soll es sich einmal um ledergepanzerte
Hunde gehandelt haben, die auf die Ritter losgelassen worden
seien. Diese Geschichte ist gänzlich unglaubwürdig. Denn was
sollten Hunde gegen die in ihren Rüstungen steckenden Ritter
ausrichten. Die zweite byzantinische "Kampfhund"-
Version ist sogar noch unglaubwürdiger. Danach sollen die
Byzantiner mit Brandgefäßen beladene Hunde gegen ihre Feinde
geschickt haben. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um den Fall
einer extremen Tierquälerei handelt, wird nicht klar, was der
Zweck dieser Übung gewesen sein soll.
Aus dem sonstigen mittelalterlichen Europa
liegen dagegen keinerlei Nachrichten über "Kampfhunde"
vor. Und sie wären mit Sicherheit erwähnt worden, wenn es sie
denn gegeben hätte. Schließlich hatte jeder Adlige, der etwas
darstellen wollte, einen oder mehrere Hunde. Sonst hätte er ja
seinem nach dem Krieg liebsten Hobby - der Jagd- nicht frönen können.
Über Aussehen und Gestalt dieser Jagdhunde sind wir sehr gut
informiert. Keiner von ihnen eignete sich zum
"Kampfhund". Generell ist festzustellen, dass es im
Mittelalter noch keine Hundefrage gab. So finster, wie allgemein
angenommen, war das Mittelalter nämlich doch nicht. Anders als
heute wurde der Leinenzwang für Hunde auf dem Lande strikt
eingehalten. Darauf achteten schon die jagdbegeisterten Adligen,
die wildernden Hunden schlicht ein Vorderbein abhacken ließen.
Die Wachhunde waren immer angekettet oder mussten zumindest einen
schweren Prügel zwischen den Vorderläufen tragen. Selbst die
Hunde der Schäfer versahen ihren Job meist angeleint. In den
mittelalterlichen Städten liefen nur sehr wenige Straßenköter
herum. Wenn es ihrer zuviel wurden, setzte der Rat der Stadt
Hundefänger ein, die ihre Opfer sofort töteten. Dieses Schicksal
ereilte wenigstens zu Belagerungs- und Notzeiten alle städtischen
Hunde. Sie wurden zusammen mit Katzen, Ratten etc. von den
hungrigen Menschen geschlachtet und gegessen.
Kurz - im Mittelalter hat es alles mögliche,
aber keine "Kampfhunde" gegeben. Sie tauchen erst wieder
zu Beginn der Neuzeit und nicht zufällig außerhalb Europas auf.
Die spanischen Conquistadoren sollen sie gegen die Indianer
eingesetzt haben. Vor allem der Eroberer Perus Pizarro soll "perros
des sangre", also "Bluthunde" auf die armen
Indianer gehetzt haben. Um richtige Bluthunde kann es sich dabei
nicht gehandelt haben. Denn diese sind zwar relativ groß, aber
absolut gutmütig. Ihren blutrünstigen Namen tragen sie deshalb,
weil sie wegen ihres guten Geruchssinns auf die Spur des
angeschossenen Wildes gesetzt werden. Sie sind also eigentlich
Schweißhunde. Nur wirklich unwissende Menschen beschimpfen
unsympathische Mitmenschen als "Bluthunde". So ist es
dem Sozialdemokraten Gustav Noske gegangen, der letztlich für die
Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg verantwortlich
war.
Doch von "Karl" und
"Rosa" zurück zu Pizarro und den Conquistadores. Sie
haben tatsächlich neben Pferden, die den Indianern im Unterschied
zu Hunden gänzlich unbekannt waren, auch Hunde mit in die Neue
Welt gebracht. Dabei handelte es sich jedoch offensichtlich (die
wenigen Abbildungen geben nicht viel her) um Doggen, die damals
beim Hochadel sehr populär waren. Auch Kaiser Karl V. besaß ein
solches Vieh und hat sich zusammen mit selbigem von Tizian auch
malen lassen. Hier schmiegt sich die Dogge eng an den Kaiser,
wobei sie mit ihrer Nase sehr an den, wie es damals ebenfalls Mode
war, besonders betonten Hosenstall Karls V. berührt. Dem Kaiser
scheint diese (tatsächlich vorkommende) hündische Unart nicht
peinlich oder unangenehm gewesen zu sein. Jedenfalls krault er mit
seiner linken Hand den Hals der Dogge, anstatt sie abzuwehren oder
sonstwie zurechtzuweisen. Wie auch immer, ein solcher Hund war
eine Art Statussymbol und eignete sich kaum zum Kämpfen.
So wird es auch mit Pizarros Hunden gewesen
sein. Doch dies hat die zeitgenössischen und späteren Kritiker
der Ausrottung und Unterdrückung der Indianer durch die Spanier
nicht daran gehindert, die von ihnen gesponnene "schwarze
Legende" über die notorisch grausamen und blutrünstigen
Spanier durch die "Kampfhund"- Geschichte noch zusätzlich
auszuschmücken. Doch dies ist, so weit ich sehe, in der schon
ziemlich umfangreichen Literatur über die "Leyenda Negra"
bisher noch nicht bemerkt und entsprechend kritisiert worden. Beim
Hunde- und schon gar "Kampfhund"-Thema versagt eben auch
der kritischste Ideologiekritiker.
Nun sollte man annehmen, dass nach der
Erfindung und ständigen Verbesserung der Feuerwaffen die "Kampfhund"-
Geschichte zu Ende gegangen sei. Doch genau das Gegenteil ist der
Fall. Erst in der Neuzeit, ja eigentlich erst im ausgehenden 19.
und beginnenden 20. Jahrhundert beginnt sogar die wirkliche
Geschichte der "Kampf"- bzw., wie sie jetzt auch genannt
wurden, der "Kriegshunde". Ihr Einsatz war vielfältig:
Im Burenkrieg spürten sog. Sanitätshunde verletzte und im Busch
verirrte britische Soldaten auf. Bei der Niederschlagung des
Herero-Aufstandes im heutigen Namibia und der damaligen deutschen
Kolonie Deutsch Südwestafrika wollten die Angehörigen der
deutschen "Schutztruppen" auf die Dienste des gerade,
d.h. 1899, vom Rittmeister Max v. Stephanitz-Grafrath geschaffenen
Deutschen Schäferhundes nicht verzichten. Dies war ganz nach dem
Geschmack dieses Rittmeisters und Rassisten, der noch in seinem
Buch "Der Deutsche Schäferhund in Wort und Bild", das
geradezu zur Bibel aller Schäferhund-Liebhaber wurde, geklagt
hatte, dass ausgerechnet die preußische Armee englische Airdale
Terrier statt Deutscher Schäferhunde als "Kriegshunde"
einsetzte.
Doch die eigentlich hohe Zeit des Deutschen
Schäferhundes kam mit dem Ersten Weltkrieg. Er wurde an allen
Fronten eingesetzt. Spürte Verwundete und Verschüttete auf, zog
die noch ziemlich schweren Maschinengewehre und transportierte auf
seinem Rücken Meldungen zwischen den hinteren Stäben und der
vordersten Front. Doch dazu wurden auch menschliche "Meldegänger"
eingesetzt. Einer von ihnen wurde für seine Dienste sogar mit dem
Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Sein Name war Adolf Hitler, der es
noch zum "Führer" und Schäferhundbesitzer bringen
sollte. Seine Schäferhunde, darunter die inzwischen dank der
entsprechenden Fernsehsendungen wirklich weltbekannte "Blondi",
waren mindestens so populär wie Hitler selber, als dieser sich
noch darauf beschränkte, Autobahnen zu bauen und Kriege zu
gewinnen.
Dass diese, wie sie von einigen Historikern
immer noch so genannt werden, "Erfolge" Hitlers von
Anfang an im Schatten eines immer brutaler werdenden Terrors
standen, wurde und wird auch heute noch von vielen und keineswegs
nur "Ewiggestrigen" gern vergessen. Und zu diesem Terror
gehörten Hunde, vor allem Deutsche Schäferhunde. Sie waren
sowohl Symbol wie Werkzeug des nationalsozialistischen Terrors.
Kein deutsches Konzentrationslager kam ohne sie aus. Vor kaum
etwas hatten die Häftlinge so viel Angst wie vor den Bestien der
ebenso bestialischen SS-Männer. Nicht zu vergessen sind hier die
Frauen. Verfügten doch auch die Aufseherinnen in
Frauenkonzentrationslagern wie Ravensbrück über wirklich
furchteinflössende Deutsche Schäferhunde. Einige von ihnen
trugen wie ihre Besitzerinnen eine Art Uniform, nämlich mit
SS-Runen gezierte Decken. Dies wirkt unfreiwillig komisch, weil
irgendwie `typisch deutsch´. Doch das Lachen bleibt einem im
Halse stecken, wenn man die Berichte von überlebenden Häftlingen
liest, in denen in allen schrecklichen Details geschildert wird,
wie diese Deutschen Schäferhunde ihre Opfer traktiert und nicht
selten geradezu zerfleischt haben. Dies waren wirklich
"Kampfhunde".
Obwohl Deutsche Schäferhunde auch im
Zweiten Weltkrieg an allen möglichen Fronten und in
verschiedener, vielleicht sogar für Betroffene (z.B. Verwundete)
auch segensreichen Funktion eingesetzt wurden, haftete ihnen nach
1945 das KZ- und "Kampfhund"- Image lange an. Die "Kampfhund"-
Diskurse der 50er und vor allem der 60er und 70er Jahre kreisten
in der Regel um Deutsche Schäferhunde.
Dies war nicht unbegründet, denn schließlich
werden Deutsche Schäferhunde ja keineswegs nur zum Schafehüten,
sondern wie andere sog. Schutzhunde auch zur Bekämpfung von
Menschen eingesetzt, von denen man annimmt, dass sie
"Verbrecher" oder sonst irgendwie "böse"
sind. Darauf werden Schäferhunde auch dressiert. Dabei müssen
sie sich in den (allerdings gepolsterten und geschützten) Arm des
Ausbilders verbeißen und selbst nach Schlagstockeinsatz nicht
wiederloslassen. Im Ernstfall kann diese wirklich tollkühne
Taktik für den Schäferhund tödlich ausgehen. Noch gefährdeter
sind jedoch Menschen, und zwar keineswegs nur irgendwelche
"Verbrecher", sondern ganz normale Passanten, die aus
welchen Gründen auch immer von einem derart ausgebildeten Schäferhund
angegriffen werden. Diese Gefahr wird bei einem halb oder sogar
gar nicht ausgebildeten Schäferhund noch potenziert. Denn
derartige aggressive Verhaltensweisen ist dieser Hunderasse nicht
nur andressiert, sondern durch entsprechende Züchtung geradezu
einprogrammiert worden. Und dies trifft auch auf die anderen, ähnlich
ausgebildeten und nach ähnlichen Kriterien gezüchteten
Schutzhunde zu. Zu nennen sind neben den Dobermännern auch die
Rottweiler und selbst die Weimaraner, weil diese, wie ich finde,
wirklich schöne, ja geradezu edle Hunderasse sowohl als Jagd- wie
als Schutzhund Verwendung finden soll.
Dennoch haben neben den Weimaranern auch die
Deutschen Schäferhunde das "Kampfhund"- Image
weitgehend abgestreift, wozu ganz offensichtlich die gute
PR-Arbeit des reichen und einflussreichen Deutschen Schäferhundvereins
(SV) beigetragen hat. Der TV- "Kommissar Rex" tat ein übriges.
Nur Dobermänner und Rottweiler stehen, übrigens neben den immer
modischer werdenden Rhodesian Ridgebacks, noch im Geruch,
"Kampfhunde" zu sein. Die heutige Diskussion
konzentriert sich dagegen mehr und mehr auf die schon erwähnten
massigen Mastinos und Mastiffs sowie die Bulldoggen, Bullterrier
und Pitbulls, wobei die beiden letztgenannten übrigens meist
nicht von einander differenziert werden. Warum gerade diese
Rassen, die sich schon in ihrem Äußeren so wesentlich
unterscheiden? Während man bei den großen Mastinos und Mastiffs
noch auf die Idee kommen könnte, sie, bzw. ihre vermeintlichen
antiken Vorfahren seien wirklich einmal "Kampfhunde"
gewesen, die gegen Menschen eingesetzt wurden, ist diese Annahme
bei den relativ kleinen Bulldoggen, Bullterriern und Pitbulls
geradezu absurd.
Tatsächlich sind letztere keineswegs für
den Kampf gegen Menschen, sondern gegen Tiere, und zwar zunächst,
wie schon aus ihren Namen hervorgeht, gegen Stiere (bulls)
eingesetzt und für diesen Zweck auch gezüchtet worden. Derartige
Hund-gegen-Stier-Kämpfe kamen im England des 17. Jahrhunderts
auf, um dann auf dem Kontinent im feudalen Frankreich imitiert zu
werden. Dies ist bemerkenswert und erklärungsbedürftig. Entstand
doch in dieser Zeit die moderne Tierliebe, und zwar wiederum
zuerst in England, das auch in dieser Beziehung, um einmal Karl
Marx zu zitieren, den minder entwickelten anderen europäischen
Nationen den "Spiegel" ihrer eigenen späteren
Entwicklung vorhielt. Nun sollen zwar sowohl in England wie
Frankreich auch hochgestellte Persönlichkeiten, unter ihnen
selbst Königin Elisabeth I., sich an derartigen atavistischen
Tierkämpfen erfreut haben, die es seit den Metzeleien in den römischen
Arenen nicht mehr gegeben hat. Veranstaltet wurden derartige
Spektakel jedoch von Angehörigen der Unterschichten.
Offensichtlich handelte es sich dabei um Parodien auf die vom Adel
so geschätzten Parforce- und anderen Hetzjagden auf Hirsche und
anderes Wild. Dies stieß bereits im 18. Jahrhundert auf die
versteckte und schließlich sogar offene Kritik des aufgeklärten
und tierliebenden, aber zunächst noch gänzlich machtlosen Bürgertums.
Diese Kritik war erfolgreich. Selbst im notorisch obrigkeitstreuen
Deutschland, das nie eine erfolgreiche Revolution erlebt hat,
musste der Adel schließlich auf sein Parforce-Vergnügen
verzichten. Nur die englischen Lords ließen sich davon nicht
beeindrucken. Einige veranstalten immer noch derartige Hetzjagden.
Heute allerdings nur noch auf Füchse.
Die Hunde-Stierkämpfe des gemeinen
englischen Volkes sind dagegen schon im ausgehenden 18.
Jahrhundert verboten worden. Man sann nach Auswegen. Und kam
schließlich auf die Idee, die Bulldogen und Bullterriers nicht
gegen Stiere, sondern gegeneinander kämpfen zu lassen. Dies war
auch einfacher. Statt großer Kampfplätze wie des Pariser Place
du Combat, der erst nach 1945 in Place du Colonel Fabien umgenannt
wurde, benötigte man nur kleine hölzerne Arenen oder Gruben, die
im Englischen "pit" genannt werden, woher der Pitbull
seinen Namen hat. Derartige Hundekämpfe sollen sich im England
des 19. Jahrhunderts und schließlich auch in den USA großer
Beliebtheit erfreut haben, und zwar vor allem bei Angehörigen der
Unterschichten. Wann und ob sie jemals ganz eingestellt wurden,
ist nicht ganz klar. Sicher ist dagegen, dass sie in Deutschland
niemals stattgefunden haben. Auch die für diese Hundekämpfe
eingesetzten Rassen wie Bullterrier und Pitbulls gab es bis vor
kurzem bei uns nicht. Sie sind wie andere Produkte der Postmoderne
vor allem aus Amerika bei uns eingeführt worden. In Amerika, seit
kurzem aber auch in Rußland, sollen auch immer noch oder wieder
derartige Hundekämpfe durchgeführt werden. Ob dies auch in
Deutschland der Fall ist, ist umstritten. Wenn es tatsächlich
derartiges gibt, so allenfalls im Halb- und Unterweltmilieu.
Fakt ist jedenfalls, dass es zunächst vor
allem Zuhälter waren, die sich derartige "Kampfhunde"
aus Amerika kommen ließen. Dann wurden sie auch bei anderen
Zeitgenossen populär. Dazu beigetragen haben wie immer vor allem
die Medien, die in scheinbar skandallosen und anderen sog.
saure-Gurken-Zeiten mit dem "Kampfhund"- Thema die
Auflagen und Quoten erhöhen wollten. Dies war unbezahlte Werbung
für die erwähnten Hunderassen, die jetzt von skrupellosen Züchtern
zu Tausenden und jeweils für tausende von Mark auf den Markt
geworfen wurden. Alle möglichen Menschen, die noch vor kurzem mit
einem umfrisierten Manta auf sich aufmerksam gemacht haben,
machten jetzt mit einem tatsächlichen oder auch nur angeblichen
"Kampfhund" auf sich aufmerksam. Neben Zuhältern und
anderen Angehörigen der Unterwelt trifft dies in zunehmendem Maße
auch auf solche, meist noch relativ junge Männer zu, die schon an
ihrem "outfit" als Rechtsradikale erkennbar sind und
erkennbar sein wollen. Doch verschiedene Gegner dieser "Faschos"
aus dem Spektrum der "autonomen Antifa" sind inzwischen
ebenfalls auf den "Kampfhund" gekommen. Bemerkenswert
ist schließlich, dass sich auch ein bestimmter Frauentyp nur in
Begleitung eines "Kampfhundes" auf die Straße traut.
All dies sagt viel über den heutigen
Zustand der Gesellschaft aus und sollte daher vor allem Soziologen
und Psychologen interessieren. Doch sie haben sich bisher
auffallend wenig geäußert. Um so mehr haben dies bisher tatsächliche
oder selbst ernannte Kynologen getan. Ihre Stellungnahmen sind
aber sehr ambivalent und teilweise geradezu konträr ausgefallen.
Während einige vor der ständigen Vermehrung dieser
"Kampfhunde" warnen, bezweifeln andere schlicht ihre
Existenz und halten es für unsinnig, alle beißenden Hunde zu
"Kampfhunden" zu erklären.
Aus Sicht des Historikers ist zu sagen, dass
es in der Geschichte ganz offensichtlich keine
"Kampfhunde" gegeben hat, die zum Kampf gegen Menschen
benutzt und dazu auch dressiert und gezüchtet worden sind. Was es
gegeben hat und immer noch gibt, sind einmal Schutzhunde, die für
die Bekämpfung von tatsächlichen oder auch nur angeblichen
"Verbrechern" eingesetzt wurden und werden. In den zurückliegenden
Kriegen der Moderne haben diese Schutzhunde auch als Kriegshunde
Verwendung gefunden. Darüber hinaus sind Hunderassen wie
Bulldogen, Bullterrier und Pitbulls zunächst für Kämpfe gegen
Stiere, dann gegen ihre eigenen Artgenossen eingesetzt worden.
Derartige Hundekämpfe hat es in England und den USA sowie
neuerdings auch in Rußland gegeben. In Deutschland waren sie
jedenfalls bis vor kurzem unbekannt. Ob die für diese Zwecke gezüchteten
Hunderassen nicht nur für andere Hunde, sondern auch für die
Menschen besonders gefährlich sind, ist umstritten.
Unumstritten ist, dass jeder Hund unter
bestimmten Umständen beißt. Dies hängt sowohl von ihm wie von
den Umständen und den Menschen ab. Jeden Hund, der einmal einen
anderen Hund oder gar einen Menschen, gebissen hat, zum
"Kampfhund" zu erklären, ist absurd. Damit wird das
Problem nur dämonisiert und nicht gelöst. Schließlich handelt
es sich keineswegs nur um das "Kampfhund"- noch nicht
einmal um ein Hunde-, sondern um ein Hund-Mensch-Problem. Jeder
Mensch hat ein Anrecht auf seine zumindest körperliche
Unversehrtheit. Dies müssen Hunde und ihre Halter wissen und
beachten. Doch auch Hunde und ihre Halter haben bestimmte Rechte.
Sie werden einmal durch Tierschutzgesetze geregelt. Hinzu kommt
jedoch auch das in der Moderne zum Gewohnheitsrecht aller
gewordene Recht, sich Hunde zu halten, die einen bestimmten
materiellen, z.B. als Blinden- , Jagd- und Schutzhund, aber auch
immateriellen Zweck haben, weil sie bestimmte psychische Bedürfnisse
der Menschen erfüllen oder schlicht als Bereicherung ihrer
Lebensqualität angesehen werden. All dies wird sich auch in
Zukunft nicht ändern. Das Hund-Mensch-Problem ist nicht gelöst
und wird auch so schnell nicht gelöst sein. Dennoch, ja gerade
deshalb ist es notwendig, über Lösungswege weiterhin
nachzudenken.
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