Was sind "Kampfhunde"?   

Anmerkungen eines Historikers - 

 von Prof. Dr. Wolfgang Wippermann

Volksbund Naturschutz e.V.

 

Nicht nur Hundefreunde und Hundefeinde, auch Historiker sollten sich dieses Datum merken: Am 19.1.2000 hat das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich entschieden, dass die von der kleinen sachsen-anhaltischen Stadt Roßlau erhöhte Steuer für sogenannte Kampfhunde rechtens sei. Damit erreichte der schon seit Jahren und Jahrzehnten tobende Streit über Hunde im allgemeinen, "Kampfhunde" im besonderen einen neuen Höhepunkt.

Nahezu alle Medien kamen auf den Hund, bzw. auf den "Kampfhund". Das alternative "Berlin Magazin tip" widmete dem Thema sogar eine Titelgeschichte. Als `Aufmacher´ diente ein ziemlich verfremdetes Bild eines Bullterriers auf der Titelseite. Im Blatt selber fand man neben einigen -ziemlich schlecht recherchierten - Artikeln über die Berliner und ihre Hunde auch einige "Hunderezepte", womit Vorschläge gemeinte waren, wie man Hundefleisch zu schmackhaften Speisen (für Menschen!) verarbeiten könne.

Der fälschlich, aber häufig als linksradikal eingestuften Zeitschrift "Jungle World" war dieser Vorschlag nicht radikal genug. Der "Hot-dog" Artikel des "tips" wurde mit dem Vorschlag getopt, dem "Terrier-Terror" mit Giftanschlägen auf Hunde zu begegnen. So und nur so sei das "Köterproblem" zu lösen. Eine nicht ganz so radikale Lösung hatte der Autor dagegen für das `Kapitalismusproblem´ parat. Statt wie sonst auf die "Revolution" verwies er schlicht und einfach auf das "Geld". Und um Geld, genauer gesagt um das Schwarzgeld der CDU ging es dann auch in den anderen Artikeln dieser und auch der anderen Zeitungen. Die Diskussion um Kohls "Ehrenwort" verdrängte den "Kampfhund"- Diskurs. Die "Kampfhunde" sollten Kohl dankbar sein.

Davon gekommen sind sie jedoch nicht. In verschiedenen deutschen und europäischen Ländern wird über neue und noch radikalere Vorschläge diskutiert, wie dem "Kampfhund"- Problem zu begegnen sei. Dabei geraten immer mehr und immer neue Hunderassen in den Verdacht, eigentlich "Kampfhunde" zu sein, denen der bürgerliche Staat den Kampf ansagt oder ansagen soll. Doch bevor auch dem letzten Dackel und Zwergpinscher der "Kampfhund"- Krieg erklärt wird, sollte man erst mal klären, was "Kampfhunde" überhaupt sind, bzw. sein sollen. Und dies möchte ich als Historiker und, wie ich selbst-ideologiekritisch einräume, auch als Besitzer eines Hundes (Jagdhund namens "Timmy") hier versuchen.

"Kampfhunde" soll es schon in der Antike, und zwar vor allem bei den alten Griechen gegeben haben. In diesen Verdacht sind vor allem die Vorfahren der heutigen Mastinos und Mastiffs geraten. Allerdings beruhen alle Nachrichten über den Einsatz derartiger "Kampfhunde" auf ungesicherten Quellenzeugnissen. Ob sie wirklich im Kampf gegen Menschen und keineswegs nur gegen große Tiere wie z.B. Löwen Verwendung fanden, ist zudem nicht nur nicht belegt, sondern auch mehr als unwahrscheinlich. Schließlich waren schon die Krieger der Antike schwer bewaffnet. Von Beinschienen, Brustpanzern und Helmen bis hin zu Angriffs- und Verteidigungswaffen wie Schwertern und Speeren. Ein derart gewappneter Krieger konnte sich schon allein und mit Sicherheit mit Hilfe eines oder mehrerer seiner Kameraden gegen den Angriff eines noch so großen Mastinos oder Mastiffs wehren. Da hätte man schon ganze "Kampfhund"- Rudel einsetzen müssen. Doch auch sie hätten gegen eine Hopliten-Phalanx keine Chance gehabt.

Die römischen Legionäre sind ja selbst mit den Elefanten Hannibals fertig geworden. Und danach, d.h. nach den Kriegen gegen Hannibal und Karthago sind weder Elefanten noch gar "Kampfhunde" von den römischen Kriegs- und sonstigen Geschichtsschreibern mehr erwähnt worden. Caesar - und dies wissen wir noch aus der erzwungenen Schullektüre seines Bestsellers über den "Gallischen Krieg"- verfügte zwar über einen Koch, benötigte aber keinerlei "Kampfhunde", um mit den Galliern fertig zu werden. Auch Varus wurde von "Hermann" und seinen wilden Cheruskern ohne den Einsatz von "Kampfhunden" geschlagen, weshalb Augustus von eben diesem Varus nur die Rückgabe der Legionen und keineswegs der "Kampfhunde" gefordert haben soll.

In der Zeit des Mittelalters sollen die auch sonst übel beleumdeten Byzantiner "Kampfhunde" eingesetzt haben. Dabei soll es sich einmal um ledergepanzerte Hunde gehandelt haben, die auf die Ritter losgelassen worden seien. Diese Geschichte ist gänzlich unglaubwürdig. Denn was sollten Hunde gegen die in ihren Rüstungen steckenden Ritter ausrichten. Die zweite byzantinische "Kampfhund"- Version ist sogar noch unglaubwürdiger. Danach sollen die Byzantiner mit Brandgefäßen beladene Hunde gegen ihre Feinde geschickt haben. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um den Fall einer extremen Tierquälerei handelt, wird nicht klar, was der Zweck dieser Übung gewesen sein soll.

Aus dem sonstigen mittelalterlichen Europa liegen dagegen keinerlei Nachrichten über "Kampfhunde" vor. Und sie wären mit Sicherheit erwähnt worden, wenn es sie denn gegeben hätte. Schließlich hatte jeder Adlige, der etwas darstellen wollte, einen oder mehrere Hunde. Sonst hätte er ja seinem nach dem Krieg liebsten Hobby - der Jagd- nicht frönen können. Über Aussehen und Gestalt dieser Jagdhunde sind wir sehr gut informiert. Keiner von ihnen eignete sich zum "Kampfhund". Generell ist festzustellen, dass es im Mittelalter noch keine Hundefrage gab. So finster, wie allgemein angenommen, war das Mittelalter nämlich doch nicht. Anders als heute wurde der Leinenzwang für Hunde auf dem Lande strikt eingehalten. Darauf achteten schon die jagdbegeisterten Adligen, die wildernden Hunden schlicht ein Vorderbein abhacken ließen. Die Wachhunde waren immer angekettet oder mussten zumindest einen schweren Prügel zwischen den Vorderläufen tragen. Selbst die Hunde der Schäfer versahen ihren Job meist angeleint. In den mittelalterlichen Städten liefen nur sehr wenige Straßenköter herum. Wenn es ihrer zuviel wurden, setzte der Rat der Stadt Hundefänger ein, die ihre Opfer sofort töteten. Dieses Schicksal ereilte wenigstens zu Belagerungs- und Notzeiten alle städtischen Hunde. Sie wurden zusammen mit Katzen, Ratten etc. von den hungrigen Menschen geschlachtet und gegessen.

Kurz - im Mittelalter hat es alles mögliche, aber keine "Kampfhunde" gegeben. Sie tauchen erst wieder zu Beginn der Neuzeit und nicht zufällig außerhalb Europas auf. Die spanischen Conquistadoren sollen sie gegen die Indianer eingesetzt haben. Vor allem der Eroberer Perus Pizarro soll "perros des sangre", also "Bluthunde" auf die armen Indianer gehetzt haben. Um richtige Bluthunde kann es sich dabei nicht gehandelt haben. Denn diese sind zwar relativ groß, aber absolut gutmütig. Ihren blutrünstigen Namen tragen sie deshalb, weil sie wegen ihres guten Geruchssinns auf die Spur des angeschossenen Wildes gesetzt werden. Sie sind also eigentlich Schweißhunde. Nur wirklich unwissende Menschen beschimpfen unsympathische Mitmenschen als "Bluthunde". So ist es dem Sozialdemokraten Gustav Noske gegangen, der letztlich für die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg verantwortlich war.

Doch von "Karl" und "Rosa" zurück zu Pizarro und den Conquistadores. Sie haben tatsächlich neben Pferden, die den Indianern im Unterschied zu Hunden gänzlich unbekannt waren, auch Hunde mit in die Neue Welt gebracht. Dabei handelte es sich jedoch offensichtlich (die wenigen Abbildungen geben nicht viel her) um Doggen, die damals beim Hochadel sehr populär waren. Auch Kaiser Karl V. besaß ein solches Vieh und hat sich zusammen mit selbigem von Tizian auch malen lassen. Hier schmiegt sich die Dogge eng an den Kaiser, wobei sie mit ihrer Nase sehr an den, wie es damals ebenfalls Mode war, besonders betonten Hosenstall Karls V. berührt. Dem Kaiser scheint diese (tatsächlich vorkommende) hündische Unart nicht peinlich oder unangenehm gewesen zu sein. Jedenfalls krault er mit seiner linken Hand den Hals der Dogge, anstatt sie abzuwehren oder sonstwie zurechtzuweisen. Wie auch immer, ein solcher Hund war eine Art Statussymbol und eignete sich kaum zum Kämpfen.

So wird es auch mit Pizarros Hunden gewesen sein. Doch dies hat die zeitgenössischen und späteren Kritiker der Ausrottung und Unterdrückung der Indianer durch die Spanier nicht daran gehindert, die von ihnen gesponnene "schwarze Legende" über die notorisch grausamen und blutrünstigen Spanier durch die "Kampfhund"- Geschichte noch zusätzlich auszuschmücken. Doch dies ist, so weit ich sehe, in der schon ziemlich umfangreichen Literatur über die "Leyenda Negra" bisher noch nicht bemerkt und entsprechend kritisiert worden. Beim Hunde- und schon gar "Kampfhund"-Thema versagt eben auch der kritischste Ideologiekritiker.

Nun sollte man annehmen, dass nach der Erfindung und ständigen Verbesserung der Feuerwaffen die "Kampfhund"- Geschichte zu Ende gegangen sei. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Erst in der Neuzeit, ja eigentlich erst im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert beginnt sogar die wirkliche Geschichte der "Kampf"- bzw., wie sie jetzt auch genannt wurden, der "Kriegshunde". Ihr Einsatz war vielfältig: Im Burenkrieg spürten sog. Sanitätshunde verletzte und im Busch verirrte britische Soldaten auf. Bei der Niederschlagung des Herero-Aufstandes im heutigen Namibia und der damaligen deutschen Kolonie Deutsch Südwestafrika wollten die Angehörigen der deutschen "Schutztruppen" auf die Dienste des gerade, d.h. 1899, vom Rittmeister Max v. Stephanitz-Grafrath geschaffenen Deutschen Schäferhundes nicht verzichten. Dies war ganz nach dem Geschmack dieses Rittmeisters und Rassisten, der noch in seinem Buch "Der Deutsche Schäferhund in Wort und Bild", das geradezu zur Bibel aller Schäferhund-Liebhaber wurde, geklagt hatte, dass ausgerechnet die preußische Armee englische Airdale Terrier statt Deutscher Schäferhunde als "Kriegshunde" einsetzte.

Doch die eigentlich hohe Zeit des Deutschen Schäferhundes kam mit dem Ersten Weltkrieg. Er wurde an allen Fronten eingesetzt. Spürte Verwundete und Verschüttete auf, zog die noch ziemlich schweren Maschinengewehre und transportierte auf seinem Rücken Meldungen zwischen den hinteren Stäben und der vordersten Front. Doch dazu wurden auch menschliche "Meldegänger" eingesetzt. Einer von ihnen wurde für seine Dienste sogar mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Sein Name war Adolf Hitler, der es noch zum "Führer" und Schäferhundbesitzer bringen sollte. Seine Schäferhunde, darunter die inzwischen dank der entsprechenden Fernsehsendungen wirklich weltbekannte "Blondi", waren mindestens so populär wie Hitler selber, als dieser sich noch darauf beschränkte, Autobahnen zu bauen und Kriege zu gewinnen.

Dass diese, wie sie von einigen Historikern immer noch so genannt werden, "Erfolge" Hitlers von Anfang an im Schatten eines immer brutaler werdenden Terrors standen, wurde und wird auch heute noch von vielen und keineswegs nur "Ewiggestrigen" gern vergessen. Und zu diesem Terror gehörten Hunde, vor allem Deutsche Schäferhunde. Sie waren sowohl Symbol wie Werkzeug des nationalsozialistischen Terrors. Kein deutsches Konzentrationslager kam ohne sie aus. Vor kaum etwas hatten die Häftlinge so viel Angst wie vor den Bestien der ebenso bestialischen SS-Männer. Nicht zu vergessen sind hier die Frauen. Verfügten doch auch die Aufseherinnen in Frauenkonzentrationslagern wie Ravensbrück über wirklich furchteinflössende Deutsche Schäferhunde. Einige von ihnen trugen wie ihre Besitzerinnen eine Art Uniform, nämlich mit SS-Runen gezierte Decken. Dies wirkt unfreiwillig komisch, weil irgendwie `typisch deutsch´. Doch das Lachen bleibt einem im Halse stecken, wenn man die Berichte von überlebenden Häftlingen liest, in denen in allen schrecklichen Details geschildert wird, wie diese Deutschen Schäferhunde ihre Opfer traktiert und nicht selten geradezu zerfleischt haben. Dies waren wirklich "Kampfhunde".

Obwohl Deutsche Schäferhunde auch im Zweiten Weltkrieg an allen möglichen Fronten und in verschiedener, vielleicht sogar für Betroffene (z.B. Verwundete) auch segensreichen Funktion eingesetzt wurden, haftete ihnen nach 1945 das KZ- und "Kampfhund"- Image lange an. Die "Kampfhund"- Diskurse der 50er und vor allem der 60er und 70er Jahre kreisten in der Regel um Deutsche Schäferhunde.

Dies war nicht unbegründet, denn schließlich werden Deutsche Schäferhunde ja keineswegs nur zum Schafehüten, sondern wie andere sog. Schutzhunde auch zur Bekämpfung von Menschen eingesetzt, von denen man annimmt, dass sie "Verbrecher" oder sonst irgendwie "böse" sind. Darauf werden Schäferhunde auch dressiert. Dabei müssen sie sich in den (allerdings gepolsterten und geschützten) Arm des Ausbilders verbeißen und selbst nach Schlagstockeinsatz nicht wiederloslassen. Im Ernstfall kann diese wirklich tollkühne Taktik für den Schäferhund tödlich ausgehen. Noch gefährdeter sind jedoch Menschen, und zwar keineswegs nur irgendwelche "Verbrecher", sondern ganz normale Passanten, die aus welchen Gründen auch immer von einem derart ausgebildeten Schäferhund angegriffen werden. Diese Gefahr wird bei einem halb oder sogar gar nicht ausgebildeten Schäferhund noch potenziert. Denn derartige aggressive Verhaltensweisen ist dieser Hunderasse nicht nur andressiert, sondern durch entsprechende Züchtung geradezu einprogrammiert worden. Und dies trifft auch auf die anderen, ähnlich ausgebildeten und nach ähnlichen Kriterien gezüchteten Schutzhunde zu. Zu nennen sind neben den Dobermännern auch die Rottweiler und selbst die Weimaraner, weil diese, wie ich finde, wirklich schöne, ja geradezu edle Hunderasse sowohl als Jagd- wie als Schutzhund Verwendung finden soll.

Dennoch haben neben den Weimaranern auch die Deutschen Schäferhunde das "Kampfhund"- Image weitgehend abgestreift, wozu ganz offensichtlich die gute PR-Arbeit des reichen und einflussreichen Deutschen Schäferhundvereins (SV) beigetragen hat. Der TV- "Kommissar Rex" tat ein übriges. Nur Dobermänner und Rottweiler stehen, übrigens neben den immer modischer werdenden Rhodesian Ridgebacks, noch im Geruch, "Kampfhunde" zu sein. Die heutige Diskussion konzentriert sich dagegen mehr und mehr auf die schon erwähnten massigen Mastinos und Mastiffs sowie die Bulldoggen, Bullterrier und Pitbulls, wobei die beiden letztgenannten übrigens meist nicht von einander differenziert werden. Warum gerade diese Rassen, die sich schon in ihrem Äußeren so wesentlich unterscheiden? Während man bei den großen Mastinos und Mastiffs noch auf die Idee kommen könnte, sie, bzw. ihre vermeintlichen antiken Vorfahren seien wirklich einmal "Kampfhunde" gewesen, die gegen Menschen eingesetzt wurden, ist diese Annahme bei den relativ kleinen Bulldoggen, Bullterriern und Pitbulls geradezu absurd.

Tatsächlich sind letztere keineswegs für den Kampf gegen Menschen, sondern gegen Tiere, und zwar zunächst, wie schon aus ihren Namen hervorgeht, gegen Stiere (bulls) eingesetzt und für diesen Zweck auch gezüchtet worden. Derartige Hund-gegen-Stier-Kämpfe kamen im England des 17. Jahrhunderts auf, um dann auf dem Kontinent im feudalen Frankreich imitiert zu werden. Dies ist bemerkenswert und erklärungsbedürftig. Entstand doch in dieser Zeit die moderne Tierliebe, und zwar wiederum zuerst in England, das auch in dieser Beziehung, um einmal Karl Marx zu zitieren, den minder entwickelten anderen europäischen Nationen den "Spiegel" ihrer eigenen späteren Entwicklung vorhielt. Nun sollen zwar sowohl in England wie Frankreich auch hochgestellte Persönlichkeiten, unter ihnen selbst Königin Elisabeth I., sich an derartigen atavistischen Tierkämpfen erfreut haben, die es seit den Metzeleien in den römischen Arenen nicht mehr gegeben hat. Veranstaltet wurden derartige Spektakel jedoch von Angehörigen der Unterschichten. Offensichtlich handelte es sich dabei um Parodien auf die vom Adel so geschätzten Parforce- und anderen Hetzjagden auf Hirsche und anderes Wild. Dies stieß bereits im 18. Jahrhundert auf die versteckte und schließlich sogar offene Kritik des aufgeklärten und tierliebenden, aber zunächst noch gänzlich machtlosen Bürgertums. Diese Kritik war erfolgreich. Selbst im notorisch obrigkeitstreuen Deutschland, das nie eine erfolgreiche Revolution erlebt hat, musste der Adel schließlich auf sein Parforce-Vergnügen verzichten. Nur die englischen Lords ließen sich davon nicht beeindrucken. Einige veranstalten immer noch derartige Hetzjagden. Heute allerdings nur noch auf Füchse.

Die Hunde-Stierkämpfe des gemeinen englischen Volkes sind dagegen schon im ausgehenden 18. Jahrhundert verboten worden. Man sann nach Auswegen. Und kam schließlich auf die Idee, die Bulldogen und Bullterriers nicht gegen Stiere, sondern gegeneinander kämpfen zu lassen. Dies war auch einfacher. Statt großer Kampfplätze wie des Pariser Place du Combat, der erst nach 1945 in Place du Colonel Fabien umgenannt wurde, benötigte man nur kleine hölzerne Arenen oder Gruben, die im Englischen "pit" genannt werden, woher der Pitbull seinen Namen hat. Derartige Hundekämpfe sollen sich im England des 19. Jahrhunderts und schließlich auch in den USA großer Beliebtheit erfreut haben, und zwar vor allem bei Angehörigen der Unterschichten. Wann und ob sie jemals ganz eingestellt wurden, ist nicht ganz klar. Sicher ist dagegen, dass sie in Deutschland niemals stattgefunden haben. Auch die für diese Hundekämpfe eingesetzten Rassen wie Bullterrier und Pitbulls gab es bis vor kurzem bei uns nicht. Sie sind wie andere Produkte der Postmoderne vor allem aus Amerika bei uns eingeführt worden. In Amerika, seit kurzem aber auch in Rußland, sollen auch immer noch oder wieder derartige Hundekämpfe durchgeführt werden. Ob dies auch in Deutschland der Fall ist, ist umstritten. Wenn es tatsächlich derartiges gibt, so allenfalls im Halb- und Unterweltmilieu.

Fakt ist jedenfalls, dass es zunächst vor allem Zuhälter waren, die sich derartige "Kampfhunde" aus Amerika kommen ließen. Dann wurden sie auch bei anderen Zeitgenossen populär. Dazu beigetragen haben wie immer vor allem die Medien, die in scheinbar skandallosen und anderen sog. saure-Gurken-Zeiten mit dem "Kampfhund"- Thema die Auflagen und Quoten erhöhen wollten. Dies war unbezahlte Werbung für die erwähnten Hunderassen, die jetzt von skrupellosen Züchtern zu Tausenden und jeweils für tausende von Mark auf den Markt geworfen wurden. Alle möglichen Menschen, die noch vor kurzem mit einem umfrisierten Manta auf sich aufmerksam gemacht haben, machten jetzt mit einem tatsächlichen oder auch nur angeblichen "Kampfhund" auf sich aufmerksam. Neben Zuhältern und anderen Angehörigen der Unterwelt trifft dies in zunehmendem Maße auch auf solche, meist noch relativ junge Männer zu, die schon an ihrem "outfit" als Rechtsradikale erkennbar sind und erkennbar sein wollen. Doch verschiedene Gegner dieser "Faschos" aus dem Spektrum der "autonomen Antifa" sind inzwischen ebenfalls auf den "Kampfhund" gekommen. Bemerkenswert ist schließlich, dass sich auch ein bestimmter Frauentyp nur in Begleitung eines "Kampfhundes" auf die Straße traut.

All dies sagt viel über den heutigen Zustand der Gesellschaft aus und sollte daher vor allem Soziologen und Psychologen interessieren. Doch sie haben sich bisher auffallend wenig geäußert. Um so mehr haben dies bisher tatsächliche oder selbst ernannte Kynologen getan. Ihre Stellungnahmen sind aber sehr ambivalent und teilweise geradezu konträr ausgefallen. Während einige vor der ständigen Vermehrung dieser "Kampfhunde" warnen, bezweifeln andere schlicht ihre Existenz und halten es für unsinnig, alle beißenden Hunde zu "Kampfhunden" zu erklären.

Aus Sicht des Historikers ist zu sagen, dass es in der Geschichte ganz offensichtlich keine "Kampfhunde" gegeben hat, die zum Kampf gegen Menschen benutzt und dazu auch dressiert und gezüchtet worden sind. Was es gegeben hat und immer noch gibt, sind einmal Schutzhunde, die für die Bekämpfung von tatsächlichen oder auch nur angeblichen "Verbrechern" eingesetzt wurden und werden. In den zurückliegenden Kriegen der Moderne haben diese Schutzhunde auch als Kriegshunde Verwendung gefunden. Darüber hinaus sind Hunderassen wie Bulldogen, Bullterrier und Pitbulls zunächst für Kämpfe gegen Stiere, dann gegen ihre eigenen Artgenossen eingesetzt worden. Derartige Hundekämpfe hat es in England und den USA sowie neuerdings auch in Rußland gegeben. In Deutschland waren sie jedenfalls bis vor kurzem unbekannt. Ob die für diese Zwecke gezüchteten Hunderassen nicht nur für andere Hunde, sondern auch für die Menschen besonders gefährlich sind, ist umstritten.

Unumstritten ist, dass jeder Hund unter bestimmten Umständen beißt. Dies hängt sowohl von ihm wie von den Umständen und den Menschen ab. Jeden Hund, der einmal einen anderen Hund oder gar einen Menschen, gebissen hat, zum "Kampfhund" zu erklären, ist absurd. Damit wird das Problem nur dämonisiert und nicht gelöst. Schließlich handelt es sich keineswegs nur um das "Kampfhund"- noch nicht einmal um ein Hunde-, sondern um ein Hund-Mensch-Problem. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf seine zumindest körperliche Unversehrtheit. Dies müssen Hunde und ihre Halter wissen und beachten. Doch auch Hunde und ihre Halter haben bestimmte Rechte. Sie werden einmal durch Tierschutzgesetze geregelt. Hinzu kommt jedoch auch das in der Moderne zum Gewohnheitsrecht aller gewordene Recht, sich Hunde zu halten, die einen bestimmten materiellen, z.B. als Blinden- , Jagd- und Schutzhund, aber auch immateriellen Zweck haben, weil sie bestimmte psychische Bedürfnisse der Menschen erfüllen oder schlicht als Bereicherung ihrer Lebensqualität angesehen werden. All dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Das Hund-Mensch-Problem ist nicht gelöst und wird auch so schnell nicht gelöst sein. Dennoch, ja gerade deshalb ist es notwendig, über Lösungswege weiterhin nachzudenken.

Mit freundlicher Genehmigung des Volksbund Naturschutz e.V.

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